Paul Keres (* 7. Januar 1916 in Narva; † 5. Juni 1975 in Helsinki) war ein estnischer Schachmeister und einer der stärksten Spieler des 20. Jahrhunderts.
Leben
Keres, dessen Familie in seiner Kindheit nach Pärnu zog, erlernte Schach als 4- oder 5-jähriger. Anfangs waren der Vater und der ältere Bruder seine Gegner, doch schon bald trat er dem Schachlub von Pärnu bei. Als 12-jähriger besiegte er Großmeister Mikenas in einer Simultanvorstellung. Sein enormes Talent machte sich frühzeitig bemerkbar: 1930, 1931 und 1932 wurde er äußerst überlegen estnischer Jugendmeister, 1933 nahm er erstmals an Estlands Landesmeisterschaft teil und teilte Platz 3 und 4, wobei er in der letzten Runde eine Führung verspielte. 1935, nach dem Sieg bei der Landesmeisterschaft, ging sein Stern auch international auf: bei der Schacholympiade in Warschau spielte er am ersten Brett für sein Land und erregte sowohl durch sein ausgezeichnetes Resultat (12,5 aus 19), als auch durch eine Reihe glänzender Partien Aufsehen. Ein Jahr später erhielt er Einladungen zu den bedeutendsten Turnieren seiner Zeit. 1936 siegte er mit Aljechin in Bad Nauheim, beim Turnier in Semmering 1937 gewann er vor Capablanca. Seinen Höhepunkt erreichte er, als er 1938 das AVRO-Turnier in den Niederlanden gewann (zusammen mit Reuben Fine). Dieses Turnier, unter Teilnahme von Weltmeister Aljechin, sollte den nächsten Herausforderer des Weltmeisters ermitteln. Zu einem Wettkampf zwischen Keres und Aljechin kam es wegen des Zweiten Weltkrieges indes nicht.
Keres, der zwischen 1937 und 1941 Mathematik studiert hatte und auch einer der stärksten Tennisspieler in Estland war (er wurde ein Mal Vize-Landesmeister), beteiligte sich trotz der Annexion seines Landes durch die russischen Bolschewiken an den Schachturnieren in der Sowjetunion. Bei der UdSSR-Meisterschaft 1940 wurde er Vierter, bei der Absoluten Meisterschaft der Sowjetunion 1941 wurde er hinter Botwinnik Zweiter. Umstritten ist seine Rolle als Schachspieler während der Besetzung Estlands durch das faschistische Nazi-Deutschland. Keres beteiligte sich an Turnieren im Dritten Reich und in den besetzten Gebieten (1942 Reval, Salzburg, München, 1943 Prag, Posen, Salzburg, Reval, Madrid, 1944 Lidköping). 1943 war er Attraktion einer Trainings- und Unterhaltungsveranstaltung für die Wehrmacht (vgl. hierzu den Artikel Keres Plays With the Wehrmacht von Tomasz Lissowski). Nachdem Estland 1944 wieder von Sowjettruppen eingenommen worden war, galt Keres, der Emigrationsmöglichkeiten mehrmals ablehnte, wegen seiner Turnierreisen im Großdeutschen Reich als in Ungnade gefallen (1944/45 siegte er in Riga (Ostsee Turnier) und Estlands Landesmeisterschaft in Reval 1945 gewann). Als 1946 das erste wichtige internationale Nachkriegs-Schachturnier in Groningen stattfand, durfte Keres nicht teilnehmen.
1947 gewann Keres die UdSSR-Meisterschaft. Dies, wie auch die Fürsprache Botwinniks bei höheren administrativen sowjetischen Stellen, ließen den Groll gegen ihn abnehmen. 1948 nahm er als Vertreter der Sowjetunion am Weltmeisterschaftsturnier in Den Haag und Moskau teil. Bei diesem Turnier wurde er geteilter Dritter mit Reshevsky. Die Tatsache, dass er dem Weltmeister Michail Botwinnik mit 1-4 unterlag, gab Anlass zu bis heute ungeklärten Spekulationen, ob er zu diesen Niederlagen möglicherweise gezwungen worden war. Doch ist es auch möglich, daß Botwinnik eben zu dieser Zeit einfach besser spielte. Zwischen 1953 und 1962 belegte er bei vier Kandidatenturnieren jeweils den 2. Platz, und es gelang ihm nicht mehr, um die Weltmeisterkrone zu kämpfen. Keres, der in seiner Heimat Estland eine ungeheure Popularität genoß, starb 1975 auf dem Heimflug von einem Turnier in Vancouver bei einem Zwischenstop in Helsinki an Herzversagen. Er wurde beigesetzt auf dem Pirita-Waldfriedhof in Tallinn.
Nach der Unabhängigkeit Estlands von der UdSSR wurde sein Porträt auf der Fünf-Kronen-Banknote abgebildet. Auch auf einer 15-Kopeken-Briefmarke ist er zu sehen. 1991 wurde in Tallinn auf der Pernu-Chaussee eine Büste von Keres aufgestellt.
Seine beste historische Elo-Zahl war 2786. Diese erreichte er 1947. Insgesamt lag er 52 Monate in dem Zeitraum von 1943 bis 1960 auf Platz zwei der Weltrangliste.
Keres galt als Autorität auf dem Gebiet der Schacheröffnungen und schrieb über vierzig Schachbücher. Nach ihm wurde die Keres-Verteidigung (1.d4 d5 2.c4 Lf5) benannt.
Fernschach
Am Anfang seiner Karriere spielte Keres auch erfolgreich Fernschach. Er spielte nach eigener Aussage bis zu 150 Partien gleichzeitig und probierte dabei zahlreiche neue Eröffnungsvarianten aus. 1935/36 gewann er die Bundesmeisterschaft des Internationalen Fernschachbundes IFSB. Im August 1936 nahm er in München auf einer Tagung des IFSB teil. Hier befürwortete er den Vorschlag, auch im Fernschach eine Weltmeisterschaft zu veranstalten.
Privates
Keres war verheiratet mit Maria Viires.
Literatur
- Paul Keres: Ausgewählte Partien 1931 - 1958. 2. Auflage. Vermande Schachverlag, Ijmuiden 1976. ISBN 90-6040-440-8
- Paul Keres: Photographs and games. Demerlen Ltd., Tallin 1995. ISBN 9985-60-122-X
Weblinks
- Vorlage:PND
- Keres-Porträt von André Schulz
- Estnische 5-Kronen-Banknote mit dem Porträt von Paul Keres
Personendaten | |
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NAME | Keres, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | estnisch-sowjetischer Schachspieler |
GEBURTSDATUM | 7. Januar 1916 |
GEBURTSORT | Narva |
STERBEDATUM | 5. Juni 1975 |
STERBEORT | Helsinki |