Das Small-World-Phänomen oder Kleine-Welt-Phänomen (engl.: Small world phenomenon) ist ein 1967 geprägter soziologischer Begriff, der den hohen Grad an sozialer Vernetzung in der modernen Gesellschaft durch persönliche Beziehungen bezeichnet. Es bezeichnet eine Theorie, nach der jeder Mensch auf der Welt mit jedem anderen über eine Kette von Bekanntschaftsbeziehungen verbunden ist.
Der Begriff geht auf den amerikanischen Psychologen Stanley Milgram zurück, der in den 1960er Jahren experimentell feststellte, dass beliebige Menschen durch eine Kette nur wenigen miteinander bekannten Personen verbunden sind. Er gab Versuchspersonen einen Brief an eine ihnen völlig unbekannte Zielperson, den sie an einen Bekannten schicken sollten, von dem sie glaubten, dass er dem Adressaten näherstehen würde. Dieser sollte dann ebenso verfahren, bis der Brief schließlich sein Ziel erreichte. Solche Ketten bestanden durchschnittlich aus 6 Personen ("six degrees of separation").
Das Small-World-Phänomen lässt auch auf andere Netzwerke und Graphen übertragen. Das Grundprinzip ist dies, dass einzelne Objekte, z.B. Personen, als Knoten repräsentiert sind, zwischen denen eine Kante besteht, wenn zwischen ihnen eine bestimmte Beziehung (beispielsweise Bekanntschaft) besteht. Nach diesem Muster sind unter anderem die Erdös-Zahl und die Bacon-Zahl definiert.
In Small World-Netzwerken beobachtet man zwei Phänomene. Erstens ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass zwei Knoten, die jeweils eine Kante zu einem dritten Knoten haben, auch untereinander verbunden sind. Auf soziale Netzwerke übertragen bedeutet das, dass die Freunde einer Person meistens auch untereinander bekannt sind, weil sie sich über den gemeinsamen Freund kennengelernt haben.
Mathematisch wird diese Tatsache über den Clustering-Koeffizienten beschrieben, der für Small World-Netzwerke durchschnittlich sehr hoch ist.
Zweitens ist der Durchmesser dieser Netzwerke relativ klein. Das bedeutet, dass eine Nachricht, die jeweils von einem Knoten über eine Kante zu allen seinen Nachbarknoten weitergereicht wird, in kürzester Zeit alle Knoten in dem Netzwerk erreicht hat.
Bekannte Kleinwelten sind beispielsweise das amerikanische Stromnetz, nahezu alle Teilmengen von sozialen Netzwerken, eine Submenge der Seiten des WWW, sonstige Artikel, bspw. in einer Enzyklopädie, die miteinander durch Verweise verlinkt sind und auch die Router des Internet.
Aufgrund neuerer Untersuchungen gelten die Hypothesen Milgrams auch für Kommunikationswege per E-Mail.
Die spezielle Vernetzung eines Small-World-Netzwerkes macht ein solches robust gegen den Ausfall einiger Knoten oder Kanten. Falls aber 'wichtige' Knoten gezielt entfernt werden, zerfällt das Netzwerk schnell in Teilnetze. Dies ist der Grund, warum der Ausfall nur weniger Router im Internet weitrechende Auswirkungen haben kann.
Dem Small World Phänomen wurde mit dem auch verfilmten Theaterstück "Six Degrees of Separation" von John Guare (1993) auch ein künstlerisches Denkmal gesetzt.
Literatur
- Stanley Milgram: The Small World Problem. In: Psychology Today, Mai 1967, S. 60-67
- Mark Buchanan: Small Worlds. Spannende Einblicke in die Komplexitätstheorie. Campus Sachbuch, 2002 ISBN 3-593-36801-3
- Duncan J. Watts: Six Degrees - The Science of a Connected Age. W.W. Norton & Company, 2003 ISBN 0-393-04142-5
- Duncan J. Watts: Small worlds. Princeton University Press 1999. ISBN 0-691-00541-9
Siehe auch
- [[Gemeinschaft