Muzak (Marke)

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Muzak™ ist ein Markenname der Muzak Holdings LLC, eines 1934 gegründeten US-amerikanischen Unternehmens, das hauptsächlich für seine Gebrauchsmusik (z. B. Musikbeschallung von Ladengeschäften) bekannt ist.

Logo der Muzak Holding LLC. Ihre Musik stand für leichte Unterhaltung.

Da die Firma Muzak war über Jahrzente marktbeherrschend war, wurde muzak im Englischen in den 1970er Jahren zu einer Bezeichnung für Hintergrundmusik zum Beispiel in Fahrstühlen, Kaufhäusern, Hotels und manchen Arbeitsumgebungen. Diese „Kaufhausmusik“ oder „Fahrstuhlmusik“ soll den Hörer heiter stimmen und eine entspannte Atmosphäre schaffen. John Lennon nannte nach der Auflösung der Beatles die Musik Paul McCartneys muzak.[1]

Geschichte

Im Jahr 1934 gründete der US-amerikanische General a. D. George Owen Squier, der im Ersten Weltkrieg Chef des amerikanischen Nachrichtenkorps war und sich stark für die Einsatzmöglichkeiten der damals neu aufkommenden Kommunikationsmittel Telefon und Radio interessierte, die Firma „Wired Radio“, die später in Muzak Inc. umbenannt wurde. Der Name ist eine von Squier erfundene Kombination aus music und Kodak[2] – Squier bewunderte das damals aufstrebende Unternehmens Kodak. 1935 wurde der erfolgreiche Orchesterleiter Ben Selvin als Musikproduzent angeheuert.

Das Gründungsjahr des Unternehmens verweist kulturgeschichtlich auf eine Periode großer technischer Neuerungen. Zu der damaligen Technikeuphorie gehörte auch die mit dem Schlagwort social engineering verbundene Vorstellung, es sei möglich, das Verhalten von Menschen in der Gesellschaft oder in Organisationen zu optimieren, beispielsweise das Verhalten von Belegschaften und Kunden.

 
Logo von Alcas Muzak

Die von Muzak Inc. in den 1950er und 1960er Jahren angestrengten Bemühungen zur „wissenschaftlichen“ Untermauerung der Wirksamkeit ihres Konzepts (s. Abschnitt „Wirkung“) werden heute von ihren eigenen Firmensprecherin als Marketing-Gag bezeichnet. Trotzdem traf das Firmenkonzept in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine in den westlichen Gesellschaften verbreitete Rezeptionshaltung und konnte deshalb „funktionieren“.

1995 entstand Muzak Europe B.V. als europäischer Zusammenschluss von Muzak mit der niederländischen Firma Alcas. Alcas (gegründet 1980) hatte sich auf die Produktion und Vermietung von Kassetten und CDs in den Beneluxländern, Deutschland und Spanien spezialisiert. Alcas Muzak wurde Marktführer für Kaufhausmusik in Europa (Stand 2008).[3] Am 31. Oktober 2008 wurde Alcas Muzak von der Mood Media Group SA mit Hauptsitz in Luxemburg durch Fusion übernommen.[4]

Nach einem Konkurs 2009 wurde die Firma Muzak Holdings 2011 durch Mood Media Corp. übernommen. Zu diesem Zeitpunkt beschallte Muzak Inc. rund 300.000 Räumlichkeiten in den USA, während Mood Media 117.000 Räumlichkeiten in Europa mit Musik versorgte. 2013 teilte der neue Eigentümer mit, den Markennamen Muzak einzustellen.[5]

Rezeption

Der etwa in den 1970er Jahren einsetzende grundlegende Wandel der Musikrezeption insbesondere einer sich immer stärker in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung drängenden Jugendgeneration brachte das Konzept der Hintergrundmusik als konsumunterstützendes Marketing-Instrument an seine Grenzen. Die Beliebigkeit einer bewusst jede Aufmerksamkeit vermeidenden Musikkonzeption unterlag der Konkurrenz mit einer vorher so nicht gekannten aktiven Musikrezeption, bei der sich über die bevorzugte Musikrichtung nunmehr auch eine bestimmte Lebenseinstellung auszudrücken begann. Eine als Hintergrundmusik ihrer Substanz entleerte Musik konnte vor dieser Rezeptionshaltung nicht bestehen und verkehrte sich sogar in ihr Gegenteil: Statt besänftigend und ausgleichend zu wirken, erschuf Hintergrundmusik aufgrund der unbefriedigten ästhetischen Erwartungshaltung der Rezipienten nun sogar Aggressionen.

Die Abkehr vom Konzept der Hintergrundmusik drückt sich in der Werbung des ausgehenden 20. Jahrhunderts unübersehbar in dem Umstand aus, dass die Werbung nunmehr bewusst originalbelassene Musik als Stimmungsinstrument einsetzt, wobei nicht nur gängige Hitparadenmelodien zum Einsatz kommen, sondern z. T. sogar umgekehrt aus der musikalischen Untermalung eines Werbespots neue Hits entstehen. Noch unvereinbarer mit Hintergrundmusik ist die Verwendung nicht nur eingängiger klassischer Melodien, sondern selbst anspruchsvoller moderner Klassiker wie Carl Orffs Carmina Burana.

In Warenhäusern wird auf Gesang üblicherweise verzichtet, um dem Hörer nicht zu viel Aufmerksamkeit abzuverlangen. Die Lautstärke liegt nur geringfügig über dem Geräuschpegel der Umgebung. Auf ungewöhnliche Klänge wird gänzlich verzichtet. Die Beschallung erfolgt oft indirekt über mehrere hoch angebrachte Lautsprecher und kann so in jedem Bereich des bespielten Raumes fast gleich laut wahrgenommen werden.

Heutzutage wird nicht nur zwischen Fahrstuhlmusik und professioneller Hintergrundmusik, sondern auch Vordergrundmusik unterschieden. Dabei ist nicht nur die „Berieselung“ des Kunden, sondern teilweise sogar eine unbewusste Steuerung des Kunden oder Gastes und seine engere Bindung an das jeweilige Unternehmen das Ziel. So wird z. B. moderne und aktuelle Musik gerne bei Unternehmen im Bereich Lifestyle wie z. B. Modeketten, Schuhhäusern, Design-Hotels und Szenebars eingesetzt. Der Kunde kommt gerne hierher, wenn ihm die Musik zusagt. Für andere Unternehmen soll die Musik im „Hintergrund“ eine klare, weitere Aussage über das Unternehmen abgeben, „Audio branding“, und das Unternehmen damit für den Kunden wiedererkennbar machen.

Eine weitere Anwendung von Hintergrundmusik dient als Beschallung und Unterhaltung für Kranke im Rahmen von krankenhauseigenen Programmen im krankenhausinternen Kabelfernsehen. Dabei werden vermehrt Naturaufnahmen und leicht verständliche Darstellungen von Operationstechniken, unterlegt mit ausgesuchter Musik, eingesetzt. („C.A.R.E.Channel“).

Der Avantgarde-Pop-Musiker Brian Eno wertete mit seiner LP Ambient 1: Music for Airports von 1978 Hintergrundmusik wieder zu Musik auf und prägte gleichzeitig den Begriff Ambient.

Seit der Wende zum 21. Jahrhundert spielt die Musik als Branded Entertainment eine immer wichtigere Rolle: Wirtschaftsunternehmen treten an prominente Musiker heran, um sich deren Popularität zunutze zu machen und sich damit Zugang zu bestimmten Zielgruppen zu verschaffen. Die Musik unterläuft damit eine Verflachung, weil sie im Werbekontext inflationär eingesetzt wird.

Wirkung

Der funktionale Aspekt von Hintergrundmusik besteht in der gezielten Veränderung der akustischen Verhältnisse am jeweiligen Einsatzort in eine bestimmte, vom Auftraggeber gewünschte Richtung. Hintergrundmusik dient z. B. sowohl der Überlagerung störender Umgebungsgeräusche als auch der Vermeidung einer unerwünschten, weil als bedrückend empfundenen Stille. Motiviert ist diese Veränderung stets durch das Bestreben, die Stimmung und Gefühlslage der Menschen, die sich (oft zufällig) in einer bestimmten Umgebung aufhalten, in eine positive Richtung zu lenken und sie so zum Verweilen anzuhalten und für andere Botschaften empfänglich zu machen. Sehr häufig handelt es sich bei diesen Botschaften um Werbebotschaften, die die Menschen zum Konsum anreizen sollen. Hintergrundmusik wird aber auch – insbesondere in den USA oder in Kanada – im öffentlichen Raum eingesetzt, um Passanten psychoakustisch (etwa aggressionshemmend) zu beeinflussen.

In Hamburg dient die Beschallung des Hauptbahnhofs mit klassischer Musik zu der politisch gewollten Vertreibung der sich dort früher konzentrierenden Junkie-Szene. Den Junkies wird durch den ihrer Szene fremden Klangteppich signalisiert, sich am „falschen“ Ort aufzuhalten, was – zusammen mit ordnungspolizeilichen Maßnahmen – tatsächlich eine Vertreibung der Szene aus dem unmittelbaren Bahnhofsumfeld bewirkt hat. Dieses Modell haben auch andere Städte wie München und Bielefeld übernommen.

Hintergrundmusik wird entweder gezielt für einen bestimmten Einsatzzweck produziert, oder es handelt sich um Musik, die mit einer anderen Motivation komponiert wurde, aber nach entsprechender Arrangierung als Hintergrundmusik eingesetzt wird. Exemplarisch seien Für Elise von Ludwig van Beethoven und Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi genannt. Oft werden dabei Interpretationen solcher Werke im Stil der populären Klassik verwendet. Die Forderung nach einer Musik, die heard but not listened to (etwa: „zu hören, aber nicht zum Zuhören“) sein soll, führt dazu, dass Hintergrundmusik-Arrangements praktisch ausnahmslos reine Instrumentalmusik ist – gesungene Texte würden eine zu starke Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit ihre intendierte Wirkung verfehlen. Vordergrundmusik, im Gegensatz dazu, soll genau das Gegenteil erreichen.

Zwar gibt es diverse Studien zu Hintergrundmusik und ihrer Wirkung, dennoch sind diese sehr umstritten, genauso wie die Ergebnisse der Studien, die mal keinerlei Wirkung bei bis zu 30 % der Kunden, mal eindeutige Wirkung attestiert haben.

Siehe auch

Literatur

  • Lanza, Joseph (2004): Elevator Music: A surreal History of Muzak, Easy Listening, and Other Moodsong. ISBN 0-472-08942-0
  • Ringe, Cornelius (2005): Audio Branding. Musik als Markenzeichen von Unternehmen. ISBN 3-86550-084-6

Einzelnachweise

  1. John Lennon 1971 (Album Imagine): How do you sleep. Textzitat: „The sound you make is muzak to my ears, You must have learnt something all those years“
  2. Online Etymology Dictionary: Muzak
  3. Eckart Granitza: Verführung zum Konsum welt.de, 12. April 2008
  4. Bundesanzeiger vom 31. Oktober 2008
  5. Muzak, Background Music to Life, to Lose Its Name in: New York Times, 4. Februar 2013