Der Begriff Hellenismus wurde durch den deutschen Historiker Johann Gustav Droysen um die Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen.
Er bezeichnet die geschichtliche Epoche vom Regierungsantritt Alexanders des Großen von Makedonien 336 v. Chr. bis zur Einverleibung des letzten Diadochenreiches in das Römische Reich 30 v. Chr..
Geschichtlicher Grundriss
Weiterführende Informationen zu diesem Thema: Geschichte des Hellenismus
Nach dem Tod Alexanders erhoben sich seine führenden Generäle, die so genannten Diadochen, zu lokalen Machthabern; eine Wiedervereinigung des Alexanderreiches erschien spätestens 301 v. Chr. aussichtslos, als Antigonos I. Monophthalmos in der Schlacht von Ipsos seinen Rivalen unterlag. Die sog. Diadochenkämpfe um Alexanders Erbe endeten schließlich 281 v. Chr. nach insgesamt sechs Kriegen mit der Zuteilung Makedoniens und Teilen Griechenlands an Antigonos (dem Stammvater der Antigoniden), Syriens, Mesopotamiens und Persiens an Seleukos I. (dem Stammvater der Seleukiden) sowie Ägyptens an Ptolemaios (dem Stammvater der Ptolemäer) und der Bildung dreier entsprechender Großreiche.
Hierdurch kam es zu einer vorübergehenden Stabilisierung der politischen Lage, bevor die Auflösungserscheinungen wieder voranschritten und Rom sich in die Konflikte einzumischen begann, so namentlich in Griechenland und im Konflikt der Seleukiden mit den Ptolemäern um Palästina: Antiochos III. wurde 188 v. Chr. von den Römern zum Verzicht auf Teile seines Reiches gezwungen, während auch Philipp V. von Makedonien eine Einengung seines Handlungsspielraums in Griechenland akzeptieren musste.
168 v. Chr. wurde Makedonien, nach der Niederlage des Sohnes Philipps V., Perseus, von den Römern in vier Bezirke aufgeteilt und 148 v. Chr. endgültig in eine römische Provinz verwandelt. 64 v. Chr. wurden mit der Eroberung Syriens durch Pompeius die Reste der Seleukidenherrschaft getilgt, 30 v. Chr. mit der Einnahme Alexandrias durch Oktavian die Ptolemäer um ihr Reich gebracht.
Die politische Geschichte des Hellenismus, und damit auch der politischen Selbstständigkeit griechischer Staaten, endete somit, während die kulturelle Ausstrahlung des Hellenismus erhalten blieb (siehe auch Byzantinisches Reich).
Merkmale der Epoche
Der Hellenismus umspannte einen gewaltigen Raum: Von Griechenland bis nach Indien, vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten. Auch in Baktrien setzten sich die Griechen fest und etablierten dort das so genannte Gräko-baktrische Reich, welches erst nach knapp zwei Jahrhunderten unterging. Schwerpunkt der Handlungen während des Hellenismus war aber der östliche Mittelmeerraum, auch wenn die Seleukiden immer wieder versuchten, ihre östlichen Besitzungen in Persien zu stabilisieren (siehe Antiochos III.).
Die Zeit nach 280 v. Chr. war eine kulturelle Blütezeit, in der sich Mathematik, Philosophie und Kunst entfalteten, besonders, aber nicht nur, in Alexandria. In den hellenistischen Staaten waren die Griechen selbst allerdings immer in der Minderheit. Es kam zu immer mehr Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung und es traten immer mehr interne Auflösungserscheinungen zu Tage, begleitet von einem Zerfall der Regierungsgewalt. Gleichzeitig gelang es den Reichen nicht, einen modus vivendi zu schaffen.
Kennzeichen dieser Geschichtsepoche ist die Hellenisierung: die Durchdringung vor allem des Orients durch die griechische Kultur und im Gegenzug der Einfluss orientalischer Kultur auf die Griechen. Das Griechische war zu dieser Zeit Weltsprache, die so genannte Koiné (von koínos = allgemein).
Besonders gut ablesbar ist dies am hellenistischen Judentum, von dem durch die Schriften Philos und Josephus’ wie auch den deuterokanonischen Schriften der Bibel eine größere Quellensammlung existiert. An ihnen ist sichtbar, wie sich ein orientalischer Kult wie das Judentum (auf sehr unterschiedliche Weise) mit griechischem Denken und griechischer Sprache verband und dadurch eine Weltreligion entstand.
Die Hellenisierung der orientalischen Bevölkerung sorgte dafür, dass noch bis weit ins Mittelalter hinein wenigstens die städtische Bevölkerung Syriens und Kleinasiens Griechisch sprach (Ägypten bildet dabei einen Sonderfall).
Somit brachen die Griechen aus dem engen Raum der Polis aus und es kam zu einer ersten Globalisierung. Tatsächlich überdauerten die kulturellen Traditionen des Hellenismus den politischen Zusammenbruch und wirkten noch Jahrhunderte in Rom und im Byzantinischen Reich fort.
Siehe auch
Literatur
Quellensituation
Die Quellenlage zum Hellenismus ist mit die problematischste in der Alten Geschichte, da in weiten Teilen eine durchgehende Überlieferung fehlt. Somit ist man auf die Fragmente (wie von Hieronymus von Kardia) bzw. auf die nicht vollständig erhaltenen Schriften von Historikern (Polybios, Diodor), auch Papyri (vor allem aus Ägypten), Münzen, Inschriften sowie auf archäologische Quellen etc. angewiesen. Aus diesem Grund sind viele Sachverhalte umstritten, auch wenn im Großen und Ganzen ein Gerüst steht, welches jedoch komplexe Detailfragen aufwirft (vgl. dazu beispielsweise den Überblick bei Shipley, S. 1ff.).
Sekundärliteratur
Die klassische Darstellung ist Droysens Geschichte des Hellenismus, die inzwischen jedoch hoffnungslos veraltet ist. Neuere Darstellungen sind in englischer (Peter Green, Graham Shipley, Frank W. Walbank) und französischer (E. Will) Sprache vorhanden; für den deutschen Leser sind Gehrkes Beiträge sowie das Lexikon des Hellenismus (sowohl das kleine als auch das große Lexikon) sehr nützliche Orientierungen. Im Folgenden werden vor allem Überblickswerke genannt, an Hand deren Bibliografien sich leicht spezialisiertere Literatur erschließen lässt.
- Alexander Demandt: Die hellenistischen Monarchien. In: Antike Staatsformen. Akademie-Verlag, Berlin 1995. S. 291–320, ISBN 3-05-002794-0.
Knapper Überblick über Geschichte und Gesellschaft der hellenistischen Staatenwelt mit Bibliografie. - Hans-Joachim Gehrke: Hellenismus. In: Ders. und H. Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch.. Metzler, Stuttgart 2000, S. 163ff., ISBN 3-476-01455-X.
Knappe und gut lesbare einführende Darstellung. - Hans-Joachim Gehrke: Geschichte des Hellenismus (Oldenbourg Grundriss der Geschichte). 3. Auflage. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-53053-4.
Knappe Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie. - Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt (Hgg.): Kleines Lexikon des Hellenismus. 2. erweiterte Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 2003 (Studienausgabe; orig. Wiesbaden 1993), ISBN 3-44704-727-5.
Eigentlich eine kleine Aufsatzsammlung. Sehr gut zur Einführung. - Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt (Hgg.): Lexikon des Hellenismus. Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-04842-5.
Erheblich erweiterte Fassung des bewährten „kleinen“ Lexikons. - Graham Shipley: The Greek World After Alexander, 323–30 BC.. Routledge, London und New York 2000, ISBN 0-415-04618-1.
Hervorragender englischsprachiger Überblick über die Zeit des Hellenismus von den Diadochen bis Kleopatra VII. - Edouard Will: Histoire politique du monde hellénistique (323–30 av. J.-C.). 2 Bde., 2. Aufl. 1979–1982. Neuausgabe Éd. du Seuil, Paris 2003, ISBN 2-02-060387-X.
Beste moderne Darstellung der politischen Geschichte der Diadochenreiche.