Tschadsee

abflussloser Binnensee im Tschadbecken in Afrika
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Der Tschadsee ist ein abflussloser Binnensee in West-, Zentralafrika. Er liegt am Südrand der Sahara im Tschadbecken und ist aufgeteilt unter den Staaten Tschad, Kamerun, Nigeria und Niger. Zwei Dreiländerecke befinden sich im See: Kamerun-Tschad-Nigeria im südöstlichen Teil und Niger-Tschad-Nigeria im nordwestlichen Teil. Beide werden nicht mehr von der Wasserfläche des Sees bedeckt, die verbleibende Wasserfläche verteilt sich auf den Tschad und Kamerun.

Tschadsee
Falschfarbeninfrarotsatellitenbild des Tschadsees 1973 (links oben), 1987 (mitte oben) und 1997 (rechts oben) sowie 2001 (großes Bild). Wasserfläche ist blaugrün wiedergegeben.
Geographische Lage Zentrales Afrika
Zuflüsse Komadugu Yobe, Schari
Abfluss abflusslos
Daten
Koordinaten 13° 5′ 0″ N, 14° 30′ 0″ OKoordinaten: 13° 5′ 0″ N, 14° 30′ 0″ O
Tschadsee (Tschad)
Tschadsee (Tschad)
Höhe über Meeresspiegel 280 m
Fläche 1.500 km²dep1
Maximale Tiefe 7 m
Mittlere Tiefe 2 m

Besonderheiten

flach, jährlich veränderte Uferlinien

Karte von 1973

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit geriet der See in den letzten Jahrzehnten durch ein dramatisches Absinken des Wasserspiegels, wie die nebenstehenden Satellitenaufnahmen zeigen. Der Tschadsee hat seit jeher veränderliche Uferlinien und Wasservolumen. Schon um 1450 trocknete zum Beispiel das südliche Seebecken des Sees aus, was auf einer Verlagerung seines Hauptzuflusses beruhte und zu einer Flutkatastrophe in den darauf folgenden Jahren führte. In der Kolonialzeit der Region berichteten Kolonialbeamte, dass sie es von Jahr zu Jahr mit veränderlichen Uferlinien des Sees zu tun haben. In einem Jahr konnten sie Gebiete des Seegrundes trockenen Fußes überqueren, im darauf folgenden Jahr mussten sie für die selbige Strecke ein Boot benutzen. Das derzeitige Seevolumen wird im Allgemeinen mit 73 km³ angegeben.

Geographie

Der Tschadsee ist einer der weltweit größten endorhëischen Frischwasserkörper, der durch seine Randlage zur Wüste Erg Kanem ein einzigartiges und weltweit bedeutendes Ökosystem entstehen lässt. Er wird durch seine historisch belegbaren unterschiedlichen Wasserstände der letzten eintausend Jahre als der große, normale und kleine Tschadsee bezeichnet. Vom großen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasseroberfläche über 24.000 km² bedeckt (Pegel über 284,2 Meter über dem Meeresspiegel). Der normale Tschadsee bedeckt eine Fläche von 18.000 bis 22.000 km² (Pegel 279 bis 282 Meter über dem Meeresspiegel). Vom kleinen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasserfläche zwischen 2.000 und 14.000 km² liegt (Pegel dann unter 278,5 Meter über dem Meeresspiegel). Unter der Marke von 2.000 km² weist der dann verbleibende Tschadsee die Charakteristiken eines sehr großen Feuchtgebietes auf.[1][2]

Das Seebecken des normalen Tschadsees untergliedert sich in ein nördliches und ein südliches Becken, die durch die Altdünenzone der Great Barrier bzw. Grande Barriêre getrennt sind, somit können hydrochemische Austauschvorgänge nur bei Wasserständen über 280 Meter stattfinden. Der vierte geographische Sektor des normalen Tschadsees wird als Archipelago bezeichnet, er liegt im Nordosten der östlichen Ausbuchtung des Sees. Das nördliche Seebecken weist eine Tiefe von sieben Metern auf, das südliche eine Tiefe von drei bis vier Metern. Im östlichen Teil des südlichen Seebeckens schließt sich das Tal des Wadis Bahr el-Ghazal an, dieser bildet einen Überlaufkanal des Sees aus, hin zur tiefsten Senke im Tschadbecken, der Bodélé-Depression. Dieser wird ab einem Pegel von 13 Metern über Seegrund geflutet, dies geschah zuletzt in den Jahren 1962 und 1964, als das Wasser 50 km weit in den Bahr el Ghazal vordrang.[3]

Die seit den 1970er Jahren zu beobachtende Regression des Sees gipfelte Ende der 1990er Jahre. Die nicht mehr ständig von der offenen Wasserfläche des Sees bedeckten Gebiete bilden heutzutage ein großes Feuchtgebiet aus, das vom WWF als die Tschadsee-Überflutungssavanne bezeichnet wird. Dieses Gebiet steht seit 2008 als die Lake Chad Wetlands unter dem Schutz der Ramsar-Konvention, deren größte Ausdehnung in Nigeria liegen und dort als Lake Chad Game Reserve bezeichnet werden. Es ist das erste geschützte grenzüberschreitende Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung auf dem afrikanischen Kontinent.[4][5][6]

Historie

Die Geschichte des Tschadsees ist eng an die klimatischen Verhältnisse der Region gekoppelt, spiegelt aber auch die Klimageschichte der gesamten Erde wider. So konnten eine Ausdehnung des Sees auf fast 2 Mio. km² vor ca. 50.000 Jahren festgestellt werden. Er dehnte sich vom Tibesti und Ennedi-Gebirge bis zur Zentralafrikanischen Schwelle aus. Der See trocknete im Zeitalter des Ogolien bzw. Kanemien bis vor ungefähr 22.000 Jahren komplett aus, das bis vor etwa 12.000 Jahren andauern sollte. Danach brach die humide Phase des ersten Nigéro-Tschadien an, in der der See eine Tiefe von 15 Metern erreichte, bevor er vor 11.000 Jahren wieder abtrocknete. Im Nigéro-Tschadien II, vor 9000 Jahren, konnte sich der See regenerieren und erreichte eine Wassertiefe von 38 Metern, bevor er sich auf eine der heutigen Ausdehnung vergleichbare Größe reduzierte. Die bislang größte Ausdehnung während des Zeitalter der Nigéro-Tschadien erreichte der See unter Einbeziehung der deutlich tiefer gelegenen Bodélé-Depression als Mega-Tschad zwischen 6000 und 4000 Jahren vor heute. Er erreichte eine mittlere Wassertiefe von etwa 65 Metern und eine Ausdehnung von etwa 360.000 km². Der Abfluss aus dem Mega-Tschad erfolgte bei etwa 325 Meter Meereshöhe[7] südwestlich der am Logone gelegenen Stadt Bongor. Über den Mayo Kébbi[8] ergoss sich seinerzeit das überschüssige Seewasser in den Benue und den Niger und hatte so eine Verbindung zum Atlantik. Das isolierte Vorkommen Afrikanischer Manatis in den Zuläufen des Tschadsees belegt diese Verbindung.

Nach dieser maximalen Ausdehnung reduzierte sich seine Wasseroberfläche auf 60.000 km² vor 2000 Jahren und 36.000 km² vor 1000 Jahren. Die geringste bislang belegbare Größe erreichte der Tschadsee im Jahr 1908, als er bis auf ein paar Feuchtgebiete im nördlichen und südlichen Bassin abtrocknete. Danach regenerierte er sich auf eine Größe von 22.900 bis 25.000 km² im Jahr 1963. Anfang der 1970er Jahre begann eine Reihe von Trockenperioden, in denen der See immer weiter schrumpfte, bis auf maximal 4000 km² im Jahr 2001. Im Jahr 2008 hatte er eine minimale Ausdehnung von 30 mal 40 km an der Mündung des Schari, was einer offenen Wasserfläche von 2500 km² entsprach.[9][10]

Hydrologie

Das Wassereinzugsgebiet des Tschadsees hat eine Größe von etwa 967.000 km² und wird von der Tschadseebecken-Kommission als konventionelles Bassin bezeichnet. Rund 90 Prozent seines Wassers erhält der See aus den Zuflüssen des Schari (frz. Chari) und des bei N’Djamena in den Schari mündenden Logone. Weniger als zehn Prozent des Zulaufs stammen aus nigerianischen Flüssen und den lokalen Niederschlägen. In erster Linie handelt es sich dabei um den Komadugu Yobe und den El Beid. Von geringerer Bedeutung sind der Ngadda und Yedseram, jedoch erreichen die meisten nigerianischen Flüsse, außer dem El Beid, seit den großen Trockenperioden der 1960er bis 1980er Jahre nicht mehr die offenen Wasserflächen des kleinen Tschadsees. Alle diese Flüsse führen ganzjährig Wasser, unterliegen jedoch jahreszeitlichen Pegelschwankungen. Die regionalen Niederschläge fallen in den Monaten Juni bis September. Sie werden gesteuert von der Intensität des westafrikanischen Monsunsystems. Es fallen lediglich zwischen 250 und 450 mm Niederschlag pro Jahr in der Region des Tschadsees. Der See wird im Allgemeinen als ein typischer Vertreter der Frischwasserseen des Sahel beschrieben, diese zeichnen sich durch ihre sehr geringe Salinität aus.[11]

Somit ist der Wasserhaushalt des Tschadsees ganz wesentlich von den Niederschlägen im gemeinsamen, rund 800 km weit entfernten Einzugsgebiet von Schari und Logone abhängig. Im Rhythmus der Regenzeiten schwankt der Wasserspiegel des Sees und überschwemmt kilometerweise flaches Land oder zieht sich entsprechend zurück. Bei der geringen Tiefe (in großen Bereichen des Sees beträgt sie weniger als einen Meter, an den tiefsten Stellen kaum mehr als fünf) und der hohen Verdunstungsrate (allgemein geht man jährlich von 2.300 mm aus) verlagern sich seine Ufer ständig. Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen kam es auch verstärkt zu Wassernutzung und -entnahme aus dem See und seinen Zuflüssen (Trinkwasser, Landwirtschaft). Als sich im Laufe der 1960er Jahre die vom Schari beförderten Wassermengen um mehr als 50 Prozent verringerten, reduzierte sich seine Oberfläche drastisch. Die Regression nahm durch die Dürren der 1970er Jahre sogar dramatische Ausmaße an. Das nördliche Seebecken trocknete komplett aus; im Süden verblieb eine geringe Wasserfläche. Nigeria verlor seinen Anteil an der offenen Wasserfläche vollständig. Neue Ansiedlungen auf trockengefallenem Seegrund entstanden in allen oben genannten Staaten, da die freiwerdenden Flächen sehr fruchtbar sind und sich somit gut für die Landwirtschaft nutzen lassen. In einigen Fällen mussten sie zum Teil wieder aufgegeben werden, nachdem sich durch Zunahme der Niederschläge die Uferlinien der Flachwasserbereiche gegenläufig verlagerten. Ob diese seit 1998 zu beobachtende Transgression künftig anhalten wird, ist ungewiss. Es gibt Überlegungen, Wasser aus dem in den Kongo mündenden Ubangi über einen Kanal dem Chari und somit dem Tschadsee zuzuführen. Diese Pläne werden von Umweltschutzorganisationen kritisch gesehen (Verdrängung einheimischer Tier- und Pflanzenarten).

Bei durchschnittlichen Niederschlägen um mehrere Dezimeter schwankend, liegt der Seespiegel gegenwärtig etwa bei 240 m ü. NN und bedeckt rund 23.000 km². Eine mit dem Kaspischen Meer vergleichbare Ausdehnung – etwa im Ausmaß von 300.000 km² – besaß der See um 4000 v. Chr. Der Wasserspiegel lag damals etwa 50 m höher. Für dieses alte Seebecken wurde von Geowissenschaftlern der Begriff Mega-Tschad eingeführt.

Ökologie

Um die Ökologie des derzeitigen Tschadsees zu verstehen, ist es angebracht, den See mit seinen sehr stark veränderlichen Küstenlinien zu betrachten. Sein Wasserspiegel schwankt dabei nicht nur jahreszeitlich, sondern auch zwischen den Jahren. Der Zeitraum des Niedrigwassers liegt in den Monaten Mai/Juni. Mit dem Eintreffen der sommerlichen Monsunniederschläge beginnt der See sich auszudehnen. Die Flutsaison in seinen Zuflüssen erreichen den See im Oktober/November, so dass der See im Dezember/Januar seine Wasserhöchstmarke erreicht, um anschließend wieder zu schrumpfen. Der See überflutet jährlich eine mehrere tausend Quadratkilometer große Fläche. 1998 betrug die minimale Größe des Sees etwa 1750 km², seine maximale Ausdehnung jedoch etwa 6000 km². 2001 schwankte die Wasseroberfläche zwischen 4000 km²[12] und 19.000 km².[13] Die Wasserbedeckung im nördlichen Bassin hängt hauptsächlich vom Zufluss des Komadugu Yobe und Ngadda ab; dieser hat ein ungefähres Volumen von 0,5 bis 0,8 km³ pro Jahr. In wasserreichen Jahren kann die Wasserbedeckung bis zu 6000 km² betragen, in wasserarmen Jahren liegt es jedoch trocken. In dieser hydro- und ökologischen Betrachtungsweise ist der Begriff See beim Tschadsee zum Teil auch irreführend. Angebrachter ist es, den Tschadsee als ein Feuchtgebiet zu betrachten, da einerseits die Wassertiefe der freien Wasseroberfläche im Durchschnitt nur ein bis drei Meter beträgt. Andererseits sind große Teile des normalen Tschadsees mit Inseln und Riedgrasinseln bedeckt. Dieser Archipelago genannter Bereich macht etwa 62 % der Gesamtfläche des normalen Tschadsees aus, die der freien Wasseroberfläche beträgt nur 38 %. Aus diesem Grund wird vom WWF der Tschadsee als Ökoregion der Lake Chad Flooded Savanna (dt: Tschadsee-Feuchtgebiete) bezeichnet. Die Ausdehnung dieser Ökoregion beträgt etwa 19.000 km² und schließt die geographisch separierten Hadejia-Nguru-Feuchtgebiete mit ein. Eine weitere Besonderheit des Sees ist die recht lange vier- bis fünfmonatige Flutsaison in seinen Zuflüssen. Diese lange Flutsaison resultiert aus der vier- bis sechsmonatigen Monsunsaison im Quellgebiet und den ausgedehnten Feuchtgebieten des Schari/Logone/El Beid-Flusssystems. Diese Feuchtgebiete in der Massenya-Ebene, Ebene des Bahr Aouk/Salamat, Logoneebene/Toupouri-Senke und des Grand Yaeres haben zusammen eine Ausdehnung von etwa 80.000 bis 90.000 km². Sie nehmen einen Großteil des Monsunniederschlags am Oberlauf der Flüsse auf, geben sie jedoch nur langsam ab. Die Ökologie der Feuchtgebiete trägt zu dem Algenreichtum des Tschadsees bei. Durch das Überfluten und Abtrocknen der Ebenen entstehen ideale Bedingungen für das Wachstum von Algen, Zoo- und Phytoplankton, von den zusammen über 1000 Arten im See nachgewiesen wurden und die Nahrungsgrundlage für die vielfältige Fischfauna bilden.[14][15][16][17][18][19]

Flora und Fauna

Die Angaben über die Fischfauna sind im höchsten Maße different, die Tschadseebecken-Kommission gibt 176 im See lebende Fischarten an.[20] Zu den im Tschadsee vorkommenden Fischarten zählen der Afrikanische Knochenzüngler (Heterotis niloticus), der Karpfenfisch Labeo coubie, die Geradsalmlerarten Citharinus citharus und Citharinus distichodoides, verschiedene Alestes-Arten, Welse aus den Gattungen Clarias, Schilbe und Synodontis, der Nilbarsch (Lates niloticus), Buntbarsche aus der Tilapia-Verwandtschaft, darunter Oreochromis niloticus und der Kugelfisch Tetraodon lineatus.[21][22] Endemisch ist die Salmlerunterart Brycinus nurse dageti.[23] Die Fischbestände in Tschadsee gelten jedoch als überfischt, dabei hängen die jährlichen Fangmengen vom Wasserstand und Ausdehnung des Sees ab. In dem Zeitraum von 1972 bis 1977 wurden jährliche Fangmengen von über 180.000 Tonnen angegeben. Diese sanken infolge der Trockenperioden und dem sinkenden Pegel des Sees auf etwa 56.000 Tonnen Ende der 1980er Jahre und stiegen in den beiden folgenden Dekaden bis auf etwa 120.000 Tonnen/Jahr an.[24] Mit dem Fischfang werden jährlich etwa 23 Mio. US-Dollar erwirtschaftet und Fänge aus dem See werden auch auf den Märkten von Lagos und Abuja angeboten. Mit dem Ausbau der Landwirtschaft in der Region wird jedoch eine zunehmende alkalische Gewässerchemie und eine Eutrophierung beobachtet, was zu Algenblüten und zu Sauerstoffmangel im Seewasser führt, die die diverse Seefauna bedroht.[25]

Von der Avifauna sind etwa 372 Vogelarten nachgewiesen worden. Die Region des Tschadsees wurde von BirdLife International als Important Bird Area (IBA) ausgewiesen. Die Feuchtgebiete des Sees haben eine besondere Bedeutung für die Zugvögel aus der nördlichen Hemisphäre, die die Feuchtgebiete als Rast- und Überwinterungsquartier nutzen. So kommen in den Feuchtgebieten saisonal unter anderen der Kampfläufer (Philomachus pugnax), die Witwenpfeifgans (Dendrocygna viduata), die Knäkente (Anas querquedula) und die Spießente (Anas acuta) vor. Residente Vogelarten sind zum Beispiel die Tschadpirine (Prinia fluviatilis),[26] Arabertrappe (Ardeotis arabs), Graukopfmöwe (Chroicocephalus cirrocephalus, Syn. Larus cirrocephalus) und Höckerglanzgans (Sarkidiornis melanotos).[27] Statistische Erhebungen, die auf Zählungen aus dem Jahr 1984 beruhen, ergaben, dass 61.900 Entenvögel (Anatidae) die Ökoregion des Tschadsees regelmäßig besuchen.[28]

Im See und seinen Feuchtgebieten kommen unter anderem das Nilkrokodil (Crocodylus niloticus), Flusspferde (Hippopotamus amphibius) und Fleckenhalsotter (Hydrictis maculicollis; Syn.: Lutra maculicollis) vor, in den Uferregionen Antilopen, das Sitatunga (Tragelaphus spekii), Afrikanische Elefanten (Loxodonta africana) und Primaten wie der Husarenaffe (Erythrocebus patas)[29] und Tantalus-Grünmeerkatzen (Chlorocebus tantalus).[30] Ein domestiziertes und speziell auf die Lebensbedingungen in den Feuchtgebieten des Tschadsees angepasstes Rindvieh ist das Kuri-Rind, dessen Taxonomie in der Vergangenheit Rätsel aufgab.[31] Neueren genetischen Untersuchungen zufolge entstammt es aus Züchtungen des ostafrikanischen Watussirindes und belegt damit die weitreichende Migrationsgeschichte bzw. die Handelskontakte der Tschadseevölker.[32]

 
Schilfboote vom Tschadsee

Die Flora in der Vegetationszone des südlichen Seebeckens wird bestimmt durch große Flächen, die mit dem echten Papyrus (Cyperus papyrus), der Phragmites mauritianus, Vossia cuspidata und anderen Sumpfpflanzen bedeckt sind. Auf den offenen Wasserflächen schwimmt der Wassersalat (Pistia stratiotes) und bedeckt ein großes Gebiet des Sees. Im Bereich des nördlichen Seebeckens dominieren das Schilfrohr (Phragmites australis) und der Typha australis die Vegetation. Die Pflanzen wie der Papyrus haben auch eine bedeutende wirtschaftliche Bedeutung. Dieser wird von den Buduma (Yedina) zum Bau ihrer Schilfboote verwendet. Thor Heyerdahl nutzte das Wissen dreier Buduma-Schilfbootbauer zum Bau der Ra I, die im Jahr 1969 5.000 km über den Atlantischen Ozean segeln sollte.

Saisonal entsteht in der südlichen Uferregion des Sees die Yaérés-Vegetation. Diese wird dominiert durch die Gräser Echinochloa pyramidalis, Vetiveria nigritana, Oryza longistaminata und Hyparrhenia rufa. Die Yaéré-Vegetation stirbt in der Trockensaison ab. Die feuchteren Zonen des Yaérés werden als die Karal- oder Firki-Ebenen bezeichnet. Die Baumbestände in diesen Ebenen werden größtenteils durch die Seyal-Akazie (Acacia seyal) und die Duftende Akazie (Acacia nilotica) gebildet. Die Pflanzenbewuchs in dieser Savanne besteht aus bis zu 2 bis 3 Meter hohen Kräutern und Gräsern wie den Caperonia palustris, Echinochloa colona, Hibiscus asper, Hygrophila auriculata und Schoenfeldia gracilis.[33]

Forschungsgeschichte zum Tschadsee

In der Nähe seines Ufers fanden Archäologen die ältesten Keramikfunde Westafrikas und bei Konduga in Nordost-Nigeria einen Einbaum, dessen Alter auf achttausend Jahre datiert wird. Die damals den See umgebende Landschaft mit einem feuchteren und kühleren Klima als heute, eine von zahlreichen Zuflüssen durchzogene Savanne, bot den dort lebenden Menschen reichlich Nahrungsressourcen und wurde früh besiedelt. Mehrere langandauernde Regressionsphasen und schwächere Transgressionen sind an einstigen Strandwällen ablesbar, die nach geomorphologischen Untersuchungen und nach Auswertung von Satellitenfotos kartiert wurden. Jenseits des weiten Strandwallsystems, des Bama und Ngelewa Beach Ridges, entstanden weitläufige Lagunenlandschaften mit lehmhaltigen dunklen Vertisolen. Ab 1800 v. Chr. drangen zunehmend Menschen in die einstigen Lagunengebiete vor, wo Ansiedlungen auf den überschwemmungsfreien sandigen Inseln in der Lehmebene begründet wurden.[34] Auf der lokalen Ebene der südwestlich des Sees gelegenen Gebiet der Firki-Ebenen markiert die Gajiganna-Kultur den Beginn der holozänen Besiedlung nach den früh- und mittelholozänen Hochwasserständen des Tschadsees. Der bekannteste Ausgrabungsort dieser frühen Kultur Westafrikas ist Zilum, dieser wies bereits in der Spätphase der Gajiganna-Kultur protourbane Züge auf, wie Wassergräben und Wallanlagen. Andere Ausgrabungsorte dieser Kultur sind Kursakata, Mege und Ngala. Die archäologischen Zeugnisse der Gajiganna-Kultur sind zumeist einfache Tonfiguren von Menschen und Tieren sowie Tongefäße mit einfachen Verzierungen wie Abdrücken von Mattengeflechten. Nach dem vierten Jahrhundert vor Christus sind keine Zeugnisse dieser Kultur mehr bekannt. Mit dieser Kultur konnte der Übergang von einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern zu Nahrungsproduzenten in den Savannen West-/Zentralafrikas dokumentiert werden.

Die Besiedlung der Tschadseeregion setzte sich fort, vor ungefähr 2000 Jahren tauchten die ersten archäologischen Zeugnisse von Menschen, die Eisenobjekte produzierten und gebrauchten, südlich des Tschadsees auf. Die Eisenzeit bricht ab dieser Zeit in dieser Region des Tschadsees an. Ein bekannter Ausgrabungsort dieses Zeitabschnitts ist Mdaga. In diesem Zeitraum wird auch der Beginn des Transsaharahandels vermutet, in der die Region des Tschadsees eine wichtige Endstation auf der Route zwischen Tripolis, dem Fessan und dem Kaouar-Tal gespielt haben soll. Hinweise zu einem solchen Handel finden sich bei Herodot und Claudius Ptolemäus, letzterer berichtet über ein Land Agisymba im 2. Jahrhundert, wobei bis heute umstritten ist, wo sich dieses Land eigentlich befand. Die nächste archäologisch belegbare Kultur in der Region des Tschadsees findet sich ab dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert mit dem Erscheinen der Sao-Kultur. Belegbar ist die Sao-Kultur bis in das 17. Jahrhundert. Typisch für diese Kultur ist die Produktion von großen Urnen und kleinen Terrakottafiguren.[35][36][37][38]

Laut der allgemein akzeptierten Geschichtsforschung wanderten im 7. Jahrhundert nomadisierende Zaghawa in die heutige Region Kanem, nordöstlich des Tschadsee gelegen, ein. Sie gelten als die Begründer des Reiches von Kanem, dessen mythischer Gründervater Sef (arabisch: Saif) war, jedoch liegen die genauen Umstände der Reichsgründung weitestgehend im Dunkeln. Laut der Immigrationstheorie des Bayreuther Dierk Lange sollen Flüchtlinge des im 6. Jahrhundert vor Christus untergegangenen Assyrischen Weltreiches die Region des Tschadsees um 600 v. Chr. erreicht haben und maßgeblichen Einfluss auf die Kulturen der Region genommen haben. Laut dieser Theorie sollen die Assyrer die eigentlichen Gründerväter des Reiches gewesen sein, jedoch gilt diese Theorie als hochspekulativ, da bislang keine archäologischen und kulturhistorische Nachweise erbracht wurden. Nachweisen lässt sich die frühe Islamisierung der Region um den See im 10./11. Jahrhundert, durch die Machtübernahme der Sayfawa-Dynastie im Reich Kanem.[39][40][41][42]

Erste schriftliche Berichte über die Region des Tschadsees finden sich bei al-Yaqubi in seinem Ende des 9. Jahrhunderts erschienenen Kitaab al-Buldaan (Geographie der Welt oder Buch der Länder), in dem er von dem Lande Kanim berichtet, jedoch ohne Erwähnung des Tschadsees. Über den Tschadsee finden sich erst im 11. Jahrhundert Informationen bei Abū ʿUbaid al-Bakrī. Deshalb kann man erst seit dieser Zeit geographisch eindeutig zwischen Kanem, östlich, und Bornu, westlich des Tschadsees, unterscheiden. Er berichtet außerdem von großen Moscheen, sowie Oasen und gibt über einzelne Volksgruppen Auskunft. Er nimmt jedoch an, dass der Niger und der Tschadsee Teil des Nil-Flusssystems sind. Eine weitere Quelle ist Ibn Saìd, ein in Granada/Spanien geborener muslimischer Kartograph. Er berichtet vom Kuuri-See, der Teil des Wasserlaufs des Nils von Ghana bis Ägypten ist. Er berichtet weiterhin, die Kanimis navigierten über den See und die südlichen Seeanwohner, die Sao, würden Menschenfleisch nicht verschmähen, während die Bewohner von Kanimis gute Muslime seien. Andere arabische Quellen sind von Al-Dimashqi (1256–1327) aus Damaskus und Abu`l-Fida (1273 bis 1331), ebenfalls aus Damaskus, bekannt.

Die erste europäische Erwähnung des Tschadsees finden sich bei Leo Africanus, der die Region im Jahre 1513 bereiste und von einem Lande Shary und dem See von Gaoga in seinem Werk Descrittione dell’Africa berichtet. Weitere Quellen finden sich im Enzyklopädie L’Universale Fabrica, niedergeschrieben von Giovanni Lorenzo Anania, dieser beschreibt den Rio Negro, den Niger, und den Lago di Sauo, den Tschadsee. Dieses Werk erschien zwischen 1571 und 1592 in mehreren Bänden und diente bis ins 19. Jahrhundert zahlreichen Kartographen als Quellliteratur für die Beschreibung der Region.

Da das subsaharische Afrika bis ins 19. Jahrhundert eine Art Terra incognita für den europäischen Kulturraum darstellte, sind dies die einzigen Quellen über die Region des Tschadsees vom Mittelalter bis in die Zeit der Renaissance. Die ersten neuzeitlichen Berichte stammen von dem Deutschen Friedrich Konrad Hornemann, der die Region im Jahre 1800 in britischem Auftrag bereiste; weitere Berichte stammen von Denham, Clapperton und Oudney aus dem Jahre 1822. Die wohl bekanntesten Reiseberichte, in denen der Tschadsee erwähnt wurde, stammen von Heinrich Barth, Adolf Overweg und Gustav Nachtigal.[43]

Literatur

  • Jan Patrick Heiß: Eine kaum bekannte Ethnie. Die Yedina der Tschadseeinseln (= Arbeitspapiere, Institut für Ethnologie und Afrikastudien. 65). Universität Mainz, Mainz 2006, urn:nbn:de:hebis:77-11165
  • Werner Gartung: Yallah Tibesti. Vom Tschadsee zu den Felsenmenschen. Westermann, Braunschweig 1992, ISBN 3-07-509400-5.
  • A. T. Grove, R. Pullan: Some aspects of the Pleistocene paleogeography of the Chad Basin. In: F. C. Howell, F. Bourlière (Hrsg.): African ecology and human evolution. Viking Fund Publications in Anthropology. 36, 1963, S. 230–245.
  • A. T. Grove, R. Pullan: Rise and Fall of Lake Chad. In: Geographical Magazine. 3, 1970, S. 432–439.
  • A. T. Grove: Geographical Introduction to the Sahel. Water Characteristics of the Chari system and Lake Chad. In: Geographical Journal. 144 (3), 1978, S. 407–415.
  • Walter Konrad: Zad – Geheimnis zwischen Niger und Nil. Ein ethnographischer Beitrag zur Kenntnis der Tschadsee-Insulaner. In: Zeitschrift des Museums zu Hildesheim. NF, Heft 9, 1955.
  • Thomas Krings: Sahelländer (Geographie). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-11860-X.
  • Walter Konrad: People of the grasses Studies on the Buduma (Yedina) of Lake Chad (= Borno Sahara and Sudan Studies. Studies in the Humanuties and Social Sciences University of Maiduguri). Rüdiger Köppe Verlag, Köln, ISBN 978-3-89645-507-9.
  • Matthias Krings, Editha Platte (Hrsg.): Living with the Lake. (= Studien zur Kulturkunde. Nr. 121). Rüdiger Köppe Verlag, Köln 2004, ISBN 3-89645-216-9. (englisch)
  • Caterina Batello, Marzio Marzot, Adamou Harouna Touré: The Future is an Ancient Lake. FAO Interdepartmental Working Group on Biological Diversity for Food and Agriculture, Rom 2004, ISBN 92-5-105064-3.
  • Tsadse. In: Kolonial-Lexikon. 1920.

Bildergalerie

Commons: Tschadsee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lake Chad flooded savanna (englisch)
  2. Barbara Widhalm: Analyse raum-zeitlicher Dynamiken von Feuchtgebieten unterschiedlicher Klimazonen mit ENVISAT ASAR. (PDF) Masterarbeit. Technische Universität Wien
  3. Chad. (Memento vom 24. September 2012 im Internet Archive) (PDF; 173 kB; S. 10) Ramsar
  4. The Bureau of the Convention on Wetlands (Ramsar, 1971) and The Lake Chad Basin Commission (LCBC) (englisch)
  5. Lake Chad to be fully protected as international wetlands (englisch)
  6. Lake Chad, Managing Rivers Wisly. (PDF) WWF (englisch)
  7. Höhenangaben bei OpenCycleMap
  8. Leblanc et al. 2006 Reconstruction of megalake Chad using shuttle radar topographic mission data. Palaeogeography, palaeoclimatology, palaeoecology 239, S. 16–27 ISSN 0031-0182 1872-616X
  9. History of the Lake Chad Basin (englisch)
  10. Karsten Brunk, Detlef Gronenborn: Floods, Droughts, and Migrations: The Effects of Late Holocene Lake Level Oscillations and Climate Fluctuations on the Settlement and Political Historymthe Chad Basin. (PDF) In: Matthias Krings, Editha Platte (Hrsg.): Living with the Lake. (= Studien zur Kulturkunde. Nr. 121). Rüdiger Köppe Verlag, Köln 2004, ISBN 3-89645-216-9 (englisch)
  11. Jacques Lemoalle, Jean-Claude Bader, Marc Leblanc: The variability of Lake Chad:hydrological modelling and ecosystem Services. (PDF; englisch)
  12. LCBC: History of Lake Chad Basin (englisch)
  13. WWF: Case study on river management: Lake Chad (englisch)
  14. Peter Geesing:Prosopis am Tschadsee (PDF-Dokument)
  15. Freshwater Ecosystems of the World: Description Lake Chad (englisch)
  16. Brief on Lake Chad Basin. (PDF; englisch)
  17. USGS:Earthshots: Satellite Images of Environmental Change Lake Chad (englisch)
  18. H. Gao, T.-J. Bohn, E. Podest, K. C. McDonald, D. P. Lettenmaier: On the causes of the shrinking of Lake Chad. (PDF; englisch)
  19. FAO: The Lake Chad basin (englisch)
  20. Fishing in the Lake Chad Basin (englisch)
  21. Yemi Akegbejo-Samsons, L. Onyekakeyah: Lake Chad, once upon a time: The vulnerability of Africa’s shrinking Lake. (PDF; englisch)
  22. Ecosystem and Biodiversity of the Lake Chad Basin
  23. Brycinus nurse auf Fishbase.org (englisch)
  24. Marie-Thérèse Sarch: Fishing and Farming at Lake Chad: Overcapitalization, Opportunities and Fisheries Management. (PDF) CEMARE Research Paper 90 (englisch)
  25. Cassandra De Young: Climate change implications for fishing communities in the Lake Chad Basin. (PDF) FAO/Lake Chad Basin Commission Workshop 18–20 November 2011 N’Djamena, Chad (englisch)
  26. Tschadprinie (Prinia fluviatilis) Chappuis, 1974
  27. BirdLife International: TD004 Lake Chad (englisch)
  28. Chad Country Profile. (PDF) BirdLife International (englisch)
  29. Erythrocebus patasauf IUCN Red List (englisch)
  30. Chlorocebus auf Primate Info Net (englisch)
  31. Ntombizakhe Mpofu, J. E. O. Rege: The unique Kuri cattle of the Lake Chad Basin.. (PDF; englisch)
  32. O. Hanotte, C. L. Tawah, D. G. Bradley, M. Okomo, Y. Verjee, J. Ochieng, J. E. Rege: Geographic distribution and frequency of a taurine Bos taurus and an indicine Bos indicus Y specific allele amongst sub-saharan African cattle breeds. PMID 10736042 (englisch)
  33. Boundaries of Lake Chad Region. (PDF; 8,4 MB) UNEP Publikation
  34. Krings, s. LIT, S. 25.
  35. Early sculptural traditions in West Africa: new evidence from the Chad Basin of north-eastern Nigeria. (englisch)
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