Monica Bonvicini

italienische Bildhauerin und Hochschullehrerin
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Die Künstlerin Monica Bonvicini (*1965 in Italien, Venedig) lebt und arbeitet in Berlin. Bonvicini hat an der Universität der Künste Berlin (ehem. Hochschule der Künste Berlin) und am California Institute of the Arts, Valencia, in den USA studiert.

Seit 2003 unterrichtet sie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie war von 1998 bis 2001 Gastprofessorin am ArtCenter College of Design, Pasadena, CA.

Werk

Bonvicini arbeitet medienübergreifend mit Installation, Skulptur, Video, Fotografie und Zeichnung. Über die Auseinandersetzung mit Architektur, Geschlecht und Sprache adressieren ihre Werke häufig implizite Machkonstellationen, wie sie sich in institutionellen Räumen und Identitäten manifestieren. In ihrer Formensprache nehmen die Werke oftmals Bezug auf die historischen Strömungen der Minimal und Conceptual Art. Die kritische Reartikulation etablierter Kunstpraktiken liefert einen methodischen Rahmen, in und um den die Künstlerin aktuelle Diskurse, Phänomene und Fragestellungen entwickelt. Zentral sind dabei die semantischen Dimensionen der spezifischen, mitunter subkulturell konnotierten Materialien bzw. die ihnen eigenen Ästhetiken, beispielsweise Glas, Leder oder Metall in Form von Ketten oder Baugerüsten. Die performativen Aspekte der Installation finden sich aufgerufen, wenn konventionelle oder hierarchische Relationsgefüge visuellen, funktionalen oder normativen Verschiebungen ausgesetzt werden und die situative Verortung der Betrachter_innen in partizipativen Rezeptionsmodi vorgeführt wird.

Die raumgreifende Installation „Never Again“, eine rasterartige, serielle Anordnung von Kettenschaukeln (Slings), transferiert eine unmissverständliche SM-Ästhetik in den Ausstellungsraum, sie wurde 2005 mit dem Preis der Nationalgalerie für junge Kunst ausgezeichnet. Bereits 1999 erhielt Bonvicini den Goldenen Löwen der Biennale di Venezia für den besten Pavillon mit der Arbeit „I Believe in The Skin of Things as in That of Women“ (zus. mit Bruna Esposito, Luisa Lambri, Paola Pivi und Grazia Toderi).

Bonvicinis Werke befinden sich weltweit in Museen, Sammlungen und temporären Ausstellungen. Permanente Arbeiten im öffentlichen Raum realisierte die Künstlerin u.a. mit der Lichtinstallation „RUN“ in London (Queen Elizabeth Olympic Park, 2012) oder „She Lies“, einer schwimmenden Skulptur im Hafenbecken von Oslo in Sichtweite der Osloer Oper (Bjørvika Fjord, 2010). Wie „Stairway to Hell“ (2003), eine freistehende Treppe im Istanbul Museum of Modern Art, zeichnen sich diese Arbeiten insbesondere darurch aus, dass sie bislang undefinierten Orten eine Identität verleihen. Als künstlerische Setzungen sind es diese architektonischen Elemente, die ein Areal zum Ort machen.

Themenauswahl

Dialektik der Produktion

„NOT FOR YOU“ (2006), ein knapp vier Meter langer Schriftzug aus verzinkten Metallbuchstaben, auf deren Oberfläche Glühbirnen aufgereiht montiert sind, steht exemplarisch für die Auseinandersetzung der Künstlerin mit den ästhetischen Bedingungen von Begehren, den Vorstellungen von Schönheit, Ordnung oder Perfektion, die oftmals mit ihrer Umkehrung kontrastiert werden. „NOT FOR YOU“ erzeugt eine starke visuelle Anziehungskraft, die unregelmäßig und nervös blinkenden Glühlampen erinnern an defekte Leuchtreklame oder die legendären Garderobenspiegel vergangener Showgrößen, nur um im gleichen Moment die Betrachter_innen auf semantischer Ebene mit der totalen und persönlichen Zurückweisung zu konfrontieren. Wer hier über Inklusion und Exklusion, Legitimität oder Qualifikation bestimmt, bleibt offen. In der restriktiven Formel finden sich die elitären Strukturen des Kunstbetriebs ebenso angedeutet wie hierarchische Gesellschaftsordnungen, innerhalb derer Individuen einer Disziplinierung unterworfen werden. Wie auch die im gleichen Jahr entstanden Arbeit „DESIRE“ zitieren Bonvicinis Werke mit glänzenden Oberflächen, Spiegelungen oder Lichteffekten häufig eine fast aseptische Atmosphäre, streng geometrische Formen suggerieren ein Ebenmaß und Harmonie, die jedoch immer auch ihr eigenes Scheitern in sich tragen – zersprungenes Glas, Spiegel, die die Betrachter_innen involvieren und die Autonomie des Kunstwerks untergraben, gleißendes Licht bis zur Blendung oder faszinierende Gebilde aus schließlich trivialen Geräten und Alltagsgegenständen verweisen auf eine Dialektik der Produktion, in der Zerstörung und Gestaltung, Konstruktion und Destruktion notwendig miteinander verknüpft sind.

Subkultur und Milieus

Das Interesse an den Funktionslogiken von dominanten Normen und Idealen setzt sich auch auf gesellschaftlicher Ebene fort. In Werken wie „What Does Your Wife/Girlfriend Think Of Your Rough And Dry Hands?“(1999) nimmt Bonvicini die Berufsgruppe der Bauarbeiter zum Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung. Die Arbeit thematisiert exemplarisch die Formationsprozesse eines sozialen Milieus über die klischeehafte Zuschreibung spezifischer, mitunter paradoxer Qualitäten und ihren Effekt innerhalb einer gesellschaftlichen Ordnung. Anhand des vermeintlich wissenschaftlich-neutralen Instruments der Umfrage stellt Bonvicini das Stereotyp einer Berufsgruppe der Arbeiterklasse aus, die zwar nur geringe materielle Wertschätzung erfährt, deren fast ausschließlich männlichen Protagonisten jedoch insbesondere durch mutmaßlich ausgeprägte Maskulinität überhöht werden. Dass die Demonstration von Männlichkeit allerdings lediglich in den Normbedingungen der Heterosexualität stattfinden sollte, wird vor allem dann zum absurden Schauspiel, wenn eine Arbeit wie „These Days Only a Few Men Know What Work Really Means“ (1999) die homosexuelle Aneignung dieses Rollenmodells in einem schwulen Pornomagazin präsentiert. „What Does Your Girlfriend/Wife Think...“ thematisiert die Intersektionalität von Geschlecht und Klasse mit einem pseudoobjektiven Tool aus dem Repertoire der Sozialwissenschaften – (de-)platziert in den Kunstkontext, werden unzählige, gerahmte und auf gleicher Höhe im Ausstellungsraum montierte Fragebögen selbst zum Gegenstand der Analyse und ästhetischen Objekt. Ein ähnliches Motiv findet sich auch in dem Video „No Head Man“ (2009), wenn sich über die förmlich gekleideten Protagonisten eines absurden Schauspiels die professionellen Rituale des Kunstbetriebs selbst andeuten. Einen Zusammenhang von geografischen und sozialen Positionsbestimmungen als politische Faktoren thematisiert auch die Reihe „Hurricanes and Other Catastrophies“ (2008). Die großformatigen Papierarbeiten sind ausgehend von den vom Hurrikan Katrina zertörten Wohngebieten in New Orleans entstanden.

Arbeit an den eigenen Grundlagen

Bonvicinis installative Arbeiten zeichnet eine starke physische Präsenz aus. Die Wirkung von Objekten im Raum und auf die räumliche Disposition der Betrachter_innen lassen sich als integrale Elemente in Bonvicinis künstlerischer Praxis identifizieren. Besonders der Ausstellungsraum figuriert dabei nie nur als dreidimensionales Kontinuum, sondern trägt stets die spezifischen institutionellen, historischen und sozialen Konditionen seiner Genese in sich. „A violent tropical cyclonic piece of art having wind speeds of or in excess of 75 mph.“ (1998) produziert einen prototypischen Erfahrungsraum: zwei einander gegenüber liegende Ventilatoren in einem eigens für die Arbeit errichteten Raum-im-Raum produzieren starke Windströme, der die Besucher_innen beim Durchqueren des Raumes unausweichlich erfasst.Ein bourgeoises Ideal kontemplativer Versenkung vor dem Kunstwerk ist so ebenfalls sabotiert wie die Betrachter_innen temporär buchstäblich derangiert, sorgfältige (Selbst-) Inszenierungen ausgesetzt werden. Mit Arbeiten wie „A violent tropical cyclonic piece of art...“ knüpft Bonvicini an die historischen Methoden institutionskritischer Conceptual Art und der erfahrungsorientierten Minimal Art an. Die Künstlerin nutzt das rhetorische Mittel der Überzeichnung, um eine Reflexion und Erweiterung der Kritik zu erzielen. Mit ironischen Gesten provoziert Bonvicini ein pathosgeladenes Kunstverständnis oder persifliert unhinterfragte Bedeutungszuweisungen. So rekurriert „Don´t Miss a Sec‘.“ (2004), ein verspiegelter Kubus, in dessen Inneren eine funktionierende Toilette zu finden ist und der an öffentlichen Plätzen installiert wird, auf die Formensprache der Minimal Art und ihre Behauptung von Körperlichkeit bzw. körperlicher Erfahrbarkeit, nur um sie im gleichen Moment zu übertreffen. Eine ‚Sensation‘ evozieren auch die Treppenformationen von „15 Steps to the Virgin“ (2011). Die Arbeit wurde im Rahmen der 54. Biennale di Venezia gezeigt und greift ein Element auf, das sich sowohl in den gemalten Architekturen der ausstellungsleitenden, sakralen Gemälde Tintorettos als auch in populären Revueinszenierungen wiederfindet.

Auszeichnungen und Preise

Ausstellungen (Auswahl)

Werke in öffentlichen Sammlungen (Auswahl)

Permanent installierte Werke im öffentlichen Raum

  • 2012: She Lies, Bjørvika Fjord – Oslo
  • 2012: RUN, Olympiapark – London

Monographische Kataloge (Auswahl)

Literatur und Quellen



  1. Der Spiegel Kulturspiegel 8/2010