In Hamburg und seinen Ortsteilen wurden von 1444 bis 1738 entsprechend dem Hamburger Stadtrecht mindestens 101 Verfahren gegen mutmaßliche Hexen, Zauberer und Wahrsager durchgeführt. Da die Aktenlage zur Hexenverfolgung in Hamburg nicht gut ist, muss von weit mehr Fällen ausgegangen werden. Die meisten Hexenprozesse endeten mit dem Tod der Angeklagten.
Hamburger Stadtrecht
"Wenn ein christlicher Mann oder Frau, der/die ungläubig ist und mit Zauberei und Vergiftung umgeht und auf der frischen Tat ertappt wird, den/die soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen" (Hamburger Stadtrecht von 1497).
Im hamburgischen Stadtrecht stand seit 1270 der Schadenzauber unter Strafe; der Teufelspakt wurde in der Neufassung von 1605 explizit erwähnt. Das hamburgische Niedergericht zwischen 1444 und 1642 führte die Prozesse gegen Frauen und einige Männer wegen Schadenzauber bzw. Hexerei.[1]
Die Zauberer und Zauberinnen, die mit verbotenen Mitteln dem Menschen oder dem Vieh an Leib und Seele Schaden zufügen, oder auch, die aus bösem Vorsatz von Gott und seinem heiligen Wort vergessentlich abtreten, und mit dem bösen Feinde sonderbare hochärgerliche Verbündnisse machen, werden, nach Gelegenheit ihrer beweislichen Verwirkung, mit Feuer oder mit dem Schwert am Leben gestraft (Hamburger Stadtrecht von 1605).
Umfang der Hexenverfolgung in Hamburg
In Hamburg und seinen Ortsteilen wurden von 1444 bis 1738 mindestens 101 Verfahren gegen mutmaßliche Hexen, Zauberer, Wahrsager/innen usw. angestrengt.[2] Das ergaben neue Forschungen durch Kai Lehmann im Deutschen Hexendokumentationszentrum im Museum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden. Bisherige Schätzungen gingen von ca. 40 Verfahren in der Kernzeit der Hamburger Hexenverfolgung aus. Danach wurden von 1444 bis 1642 in Hamburg nachweislich 30 Frauen und 7 Männer wegen Hexerei und Zauberkünsten hingerichtet.[3] Die Aktenlage zur Hexenverfolgung in Hamburg ist nicht gut, daher muss von weit mehr Fällen ausgegangen werden, vor allem, da fast alle erwähnten Hexenprozesse mit dem Tod der Angeklagten endeten. Mindestens 81 der Prozesse (80 %) führten zum Tod der Beschuldigten. Lediglich 14 der gefundenen Fälle endeten mit einer Freilassung, Landesverweis, Rutenschläge oder Flucht. Von sechs Personen sind die Schicksale unbekannt.
Hexenverfolgung nach der Reformation
Fast alle Hexenprozesse in Hamburg wurden durchgeführt, nachdem die Reformation Einzug in Hamburg hielt und 1529 unter Mitwirkung von Johannes Bugenhagen eine neue Kirchenordnung eingeführt wurde.
Hexenprozesse
Als erstes Opfer der Hexenverfolgung wurde 1444 Katharina Hanen als Zauberin ("incantatrix") verbrannt.
Hexenprozesswellen gab es in den Jahren 1544–1545 (11 Angeklagte), 1555–1556 (17 Angeklagte), 1575–1583 (23 Angeklagte) und 1610 (5 Angeklagte in Harburg, von denen die meisten hingerichtet wurden.
1555 wurden vierzehn Frauen unter der Anklage der Hexerei verhaftet. Dies ist der erste verbürgte Fall der Anwendung von Folter, die bis dahin bei Hexenprozessen in Hamburg nicht angewandt wurde. Von den vierzehn Frauen starben neun auf dem Scheiterhaufen, zwei unter der Folter, bei drei Fällen ist der Ausgang unbekannt.
1583 musste Abelke Bleken vor Gericht aufgrund mehrerer, gegen sie gerichteter Vorwürfe aussagen und legte unter Folter ein Geständnis zu Schadenzauber und Teufelspakt ab. Sie ist die einzige Frau in Hamburg, deren vor Gericht vorgebrachten Erwiderungen, die sogenannte Urgicht, dokumentiert sind. Sie wurde am 18. März 1583 durch das Feuer hingerichtet.[4]
1612 wurde Mette Harden aus Kirchwerder, die den unteren Bevölkerungsschichten angehörte, mit zwei weiteren Frauen (Cathrin Danckwers aus Kirchwerder und Cathrin Schmalfeldes aus Curslack)[5] im Jahr 1612 der Hexerei angeklagt.
Letzte Hexenprozesse in Hamburg
Einer der letzten Hexenprozesse in Hamburg wird 1642 vollzogen: Cillie Hemels wird wegen Abfalß von Gott, ihrer Zauberei und gegen ihren eigenen Mann begangene Mordthat verbrannt. In Hamburg-Bergedorf wurde 1676 unter dem Vorwurf der Zauberei Margareth Uhler, Gattin des Sven Uhler, inhaftiert. Sie befand sich 21 Monate in Untersuchungshaft (zeitweise in Ketten). Erst im Jahr 1678 erfolgte der Freispruch, es war der letzte Hexenprozess in Hamburg.
Gedenken an die Opfer der Hexenprozesse in Hamburg
Erinnerungsstein im Garten der Frauen
Am 7. Juni 2015 weihte der Verein Garten der Frauen[6] im Beisein der Zweiten Bürgermeisterin von Hamburg, Frau Katharina Fegebank,[7] einen Erinnerungsstein[8] auf dem Ohlsdorfer Friedhof für alle jene Frauen ein, die in Hamburg Opfer der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung wurden.[9]
Straßennamen
- Seit 1995 ist in Kirchwerder die Mette-Harden-Straße nach Mette Harden benannt.[10]
- Seit 2015 ist in Ochsenwerder der Abelke-Bleken-Ring nach ihr benannt.[11]
Siehe auch
Literatur
- Matthias Blazek: Hexenprozesse, Galgenberge, Hinrichtungen, Kriminaljustiz im Fürstentum Lüneburg und im Königreich Hannover, Stuttgart 2005.
- Eckart Kleßmann: Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 2002.
- Emil B. König: Geschichte der Hexenprozesse, Ausgeburten des Menschenwahns, Paderborn (ohne Erscheinungsjahr).
- Sönke Lorenz: Aktenversendung und Hexenprozess. Dargestellt am Beispiel der Juristenfakultäten Rostock und Greifswald (1570/82–1630), II,1.
- Sönke Lorenz: Die Quellen. Die Hexenprozesse in den Rostocker Spruchakten von 1570 bis 1630, Frankfurt am Main 1983.
- Roswita Rogge: Hamburg – Hexenverfolgung. In: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hrsg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller, und Jürgen–Michael Schmidt (letzter Zugriff 15. Mai 2016)
- Roswitha Rogge: Hexenverfolgung in Hamburg? Schadzauber im Alltag und in der Justiz. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht GWU; Zeitschrift des Verbandes Friedrich Seelze, Band 46, 1995, S. 381–401
- Carl Trummer: Vorträge über Tortur, Hexenverfolgung, Vehmgerichte, und andere merkwürdigen Erscheinungen in der Hamburgischen Rechtsgeschichte, 1. Bd., Hamburg, bei Johann August Meißner, 1844, S. 64, 108–118, 136–160
- Antje Windgassen: Die Hexe von Hamburg. Gmeiner Verlag. Meßkirch 2015, ISBN 978-3-8392-1734-4.
Weblinks
- Rita Bake: Verschiedene Welten I, 45 historische Stationen durch das Kontorhausviertel. 20. Station Fronerei. Hexenverbrennungen. Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2010. Freie und Hansestadt Hamburg. Behörde für Schule und Berufsbildung. Amt für Weiterbildung. Alsterdruck, 3. aktualisierte Auflage 2010, S. 51. ISBN 978-3-929728-27-9
- Hartmut Hegeler: Namen der Opfer der Hexenprozesse/ Hexenverfolgung Hamburg (PDF; 13 KB), abgerufen am 22. Mai 2016.
- Antje Windgassen: Die Hexe von Hamburg. Roman mit Hinweis auf einen Hexenprozess 1622 gegen Anneke Claen, Tochter einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie.
Einzelnachweise
- ↑ Rita Bake: Ein Gedächtnis der Stadt Bd. 2: Frauenbiographien von A bis Z. Hamburg 2015. Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2010. Freie und Hansestadt Hamburg. Behörde für Schule und Berufsbildung. Amt für Weiterbildung. S. 433. (PDF; 5,8 MB), abgerufen am 22. Mai 2016.
- ↑ Hartmut Hegeler: Namen der Opfer der Hexenprozesse/ Hexenverfolgung Hamburg (PDF; 13 KB), abgerufen am 23. Mai 2016.
- ↑ Eckart Kleßmann: Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 2002, S. 136
- ↑ Roswitha Rogge: Bleken, Abelke. In: Hamburgische Biografie. Band 1, Christians, Hamburg 2001, S. 48.
- ↑ Dagmar Unverhau: Aufruhr und Rebellion im Amt Bergedorf wegen eines Zauberers und dreier Zauberinnen im Jahre 1612, S. 5. PDF 3 MB, Aufruf 22. Mai 2016
- ↑ Rita Bake: Ein neuer Erinnerungsstein im Garten der Frauen. In: OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur.
- ↑ Fegebank weiht Stein zur Erinnerung an verbrannte Hexen ein.
- ↑ Gedenkstein für Abelke Bleken
- ↑ Rede anlässlich der Einweihung von Hamburgs ersten Erinnerungsstein für die in Hamburg als Hexen beschuldigten und verbrannten Frauen.
- ↑ Rita Bake: Ein Gedächtnis der Stadt Bd. 2: Frauenbiographien von A bis Z. Hamburg 2015. Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2010. Freie und Hansestadt Hamburg. Behörde für Schule und Berufsbildung. Amt für Weiterbildung. S. 324. (PDF; 5,8 MB), abgerufen am 19. Mai 2016.
- ↑ Straßenname erinnert an tragisches Frauenschicksal. Hamburg–Ochsenwerder. Die Ringstraße des Neubaugebietes "Ochsenwerder 13" soll an Abelke Bleken aus Ochsenwerder erinnern. 20. November 2014.
- ↑ Judith Pape: Kommt die späte Würdigung für eine "Hexe"? In: NDR.de Hamburg 15. Mai 2016.
- ↑ Nico Binde: Darf man eine Straße nach einer Hexe benennen? 13. Mai 2016.
- ↑ Hamburg für eine Katharina–Hanen–Straße. Petition zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung.
- ↑ Schellen: Hamburg – Eine Straße für die „Hexe“. Eine Online–Petition fordert die Benennung einer Straße nach Katharina Hanen, die im Jahr 1444 als erste von 40 Hamburgerinnen als „Hexe“ verbrannt wurde. 2. Mai 2016.