Spricht man von afrikanischer Kunst, so meint man damit die Kunst Schwarzafrikas, die sich - wie auch die übrige Kultur - vom arabischen Norden des Kontinents, den Staaten des Maghrebs, unterscheidet und die künstlerische Produktion vieler sehr verschiedener Ethnien umfasst. Die bäuerlichen Strukturen Afrikas, die hauptsächlich Holzskulpturen hervorbrachten, die klimatischen Bedingungen und ein Lebensraum, der es Termiten und anderen Schädlingen leicht macht, haben fast keine historischen Objekte der traditionellen afrikanischen Kunst überliefert. Da die künstlerisch gestalteten Werke des damals kolonisierten Kontinents erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa als Objekte authentischer Kulturen geschätzt, erforscht und vor allem gesammelt wurden, sind die meisten Werke in den Museen und Sammlungen innerhalb wie außerhalb Afrikas sowie auf dem Kunstmarkt mit wenigen Ausnahmen nicht älter als 150 Jahre. Heute überholte, diskriminierend klingende Begriffe wie Primitivismus, Negerplastik (Carl Einstein) oder (in Frankreich) art negre waren affirmative Schlagworte der Klassischen Moderne, die sich die klaren Formen und die zeitlose Aura der afrikanischen Objekte zum Vorbild nahm.
Traditionelle Kunst
Die Kunst der Völker Afrikas ist fest mit Mythologien, Festen und Ritualen verbunden: die Welt der Ahnen und Götter lebt in der Kunst weiter. Die meisten der Masken und Figuren gelten als Schutz gegen böse Kräfte und Krankheiten. Sie werden bei Erntedankfesten oder anderen zeremoniellen Feierlichkeiten (Beschneidungsritual, Feste zu Ehren einzelner Götter, Ahnengedenken. etc.) getragen. Einige Figuren sind auch Symbole der Fruchtbarkeit.
Erhaltene Objekte der künstlerischen Gestaltung sind v.a. Masken und Kopfaufsätze, Prunkstäbe und Stabaufsätze, Throne und Hocker (Karyatidenhocker), Grabstatuetten und Ahnenfiguren, rituelle Statuetten, Fetische und Reliquiare sowie geschnitzte Türen.
Die wichtigsten Kunstzentren verteilen sich auf dem Gebiet folgender heutiger Nationalstaaten:
Mali | Skuptur der Dogon und Bamana |
Guinea | Skulptur der Baga |
Burkina Faso | Skulptur der Bobo und Mossi |
Elfenbeinküste | Skulptur der Senufo, Dan und Baule |
Ghana | Skulptur der Ashanti |
Nigeria | die alte Kunst von Nok, Ife und Benin; die Skulptur der Yoruba, Igbo, Ibibio, Ijo, Ejagham, im Norden die Kunst der Jukun, Chamba und Tiv |
Kamerun | Skulptur des Graslands (Bamileke, Bamum) |
Gabun | Skulptur der Fang, Kota, Kwele, Tsogo und Punu-Lumbo |
Republik Kongo | Skulptur der Mbochi-Kuyu, Bembe, und Teke |
Demokratische Republik Kongo (Zaire) | Skulptur der Bakongo und Yombe, der Luba, Songye, Kuba, Luluwa, Pende, Yaka und Lega |
Angola | Skulptur der Tschokwe |
Frühe Hochkulturen
Die Ursprünge der afrikanischen Kunst liegen in der Frühgeschichte des Kontinents. Felsritzungen in der Sahara (Niger) sind circa 6000 Jahre alt. Die frühesten bekannten Skulpturen stammen von der Nok-Kultur aus Nigeria und datieren um 500 vor Chr.. Auch die Kunst des Alten Ägypten beeinflußte die Gestaltung der Objekte, die südlich der Sahara hergestellt wurden. Abgebildet wurde die überreiche Natur bei gleichzeitiger Tendenz zur Abstraktion bei der Darstellung von Tieren, Pflanzen oder natürlichen Formen. Um das 13. Jahrhundert entstanden komplexere Methoden der Herstellung von Kunst, verbunden mit der Verbreitung des Islam und seinem Formenvokabular. Bronze- und Messingguss, oft geschmückt mit Elfenbein oder Edelsteinen, wurde in weiten Teilen Westafrikas geschätzt. Die Künstler waren oftmals an Königshöfen tätig wie jenen von Benin.
Westafrika
Sudanesische Savanne
- Region von Djenne
- Region von Ségu
- Dogon
- Im Osten Malis und Westen von Burkina Faso, bekannt durch ihre hoch stehende Holzschnitzkunst (Masken und Skulpturen) und wegen ihrer Schöpfungsmythologie. Die Dogon, ihre Dörfer und das Hauptsiedlungsgebiet, Bandiagara, wurden zum UNESCO-Welterbe erklärt.
- Bambara
- 30% der Gesamtbevölkerung Malis, der Mandingo-Songhai-Gruppe angehörend. Neben den Dogon sind die Bambara oder Bamana die wichtigsten Schnitzkünstler.
- Mossi
- Burkina Faso, ca. 50% der Bevölkerung, Webarbeiten, Batiken, Schnitzkunst,
- Bobo
- West-Burkina Faso, Schnitzkunst
- Nuna
- Senufo
- Nördliche Elfenbeinküste, Poro-Kult, Webarbeiten, Batiken, Schnitzkunst
- Hwela
- Ligbi
- Komo-Kultur
- Gurunsi
- Süden von Burkina Faso, Schnitzkunst
- Lobi
- Burkina Faso, südwestlicher Teil des Landes, Schnitzkunst
- Toussiana
- Kleine Gruppe in Burkina Faso, Schnitzkunst, Webarbeiten
Die nördliche und westliche Guineaküste
- Soninke
- Die Soninke, auch Sarakole, Seraculeh oder Serahuli genannt, gehören der Mandé-Gruppe an und stammen von den Bafourab, sind somit Verwandte der Imraguen, die an der atlantischen Küste Mauretaniens leben. Die Soninke sind die Gründer des alten Reiches von Ghana, das seinen Höhepunkt zwischen dem 7. und dem 10. Jahrhundert hatte.
- Baga
- Die Baga, zu denen die Landuman, die Nalu und die eigentlichen Baga gehören, leben in der Republik Guinea in den sumpfigen Küstengebieten und verwenden ungewöhnlich große Masken. So ist die Nimba-Maske die monumentalste bekannte afrikanische Maske und kann bis zu 60 Kilogramm wiegen. Sie stellt Fruchtbarkeit dar und wird zur Erntezeit benutzt. Über einer großen, glockenartigen Büste, die manchmal mit einem Rock aus Pflanzenfasern versehen ist, erhebt sich ein mächtiger Kopf mit einer hakenförmig gebogenen Nase. Der Träger blickt durch Löcher, die zwischen die Brüste gebohrt werden, und ist selbst von den Fasern verdeckt. Die Proportionen von Oberkörper, Hals und Kopf sowie die Feinheit der Modellierung von Ohren, Nase und anderen Details lassen die Unterscheidung unterschiedlicher Qualität zu.
- Dan
- Die Dan leben in den Grenzregionen von Elfenbeinküste und Liberia. Es gibt eine sehr große Anzahl von Splittergruppen, die der Dan-Familie angehören. Diese kleineren Gruppen leben auch in Guinea und Sierra Leone. Schnitzkunst, Masken und Figuren
- Boulé oder Baule
- Süd-östliche Elfenbeinküste, Schnitzkunst
- Akan
- Das größte Volk der Akan, die Ashanti, gründete das Königreich der Ashanti: Süd-östliches Ghana, bedeutende Goldschmiedekunst, Weberei, Töpferei, Holzschnitzkunst.
- Yoruba
- Die Yoruba sind in Afrika die mit Abstand größte ethnische Gruppe mit einer bildhauerischen Tradition. Darunter fallen nicht nur Holzbearbeitungen, sondern auch Elfenbeinschnitzereien, Gelbgussarbeiten und Werke aus Perlen. Die größten Masken sind die epa-Masken, die bis zu 50 Kilogramm wiegen und an die zwei Meter Höhe erreichen können. Einige der Städte, in denen z.B. die Owo oder die Ife leben, sind seit über 700 Jahren Zentren künstlerischen Schaffens. Stilistische Ähnlichkeiten mit plastischen Werken der Nok-Kultur lassen eine 2500 Jahre zurückreichende künstlerische Kontinuität vermuten.
Die östliche Guineaküste
Bekannt ist die Nok-Kultur in Zentral-Nigeria vor allem durch die eindrucksvollen Terrakotten, die für Tausende von Euro auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Kennzeichnend für die stilisierten Tier- und Menschendarstellungen sind die elliptischen bis dreieckigen Augen, deren Pupille durch eine Vertiefung angedeutet ist. Individuelle Merkmale wie Bärte, Schmuck und extravagante Frisuren oder Kopfbedeckungen betonen die kunstvolle Ausführung der ausdrucksstarken Figuren. Die raue und körnige Oberfläche ist auf Erosion zurückzuführen. Der ehemals glatte Engobe-Überzug der hohlen Figuren ist verwittert. Nur ausnahmsweise sind die Terrakotten vollständig, oft nur Fragmente erhalten. Die Nok-Figuren, datiert zwischen 500 v. Chr. und 200 n. Chr., gehören zur ältesten Figuralkunst Schwarzafrikas.
- Mehr Information im Hauptartikel: Nok-Kultur
Das atlantische Äquatorialafrika
Das Zairebecken
Ostafrika
Zeitgenössische Kunst
Seit in den westlichen Kunstdiskursen die als Peripherie bezeichneten Ränder des Kunstbetriebs gegenüber den bekannten Zentren verstärkt in den Vordergrund gerückt werden, erhalten auch die zeitgenössischen Künstler aus afrikanischen Ländern mehr Aufmerksamkeit. In Dakar (Senegal) und Johannesburg (Südafrika) finden Kunstbiennalen mit internationaler Beteiligung statt. Der aus Nigeria stammende, in New York und Mexiko-Stadt lebende Kurator Okwui Enwezor leitete sowohl die 2. Biennale von Johannesburg wie die documenta 11 in Kassel.
Zeitgenössische Künstler aus afrikanischen Ländern:
- Georges Adéagbo (Benin)
- Zarina Bhimji (Uganda/Großbritannien)
- Mo Edoga (Nigeria/Deutschland)
Spezialmuseen und Sammlungen
Siehe auch
Literatur
- Hans Himmelheber: Afrikanische Masken, München 1960
- Pierre Meauzé: Afrikanische Skulptur, Busse 1969
- Werner Forman und Dmitrij Olderogge: Afrikanische Kunst, Hanau 1984
- Stefan Eisenhofer und Karin Guggeis: Afrikanische Kunst. Fakten, Preise, Trends, München 2002