Geschichte Belgiens

Entwicklungen auf dem Gebiet des Königreiches Belgien von der Urgeschichte bis zur Gegenwart
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Geschichte der Benelux-Staaten
Fränkisches Reich
≈500–843
Mittelreich (Lotharii Regnum)
843–855
Lotharingien
855–977
verschiedene adlige Besitztümer
977–1384

Hochstift Lüttich
985–1795

Burgundische Niederlande
(Haus Burgund)

1384–1477

Burgundische Niederlande
(Haus Habsburg)

1477–1556

Spanische Niederlande
1556–1581

Republik der Vereinigten Niederlande
1579/1581–1795
Spanische Niederlande
1581–1713

Österreichische Niederlande
1713–1795

Batavische Republik
1795–1806

Frankreich (Erste Republik)
1795–1805

Königreich Holland
1806–1810

Französisches Kaiserreich (Erstes Kaiserreich)
1805–1815

Königreich der Vereinigten Niederlande
(Haus Oranien-Nassau)
1815–1830


Großherzogtum Luxemburg
(Haus Oranien-Nassau)
1815–1890

Königreich der Niederlande
(Haus Oranien-Nassau)
ab 1830

Königreich Belgien
(Haus Sachsen-Coburg und Gotha)
ab 1830

Großherzogtum Luxemburg
(Haus Nassau-Weilburg)
ab 1890

Siehe auch: Niederlande (Begriffsklärung)

Frühzeitalter

Archäologische Funde beweisen, dass schon lange vor der Jungsteinzeit Nordwesteuropa durch die sogenannten Neanderthaler bewohnt wurde. Frühe Werkzeuge von Jägern und Fischern datieren von 500 000 v.Chr. Die ersten Dörfer mit ungefähr 100 Einwohnern entstanden um ca. 4000 v.Chr. Während der Eisenzeit waren die Hallenstatt-Kultur (700-500 v.Chr.) und die keltische La-Tène-Kultur die wichtigsten.

Römisches Reich

Die Gebiete vom heutigen Belgien wurden von 57 v. Chr. bis 51 v. Chr. durch Julius Caesar erobert. Der Name Belgien geht auch auf ihn zurück, der allen keltischen Stämmen nördlich der Flüsse Sequana (Seine) und Matrona (Marne) die Bezeichnung Belgae gab (Galliorum omnium fortissimi sunt Belgae, De Bello Gallico, liber primus).

Unter Kaiser Augustus wurde im Kerngebiet der belgischen Stämme die Provinz Gallia Belgica mit der Hauptstadt Durocortorum (Reims) gegründet. Erst unter Kaiser Claudius wurde die Provinz romanisiert.

Fränkisches Reich

Nach dem Zerfall des römischen Reiches war das Gebiet ein Kernland des Reiches der Franken. Nach dessen Teilung kam die Grafschaft Flandern (westlich von der Schelde) zum westfränkischen (später das französische) Königreich, der Rest zum ostfränkischen Reich (später das deutsche Kaiserreich).

Burgundische Niederlande

Später entstand das Burgunderreich an beiden Seiten der alten Grenze. Unter den burgundischen Herzögen wurden die Vorläufer der heutigen Regionen (z.B. Westflandern, Ostflandern, Brabant) gebildet. Philipp der Kühne (1342-1404) erlangte die Regierung der Grafschaft Flandern. Vor allem sein Enkel Philipp der Gute vereinigte weitere Gebiete des heutigen Belgiens durch Erbnis oder Kauf.

Spanische und Österreichische Zeit

Die Spanier regierten das Gebiet Belgiens zwischen 1494 und 1714.

Durch Erbfolge kam Belgien unter die Herrschaft Karl V. (1500-1558), Enkel von Maximilian I. von Österreich. Von nun waren die Regionen nur noch ein Anhängsel des Habsburgischen Reiches und wurden von Madrid aus regiert.

1568 brach der Achtzigjährige Krieg aus, der die 17 Provinzen in zwei Lager teilte. 1581 erklärte sich der Norden, die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, (heutiges Königreich der Niederlande), für unabhängig. Der Süden gehörte dem spanischen Zweig der Habsburger (Spanische Niederlande) und später den österreichischen Habsburgern (österreichische Niederlande).

1790 folgte die Unabhängigkeitserklärung der "vereinigten belgischen Staaten", die aber 1794 von Frankreich besetzt wurden. 1815 wurde das Gebiet nach dem Wiener Kongress den Niederlanden zugesprochen (was aber innerhalb Belgiens für Unruhe sorgte).

Das Vereinigte Königreich der Niederlanden

Nach dem Wiener Kongress (1815) wurde Belgien mit den Niederlanden zusammengeführt. Aufgrund einer teilweise ähnlichen Geschichte dachte man, dass dies die beste Lösung sein würde. Der Regent Wilhelm I. regierte das VKN als "aufgeklärter Despot". Seine Macht war uneingeschränkt, doch wurde ein Scheinparlament eingerichtet. Willem I. sorgte mit einigen Maßnahmen im Süden des Reiches, also Belgien, für Antipathie. So waren seine Religions- und Bildungspolitik sehr umstritten, da sich die Katholiken benachteiligt fühlten und der König die niederländische Sprache im Süden Belgiens durchzusetzen versuchte. Seine Hilfe für den Antwerpener Hafen wurde hingegen positiv aufgenommen. Insgesamt war das belgische Volk aber unzufrieden mit dem Monarchen. Die politisch organisierten Katholiken und die Liberalen des Landes forderten gemeinsam Reformen, was Wilhelm I. jedoch grundlegend ablehnte. Da viele Bürger Angst hatten vor den Arbeitern, die mit sozialistisch und nationalistischen Aufständen drohten, ließ Willem I. eine Bürgerwehr aufstellen, die bei den späteren Kämpfen um die Unabhängigkeit eine wichtige Rolle spielen sollte.

Unabhängigkeit

Die belgische Revolution führte 1830 zu Unabhängigkeit von den Niederlanden. Die französische Julirevolution hatte mit ihrer Machtübernahme des Bürgertums erste Unruhen ausgelöst. Ende August begann in Brüssel der offene Aufstand. In der Oper, heute "La Monnaie / De Munt" genannt, wurde die Oper "Die Stumme von Portici" von Daniel-François-Esprit Auber aufgeführt, die bereits in Paris für Unruhe gesorgt hatte. Nach dem Ende der Aufführung zog das Publikum aus dem Theater hinaus und schloss sich einer Demonstration von Arbeitern an, die zufällig vorbei kam. Auch Einheiten der Bürgerwehr stießen zu der Menschenmenge. Gemeinsam stürmte man den Justizpalast, verschiedene Verwaltungsgebäude und den Sitz einer regierungsfreundlichen Zeitung. Die in Brüssel stationierten holländischen Truppen verhielten sich passiv, unter anderem weil Belgier in ihren Reihen gezielt Unruhe, Desinformationen und Desertionen auslösten.

Am Tag nach den ersten Unruhen schickte Wilhelm I. seine beiden Söhne als Unterhändler nach Brüssel. Die Aufständischen forderten eine Teilung des Landes, ohne Gegenvorschläge zu akzeptieren. Nach der Abreise der Prinzen wurden auch die holländischen Truppen aus Brüssel abgezogen. Eine weitere Verhandlungsrunde, in der Wilhelm I. persönlich mit einer Brüsseler Delegation sprach, blieb ebenfalls ohne Ergebnis. Unterdessen breitete sich die offene Unabhängigkeitsbewegung auch in andere belgische Städte aus. Ende September beschloss Wilhelm I., militärisch gegen den Aufstand vorzugehen. 12.000 Soldaten zogen gegen Brüssel und besetzten den Park vor dem dortigen Schloss. Nun stellte sich der vorherige Abzug der Garnison aus der Stadt als taktischer Fehler heraus. Den Brüsselern gelang es, eine geschlossene Verteidigung der Stadt aufzubauen. Drei Tage lang dauerten die Kämpfe, an deren Ende sich die Holländer zurückzogen.

Am 26. September formierte sich eine provisorische Regierung in Brüssel. Frankreich und Großbritannien erkannten sie sofort an. In den folgenden Tagen wurden holländische Beamte und Truppen aus allen Städten des Landes vertrieben. Am 4. Oktober 1830 verkündete die provisorische Regierung auf dem Balkon des Brüsseler Rathauses die Unabhängigkeit Belgiens.

In der Konferenz von London (Ende 1830) wurde Belgien die Unabhängigkeit von den damaligen Großmächten zugestanden, obwohl sie damit den gerade mal 15 Jahre alten Vertrag von Wien in Frage stellten. Die Suche nach einem König stellte sich als äußerst schwierig heraus. Ein Vorschlag der Franzosen wurde von allen anderen abgelehnt, da die Angst vor einer erneuten Oberherrschaftsbestrebung der Franzosen zu groß war. Kurze Zeit später wurde Leopold I. von Sachsen-Coburg-Gotha zum König eingesetzt und eine immerwährende Neutralität erklärt. Der König hatte nur beschränkte Funktionen und musste einen Eid auf das Grundgesetz ablegen, darin erkennt er die Souveränität des Volks, die Grundrechte und das parlamentarische System an.

Weltkriege

Im 1. Weltkrieg marschierten die Soldaten des deutschen Kaisers ohne Kriegserklärung in das neutrale Belgien, da das Land für das Deutsche Reich als Mittelland zum Kriegsgegner Frankreich eine strategische Bedeutung besaß. Im Verlaufe des jahrelangen Stellungskrieges zwischen Franzosen und Deutschen wurden viele belgische Städte zerstört. Am Ende des Krieges gehörte Belgien zu den westalliierten Siegermächten und annektierte das Gebiet um Eupen-Malmedy, das heutige Ostbelgien, vom Deutschen Reich. Belgien war auch im Zweiten Weltkrieg Durchzugsgebiet nach Frankreich und ins Deutsche Reich und daher auch Kampfgebiet.

Nach diesem Trauma des 20. Jahrhunderts engagierte sich Belgien zusammen mit anderen westlichen Staaten für eine friedlichere Zukunft (s.u.), um so wieder ein vertrauensvolleres Verhältnis zu seinen Nachbarstaaten zu bekommen.

Belgien als Zentrum Europas

1951 wurde Baudouin I. nach der Abdankung seines Vaters Leopold III. König des Landes.

Am 30. Juni 1960 wurde die Kolonie Belgisch-Kongo unabhängig, wobei Belgien in der turbulenten Phase nach der Unabhängigkeit in die dortigen Konflikte verwickelt war. Mit der Unabhängigkeit Burundis und Ruandas am 1. Juli 1962 endete für Belgien die Zeit als Kolonialmacht.

Nach dem Austritt Frankreichs aus der militätischen Integration der NATO übernahm Belgien 1967 das NATO-Hauptquartier und das Hauptquartier Europa (SHAPE). Mit dem Ausbau der Europäischen Gemeinschaft wurde Brüssel neben Luxemburg Sitz europäischer Institutionen.

Bis in die fünfziger Jahre war die französischsprachige Bevölkerung in Wallonien die "tonangebende" Volksgruppe in Belgien gewesen, was zu großen politischen Spannungen mit der niederländischsprachigen flämischen Bevölkerung führte, die sich in vielerlei Hinsicht unterdrückt fühlte. Erst mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Wallonen - ihr Haupterwerbszweig war der Bergbau gewesen - änderte sich diese Situation zugunsten eines angenäherten Gleichgewichtes zwischen den zwei großen Bevölkerungsgruppen.

Im Mai 1977 wurde durch den Egmont-Pakt die Einführung von drei autonomen Regionen Brüssel, Wallonien und Flandern vorgeschlagen, welches aber aufgrund weiterer Forderungen der Wallonen nicht durchsetzbar war. Durch die Gewährung regionaler Autonomierechte für Flamen und Wallonen (aber auch für die deutschsprachige Volksgruppe in Ostbelgien) und die Verabschiedung des Gesetzes, welches Belgien in einen Bundesstaat umwandelt, im August 1980 wurden zwar politische Forderungen erfüllt, die Spannungen und Gegensätze - jetzt unter einem wirtschaftlich umgekehrten Verhältnis - sind aber trotzdem bis heute vorhanden und werden von der flämischen Partei Vlaams Blok und der wallonischen Partei Front National Belgique nach außen getragen.

Hinzu kommen die zwischen 1990 und 2000 entstandenen gesamtstaatlichen Probleme (Vorwurf der Verfilzung der Bundespolitik, Skandale um Kindesmissbrauch s. a. [1]).

Als einigendes und stabilisierendes Band für das Land erweist sich das Königshaus, dem seit 1993 König Albert II. als Nachfolger von Baudouin I. vorsteht.

Dennoch ist völlig offen, ob Belgien auch in Zukunft als einheitlicher Staat bestehen bleiben wird. Zwar wurde der Vlaams Blok im November 2004 verboten, doch könnte dieser Schuss aufgrund der breiten Zustimmung für die Partei in Flandern (größte Fraktion im flämischen Parlament) leicht nach hinten losgehen. Es wurde umgehend eine Nachfolgeorganisation namens Vlaams Belang gegründet.

Belgische Diaspora

Belgische Diaspora ist die Bezeichnung für die Belgier, die außerhalb Belgiens leben. Einige von ihnen leben in Deutschland, insbesondere Hessen und Köln. In Köln bestand in der frühen Neuzeit eine evangelisch-reformierte Kirchengemeinde von Wallonen. In Hanau in Hessen gibt es die Niederländisch-Wallonische Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde, die seit Jahrhunderten besteht. In Friedrichstadt in Schleswig wurde in der frühen Neuzeit eine flämische Mennonitengemeinde gegründet, die sich später mit der friesischen und der süddeutschen Mennonitengemeinde vereinigte. In Danzig, Emden, Leer, Hamburg und Norden bestanden flämische Mennonitengemeinden, die sich später mit den friesischen Mennonitengemeinden vereinigten. Eine Siedlung von Mennoniten aus Deutschland, die flämischer Herkunft waren, war Chortitza in der Ukraine. In Groningen gab es von 1554 bis 1809 eine flämische Mennonitengemeinde, die 1809 mit der Vereinigten Waterlandschen Flämischen und Waterlandschen Gemeinde fusionierte. Ein anderes traditionell bedeutendes Land der belgischen Auswanderung ist Südafrika, was dazu geführt hat, dass unverhältnismäßig wenige Belgier in Amerika leben, beispielsweise weniger Belgier als Österreicher. Eine flämische Stadtgründung des Mittelalters ist Penfro im traditionell englischsprachigen Teil von Wales. In Amsterdam, Haarlem und Rotterdam gab es ebenfalls flämische Mennonitengemeinden. Dort leben heutzutage auch einige Belgier.

Belgische Könige

Literatur

  • Michael Erbe: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. Stuttgart, Berlin, Köln 1993. ISBN 3-17-010976-6

siehe auch: Liste der belgischen Ministerpräsidenten