Als Umgangsformen, Etikette, Guten Ton, Anstand oder Manieren bezeichnet man diejenigen Regeln, die unabhängig davon, was juristisch erlaubt oder verboten ist, dazu dienen, das menschliche Zusammenleben möglichst reibungslos und angenehm zu machen. Die Umgangsformen können je nach Kulturkreis erhebliche Unterschiede aufweisen.
Anstand
Anstand ähnelt der Höflichkeit und der Fairness und bezeichnet ein Verhalten, das dem Gegenüber seine Persönlichkeit lässt und ihn nicht bloßstellt oder benachteiligt.
Moralische Anständigkeit geht aber noch über die Höflichkeit hinaus, denn sie ist mit Hilfsbereitschaft, mit Toleranz, dem Respekt vor dem Anderen und mit Mitmenschlichkeit (Humanität) verbunden. Hier ähnelt die Anständigkeit der Fairness und lässt dem Gegenüber eine Chance. Diese Regeln sind abhängig von der Kultur des jeweiligen Landes.
Begrüßung und Abschied
Zu den global gültigen Umgangsformen zählt das Grüßen beim Kommen und Gehen. Während in Mitteleuropa meist kurze Grüße bevorzugt werden, sind ihre Formen im Süden, Osten und im Orient viel "körperbetonter".
Händeschütteln
- Wenn wir jemandem die Hand reichen, und er/sie lässt sie zu lange nicht aus, empfinden wir das als aufdringlich. Aber bereits in Italien, noch mehr aber in Nahost könnte ein zu kurzer Händedruck als gezwungene, nur kühle Begrüßung gedeutet werden. Es wird jeweils die rechte Hand geschüttelt. In Mitteleuropa steht ein Mann stets auf, wenn er einer Person die Hände schüttelt. Männer mit schwachem Händedruck können beim Gegenüber den Eindruck einer nicht selbstbewußten Person vermitteln.
- Auf 'vornehmen' Veranstaltungen ist nur noch selten der Handkuss üblich. Doch ist es ohne gewisse Übung (beidseits) besser, darauf zu verzichten. Denn wenn die Dame ihre Hand zu deutlich (oder zu wenig) hebt, kann es peinlich sein. Noch mehr aber, wenn der Herr seine Lippen tatsächlich auf die Hand drückt.
- In Südosteuropa, im Orient oder gar in der Volksrepublik China und Japan gilt es als unfein, ein Gespräch zu rasch zum Kern der Sache zu bringen. In großen Teilen Afrikas muss sogar ein richtiggehendes Palaver vorangehen - umso länger, je wichtiger die Angelegenheit und je hochgestellter die Beteiligten sind. Für uns ist das Wort Palaver eher negativ belegt, doch hat es in wärmeren Ländern auch den Zweck, das Gegenüber vor den entscheidenden Gesprächsphasen etwas näher kennen zu lernen.
- Ein Ladenbesitzer in einem Basar ist enttäuscht, wenn ein potentieller Kunde, der nicht fündig wird, sich zu rasch zum Gehen wendet. Manchmal versucht er, einen 'unruhigen Gast' noch rechtzeitig zu einem Glas Tee zu bewegen. Wenn es gelingt, ist ein eventueller Geschäftsabschluss oft weniger wichtig als diese kleine Gastfreundschaft.
Umarmen und "Bruderkuss"
Was die Körpersprache beim Grüßen betrifft, ist bei derzeit ein gewisser Wandel im Gange. Vor relativ kurzer Zeit betrachtete man in Mitteleuropa eine Umarmung oder einen Begrüßungs-Kuss als Privileg unter Russen oder Franzosen. In Jugendkreisen ist es inzwischen teilweise üblich - täuscht jedoch oft eine (noch) nicht vorhandene Vertrautheit vor.
Wird man dann mit drei statt zwei Wangenküssen begrüßt oder verabschiedet, ist der prägende Ausdruck von länderspezifischen Umgangsformen zu spüren, und lässt manche/n Deutsche/n etwas verwirrt zurück. Doch schon zwischen Süden und Norden im deutschen Sprachraum können Abschiedsworte wie "Tschüs", "Ciao", "Baba" oder "Grüezi" Erstaunen hervorrufen. Wer jedoch ein bayrisches "Grüß Gott" mit einem lakonischen "Tach" beantwortet, begeht fast einen Fauxpas des Taktgefühls.
Bekleidung
Unsere die Kleidung betreffenden Gebräuche haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gelockert. Dennoch gibt es Berufe, wo eine gewisse äußere Erscheinungsform erwartet wird. Dazu gehört das Sakko oder nicht zu offenherzige Kleider bei Bankangestellten, oder ein wirklich sauberer Mantel beim Arzt.
Bekannt ist, dass man Moscheen nicht mit Schuhen betreten darf. Doch oft gehen Urlauber in Kirchen eines besuchten Landes, ohne die üblichen Regeln wie bedeckte Oberarme zu beachten. Bei Unsicherheit ist es am besten, sich beim Eintritt verhalten zu bewegen oder kurz die Einheimischen zu beobachten.
Unberührt von gesellschaftlichen Entwicklungen halten einige der großen, traditionellen Spielbanken in Europa an ihren Kleiderordnungen fest, ohne deren Einhaltung Spielern der Zutritt zu den Spielsälen nicht gestattet ist.
Anderes
In den östlicheren Teilen Europas, ungefähr ab und einschließlich Österreich, ist es unhöflich, eine fremde Wohnung mit Straßenschuhen zu betreten. Gastgeber sollten entsprechende Hausschuhe bereitstellen. In manchen Balkanländern gibt es sogar entsprechende Häuservorbauten (Papučluk), die nur dem Abstellen von Straßenschuhen dienen.
Zitat
- Alle benehmen sich schlecht. Man muss ihnen nur die Gelegenheit bieten. - Ernest Hemingway (Fiesta)
Literatur
- Asfa-Wossen Asserate: "Manieren". Eichborn-Verl., Frankfurt am Main 2003, 388 S., ISBN 3-8218-4739-5 (unter Mitwirkung von Martin Mosebach)
- Karlheinz Graudenz: Das Buch der Etikette, unter Mitarbeit von Erica Pappritz, Marbach am Neckar: Perlen-Verlag, 1956
- Karlheinz Graudenz; Erica Pappritz: Etikette neu, 12., völlig neu bearb. Aufl., München: Südwest-Verlag, 1971, ISBN 3-517-00026-4.
Siehe auch
Siehe auch zu Umgangsformen
- Adolph Freiherr Knigge
- Anrede
- Asfa-Wossen Asserate
- Benimmunterricht
- Diplomatie
- Netiquette
- Taktgefühl
- Tischsitten
- "Umgangsformen, Benehmen, Verhalten", schulisches Unterrichtsfach in Bremen
Siehe auch zu Anstand
Weblinks
- http://www.benehmen-sie-sich.de/ - Der Ratgeber für Stil & Etikette im Internet
- Claudia Schmölders: Die Wiederkehr der Höflichkeit
- http://www.business-knigge.com/ - Business Etikette in Deutschland von Joachim Graff & Gretchen Schaupp