Die Nubische Geschichte in der Antike ist durch das Reich von Kusch geprägt.
Vorgeschichte
Nubien ist grob gesehen die Bezeichnung des nördlichen Sudan. Das Gebiet grenzt nördlich direkt an Ägypten und es ist daher kein Wunder, dass die Geschicke beider Länder eng miteinander verbunden sind. Nubien ist reich an Rohstoffen, vor allem an Gold, so dass es schon früh von seiten der Ägypter Bestrebungen gab diese Rohstoffe auszubeuten. Im Mittleren Reich (ca. 2000-1700 v. Chr.) ist Unternubien (vom 1. bis zum 2. Katarakt) von Ägypten erobert worden. In derZweiten Zwischenzeit kam es zum ersten Mal in Nubien mit der Kerma-Kultur zu einer Staatsbildung. Dieser Staat wurde um 1550 v. Chr. von den Ägyptern vernichtet.
Nubien im Neuen Reich
Im ägyptischen Neuen Reich (ca. 1550 - 1080 v. Chr.) war Nubien bis zum 4. Katarakt eine ägyptische Provinz. Besonders der Norden des Landes stand auch unter starken kulturellen ägyptischen Einfluss. Nubien wurde von einem Beamten, dem Vizekönig von Kusch verwaltet, der seinen Amtssitz in Aniba hatte und nur dem König unterstellt war. Das Schicksal Nubiens nach dem Untergang des ägyptischen Neuen Reiches ist umstritten. Es gibt Anzeichen, dass zumindest Unternubien formel noch zu Ägypten gehörte, doch ist es bis jetzt in der Forschung vollkommen umstritten, wie es dann schließlich zu einer Staatenbildung um 750 v. Chr. kam.
Das Reich von Kusch
Die Geschichte des antiken Reiches von Kusch kann grob in zwei Phasen unterteilt werden: die napatanische und die meroitische. In der napatanischen Phase (ca. 750 - 300 v. Chr.) sind ägyptische Traditionen noch sehr stark. Die Könige sind in den Nekropolen um Napata begraben worden. Ab 300 v. Chr. sind die Herrscher in Meroe bestattet worden, die Kultur des Landes wird nun immer afrikanischer und ab ca. 150 v. Chr. wird auch eine eigene Sprache mit einer eigenen Schrift verwendet.
Unsicherheiten bezüglich der Datierung
Die nubische Geschichte stellt die Forschung vor zahlreiche Probleme. Die ersten Könige sind, da sie teilweise über Ägypten herrschten, relativ gut bekannt. Ihre Reihenfolge und Datierung stellt kaum ein Problem da. Die nachfolgenden Herrscher sind bisher aber nur in Nubien selbst bezeugt. Es sind bisher keine nubischen Königslisten erhalten, die uns ein chronolgisches Gerüst liefern könnten. Die Reihenfolge und Anzahl der Herrscher ist deshalb sehr ungewiss. George Reisner, der Ausgräber der nubischen Pyramiden, stellte eine erste Königsliste zusammen. Er untersuchte den Standort und die Größe der Pyramiden und errechnete daraus die Reihenfolge und die Regierungslängen der Herrscher, wobei er davon ausging, dass die älteren Herrscher die besten Standorte für ihre Pyramiden auf einem Friedhof auswählten, während die späteren Herrscher weniger günstige Orte als Bauplatz wählen mussten. Eine große Pyramide deutete er als lange Regierungszeit, eine kleine Pyramide als kurze. Diese Einordnungen sind in der heutigen Forschung sehr umstritten. Einerseits ist von vielen Pyramiden nicht der Name des Eigentümers überliefert, daneben muss eine große Pyramide nicht unbedingt auf eine lange Regierungszeit oder eine kleine Pyramide nicht unbedingt auf eine kurze Regierungszeit deuten. Von nur wenigen Herrschern sind Jahresdaten überliefert. Nur einige wenige Male sind Verwandschaftbeziehungen von Herrschern bezeugt, die wiederum eine Reihefolge von Königen sichern (Aspelta bezeichnet sich z.B. als Sohn des Senkamanisken und Bruder des Analamani).
Es gibt bisher nur drei chronologische Fixpunkte für die nubische Geschichte, die allerdings auch Fragen offen lassen:
- Im Jahr 591 v. Chr. startete der ägyptischer König Psammetich II. eine Expedition nach Nubien. Diese Expedition fand eventuell unter Aspelta statt.
- König Ergamenes wird in griechischen Quellen genannt und soll Zeitgenosse von Ptolemaios II. gewesen sein.
- Teqorideamani regierte im Jahr 253 n. Chr.
Napatanischen Phase
Um 750 v. Chr. (eventuell auch bereits um 1000 v. Chr.) gründeten nubische Fürsten in der Gegend von Karima einen Staat, der den altägyptischen Namen Kusch übernahm und rasch expandierte. Als Ahnherr erscheint in späteren Quellen ein König Alara. Schon kurz nach ihm wurde um 700 v. Chr. Ägypten angegriffen. König Kaschta, der Nachfolger von Alara, scheint dabei die südlichsten Teile von Oberägypten erobert zu haben. Pije erobert in einem Feldzug dann aber das ganze Land, doch scheint er keine dauerhafte Herrschaft ausgeübt zu haben, die erst seine Nachfolger einrichten konnten.
Die nubischen Könige herrschten als 25. Dynastie über Ägypten, wobei die Art dieser Herrschaft in der Forschung umstritten ist. Oberägypten war sicherlich meist in fester nubischer Hand, für Unterägypten ist dies nicht so sicher. Vor allem Taharqa entfaltete in Ägypten eine umfangreiche Bautätigkeit und tritt uns als Pharao in den Quellen entgegen. Hauptstadt war jedoch Napata in Nubien, wo die nubischen Herrscher auch in Pyramiden bestattet worden sind. Um 660 v. Chr. erlangte Ägypten mit assyrischer Hilfe die Unabhängigkeit von Nubien, das kuschitische Fürstenhaus herrschte jedoch weiterhin südlich von Ägypten. Tanotamun ist der letzte in Ägypten regierende Herrscher. Die Reihenfolge und ungefähre chronologische Reihenfolge der folgenden vier Herrscher (Atlanersa, Senkamanisken, Analamani, Aspelta ) ist noch gesichert. Sie sind gut durch diverse Monumente belegt und sind miteinander verwandt gewesen. Von Aspelta (ca. 593-568 v. Chr) gibt es sogar diverse lange Inschriften, die uns über diverse Ereignisse seiner Regierungszeit unterrichten. Der Herrscher war evemtuell sogar in Kämpfe mit Ägypten verwickelt. Die nubische Kultur, zumindest, die des Hofes, war zu dieser Zeit noch rein ägyptisch.
Von den Königen nach Aspelta ist dagegen nur sehr wenig bekannt. Die meisten Herrscher des 5. und 6. vorchristlichen Jahrhunderts sind nur auf wenigen Denkmälern bezeugt, oftmals ist es nur die Pyramide dieser Könige, die den Namen eines Herrscher überliefert. Ägypten war zu dieser Zeit Teil des persischen Reiches und es kann vermutet werden, dass der Handel mit dem nördlichen Nachbarn, der sicherlich immer einer bedeutende Rolle spielte, größtenteils zum erliegen kam, was wiederum auch Auswirkungen auf den Wohlstand in Nubien hatte.
Seit dem Ende des 5. vorchristlichen Jahrhunderts scheint Nubien wieder erstarkt zu sein. Zumindest gibt es eine verstärkte Bautätigkeit der Herrscher und es gibt diverse lange Inschriften (siehe: Arikamaninote, Nastasen, Harsijotef), die über diverse Ereignisse berichten. Hauptstadt ist in der Zwischenzeit Meroe geworden, auch wenn die Herrscher weiterhin im Norden (Nuri) begraben worden sind. Harsijotef hatte eine besonders lange Regierungszeit von mindestens 35 Jahren. Er berichtet, wie auch die anderen Herrscher, von Kämpfen gegen Nomaden, die das Reich bedrohten aber auch von seiner Krönungsreise, die er zu Regierungsbeginn antreten musste um alle wichtigen Tempel des Landes zu besuchen und um die Zustimmung der dortigen Götter zu erhalten. Die Inschriften dieses und der anderen Herrscher sind in ägyptischen Hieroglyphen verfasst, doch ist immer mehr zu beobachten, dass die Kenntnisse dieser Schrift und Sprache verloren gingen. Die Texte des Aryamani auf zwei Stelen sind kaum noch lesbar.
Meroitische Phase
Ergamenes (Arkamani) (um 280 v. Chr.) ist der erste Herrscher, der der meroitische Epoche zugeordnet wird. Er ist einer der ganz wenigen Könige, der von einem klassischen Autor, in diesem Fall Diodor, erwähnt wird. Diodor berichtet, dass Ergamenes in griechischer Philosophie unterichtet worden sei und dass er sich den Priestern verweigerte. Nach Diodor war es nämlich zuvor Sitte, dass die Priester entschieden, wann der König zu sterben habe. Ergamenes widersetzte sich diesem Befehl und soll die Priester mit einer Armee geschlagen und sie getötet haben.
Ob diese Geschichte wahr ist, kann nicht gesagt werden, doch scheint mit Ergamenes tatsächlich eine neue Epoche zu beginnen. Obwohl Meroe wohl schon früh Hauptstadt von Kusch war, so ist Ergamenes der erste Herrscher, der dort auch seine Pyramide errichtete und dort begraben wurde.
Von den folgenden Königen ist nicht viel bekannt und wir kennen sie meist nur von ihren Pyramiden. Arnekhamani, der vielleicht um 220 v. Chr. regierte, erbaute einen großen Tempel in Musawwarat es-Sufra. Kulturell fällt auf, dass man sich immer mehr von ägyptischen Vorbildern löste; die meroitische Kunst und Kultur wurden immer afrikanischer, nimmt aber auch hellenistische Elemente auf. Es gibt auch Hinweise darauf, dass man gegen die Ptolemäer in Ägypten kämpfte und teilweise auch deren Gebiete in Unternubien eroberte, so sind z.B. Adikhalamani und Arqamani dort mit Tempelbauarbeiten bezeugt.
Unter der ersten belegten, regierenden meroitischen Königin Shanakdakheto sind die frühsten datierbaren meroitischen Inschriften bezeugt. In der Folge herrschten häufig Königinnen über das Reich, so Amanirenas oder Amanishakheto. Auch Kandaken (Königinnen) wie Amanitore verfügten häufig über großen Einfluss.
Im Jahr 24 - 25 v. Chr. kam es zu einem militärischen Konflikt mit Rom. Kaiser Augustus entsandte Truppen nach Nubien um das Land zu erobern. Die alte meroitische Hauptstadt Napata wurde in einem Krieg mit den Römern stark beschädigt und geplündert. Die Truppen zerstörten auch andere Ortschaften, sind dann aber von den Nubiern geschlagen worden. Zu dieser Zeit scheint Königin Amanirenas regiert zu haben, die ihren Sieg auch auf zwei Stelen feiern ließ. Die in meroitisch verfassten Texte sind leider jedoch immer noch weitestgehend unverständlich und man meint nur Schlüsselworte wie 'Rom' verstehen zu können. Kurz danach kamm es zu einer neuen wirtschaflichen und kulturellen Blütezeit. Königin Amanishakheto ist durch Inschriften im ganzen Land gut bezeugt. Der um Christi Geburt regierende König Natakamani und die mit ihm regierende Amanitore sind im ganzen Land durch Tempelneubauten bekannt. Seiner überragenden Kultur und seinem weitverzweigten Karawanenhandel mit Ägypten, Arabien etc. verdankte wohl der Staat von Meroe seine Größe und Macht. Der Kämmerer einer Kandake (wohl Amanitore) bekehrte sich nach der Apostelgeschichte 8,26 ff. zum Christentum.
Die Könige des ersten bis dritten nachchristlichen Jahrhunderts sind meist nur schlecht bezeugt. Oftmals kennt man sie nur von ihren Pyramiden, die in dieser Zeit auch immer kleiner werden. Dies ist oftmals als stetiger Niedergang des meroitischen Reiches interpretiert worden. Das Fehlen von königlichen Inschriften kann aber auch andere Gründe gehabt haben. So mag dies einfach damit zu tun haben, dass immer weniger Tempel im ägyptischen Stil erbaut worden sind und die Pyramiden als nicht mehr wichtig angesehen wurden. Diese Tempel und Pyramiden waren es aber, die bisher die umfangreichsten Informationen zum Königtum lieferten. Zur gleichen Zeit erlebte Unternubien eine besondere Blüte. Zahlreiche Friedhöfe mit teilweise reichen Bestattungen belegen einen allgemeinen Wohlstand. Dies mag mit einem umfangreichen Handel mit dem römischen Reich in Verbindung stehen.
Die letzten meroitischen Könige können kurz nach 300 datiert werden. Der Untergang des meroitische Reiches liegt für uns immer noch im Dunkeln. Es gibt den Bericht von einer nubischen Gesandtschaft am Hof von Kaiser Konstantin, unter dem das Reich also noch bestand. Es ist vermutet worden, dass der äthiopische König Ezana Meroe eroberte. Dies scheint er sogar in der Tat in einer Inschrift zu berichten, wo von der Unterwerfung der Kasu (=Kuschiter?) berichtet wird. In Meroe fanden sich zudem äthiopische Inschriften (in griechisch), die man als Zeugen einer Besatzung deutete. Die neuere Forschung ist in dieser Hinsicht vorsichtiger. Ezana mag nie Meroe gesehen haben und seine Berichte sind eventuell nur erfunden, auch sind die Identifizierungen der in seinem Bericht genannten Orte und Völker sehr unsicher. Die äthiopischen Relikte in Meroe können schließlich auch Beutestücke sein, die Nubier in Äthiopien machten. Sicher ist jedenfalls nur, dass das Reich um 350 n Chr. zerfiel und drei neue nubischen Königreiche Alwa, Makuria und Nobatia entstanden, die kulturell teilweise noch stark meroitisch geprägt sind. Die meroitische Schrift und Sprache wurde noch eine Zeit lang benutzt, dann aber zunächst von der griechischen Schrift und Sprache im schriftlichen Verkehr verdrängt.
Staatsaufbau
Die Bewohner des Reiches Kusch waren Schwarzafrikaner sowie Ägypter und andere Angehörige der afroasiatischen Sprachfamilie. Es ist nur relativ wenig zum Staatsaufbau bekannt. Es hatte eventuell eine theokratische Verfassung, an deren Spitze ein von den Priestern ägyptischen Ursprungs (die vermutlich im nördlicheren Napata, der religiösen Hauptstadt, saßen) abhängiger sakraler König stand. Orakelbefehle der Priester bestimmten Ernennung, Handlungen und sogar den Tod des Königs.
Besonders die schriftlichen Quellen der napatanischen Zeit beschränken sich fast ausschließlich auf den König und die Königin. Das Königtum ist als ambulatory kingship (umherziehendes Königtum) bezeichnet worden. Obwohl es anscheinend gewisse Orte gab, an denen der Hof öfters verweilte, so hat es doch den Anschein, dass es keine Hauptstadt im modernen Sinne gab (die Situation ist mit dem Pfalzen im Frankenreich zu vergleichen). Der Herrscher weilte immer an den Orten, wo es gerade sinnvoll erschien. Einzelne Stämme und Völker waren dem Herrscher untertan, doch handelte es sich dabei meist wohl nur um lose Vassalenverhältnisse, während nur gewisse Orte in fester Hand der Kuschiter waren. Die meroitisch sprechende Bevölkerungsschicht bestand eventuell nur aus einen kleinen Prozentsatz der Gesamtbevölkerung, was wiederum verständlich macht, dass die meroitische Sprache vollkommen verschwand als dieses Herrscherhaus abgesetzt wurde. Die Schrift scheint in napatanischer Zeit auch nur am Hof gebraucht worden zu sein.
Die Situation änderte sich etwas in der meroitischen Epoche. Aus dieser Zeit gibt es auch zahlreiche beschriftete Denkmäler von Privatleuten und Beamten (vor allem aus Unternubien), was wohl auf eine weitere Verbreitung der Schrift und einer größeren Durchdringung der meroitischen Kultur auch in den Provinzen deuten mag. Meroe scheint auch immer mehr zu einer richtigen Hauptstadt geworden zu sein, obwohl dieses Bild täuschen kann. Gerade der Süden des Reiches ist bisher eher schlecht erforscht.
Siehe auch
Literatur
- Rudolf Fischer, Die schwarzen Pharaonen, Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 1986 ISBN 3881993037
- Derek A. Welsby, The Kingdom of Kush, British Museum Press, London 1996, ISBN 071410986X