Akrotiri (Santorin)

bronzezeitliche Siedlung auf Thera (Santorin)
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Akrotiri (griechisch Ακρωτήρι) ist ein Dorf im Süden der griechischen Insel Santorini. Der heutige Ort liegt auf einem Hügel aus den ältesten Vulkangesteinen der Insel und wird durch die Ruine einer Burganlage aus der Zeit der venezianischen Besatzung (1204-1537) geprägt.

Berühmt ist Akrotiri jedoch durch die unterhalb der heutigen Ortschaft gelegene Ausgrabungsstätte einer bronzezeitlichen Stadt, die im Jahr 1967 durch den Archäologen Spyridon Marinatos entdeckt wurde. Der exzellente Erhaltungszustand erlaubt Einblicke in die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bronzezeit und hat auch herausragende Fresken aus dieser Zeit bewahrt.

Bronzezeitliches Fresko einer Stadt (Ausschnitt aus der „Schiffsprozession“)

Geschichte der Ausgrabungen

Im Jahr 1867 fand der französische Geologe Ferdinand Fouqué erstmals prähistorische Mauerreste und Scherben auf Santorini, in einer Schlucht unterhalb von Akrotiri und auf der kleinen Nachbarinsel Thirasia. Drei Jahre später machten französische Archäologen und 1899 der Deutsche Robert Zahn weitere unsystematische Funde im selben Gebiet. Eine zeitliche Einordnung war damals mangels Kenntnissen über die Kykladenkultur noch nicht möglich, und die Funde traten ab 1900 gegenüber den spektakulären Entdeckungen auf der etwa 110 km südlich gelegenen Insel Kreta völlig in den Hintergrund.

Spyridon Marinatos

Der 1901 geborene Archäologe Spyridon Marinatos analysierte 1939 die Gesteinsschichten von Ausgrabungen einer Villa in Amnisos auf Kreta und stellte als erster die These auf, dass der gefundene Bimsstein von einem Vulkanausbruch auf Santorini stammen könnte und die Minoische Kultur auf Kreta durch Flutwellen als Folge dieser Eruption ausgelöscht wurde. Er sah in dieser Katastrophe den Kern der Legende von Atlantis. Marinatos Schlussfolgerungen wurden in der Fachwelt zunächst skeptisch aufgenommen.

Beinahe 30 Jahre später, nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Griechischen Bürgerkrieg, hatte Marinatos endlich die Möglichkeit, mit einer professionellen Grabung Beweise für seine These zu suchen. Am 25. Mai 1967 erfolgte der erste Spatenstich an der heutigen Ausgrabungsstelle. Der Ort wurde ausgewählt, weil er den von antiken Autoren wie Strabon und Pindar überlieferten Anforderungen an einen Siedlungsplatz an einer flachen Küstenebene entsprach, die Bimssteinschicht hier erosionsbedingt mit maximal 15m am dünnsten war und die Südküste Santorins den vermuteten kulturellen Zentren auf Kreta am nächsten lag.

Bereits die erste Grabungskampagne brachte spektakuläre Ergebnisse. Marinatos und sein Team fanden eine Stadt aus der Bronzezeit, die der Minoischen Kultur nach kretischen Vorbildern nahe stand, aber eigene Merkmale aufwies. Durch einen Vulkanausbruch war die Stadt mit einem Schlag aus dem Leben gerissen worden und von den Schichten aus Bimsstein und Vulkanasche so gut konserviert worden, wie sonst nur Pompeji und Herculaneum in Italien.

Der Erfolg der Grabungen wurde auch durch den tragischen Tod von Spyridon Marinatos am 1. Oktober 1974 nicht geschmälert. Marinatos starb beim Fall von einer einstürzenden Mauer im Grabungsgebiet, wo er auch beerdigt liegt und ein Gedenkstein an ihn erinnert. Seine ursprüngliche These von der Zerstörung der minoischen Kultur auf Kreta durch den Vulkanausbruch von Santorin wurde durch spätere Grabungen bei Knossos widerlegt. Die Grabungen von Akrotiri wurden durch seinen Tod nur kurz unterbrochen und werden bis heute fortgeführt unter der Leitung von Marinatos damaligem Assistenten Christos Doumas, Archäologie-Professor an der Universität Athen.

Die Grabung heute

Auch nach fast vierzig Jahren kontinuierlicher Grabung sind nur knapp zwei Hektar der wesentlich größeren Stadt freigelegt. Ein Rundweg durch die gesicherten Teile der Stadt erlaubt eine Besichtigung, während am Rand des Geländes die Arbeiten weiterlaufen. Die Grabung wird von der Europäischen Union gefördert. 2005 wurden eine neue erweiterte Überdachung und zusätzliche Besuchereinrichtungen fertig gestellt. Im September 2005 kam es zu einem Unfall, bei dem ein Teil der Überdachung einstürzte und einen Touristen tötete sowie sechs Personen verletzte.

 
Stadt und Hafen in der Bronzezeit (Ausschnitt aus der „Schiffsprozession“)

Das bronzezeitliche Akrotiri

Die gefundene Stadt liegt an einem Hang etwa 200 m von der heutigen Küstenlinie entfernt und zieht sich an einem kleinen Bach entlang.

Erste Siedlungsspuren weisen zurück bis in die Jungsteinzeit im 5. Jahrtausend v. Chr. Die ältesten Keramiken sind eng verwandt mit Typen der Inseln Mykonos und Antiparos. Eine systematische Besiedelung wird in der frühkykladischen Zeit (Zur zeitlichen Einordnung siehe: Kykladenkultur) etwa ab dem Jahr 3000 v. Chr. angenommen. Metallverarbeitung lässt sich ab etwa 2500 v. Chr. (Periode II der frühkykladischen Zeit) nachweisen. Stilvergleiche lassen vermuten, dass der Umgang mit dem neuen Material und neue keramische Techniken aus der Nord-Ost-Ägäis auf die Insel kamen. Dort gibt es zwischen 2600 und 2500 v.Chr. Spuren von Kriegen, so dass vermutlich Flüchtlinge die Fähigkeiten mitgebracht haben. Zur Blüte gelangte die Stadt allerdings erst in mittelkykladischer Zeit nach 2000 v. Chr.

Die Stadt

Die bislang ausgegrabenen Teile erlauben noch keine Schätzung der Größe der Stadt und ihrer Einwohnerzahl. Sicher ist aber, dass man es mit weit mehr als nur dörflichen Strukturen zu tun hat. Soweit die am Projekt beteiligten Wissenschaftler überhaupt Spekulationen publizieren, lassen sich diese auf 1500 bis 2000 bei konservativen und auf bis zu etwa 9000 Einwohnern bei großzügigen Annahmen hochrechnen.

Mehrere Jahrzehnte vor der endgültigen Zerstörung, nach heutigem Stand etwa 50 Jahre vorher, hatte schon einmal ein Erdbeben die Stadt schwer beschädigt. Die Bewohner bauten sie wieder auf, wobei sie großteils die Fundamente der alten Häuser verwendeten. Der Schutt eingestürzter Gebäude wurde zum Teil nicht aus der Stadt geschafft, sondern für eine Erhöhung des Straßenniveaus verwendet. Erhaltene Gebäude bekamen dann einen Anbau mit einem neuen Eingang und Treppenhaus, das frühere Erdgeschoss wurde zum Souterrain.

Die einzige bisher über eine größere Länge freigelegte Straße ist von Norden nach Süden ausgerichtet, in weitgehend gerader Richtung, auch wenn sie an verschiedenen Hausecken versetzt verläuft. Bei einer durchgehenden Breite zwischen 2 m und 2,20 m erweitert sie sich zwischendurch mehrmals zu Plätzen unterschiedlicher Größe. Werkstätten in den angrenzenden Häusern lassen vermuten, dass auf diesen Plätzen Handwerker bei gutem Wetter im Freien gearbeitet haben. Die Straßen waren mit großen Steinplatten gepflastert, unter denen in einem Graben mit konstantem Gefälle die Kanalisation durch die ganze Stadt verlief. Wo die Straßen nach dem früheren Erdbeben höhergelegt wurden, wurden die Platten und die Kanalisation überdeckt und die neue Oberfläche mit kleineren Steinen, ähnlich einem Kopfsteinpflaster, neu gebaut.

Die Plätze waren die einzigen offenen Räume der Stadt, private Höfe oder Gärten gibt es keine. In den jüngsten Grabungskampagnen seit 2001 wurde auf einem der Plätze eine als Kenotaph gedeutete Struktur gefunden. In Nischen innerhalb des Quaders lagen sieben an Kykladenidole erinnernde Figuren aus Marmor.

Die Niveauunterschiede des Untergrunds wurden durch Rampen und Treppen bewältigt, Stützmauern fingen Gebäude, Plätze und Straßen unterschiedlicher Geländehöhe ab.

Die Häuser sind zwei- oder dreistöckig und aus unbehauenen Kalksteinen, die mit Ton vermörtelt wurden, sowie mit Stroh vermengtem Lehm gebaut. Holzbalken trugen Decken, Fenster- und Türstütze. Behauene Steine wurden als Ecksteine, zur Gestaltung von Fassaden und zum Bau von Treppen und anderen Elementen genutzt. Einige Wände waren mit Holzrahmen verstärkt, vermutlich zum Schutz vor Erdbeben.

Jedes bislang ergrabene Gebäude hat den Eingang nahe einer Hausecke, neben der Eingangtür ist stets ein kleines Fenster, durch das der Besucher erkannt werden kann und das den inneren Eingangsbereich beleuchtet. Hinter der Tür befindet sich jeweils das Haupttreppenhaus.

Die bisher gefundenen Häuser lassen sich im wesentlichen zwei Typen zuordnen:

  • Die Mehrzahl der Gebäude hatte im Erdgeschoss oder Souterrain Werkstätten, Wirtschafts- und Lagerräume, in einem oder zwei Obergeschossen gab es einen kunstvoll geschmückten Raum, der als halbprivater Bereich gedeutet wird, sowie weitere teilweise ebenfalls ausgeschmückte private Räume. Dieser Haustyp konnte freistehend oder mit Nachbarhäusern aneinander gebaut sein; soweit Gebäude aneinandergebaut wurden, teilten sie sich die Wände nicht, sondern es wurden doppelte Wände errichtet.
  • Die atypischen, manchmal als Herrenhäuser bezeichneten Gebäude haben im Erdgeschoss neben Wirtschaftsräumen einen prachtvoll geschmückten Bereich, der als Ort öffentlicher Zeremonien gedeutet wird. Im Obergeschoss befanden sich Privaträume. Alle bisher gefundenen Häuser dieses Typs sind freistehend.

Fußböden bestanden in den einfachen Räumen aus gestampftem Lehm. In den Zeremonienräumen waren die Böden mit Schieferplatten belegt oder mit einfachen Mosaiken aus Steinen und Muscheln gestaltet. Alle Wände waren verputzt, Werkstätten und Lagerräume zumeist mit Lehm, Wohnräume mit Kalk, dieser war häufig in Erdfarben von rosa bis beige getönt. Von den Dächern sind nur Spuren vorhanden, vermutlich handelte es sich um Flachdächer aus Zweigen oder Schilf, mit gestampfter Erde bedeckt, um eine Wärmeisolation gegen Sonne im Sommer und Kälte im Winter zu erreichen. Flachdächer dienten, wie auch heute noch in verschiedenen Mittelmeerkulturen, als zusätzlicher Wohnraum. Sie waren vermutlich mit Brüstungen in etwa Hüfthöhe umrandet, durch die an einer oder mehreren Stellen aus Stein gehauene Wasserspeier geführt wurden.

Die Bauten weisen auf einen hohen Stand der Zivilisation hin. Die Häuser verfügten über Baderäume im Obergeschoss. Diese sind durch Fallrohre aus Ton an die Kanalisation angeschlossen. Die Rohre beginnen im Obergeschoss an einer Außenwand, werden im Erdgeschoss durch die Wand geführt und münden in eine an die Kanalisation angeschlossene Grube vor dem Haus unter der Straße.

Werkstätten, Läden und Lagerräume befanden sich meist im Untergeschoss, das aus einer Flucht von Räumen bestand. In der Nähe des Treppenhauses hatte fast jedes der typischen Gebäude einen Arbeitsraum, in dem Lebensmittel zubereitet wurden. Hier wurden Mahlsteine gefunden, Wasserbehälter und teilweise auch sogenannte pithoi, in den Boden oder Bänke eingelassene große Tonbehälter mit Vorräten. Einige dieser Räume weisen große Fenster zur Straße auf, sie werden als Läden gedeutet, bei denen der Verkauf durch die Fenster stattfand. Geländeunterschiede innerhalb der Gebäude wurden durch Stufen im Boden der Untergeschosse bewältigt, der Boden des ersten Obergeschosses war in allen bisher ergrabenen Häusern auf durchgehendem Niveau.

In den Obergeschossen waren die Wandstärken geringer, Wände bestanden häufig aus Holzrahmenkonstruktionen, deren Fächer durch Lehmbau ausgefüllt waren oder nur aus Fensterreihen bestanden. Soweit diese hölzernen Rahmen auch für Innenwände genutzt wurden, wurden sie in der unteren Hälfte gelegentlich durch eingebaute Schränke gefüllt.

Auffallend ist, dass bisher kein Palast, Herrschaftssitz, keine Stadtbefestigung oder sonstige militärische Einrichtung gefunden wurde.

 
Erfolgreicher Fischer

Die Bewohner

Die Stadt war geprägt durch Seefahrt und Handel. Die Menschen verfügten über Güter aus Kreta und vom griechischen Festland. Sie betrieben verschiedene Handwerke, in den bislang ausgegrabenen Häusern gibt es Metallbetriebe, eine Töpferei, eine Traubenpresse und eine Mühle. Bislang gibt es keine Funde, die eindeutig auf Schiffsbau hindeuten, es gilt allerdings als sicher, dass die Stadt am Hafen eigene Werfen und die damit verbundenen Berufe hatte. Die hohe Qualität der Wandmalereien lässt auf spezialisierte Künstler schließen. Fast in jedem Haus stand ein einfacher Webstuhl. Unzählige Gehäuse von Purpurschnecken und die hohe Wertschätzung des Safrankrokus zeigen, dass die Kleidungsstücke aus Wolle und Leinen aufwändig gefärbt waren. Und es gab vielfältige Landwirtschaft.

Auf dem Speiseplan standen Zwiebeln, Bohnen, Linsen und Kichererbsen, Weizen und Gerste. Als Obst waren Feigen und Trauben beliebt, auch Pistazien waren bekannt. Überwiegend wurde Schaf- und Ziegenfleisch gegessen, aber auch Schweine und Rinder wurden gehalten. Fisch spielte eine große Rolle in der Küche, auch Muscheln und Meeresschnecken wurden gegessen. Öl wurde aus Oliven und Sesam gewonnen. Ein tönerner Bienenkorb bezeugt Imkerei. Wein wurde damals wie heute auf der Insel gekeltert.

Nicht näher bekannt ist, wie sich die Einwohner der Stadt mit Wasser versorgten. Es gibt keine Zisternen. Ein Fresko zeigt Frauen, die von einer Quelle Wasser in Krügen holen, die sie auf ihrem Kopf tragen.

Grobe Werkzeuge wie Hämmer und Mörser waren aus Stein, ebenso Wassergefäße und Feuerschalen. Feinere Werkzeuge aus Bronze. Möbel aus Holz, die als Negativform in der Asche gefunden wurden, konnten durch Ausgießen mit Gips rekonstruiert werden. Gefundene Gestelle gelten als die „ältesten Betten Europas“. Sie bestanden aus einem hölzernen Rahmen auf Beinen, der mit Schnüren bespannt und mit einem Stück Fell oder Leder belegt war.

Eine wesentliche Rolle spielte auch Flechtwerk in Form von Körben und Matten. Als Abdruck erhalten sind große Körbe, in denen Trauben zum Keltern transportiert wurden, sowie eine Reihe mittlerer Körbe, in denen Kalk gefunden wurde, deren Zweck aber unbekannt ist.

Im südwestlichsten Teil der Grabung wurden die bislang einzigen Funde mit religiösem oder gottesdienstlichem Bezug gemacht. In einer Grube lagen hunderte Hörnerpaare, ganz überwiegend von Ziegen, darunter aber auch einige Stierhörner und ein einzelnes Paar Hirschgeweihe. In einer sorgfältig gearbeiteten kleinen Holzkiste mitten unter den Hörnern wurde ein Ziegenidol aus Gold gefunden. Die Figur ist 11 cm lang, 9 cm hoch und wiegt 180 gr. Körper und Kopf sind nach dem Prinzip der verlorenen Form gegossen, die Beine später angefügt.

Im nächstgelegenen Haus befindet sich eine Vertiefung, die als Lustrationsbecken für Initiationsriten interpretiert wird. Vergleichbare Einrichtungen sind sonst bisher nur aus Kreta bekannt.

 
Tafeln mit Linear A Text

Wirtschaft und Sozialstruktur

In den 1990er Jahren wurden Funde gemacht, die einen Einblick in die Handelsbeziehungen der Stadt erlauben. In einem der Herrenhäuser wurden Bruchstücke von Tontafeln ergraben, die Inventardaten in der Linearschrift A enthalten. Aus diesen Einträgen geht hervor, dass Akrotiri mit gewaltigen Mengen an Schafwolle und Olivenöl handelte.

Da die Insel aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit damals wie heute für die Viehzucht eher ungeeignet ist, lassen die vielen gefundenen Webstühle und Reste der Textilfärbung vermuten, dass Akrotiri in der mittleren Bronzezeit ein Zentrum der Veredelungswirtschaft für textile Produkte war. Die Wolle wurde von den nördlichen Nachbarinseln eingekauft, versponnen und zu Tuch gewebt, gefärbt und weitergehandelt, vermutlich besonders ins kulturelle Zentrum Kreta.

 
Die Kykladen

Oliven wurden damals in größerer Menge als heute angebaut, und auch hier spielte Akrotiri eine wesentliche Rolle im Handel. Fast 50% aller im Raum der Kykladenkulturen, Kreta und Zyperns gefundenen Bügelkannen, als typische Handelseinheit des Olivenöls, stammen aus Santorini. Die ideale Lage an den Haupthandelsrouten war ein entscheidender Faktor für die Wirtschaft der Insel.

Eine erst in jüngster Zeit gefundene Sammlung von Siegelabdrücken lässt sich bisher noch nicht in einen Kontext einordnen. Es handelt sich um mehrere Dutzend Tonscheiben mit Abdrücken, die rund 15 verschiedene Themen darstellen. Eventuell handelt es sich um Handelsmarken, gefunden wurden sie aber in einer Art Sammlung, also nicht an verschiedenen Gütern befestigt.

Rückschlüsse auf die ausgeglichene Sozialstruktur, zumindest des bislang ergrabenen Teils der Stadt, erlauben die Fresken. Jedes Wohnhaus hatte wenigstens einen ausgemalten Raum. In einigen Häusern wird von den Motiven der Fresken auf die Berufe oder Herkunft der Bewohner geschlossen. Der Bewohner des Westhauses mit maritimen Motiven war vermutlich Kapitän oder Handelsherr.

Wenn auch weiterhin keine Befestigung der Stadt und keine sonstigen militärischen Einrichtungen gefunden werden, dann müssen die Verbindungen zur Leitkultur in Kreta als wesentlich enger angenommen werden, als früher vermutet. Akrotiri stand nicht in Konkurrenz oder gar Opposition und hatte daher keine Zwangsmaßnahmen zu befürchten, wie es die Befestigungen anderer Siedlungen auf den nördlichen Nachbarinseln annehmen lassen.

Der Untergang

Anders als in Pompeji wurden in den Asche- und Bimssteinschichten von Akrotiri keine menschlichen Überreste gefunden. Auch gab es in den Häusern keinen Schmuck und nur wenige aufwändig gefertigte Werkzeuge. Dies deutet darauf hin, dass die Bewohner vor dem Vulkanausbruch noch Zeit hatten, ihre Wertsachen zusammenzusuchen und auf die Boote zu fliehen.

Die Warnung vor dem eigentlichen Vulkanausbruch geschah offenbar durch ein Erdbeben. Seine Spuren zeigen sich an Treppenstufen aus behauenem Stein, die alle mittig gebrochen sind, sowie in beschädigten Wänden der Gebäude.

Nach dem Erdbeben kehrten einige der geflüchteten Bewohner zurück. Sie legten die Straßen wieder frei, rissen beschädigte Mauern ein und sortierten wiederverwendbares Baumaterial. Außerdem bargen sie Möbelstücke und Güter. So wurde ein Stapel Bettgestelle gefunden, die aus einem Haus zum Abtransport bereitgestellt wurden. Unbeschädigte Krüge und Amphoren mit Lebensmitteln waren ebenfalls an Sammelstellen außerhalb der Häuser gebracht worden.

Zu diesem Abtransport kam es aber nicht mehr, bevor der Vulkan die menschliche Siedlung auslöschte. Der Ausbruch begann nach heutiger Erkenntnis mit dem Ausstoß von Pyroklastika aus einem Vulkanschlot, der fast genau mittig im Inselrund lag. Der Ausbruch dauerte nur kurz, die Menge des ausgestoßenen lockeren Materials war gering, so dass die Bergungsteams sich in Sicherheit bringen konnten.

Allerdings gibt es auf keiner der Nachbarinseln Hinweise darauf, dass rund um die Zeit des Vulkanausbruchs eine größere Einwanderung stattgefunden hätte. Es ist daher anzunehmen, dass die Flüchtlinge durch Gase der Eruption oder durch Flutwellen doch noch ums Leben kamen.

Der eigentliche Ausbruch erfolgte in mehreren Phasen. Die erste bestand aus relativ leichtem Bimsstein, der sich in einer vergleichsweise dünnen Schicht von höchstens sieben Metern Dicke niederschlug. Sie brachte Dächer durch Überlast zum Einsturz, schützte die Gebäude aber vor der Zerstörung durch die späteren, schwereren Phasen.

Nach dem Ende der Eruption gingen langandauernde intensive Niederschläge auf die Reste der Insel herab. Sie sammelten sich in Sturzbächen und wuschen tiefe Rinnen in die verwüstete Landschaft. Eine der Abflussrinnen verläuft durch die heutige Grabung und sie hat mehrere Räume durch mitgeführten Schlamm und Asche so schnell und so vollständig angefüllt, dass sich hier Gegenstände besonders gut erhalten haben.

Nach den spärlichen archäologischen Funden dauerte es etwa 200 Jahre bis sich die Vegetation so weit erholt hatte, dass die Insel für die Wiederbesiedelung durch Menschen attraktiv wurde. Herodot berichtet von einer phönizischen Siedlung, die aber bislang nicht nachgewiesen werden kann. Eine nennenswerte Bevölkerung kam erst im 8. Jahrhundert v.Chr. mit den Doriern, nach deren mythischen Anführer Theras die Insel von dort an Thera genannt wurde. Sie siedelten nicht mehr an der Stelle von Akrotiri, sondern errichteten ihre Stadt Alt-Thera auf einem Felsgrat des Berges Messavouno.

Die Fresken

Bezeichnend für den hohen Lebensstandard der Akrotirer sind die vielfältigen Fresken. Die Themen reichen von geometrischen Mustern über Alltagsszenen, Seefahrt und Landwirtschaft bis zu sportlichen oder kultischen Spielen. Landschaftsbilder zeigen die Tier- und Pflanzenwelt auf Santorini, aber auch die exotischer Länder wie Ägypten.

Ausführung

Die Wandgemälde wurden typischerweise auf feuchtem Putz begonnen, anders als die Fresken der Renaissance aber auch auf getrocknetem Untergrund fortgesetzt, so dass die Haltbarkeit in verschiedenen Teilen des Bildes unterschiedlich ist.

Die Fresken in den verschiedenen Häusern unterscheiden sich nach Themen und Stil deutlich, es waren verschiedene Künstler am Werk. Gemeinsam ist die sorgfältige und detailgenaue Ausführung und die verwendete Farbpalette. Außer dem Weiß des gekalkten Untergrunds wurden überwiegend drei Farbpigmente verwendet. Ein tiefroter Ocker, ein gelber Ockerton und ein kräftiges Blau. Sehr dunkles Blau-Schwarz dient für Konturen und Details. Die Farben werden in aller Regel rein eingesetzt, Mischungen und Schattierungen werden nur in wenigen Gemälden eingesetzt, und auch dort nur sparsam. Grün taucht nur in Spuren auf und insbesondere nicht da, wo man es erwarten könnte, bei Fresken von Pflanzen.

Farben spielen auch eine wesentliche Rolle für die Darstellung realer Motive. Sie werden dabei oft nicht dem realistischen Erscheinungsbild entsprechend verwendet, sondern zur Strukturierung des Bildes durch benachbarte Farbflächen.

Motive

Die Fresken zeigen neben dekorativen Mustern und Rahmen vor allem Szenen und Motive aus dem Leben der Menschen. Sie erlauben einen faszinierenden Einblick in die Bronzezeit.

Pflanzen

Die Pflanzenwelt wird detailgetreu und auch nach 3500 Jahren wiedererkennbar abgebildet. An Bäumen werden Pinien, Pistazien, Oliven und Feigenbäume erkannt. Einige der Feigen können eventuell auch Steineichen sein, die lappigen Blätter unterscheiden sich geringfügig. Viele Pflanzen werden an einem Wasserlauf dargestellt: Seggen, Süßgräser und Schilfrohr fallen auf.

Papyrus hat eine Sonderrolle. Er wird einerseits in Landschaftsbildern dargestellt, aber auch einzeln großformatig sowohl auf Fresken wie auf Tongefäßen abgebildet. Die Ikonographie des Papyrus ist stark stilisiert, aber als unreife Pflanze zu erkennen. Die Darstellung in Akrotiri ist nahezu identisch auch aus Mykene, Phylakopi (auf Melos) und in Knossos (Kreta) bekannt, was für einen direkten Austausch der Künstler spricht.

Auf den anderen Kykladeninseln nahezu unbekannt ist ein in Akrotiri relativ häufiges Motiv: Die Dattelpalme. Die Abbildung ist biologisch sehr exakt in den Formen, nicht aber in den Farben. Diese scheinen eher nach ihrer Kontrastwirkung gegeneinander gesetzt zu sein. Auch die Dattelpalme wird gelegentlich auf keramischen Gefäßen dargestellt. Bislang nur einmal gefunden wurde ein Bild der Europäische Zwergpalme.

Geradezu als Symbol Santorinis kann der Safran gelten. Sowohl als Pflanze, als auch als dekoratives Element in anderen Abbildungen wird er vielfältig verwendet. Am bekanntesten ist das „Fresko der Safransammlerinnen“, das Marinatos schon 1969 als erstes großes Wandbild fand und das weltweit publiziert wurde. Die stilisierte Safranpflanze dient vielfältig als Motiv auf Keramiken wie in Fresken. Auch mehrere in Szenen abgebildete Schiffe sind mit stilisierten Safran-Blüten geschmückt.

Landschaften

Szenische Darstellungen mit Landschaften sind bisher vorwiegend aus dem Westhaus bekannt. Dort sind die folgenden Landschaftsformen abgebildet:

Küstenlandschaften stimmen mit den Linienführungen in den Kykladen und besonders Santorinis überein. Auch wenn die heutige Insel durch den großen Vulkanausbruch geprägt und verändert ist, entspricht die Kombination aus gewachsenem Fels und vulkanischem Gestein dem damaligen Erscheinungsbild.

Meer wird hier wie in anderen künstlerischen Abbildungen in der Ägäis gar nicht dargestellt, nur Delphine, Fische, Schnecken, Seesterne und Wasserpflanzen markieren das Meer.

 
Flusslandschaft mit Jagdszenen

Flüsse sind in der Kykladenkultur ein seltenes Motiv, außer einer Darstellung in Akrotiri sind nur Einlegearbeiten in einem Dolch aus Mykene bekannt und Gravuren auf einem Kamm aus Pylos (Peloponnes) werden als Fluss gedeutet. Alle diese Flüsse verlaufen horizontal, in unregelmäßigen naturnahen Schwingungen, mit charakteristischer Vegetation und Tierwelt an den Ufern.

Tiere

Faszinierend ist die Darstellung von Tieren. Die meisten sind naturgetreu in Form und Bewegung abgebildet, die Farben jedoch häufig nicht nach der Natur sondern den Bedürfnissen des Künstlers ausgewählt, um Körperformen durch kontrastreiche Farbflächen herauszuarbeiten. Bemerkenswert ist auch, dass einige Tierarten detailliert abgebildet werden, die auf Santorini unbekannt waren. Der Künstler muss also mindestens nach Ägypten gereist sein, um Raubkatzen, Antilopen und Affen zu studieren.

Am schon angesprochenen Fluss finden gleich mehrere lebensnah dargestellte Szenen von Raubtieren auf der Jagd statt. Eine in leuchtendem Blau gehaltene Katze schleicht sich tief geduckt durch die Ufervegetation an Wasservögel heran. Körperform und Fleckenmuster lassen einen Serval vermuten, diese Deutung gilt aber nicht als gesichert. Es könnte sich auch um eine, bereits in der Bronzezeit in Ägypten domestizierte Hauskatze oder die Falbkatze handeln. Bislang wurde in Akrotiri noch keine Darstellung eines Löwen als lebendes Tier gefunden, wie sie aus anderen Fundorten der Kykladen und benachbarter Kulturen wohl bekannt ist. Ein stilisierter Löwe schmückt jedoch als Symbol den Rumpf eines Schiffes, das durch Bewaffnete an Bord als Kriegsschiff dargestellt wird.

Nicht ungewöhnlich für die kykladischen Kulturen ist ein Greif, mit Löwenkörper und Flügeln, der in der naturgetreuen Flusslandschaft auf der Jagd nach einem Reh abgebildet ist. Sein Kopf ist nicht erhalten, daher muss offen bleiben, ob er eher als Falke, wie in ägyptischen Darstellungen üblich, oder als Geier dargestellt wurde, wie die Halsform andeutet. Greife haben eine lange ikonografische Tradition, die von Mesopotamien im 4. Jahrtausend v.Chr. ausgehend, über Syrien und Ägypten in die Ägäis verbreitet wurde. Die ältesten Funde stammen aus Phylakopi auf Melos in der Phase III der mittelkykladischen Zeit, in Akrotiri sind bislang zwei Darstellungen auf Fresken aus dem Anfang der spätkykladischen Zeit bekannt, neben der Flusslandschaft noch ein stark stilisierter Greif in den Safransammlerinnen. Daneben existiert eine Tonscherbe, mit einem Schnabel, Kopf, Hals der als der eines Greifen gedeutet wird und ein Siegelabdruck eines Sphinx mit Vogelkopf. Die Verwendung scheint weitgehend austauschbar mit Löwendarstellungen, als Symbol für Stärke und Macht. Über eine göttliche Rolle wird gelegentlich spekuliert.

Ein Reh dient als Jagdbeute des Greif. Seine Darstellung und Kolorierung sind naturgetreu, dem Künstler war das Vorbild also wohl bekannt.

Rinder sind in seltene Motive auf den Kykladen und noch seltener in Akrotiri. In einem der großen Wandgemälde werden zwei schlecht erhaltene und nur angedeutete Tiere vor dem Tor einer Stadt durch einen Menschen geführt. Und Siegelabdrucke zeigen ein Stiermotiv. In beiden Fällen handelt es sich möglicherweise um Opfertiere. Funde auf Delos zeigen Stiere dargestellt mit der Doppelaxt als religiösem Motiv der Minoischen Kultur oder an einen Schrein gebunden.

Schafe und Ziegen werden in einer Hirtenszene als Herdentiere dargestellt.

Antilopen werden in zwei großformatigen und sehr naturgetreuen Fresken abgebildet. Mehrfach treten auch Affen auf. Beide Tierarten waren auf den Ägäisinseln nicht heimisch, der Künstler muss sie also in Nordafrika, vermutlich in Ägypten kennengelernt haben.

 
Delphine

In Akrotiri beliebt, auf anderen Kykladeninseln selten ist das Motiv des Delphins. Er taucht alleine 10 Mal auf Amphoren aus Akrotiri auf, aber kaum je auf anderswo gefertigter Keramik. Delphine bevölkern darüber hinaus szenische Meeresdarstellungen und sind stark stilisierte Motive auf dekorativen Wandgemälden. Alle Darstellungen der Delphine sind sehr ähnlich und ikonographisch schematisiert, da biologische Fehler sich durch die Generationen ziehen. Teilweise werden Delphindarstellungen auch mit Fischen vermischt (Delphin laut Umriss und Kolorierung, aber mit Kiemendeckeln in Phylakopi).

Beliebt sind auch Darstellungen von Vögeln. In Landschaftsszenen leben Wasservögel, insbesondere Gänse. Nilgänse sind als Art erkennbar, andere Tiere können entweder Graugänse sein oder möglicherweise eine freie Kombination des Künstlers zwischen Grau- und Nilgans.

Tauben sind bislang nicht als Tiere abgebildet gefunden worden, aber stilisierte Tauben zieren als Symbole mehrere Schiffe. Insbesondere wird der Rumpf des einzigen Schiffs, das unter Segeln abgebildet wird, von einer Kette stilisierter Tauben geschmückt, was als Hinweis auf eine Kurierfunktion dieses Schiffes gedeutet wird.

Schwalben sind in mehrfach in Fresken abgebildet, insbesondere in einer blütenreichen Landschaft, die als Frühlingsmotiv interpretiert wird. Und sie werden vielfach auf Keramiken verwendet. So oft, dass sie beinahe als Symbol für Gefäße aus Santorini gelten.

Städte und Bauwerke

Ein Fries des Westhauses zeigt zwei Städte und die Seereise zwischen ihnen. Die Städte werden eingebunden in eine felsige Landschaft mit sparsamer Vegetation gezeigt. Sie bestehen aus einzelnen Häusern, die in flacher Perspektive vor und gegen einander gesetzt werden. Die Fassaden sind detailliert ausgeführt. Man kann Wände aus unregelmäßigen Feldsteinen, aus regelmäßigen Ziegeln (selten) und verputzte Fassaden unterscheiden. Die verputzten Wände sind in Blau- und Ockertönen gehalten, ein einzelnes Haus strahlt in einem leuchtenden Rot. Die Häuser haben große Fenster und Flachdächer mit weitem Überstand als Wetterschutz. Einige wenige Häuser der größeren Stadt haben Dachaufsätze, die die Form eines Pinienzapfens erinnern. Außerdem ist ein auffälliges Gebäude der größeren Stadt durch „Kulthörner“ geschmückt, wie sie aus der Minoischen Kultur und vereinzelt kykladischen Siedlungen bekannt sind. Es wird daher als geweihter Schrein angesehen.

Ebenfalls mit den Kulthörnern der inhaltlich nicht näher bekannten Religion ist ein als temenos (τεμενος) bezeichnetes Heiligtum außerhalb der Stadt im selben Fresko geschmückt. Es ist nur schlecht erhalten, daher kann nicht viel über seine Bauform gesagt werden.

Ein anderes Fresko im selben Raum zeigt ein weiteres kleines Bauwerk mit Kulthörnern, das als geheiligte Quelle interpretiert wird. Der Baukörper ist durch drei Säulen gekennzeichnet und die großen Hörner dienen als symbolisches Kennzeichen für den Charakter des Gebäudes.

Personen

Die Abbildungen von Menschen bieten einen besonderen Einblick in das Leben der bronzezeitlichen Akrotirer. Abgesehen von Einzeldarstellungen und kleinen Gruppen, die auf Fresken in fast allen Gebäuden vorkommen, sind die Massenszenen im Westhaus am aussagekräftigsten.

Rund 370 Personen sind auf den Miniaturfresken des Zeremonienraums abgebildet. 120 sind Ruderer in den Booten und nur schematisch dargestellt. Etwa 170 ausreichend erhaltenen männlichen Figuren mit erkennbarer Bekleidung stehen 10 Frauen gegenüber. Dabei sind die meisten Männer individuell dargestellt, Frauen erscheinen mit Ausnahme von wenigen, als Priesterinnen identifizierten Figuren nur uniform in Kleidung und Frisur schematisch an den Fenstern der Stadt abgebildet.

Einige Männer, die in formellen, vielleicht rituellen Handlungen dargestellt sind, tragen einen für die ägäischen Kulturen ungewöhnlichen langen Mantel in weiß, mit zwei Längsstreifen auf der Vorderseite oder doppellagig, wie er in Linear-B-Texten aus Knossos, Kreta beschrieben wird und noch mehrere Jahrhunderte später bei Homer als klaina (χλαινα) in einfacher oder doppelter Form erwähnt wird.

Einige wenige Figuren (sowohl Männer, als auch Frauen, die als Priesterinnen gedeutet werden) tragen ein Gewand, das aus dem Nahen Osten bekannt ist. Es handelt sich um ein Tuch, das zweifach um den Körper gewickelt wird, einmal unter den Achseln, die zweite Lage über die Schulter, wo es mit einer Spange gehalten wird und der Rest des Tuches locker über den Rücken fällt. Auch hier sind die Gewänder mit zwei breiten abgesetzten Streifen geschmückt. Niemand sonst trägt ein weißes Gewand mit Schmuckelementen. Einige Stadtbewohner tragen zwar weiß, aber ohne besondere Kennzeichen.

Die meisten Stadtbewohner tragen eine Art Umhang, der in weiß, rot-ocker und blau-schwarz vorkommt. Ihre Unterkleidung ist nicht erkennbar. In schwererer Form aber ähnlichem Schnitt tragen Schaf- und Ziegenhirten in einer entsprechenden Abbildung die gleiche Kleidung.

Frauen tragen (abgesehen von den oben erwähnten Priesterinnen) entweder einen knöchellangen farbigen Rock und eine weißen Bluse mit Ärmeln bis zu den Ellenbogen oder ein Kleid mit kurzen Ärmeln, dessen Oberteil auf der Vorderseite weit unterhalb der Brüste geschlossen wurde. Die Kleider sind aus einem gewebtem Stoff und immer längsgestreift.

Eine Reihe von Personen trägt verschiedene Formen von Lendenschurzen oder Röcken. Einige tragen nur einen Gürtel, der einen Tuchstreifen durch den Schritt hält, dessen Enden vorne kurz und hinten länger herabhängen. Dies sind vor allem Personen, die bei der körperlichen Arbeit dargestellt sind, wie Fischer, Ruderer oder Hirten.

Nacktheit kommt in zwei Kontexten vor, Sterbende in einer Schiffsbruchsszene werden nackt dargestellt, um ihre Verletzlichkeit auszudrücken, und einige fast lebensgroße Abbildungen, die in besonderem Maße als Raumschmuck dienen, zeigen Nacktheit.

 
Vielfältige Szene mit Herden, Kriegern und Schiffbruch

Krieger tragen Helme, Schild, Schwert und Speere. Schwerter waren in der Bronzezeit selten, teuer und nur wenig effektiv. Sie wurden als Stichwaffen getragen, aber wohl nur selten im Kampf benutzt. Hauptwaffe war der Speer, der auch in der Jagd Anwendung fand. Die Länge der Speere in den Fresken ist im Vergleich zur Körpergröße grotesk übertrieben. Sie entspricht mehr als vier Metern und wäre sie real, könnte die Waffe nicht locker in einer Hand gehalten werden. Realistisch ist etwa Körperlänge.

Zwei Typen von Schilden sind aus der ägäischen Bronzezeit bekannt, die Rechteckform und Schilde in Form einer Acht. Bilder beider Typen finden sich auf Darstellungen in Mykene, aber nur der erste Typ wird in Akrotiri dargestellt. Dieser Schild war zu schwer, um in der Hand getragen zu werden und wurde daher an einem Riemen übergehängt.

Helme waren Filzkappen mit Lederbesatz und bei bedeutenden Kriegern wurden die Lederstreifen mit Reihen von Wildschweinhauern besetzt. Noch Homer beschreibt den selben Typ in der Ilias.

Schiffe

Für eine Seefahrts- und Handelskultur ist besonders charakteristisch, wie ihre Boote dargestellt werden. Die meisten Boote wurden mit Rudern angetrieben, Segel konnten nur selten den Antrieb unterstützen, da eine Fahrt nur vor dem Wind möglich war. Die auf den Fresken abgebildeten größeren Boote reichen von fünf bis 24 Rudern. Aufgrund der Perspektive muss die selbe Anzahl auf der Gegenseite angenommen werden. Die Boote waren seegängig und konnten problemlos auch weiter entfernte Ziele erreichen. Sie hatten auf dem Achterdeck und zum Teil auch auf dem Vorderdeck Zeltkabinen für Passagiere und vielleicht auch die Offiziere. Der Steuermann stand vor der Achterkabine und steuerte mit einem Steuerruder auf der rechten Seite, die sich bis heute als Steuerbord erhalten hat. Die Rümpfe waren oft mit Tiersymbolen geschmückt, Löwen, Delphine und Vögel fallen auf. Die Takelage eines der Boote ist über und über mit stilisierten Blüten des Safrankrokus behängt. Nur eines der Boote wird unter Segeln abgebildet, obwohl alle größeren einen Mast und Takelage haben. Der Rumpf des Segelbootes wird von symbolischen Tauben geziehrt. Ein Interpretationsversuch sieht in diesem Boot einen Kurier.

Neben den großen Booten mit mehreren Ruderern gibt es kleine Paddelboote der Fischer.

Fresken im Westhaus

Das schon mehrfach angesprochene Westhaus ist die bisher ergiebigste Quelle für szenische Darstellungen. In nur einem Raum finden sich drei Friese, die oberhalb zweier Fensterfronten und einer durch Türen durchbrochenen Wand verlaufen und sowie zwei fast lebensgroße Darstellungen von Fischern in Feldern neben den Fenstern.

Die Szenen

Die drei Friese zeigen die folgenden Darstellungen (die beiden erstgenannten gehören zu einem Fries, zwischen ihnen sind eventuelle, verbindende Teile nicht erhalten):

  • Zeremonien auf dem Hügel - festlich gekleidete Menschen beider Geschlechter bewegen sich von zwei Seiten auf einen Hügel, an dessen Fuß eine heilige Quelle entspringt. Mehrere präsentieren in den ausgestreckten Händen nicht erkennbare Gegenstände, möglicherweise Feuerschalen.
  • In einer stilistisch verwirrenden Darstellung bildet eine Hirtenszene mit einer Schaf- und Ziegenherde den Hintergrund für eine Reihe schreitender Krieger in voller Kampfausstattung. Direkt unterhalb der Kriegerreihe, aber ohne erkennbaren Zusammenhang ist ein Schiff auf Felsen aufgelaufen, drei nackt dargestellte Personen stürzen über Bord ins Meer, wobei sie nicht identifizierbare Ausrüstungsteile mit sich reißen.
  • Ein weiteres abgegrenztes Feld stellt eine Flusslandschaft dar. Dieses Motiv steht in einer erkennbaren kretischen Tradition, dort werden nach Pflanzen- und Tierwelt in der Regel ägyptische Landschaften aufgegriffen, während der Fluss in Akrotiri nach der Vegetation als lokal anzusehen ist. Der Fluss bietet den Rahmen für zwei Unterthemen: Jagende Raubtiere und Pflanzenbau (Palmen, Papyrus)
  • Als Höhepunkt der bislang entdeckten Fresken in Akrotiri gilt die „Schiffsprozession“. Mindestens acht Schiffe fahren von einer kleineren Stadt eine vermutlich kurze Strecke in eine größere und geschmückte Stadt, wo sie erwartet werden. Die Entfernung gilt als kurz, da die Boote offensichtlich nicht für Seereisen ausgerüstet sind. An Bord sind festlich gekleidete Passagiere, keine Soldaten, so dass die Reise einem befreundeten Ziel gilt.

Eine Interpretation im Zusammenhang aller Bilder des Raumes deutet die Prozession als Feier des Beginns der Seefahrtsaison im Frühling, nach dem Ende der Winterstürme. Alle Abbildungen stünden im lockeren Zusammenhang des Themas Frühling, wenn man auch die Zeremonie auf dem Hügel entsprechend auslegt.

Lokalisierung

Marinatos identifizierte die szenischen Darstellungen der Schiffsreise mit einer Expedition in die Kyrenaika im heutigen Libyen (rund um das heutige Barka). Er schloss dies aus Darstellungen Herodots über eine Schiffsreise nach Libyen. Problematisch an dieser Deutung ist, dass Herodot seine Reise nach Libyen mehr 1000 Jahre später beschreibt. In der späten Bronzezeit war die libysche Küste kaum besiedelt, im Hinterland lebten Nomaden, Städte wie die abgebildete gab es nicht. Die Geologie passt nur mit Mühe auf Kyrene, aber zwanglos in die Ägäis, insbesondere Santorini selbst.

Soweit Marinatos sich auf einzelne Details bezieht, sind diese entweder sehr allgemein (Haarlocken) oder falsch (Ohrringe in der beschriebenen Form gab es nie in Libyen, liegen aber als Grabfunde aus Mykene vor).

Daher darf man mit der neueren Forschung nach Marinatos wohl annehmen, dass die Szenen auf der Insel selbst oder zumindest innerhalb der Kykladen spielen.

Ausstellung

Ein glücklicher Umstand bei den Ausgrabungen war, dass dank der Erfahrung mit byzantinischen Fresken ausreichend Fachleute für die Bergung und Restaurierung in Griechenland zur Verfügung standen. Die Fresken wurden im archäologischen Nationalmuseum in Athen restauriert und einige auch dort ausgestellt, bis im Jahr 2001 das neue archäologische Museum im Hauptort Thira eröffnet wurde. Seither sind die schönsten Fresken aus Akrotiri auf der Insel selbst zu sehen.

Eine weitere Ausstellung detailgetreuer Repliken aller bislang gefundener Fresken ist ebenfalls in Thira im Kongresszentrum der Thera-Foundation zu besichtigen.

Literatur

  • Nanno Marinatos: Santorini – mit einer Führung durch Akrotiri, Verlag Mathioulakis, Athen 1985.
  • Christos Doumas: Die aktuellsten archäologischen Funde in Akrotiri auf Thera, Manuskript eines Vortrags, Verein zur Förderung der Aufarbeitung der Hellenischen Geschichte, Weilheim i. Obb. 2001.
  • Clairy Palyvou: Akrotiri Thera – an architecture of affluence 3500 years old, INSTAP Academic Press, Philadelphia 2005. ISBN 1-931534-14-4
  • Lyvia Morgan: The Miniature Wall Paintings of Thera.Cambridge classical studies. Cambridge University Press, Cambridge 1988. ISBN 0-521-24727-6
Commons: Akrotiri – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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