Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q77 | Osteochondrodysplasie mit Wachstumsstörungen der Röhrenknochen und der Wirbelsäule |
Q77.4 | Achondroplasie |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |

Die Achondroplasie (auch Chondrodysplasie oder Chondrodystrophia fetalis genannt) ist eine bei vielen Säugetieren – so auch beim Menschen – häufige Mutation, welche das Wachstum des Skelettsystems betrifft. Sie wird in geringerem Teil autosomal-dominant vererbt (ca. 20 %), entsteht zu weit größerem Teil aber durch Neumutation. Die Lebenserwartung und die Intelligenz sind nicht beeinträchtigt.
Häufigkeit
Achondroplasie ist die häufigste Form des genetisch bedingten Kleinwuchses. Sie tritt mit einer Inzidenz von 1 auf 20.000 Geburten auf.[1]
Ursache
Die Achondroplasie ist das Resultat einer Punktmutation im Fibroblasten Wachstumsfaktor-Rezeptor Gen FGFR-3 (englisch: fibroblast growth factor receptor 3). Diese autosomal dominante Mutation führt zu einer Störung der Knorpelbildung; die Knochenwachstumszone (Epiphysenfuge) wird verfrüht verknöchert, was zur Einschränkung des Längenwachstums vor allem der Arme und Beine (Extremitäten) führt (enchondrale Ossifikation).
Etwa 80 % der Fälle sind durch Neumutationen bedingt. Ursächlich liegt in 96 % der Fälle eine G(1138)A Punktmutation im FGFR-3 Gen vor. Dadurch kommt es zu einem Aminosäureaustausch in Position 380 des Proteins (Glycin zu Arginin). In 3 % der Fälle lässt sich eine G(1138)C Punktmutation nachweisen, welche ebenfalls einen Glycin zu Arginin Austausch zur Folge hat. Embryos mit homozygoter Mutation (sowohl die väterliche als auch die mütterliche Variante des Gens sind verändert) sind nicht lebensfähig und sterben bereits im Mutterleib (intrauterin).
Allgemeine Symptome der Mutation
Die Achondroplasie führt zu einem disproportionierten Kleinwuchs. Da die unübliche Knorpelbildung insbesondere in den Röhrenknochen eine regelgerechte Entwicklung nicht möglich werden lässt, sind stark verkürzte Extremitäten bei normaler Rumpfgröße charakteristisch. Das Längenwachstum ist bei dagegen nahezu normalem Dickenwachstum gestört.
Weitere Symptome bei betroffenen Menschen sind:
- vergleichsweise kurze Finger
- vergrößerter Abstand zwischen dem 3. und 4. Finger (Dreizackhand)
- vergleichsweise kurzer Hals und großer Kopf mit vorgewölbter Stirn und unüblicher Schädelbasis
- schmales Gesicht mit Sattelnase
- häufig hohles Kreuz (Lordose) oder eine Kyphose
- angeborene Enge des Hinterhauptlochs und des gesamten Wirbelkanals
- häufig O-Beine oder X-Beine
- häufige Mittelohrentzündungen (aufgrund verengter Eustachi-Röhre)
- charakteristische Hautfalten (die Haut ist für die verkürzten Extremitäten zu weit)
Aufgrund ihres relativ langen Rumpfes haben von Achondroplasie betroffene Menschen eine fast normale Sitzhöhe. Ausgewachsen erreichen sie eine Körpergröße zwischen 120 und 148 cm.
Diagnose und Differentialdiagnose
Klinisch zur Abgrenzung gegenüber Hypochondroplasie und Pseudoachondroplasie sind wichtige Aspekte der große Kopf mit Balkonstirn und flacher Nase, Prognathie.
Radiologische Kriterien sind:
- Verbreiterte Metaphysen bei normalen Epiphysen
- Überproportional verkürzter Humerus und Femur
- Schmales Kreuzbein, breite Beckenschaufel mit horizontalem und breitem Pfannendach
- Verschmälerter Abstand der Bogenwurzeln nach kaudal zunehmend, verkürzte Pedikel mit eventueller Spinalstenose, keilförmige Deformierung der Wirbelkörper
- Brachydaktylie mit Dreizackhand[2]
Therapie
Die Therapie orientiert sich an den Symptomen. Bei funktionellen Behinderungen durch die Beinachsen- und Wirbelsäulenstellung sowie bei beginnenden Lähmungen können dekomprimierende und stabilisierende Eingriffe an der Wirbelsäule vorgenommen werden.
Derzeit befinden sich zwei Wirkstoffe in klinischen Studien zur Behandlung von Achondroplasie. Die Firma BioMarin Pharmaceutical Inc. entwickelt ein CNP Analogon (benannt Vosoritide) welches in die Wirkkaskade des FGFR3 Rezeptors eingreift und eine erhöhte Teilungsrate der Knorpelzellen zur Folge hat.[3] Die Firma BioClin Therapeutics, Inc. entwickelt einen FGFR3 Antikörper sowohl zur Behandlung von Blasenkrebs als auch zur Anwendung bei Achondroplasie.[4][5]
Siehe auch
Literatur
- W. Schuster, D. Färber (Hrsg.): Kinderradiologie. Bildgebende Diagnostik. Springer, 1996, ISBN 3-540-60224-0.
- J. W. Spranger: Bone Dysplasias. Urban & Fischer, 2002, ISBN 3-437-21430-6.
Einzelbelege
- ↑ Bernhard Zabel: FGFR3-Mutationen als Ursache von Skelettdysplasien der Achondroplasie-Gruppe. In: Klaus Mohnike u. a.: Achondroplasie und Hypochondroplasie. 2. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag, 2013, ISBN 978-3-940615-41-1, S. 3.
- ↑ F. Hefti: Kinderorthopädie in der Praxis. Springer, 1998, ISBN 3-540-61480-X, S. 651.
- ↑ BioMarin Pharmaceutical BMN-111 phase-II results | Biotechnology Events. In: www.biotechnologyevents.com. Abgerufen am 20. April 2016.
- ↑ BioClin Therapeutics, Inc.: BioClin Therapeutics Initiates Phase 2 Clinical Trial Evaluating B-701 for Treatment of Urothelial Cell Carcinoma. In: www.prnewswire.com. Abgerufen am 20. April 2016.
- ↑ Science | BioClin Therapeutics. In: www.bioclintherapeutics.com. Abgerufen am 20. April 2016.
Weblinks
- Achondroplasie. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)