Ein Staustrahltriebwerk oder luftatmendes Triebwerk ist ein Strahltriebwerk, bei dem die Kompression der dem Verbrennungsraum zugeführten Luft nicht durch bewegliche Teile (wie Verdichtern) durchgeführt wird, sondern durch Ausnutzung der hohen Strömungsgeschwindigkeit des Gases selbst. Staustrahltriebwerke funktionieren daher erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten.

Das Funktionsprinzip und der grundsätzliche mechanische Aufbau dieser Triebwerke ist sehr einfach. Die Beherrschung der Aerodynamik bei den Operationsgeschwindigkeiten (angestrebt werden Geschwindigkeiten bis zur zehnfachen Schallgeschwindigkeit) von Staustrahltriebwerken ist jedoch sehr anspruchsvoll. Triebwerke nach diesem Funktionsprizip sind schon seit dem 19. Jahrhundert beschrieben. Trotzdem sind sie immer noch eine eher selten angewandte Lösung, beispielsweise in der Luftabwehrrakete Bomarc.
Hintergrund
Ein Strahltriebwerk gewinnt seinen Schub durch Verbrennung von Treibstoff. Für eine effektive Verbrennung ist eine Verdichtung der zugeführten Luft notwendig. Soll die Brennkammer eines Strahlantriebs bei geringen Fluggeschwindigkeiten betrieben werden, ist ein Verdichter erforderlich, um die Luft in die Kammer zu drücken. Bei Flugtriebwerken wird meist ein mehrstufiger Axialverdichter verwendet. Bei höheren Fluggeschwindigkeiten ergibt sich durch die Stauwirkung des Triebwerks eine konkurrierende Druckerhöhung, wodurch der Anteil des Axialverdichters an der Druckentwicklung abnimmt. Bei Mach 1 sind es jeweils ca. 50 %, bis Mach 3 sinkt der Anteil auf ca. 0 % ab. D. h. bei mehrfacher Schallgeschwindigkeit sinkt der Wirkungsgrad konventioneller Strahltriebwerke, deren Verdichter mit beweglichen Teilen arbeiten, stark ab. Andererseits führt bei diesen Geschwindigkeiten bereits der Staudruck zu einer hohen Luftkompression. Bei Staustrahltriebwerken wird daher auf bewegliche Kompressoren wie Verdichter ganz verzichtet, und gezielt der Staudruck zur Kompression genutzt. Diese Triebwerke funktionieren daher nicht bei niedrigen Geschwindigkeiten, da dann mangels Staudruck keine Kompression erfolgt. Zum Erreichen ihrer Operationsgeschwindigkeit benötigen sie stets ein Hilfstriebwerk. Ihr optimales Leistungsspektrum beginnt dort, wo auf Gasturbinen basierende Strahltriebwerke ihr Optimum wieder verlassen.
Funktion
Das Staustrahltriebwerk unterscheidet sich im Funktionsprinzip kaum von einem Turboluftstrahltriebwerk, doch gibt es enorme Unterschiede in der Art und Weise, wie es die Funktionen erfüllt. Es besitzt weder einen Kompressor noch eine Turbine, die Lauf- und Leiträder besitzen. Auch wenn es so einfach scheint, sind komplexe Berechnungen der Aerodynamik äußerst wichtig, um ein optimales und einwandfreies Strahltriebwerk herzustellen. Im Grunde besteht ein Staustrahltriebwerk aus einer Röhre, in deren Mitte sich an der Eintrittsöffnung der so genannte Diffusor befindet. Der Diffusor ist vereinfacht gesagt ein Konus, dessen Durchmesser in Richtung der Luftströmung zunächst zunimmt, wodurch sich für den Luftstrom eine Erweiterung und damit eine Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit ergibt und dadurch der Druck steigt (Druckrückgewinnung im Diffusor), der damit für die Kompression sorgt (Hohe Strömungsgeschwindigkeit = niedriger Druck; niedrige Strömungsgeschwindigkeit = hoher Druck). Hinter dem Diffusor befindet sich der Verbrennungsraum. Zum Verbrennungsraum hin verjüngt sich der Diffusor wieder. Die notwendige Kompression für eine effektive Verbrennung ist unterhalb einer Luftgeschwindigkeit von etwa 1.000 km/h nicht gegeben. Einen optimalen Lauf gewährleisten Staustrahltriebwerke erst ab doppelter Schallgeschwindigkeit (oberhalb von Mach 2 bzw. 2.400 km/h).
Der Luft, die sich durch die Kompression erhitzt hat, wird anschließend in der Brennkammer Kraftstoff zugeführt, der sich von allein entzündet und eine Expansion der Luft durch starke Erhitzung herbeiführt. Die heißen Gase treten nach hinten aus und entspannen sich in der Düse. Die Leistungsabgabe erfolgt ausschließlich durch den rückwärtigen Gasaustritt (Schub). Eine direkte Leistungsabführung, wie sie bei Wellentriebwerken zum Betrieb des Kompressors benötigt werden, erfolgt nicht. Die nötige Leistung wird der Kompression indirekt zugeführt, indem das Triebwerk eine ausreichende Geschwindigkeit aufrecht erhält.
Das Staustrahltriebwerk hat dabei keine Vorrichtung, um diese Mindestgeschwindigkeit selbst zu erreichen, bzw. um einen Luftstrom im Stand (Vrel=0m/s) zu erzeugen, wie das z. B. bei einem Wellentriebwerk durch einen eigenständig arbeitenden Kompressor geschieht. Aufgrund dessen muss eine bestimmte Ausgangsgeschwindigkeit erreicht werden, in der das Triebwerk in Betrieb gehen kann. So werden diese Triebwerkstypen meist als Zusatztriebwerk verwendet, die erst im späteren Flug bei höheren Geschwindigkeiten zum Einsatz kommen.
Anhand der Kompression sind zwei Varianten von Staustrahltriebwerken unterscheidbar:
Unterschallverbrennung
Bei der Kompression wird die einströmende Luft unter die Schallgeschwindigkeit abgebremst, und bei der Verbrennung handelt es sich um eine Unterschallverbrennung. Der Arbeitsbereich dieses Triebwerkstyps liegt bei Fluggeschwindigkeiten bis Mach 5. Englisch wird dieser Triebswerktyp als Ramjet bezeichnet. Angewendet wurde diese Technik bei der Lockheed X-7 in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.
Überschallverbrennung
Beim Scramjet (Supersonic Combustion Ramjet – Überschallverbrennungs-Ramjet) wird die einströmende Luft bei der Kompression nicht unterhalb der Schallgeschwindigkeit abgebremst, und auch die Verbrennung findet als Überschallverbrennung statt. Der Arbeitsbereich von Scramjet-Triebwerken liegt bei etwas über Mach 5 bis möglicherweise Mach 15. Technische Merkmale sind: Isolator nach der Kompression, keine Lavaldüse zur Expansion sondern eine normale Düse.
Das Hauptproblem der Überschallverbrennung besteht in der kurzen Verweilzeit der Luft im Triebwerk. Dadurch kann sich der Treibstoff kaum mit der Luft und dem darin enthaltenen Sauerstoff durchmischen. Dieses Hauptproblem kann durch geeignete Maßnahmen bei der Triebswerksausgestaltung gelöst werden.
Der erste Nachweis von Überschallverbrennung in einem Flugkörper gelang am 30. Juli 2002 mit dem Versuch HyShot2 durch die HyShot Group der University of Queensland, Australien. Im Gegensatz zur X-43 der NASA war der hierbei verwandte Scramjet allerdings nicht in einen aerodynamischen Flugkörper integriert. Das Versuchstriebwerk wurde durch eine zweistufige Boosterrakete auf einer parabelförmigen Bahn in die Höhe geschossen, um beim Herabfallen in ca. 30 km Höhe den eigentlichen Versuch durchzuführen. Die erreichte Fluggeschwindigkeit betrug ca. Mach 7,6. Die Tests mit den X-43 Flugkörpern der NASA wurden dagegen auf horizontalen Flugbahnen durchgeführt.
Am 26. März 2004 hat ein unbemannter Testflugkörper (X-43A) der NASA mit Hilfe des Scramjet-Antriebs die siebenfache Schallgeschwindigkeit erreicht und für mehrere Sekunden gehalten. Die nötige Operationsgeschwindigkeit für das Scramjet-Triebwerk wurde durch Verwendung einer Pegasus-Trägerrakete erreicht.
Bereits ein gutes halbes Jahr später (16. November 2004) erreichte die NASA mit nahezu gleichem Versuchsaufbau knapp Mach 10. Dabei wurde die Pegasus-Trägerrakete mit der X-43A von einer B-52 von 12 km Höhe aus gestartet. Der eigentliche Flug der X-43A dauerte knapp 20 Sekunden auf über 33 km Höhe und erreichte Mach 9,8 (11.000 km/h bzw. etwa 3,05 km/s).
Theoretische Details der Triebwerke
Beim Ramjet hat die Luft, die durch die Brennkammer geleitet wird, Unterschallgeschwindigkeit. Im Scramjet hingegen ist die Geschwindigkeit der Luft höher als die Schallgeschwindigkeit, was auch eine andere Bauform zur Folge hat. Vor allem haben diese Triebwerke den Vorteil, dass sie bei hohen Geschwindigkeiten (> Mach 3) den entstehenden Temperaturen standhalten können. So entsteht z. B. bei einer Geschwindigkeit von Mach 8 eine Temperatur von 3.000 °C bis 4.000 °C, welche noch zusätzlich von der Luftdichte abhängig ist. Herkömmliche Verdichter könnten diesen Temperaturen nicht mehr stand halten, und ein Schaufelbruch wäre wahrscheinlich. Um bei einem Ramjet die Einströmgeschwindigkeit zu verringern, hat der Diffusor eine divergente Formgebung, die die Geschwindigkeit der einströmenden Luft senkt und gleichzeitig den Druck erhöht. Durch eine Lavaldüse wird das ausströmende Gas wieder auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt.
Im Gegensatz zum Ramjet besitzt das Scramjet einen Isolator. Dieser wird benötigt, um Verdichtungsstöße und Blockaden, die bei Geschwindigkeiten über Mach 3 entstehen, zu verhindern. Im Vergleich zum Ramjet wird der Druck im Scramjet in der Verbrennungszone höher und die Geschwindigkeit niedriger. Das kann dazu führen, dass durch den rückwärtigen Staudruck der Gesamtdruck nochmals erhöht wird, was den Vortrieb zusätzlich verstärkt. Die heißen Gase, die das Triebwerk verlassen, haben je nach Typ – Ram- oder Scramjet – unterschiedliche Eigenschaften. Bei einem Unterschallaustritt der Gase ist die Geschwindigkeit abhängig vom Düsenquerschnitt. Je niedriger dieser ist, desto schneller werden die Gase beschleunigt. Es wird sozusagen dieselbe Luftmasse, die das Triebwerk in einer Zeit t durchläuft, auch in der Zeit t ausgestoßen. Bei einem Überschallaustritt ergeben sich jedoch andere Ergebnisse. Entscheidender Faktor ist hier die Dichte p der Kompression. Erst durch die Vergrößerung des Düsendurchmessers erfolgt eine Beschleunigung der austretenden Gase. Grund dafür ist die nun freie Entspannung des Mediums, wodurch eine viel größere Expansion und somit auch eine höhere Austrittsgeschwindigkeit erzielt werden kann. Um die Geschwindigkeit (< Mach 1) der aus der Brennkammer austretenden Gase in der Düse auf Überschallgeschwindigkeit zu erhöhen, ist eine bestimmte Düsenform vonnöten. Man bezeichnet solch eine Düse als Lavaldüse. Man nutzt dabei die Eigenschaften einer konvergenten und einer divergenten Düsenform. Im ersten Abschnitt (konvergent) kommt es zur Kompression und somit zur Beschleunigung der Gase. Das Maximum liegt dabei bei ca. Mach 1. Darauf folgt der divergente Düsenteil, in dem sich der Durchmesser immer weiter vergrößert und somit eine Entspannung des Gases zulässt. Durch diesen Prozess (oben schon beschrieben) kommt es zur erneuten Geschwindigkeitserhöhung auf Werte weit über Überschallgeschwindigkeit; V >> Mach 1.
Heutiger Einsatz
Bis heute haben sich Staustrahltriebwerke nur in kleinen Bereichen etabliert, da sie trotz extrem großer Vorteile auch extrem große Nachteile mit sich bringen. Zu den Vorteilen gehören z. B. das niedrige Gewicht, die Verschleißarmut und die Fähigkeit, unterschiedliche Brennstoffe zu verwenden. Doch werden die Triebwerke in ihrer Leistungsfähigkeit durch zu niedrige Geschwindigkeit oder eine zu geringe Luftdichte beeinträchtigt. Deshalb werden sie meist als Sekundärtriebwerke, wie z. B. bei der Luft-Luft-Rakete Meteor genutzt, wo die Rakete erst durch ein konventionelles Raketentriebwerk auf die nötige Geschwindigkeit gebracht wird.
Literatur
Heiser, W. H. and Pratt, D. T., “Hypersonic Airbreathing Propulsion”, Education Series, AIAA, 1994, ISBN 1-56347-035-7