Giuseppe Peano (* 27. August 1858 in Spinetta, heute Teil von Cuneo, Piemont; † 20. April 1932 in Turin) war ein italienischer Mathematiker. Er arbeitete in Turin und befasste sich mit mathematischer Logik, mit der Axiomatik der natürlichen Zahlen (Entwicklung der Peano-Axiome) und mit Differentialgleichungen erster Ordnung.

Leben
Peano war der Sohn von Bauern. Er besuchte die Schule in Cuneo und, als sein Talent erkannt wurde, ab 1870 das Gymnasium (Liceo) in Turin, wo ein Onkel Priester und Anwalt war. Ab 1876 studierte er Mathematik an der Universität Turin unter anderem bei Enrico D’Ovidio, Angelo Genocchi, Francesco Faà di Bruno und Francesco Siacci. 1880 promovierte er und wurde Assistent von D'Ovidio und danach bei Genocchi. Gleichzeitig erschien 1880 seine erste mathematische Arbeit. Er hielt die Analysis Vorlesungen von Genocchi (die auch 1884 als Buch herauskamen, herausgegeben, geschrieben und mit Zusätzen versehen von Peano). 1884 habilitierte er sich. Außer an der Universität hielt er auch Vorlesungen an der Militärakademie in Turin. 1890 wurde er Nachfolger von Genocchi als Professor an der Universität.
1891 begründete er die Zeitschrift Rivista di matematica, die sich vor allem den Grundlagen der Mathematik und der Logik widmete. 1892 begann er ein Projekt, die bekannten Sätze der Mathematik in logischer Strenge zu formulieren, das Formulario Matematico (beendet 1908), das er später auch für seine Vorlesungen benutzte, was ein pädagogischer Misserfolg wurde. 1901 wurde deshalb seine Lehrtätigkeit an der Militärakademie beendet. An der Universität konnte man ihm dagegen nicht hineinreden. 1900 fand Peano Anerkennung auf dem Internationalen Kongress für Philosophie in Paris.
Peano als Mathematiker
Peanos mathematisches Werk ist durch große logische Rigorosität geprägt. So hat er wiederholt Ausnahmefälle in veröffentlichten Theoremen gefunden (beispielsweise Arbeiten von Corrado Segre und Hermann Laurent). Auch die nach ihm benannte Peano-Kurve ist ein Beispiel hierfür. Sie ist eine stetige, surjektive Abbildung des Einheitsintervalls in das Einheitsquadrat, also eine raumfüllende Kurve, die definiert ist als der Grenzwert einer Folge von Kurven, die schrittweise konstruiert werden können. Vor Peano hatte man nicht mit der Möglichkeit der Existenz einer solchen Kurve gerechnet. Peano fand die Kurven 1890, wenig später gab David Hilbert weitere Beispiele.
Auch auf dem Gebiet der Analysis und der Differentialgleichungen hat Peano Wichtiges geleistet. Er fand das Restglied der Simpsonregel für die näherungsweise Berechnung von Integralen und bewies den Existenzsatz von Peano für gewöhnliche Differentialgleichungen (1886). Er fand auch unabhängig von Émile Picard dessen Näherungsverfahren zur Lösung von Systemen gewöhnlicher Differentialgleichungen (1887).
Peano hatte einen prägenden Einfluss auf die moderne Logik, Mengenlehre und Mathematik durch einige Werke, in denen er eine konsequente Formalisierung mathematischer Sachverhalte verfolgte. Peano erstellte in seinem Buch Calcolo Geometrico von 1888 erstmals ein Axiomensystem für den Vektorraum (wobei er unbeachtete Ideen von Hermann Grassmann aufgriff) und formulierte dort auch das moderne Axiomensystem für die boolesche Algebra, wobei er die Symbole und einführte. In seiner Arithmetik von 1889 stellte er – unabhängig von Dedekinds Arithmetik[1] – die ersten formalen Axiome für die natürlichen Zahlen auf, die als Peano-Axiome berühmt wurden. Als Fundament für seine Arithmetik schuf er die erste formalisierte Klassenlogik, in der er unter anderem auch das Elementzeichen und geordnete Paare (a, b) einführte. Die Formalisierung wichtiger logischer und mathematischer Gebiete baute er später in Formelsammlungen weiter aus; aus ihnen stammt unter anderem das Existenzquantorsymbol .
1897 hielt er einen Plenarvortrag auf dem ersten Internationalen Mathematikerkongress in Zürich (Logica Matematica).
Peano als Linguist
Auf dem Gebiet der Linguistik machte sich Peano einen Namen, als er die Plansprache Latino sine flexione (= Latein ohne Beugung) schuf. Dies war ein Versuch, die ehemalige Weltsprache Latein wiederzubeleben, indem der weitgehend bekannte Wortschatz gewahrt wurde, die Schwierigkeiten der lateinischen Sprache aber weitgehend getilgt wurden. Dieses Latino sine flexione ging später in Interlingua auf.
Den Formulario Mathematico V (1905/1908) schrieb Peano in Latino sine flexione.
Werke (Auswahl)
- mit Angelo Genocchi: Calcolo differenziale e principii di calcolo integrale, Turin 1884, Archive
- Deutsche Übersetzung: Angelo Genocchi: Differentialrechnung und Grundzüge der Integralrechnung, Teubner 1899, mit der Übersetzung von Sulla definizione di integrale, Ann. mat. pura appl., Band 23, 1895, S. 153-157, von Studii di logica matematica, Atti Accad. Sci. Torino, Band 32, 1897, S. 565-583 und Sulla formula di Taylor, Atti Accad. Sci. Torino, Band 27, 1891, S. 40-46
- Sull´integrabilità delle equazioni differenziali del primo ordine, Atti Accad. Sci. Torino, Band 21, 1886, S. 677-685
- Applicazioni geometriche del calcolo infinitesimale, Turin 1887, Archive
- Integration par séries des équations differentielles linéaires, Mathematische Annalen, Band 32, 1888, S. 450-456, SUB Göttingen
- Calcolo geometrico secondo l´Ausdehnungslehre di H. Grassmann, preceduto dalle operazioni della logica deduttiva, Turin 1888, Digitalisat
- Englische Übersetzung: Geometric Calculus, übersetzt von L. C. Kannenberg, Boston 2000.
- Arithmetices principia: nova methodo, Turin: Bocca 1889, Archive (auch in Opera Scelte, Band 2, 1958, S. 20-55)
- Englische Übersetzung: The principles of arithmetic, presented by a new method, in Jan van Heijenoort, From Frege to Goedel, Harvard University Press 1967, S. 83-97
- I principii di geometria logicamente esposti, Turin 1889, Digitalisat
- Démonstration de l´intégrabilité des equations differentielles ordinaires, Mathematische Annalen, Band 37, 1890, S. 182-228
- Sur une courbe qui remplit tout une aire plane, Mathematische Annalen, Band 36, 1890, S. 157-160, SUB Göttingen
- Principii di logica matematica, Rivista di Matematica, Band 1, 1891, S. 1-10
- Sul concetto di numero, Rivista di Matematica, Band 1, 1891, S. 87-102, 256-267
- Gli elementi di calcolo geometrico, Turin 1891
- Deutsche Übersetzung: Die Grundzüge des geometrischen Calculus, Teubner 1891
- Lezioni di analisi infintesimale, 2 Bände, Turin 1893, Archive, Band 1
- Sur la définition de la limite d´une fonction, exercise de logique mathèmatique, American J. Math., Band 17, 1894, S. 27-68
- Notations de logique mathèmatique, Turin 1894, Digitalisat
- Formules de logique mathématique, Rivista di Matematica, Band 7, 1900, S. 1-41
- Les définitions mathématiques, Congrès Int. de Philosophie, Paris 1900, Band 3, S. 279-288
- Aritmetica generale e algebra elementare, Turin 1902
- De latino sine flexione, 1903, in: G. Peano, Opere scelte II, Rom 1958, S. 439–447
- Formulaire des mathématiques, 5 Bände, Turin 1895, 1897, 1901, 1903, 1908 (Band 5 lateinisch als Formulario matematico), Band 1, Digitalisat, Gallica
- Giochi di aritmetica e problemi interessanti, Turin 1925
- Opere Scelte, 3 Bände, Rom: Cremonese 1957 bis 1959
- Hubert C. Kennedy (Hrsg.): Selected Works of Giuseppe Peano, Allen and Unwin und University of Toronto Press 1973
Literatur
- Hubert C. Kennedy: Peano. Life and Works of Giuseppe Peano. Reidel, Dordrecht u. a. 1980, ISBN 90-277-1068-6 (Studies in the History of Modern Science 4).
- Hubert Kennedy: Giuseppe Peano. Biographie in deutscher Übersetzung von Ruth Amsler. Peremptory Publications, San Francisco CA 2002.
- Hubert C. Kennedy: Giuseppe Peano. Birkhäuser, Basel u. a. 1974, ISBN 3-7643-0697-1 (Elemente der Mathematik. Beiheft 14).
- Hubert Kennedy: Twelve Articles on Giuseppe Peano, Peremptory Publications, San Francisco CA 2002.
- Willard van Orman Quine: Peano as Logician, in: History and Philosophy of Logic 8 (1987), S. 15-24.
Weblinks
- Literatur von und über Giuseppe Peano im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:MacTutor Biography
- Peano: Calcolo geometrico, Turin 188, Online-Kopie
- Peano: Arithmetices principia nova methodo exposita, Turin 1889, Online-Kopie.
- Peano: Notations de logique mathématiques, Turin 1894, Online-Kopie
- Online-Kopien verschiedener Schriften von Peano
Einzelnachweise
- ↑ Hubert Kennedy: The origins of modern Axiomatics, in: American Mathematical monthly, 79 (1972), 133–136. Auch in: Kennedy: Giuseppe Peano, San Francisco, 2002, S. 15
Personendaten | |
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NAME | Peano, Giuseppe |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 27. August 1858 |
GEBURTSORT | Spinetta, Piemont |
STERBEDATUM | 20. April 1932 |
STERBEORT | Turin |