Hühnergott

kleiner Lochstein
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Als Hühnergott wird ein Stein mit einem natürlich entstandenen, durchgehenden Loch bezeichnet.

Der deutsche Begriff geht auf die gleichbedeutende russische Bezeichnung Kuriny Bog zurück. Jewgeni Jewtuschenkos gleichnamige Novelle wurde 1966 von Thomas Reschke ins Deutsche übersetzt.

Der Begriff fand 1975 Eingang in den DDR-Duden, wurde aber im nach 1990 vereinigten Duden wieder getilgt.

Reschkes Behauptung, der Begriff gehe auf seine Übertragung zurück, konnte bislang nicht widerlegt werden.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Begriff Hühnergott bzw. der Vorstellung, mit als Talisman gedeuteten entsprechenden Gegenständen das Hausgeflügel gegen böse Geister schützen zu können, um einen sehr alten slawischen Volksglauben. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Abwehr des schädlichen Einflusses eines Hausgeistes, der sogenannten Kikimora.

Die Kikimora ist offenbar das nach der Christianisierung der Slawen zu einem Poltergeist umgewidmete Bild einer alten slawischen Gottheit. Sie kommt sowohl im alten ost- als auch im westslawischen Pantheon - bei Russen und Polen - vor. Der Kikimora, die als alte, seltsam gekleidete Frau in Erscheinung tritt, wird unter anderem nachgesagt, dass sie Fäden spinnt, poltert, demjenigen, der sie sieht, Unglück bringt, aber auch das Hausgeflügel stiehlt oder es am Eierlegen hindert. Der Volksglaube besagt weiter, dass man, um den bösen Einfluss abzuwehren, den abgeschlagenen Hals eines Kruges oder aber einen Stein mit einem natürlichen Loch bei den Ställen aufhängen soll (so nachzulesen z.B. im Wörterbuch der großrussischen Sprache von Wladimir Dal). Insoweit greift der Bezug in Jewtuschenkos Erzählung auf Vorstellungen der Krimtataren zu kurz. Auch das Wort Kuriny bog (Hühnergott) bezeichnet mehr als nur Lochsteine, was man inzwischen im russischen Internet nachlesen kann (z.B. unter [1]).

Lochsteine (allerdings nicht unter der Bezeichnung Hühnergott) haben auch im germanischen Volksglauben als schützende Talismane eine Rolle gespielt. Spekulativ muss die Frage bleiben, ob der zweite Namensbestandteil des Hausgeistes Kikimora etymologisch an die gleiche Wurzel zu knüpfen ist wie beim deutschen Nachtmar oder beim französischen Cauchemare. Dass die ursprüngliche Bezeichnung der griechischen Schicksalsgöttinnen - Moiren - möglicherweise in eine ähnliche Richtung zeigt, sei ebenfalls nur erwähnt.