Heinrich Lübke
Heinrich Lübke (* 14. Oktober 1894 in Enkhausen/Sauerland; † 6. April 1972 in Bonn) war ein deutscher Politiker (ZENTRUM, später CDU).
Er war von 1953 bis 1959 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und von 1959 bis 1969 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
Ausbildung und Beruf
Nach dem Abitur 1913 begann Lübke ein Studium der Geodäsie, Landwirtschaft und Kulturbautechnik an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn, welches er aber schon im August 1914 unterbrach, um als Kriegsfreiwilliger bis 1918 (letzter Dienstgrad: Leutnant der Reserve) am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Nach Kriegsende nahm er sein Studium wieder auf und beendete es 1921 mit dem Examen als Vermessungs- und Kulturingenieur. Während seines Studiums in Bonn trat er der Studentenverbindung Askania (CV) bei. Von 1921 bis 1924 studierte er Nationalökonomie in Münster und Berlin. Von 1921 bis 1922 war er beim „Westfälischen Pächter- und Siedlerbund“ in Münster beschäftigt. Ab Oktober 1922 war er Geschäftsführer des „Reichsverbandes landwirtschaftlicher Kleinbetriebe“ (ab 1925 auch „Mittelbetriebe“). 1926 wurde er Geschäftsführer der „Deutschen Bauernschaft“. Ab 1927 war er auch Geschäftsführer der „Siedlungsgesellschaft Bauernland AG“.
Im Juli 1933 musste er auf Druck der Nationalsozialisten sein Amt bei der Deutschen Bauernschaft und im März 1934 auch das bei der Siedlungsgesellschaft Bauernland abgeben. Am 5. Februar 1934 wurde gegen Lübke von den Nationalsozialisten ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption angestrengt. Er wurde verhaftet und nach 20 Monaten am 11. Oktober 1935 aus der Untersuchungshaft entlassen. Er war zunächst arbeitslos und lebte bis Sommer 1937 auf dem Hof seines Bruders Friedrich-Wilhelm Lübke bei Flensburg. Von 1937 bis 1939 war er dann als leitender Mitarbeiter bei der Niedersächsischen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft in Berlin tätig. Von 1939 bis 1945 arbeitete er als Vermessungsingenieur und Bauleiter beim Architektur- und Ingenieurbüro Schlempp, das der Verfügung des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ Albert Speer unterstand. Es wurden in dieser Zeit zivile und militärische Anlagen in Berlin, Peenemünde, Neu-Staßfurt und Wolmirsleben errichtet. Von 1945 bis 1946 leitete er ein eigenes Baubüro in Höxter. Von Januar bis Oktober 1953 war er Generalanwalt des Deutschen Raiffeisenverbandes in Bonn.
Familie
Heinrich Lübke war seit 1929 verheiratet mit Wilhelmine Keuthen (1885-1981) aus Ramsbeck, heute Teil der Gemeinde Bestwig. Sein älterer Bruder Friedrich-Wilhelm Lübke war von 1951 bis 1954 Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Heinrich Lübke war katholischer Konfession.
Partei
In der Weimarer Republik war Lübke Mitglied des Zentrums.
Abgeordneter
Von 1932 bis 1933 war er Mitglied des Preußischen Landtages. Obwohl er bei der Landtagswahl am 5. März 1933 wiedergewählt wurde, verlor er sein Amt aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
1946 war er Mitglied des von der britischen Militärregierung ernannten Provinziallandtages von Westfalen, ab Oktober 1946 des ernannten Landtages von Nordrhein-Westfalen. Er gehörte auch ab April 1947 dem gewählten Landtag an. Am 6. März 1954 legte er sein Mandat nieder.
Von 1949 bis 29. September 1950 war er Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Arnsberg-Soest. In dieser Zeit war er auch Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Von 1953 bis zur Wahl zum Bundespräsidenten am 2. September 1959 war er erneut Mitglied des Deutschen Bundestages.
Öffentliche Ämter
Vom 17. Juni 1947 bis zum 31. Dezember 1952 amtierte er in den von Rudolf Amelunxen und Karl Arnold geführten Landesregierungen als Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nordrhein-Westfalen.
Nach der Bundestagswahl 1953 wurde er am 20. Oktober 1953 als Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführte Bundesregierung berufen.
Er wurde am 1. Juli 1959 zum Bundespräsidenten gewählt. Seine Amtszeit begann am 13. September 1959. 1964 erfolgte seine Wiederwahl.
Vor allem in der zweiten Amtszeit häuften sich rhetorische Missgriffe Lübkes, deren Zustandekommen auch darauf zurückzuführen war, dass er trotz vorhandenem Redemanuskript oft frei sprechen wollte. Sie entwickelten sich zum Politikum. Zahlreiche Journalisten begleiteten ihn oft nur deshalb auf seine vielen Auslandsreisen, um derartige Fehlleistungen mitzubekommen. Zu einer Modernen Sage entwickelte sich der unbelegte Ausspruch "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger", den Lübke angeblich auf einer Afrikareise 1962 benutzt haben soll. Er fand ein starkes Echo in der deutschen Kabarett-Szene. Aufgrund des dem Bundespräsidenten daraufhin entgegenschlagenden Spotts entschied der Bayerische Rundfunk, die Vorstellungen der Münchner Lach- und Schießgesellschaft nicht weiterhin live zu übertragen. Richtig ist, dass Lübke in Tananarive, der Hauptstadt Madagaskars, das Präsidentenpaar mit den Worten "Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive" grüßte.
Um das Amt aus dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf herauszuhalten, trat er 1969 drei Monate vor dem Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident zurück.
Heinrich Lübke gehörte zu den wenigen Bundespräsidenten, die in ihrer Amtszeit Gesetze, die vom Bundestag beschlossen worden waren, nicht unterzeichneten. Nach Einholung eines wissenschaftlichen Gutachtens teilte er dem Bundestagspräsidenten mit, dass er das "Gesetz gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel" nicht unterzeichnen werde, da es seiner Ansicht nach gegen die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung verstoßen würde.
Lübke ist bislang der einzige römisch-katholische Bundespräsident gewesen.
Ehrungen
1953 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn verliehen.
1957 erhielt er das Großkreuz des Bundesverdienstordens. Er ist außerdem Ehrenbürger der Städte Karlsruhe (1964) und Bonn (1966).
Nach seinem Tod wurde er am 13. April 1972 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages mit einem Staatsakt geehrt.
In der nigrischen Hauptstadt Niamey ist eine Hauptstraße nach ihm benannt.
Altpräsident und Tod
Dem Bundespräsidenten a. D. verblieb nicht eine einzige Aufgabe, und neue Pflichten konnte er schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen.
Seine Absicht, von Zeit zu Zeit in Berlin zu wohnen, ließ sich nicht verwirklichen. Noch weniger konnte Lübke, der über eine Privatbibliothek von etwa 5.000 Büchern verfügte, seinem wissenschaftlichen Hobby nachgehen: Vergleichende Sprachwissenschaften und Mikrobiologie.
Sein sich verschlechternder Gesundheitszustand erzwang lange Erholungsreisen und Erholungspausen. Aber weder eine Reihe von Kuraufenthalten im In- und Ausland noch der Wechsel verschiedener Therapien verbesserten sein Befinden (schlechte Durchblutung).
Seine Parteifreunde ignorierten ihn, wenn sie ihn nicht gar mieden. Eine der wenigen Ausnahmen war sein Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Dieser hielt ab und an Kontakt zu ihm. Bei Spaziergängen im Kottenforst auf dem Venusberg wurde Lübke - so man ihn noch erkannte - mit Respekt begrüßt.
Reisen nach Teneriffa im Herbst 1969 sowie zu Weihnachten 1970 und 1971 brachten keine Besserung in seinem Befinden. Eine fortschreitende Zerebralsklerose machte sich immer stärker bemerkbar, führte zu ernsthaften Sprechstörungen und zeitweisem Gedächtnisverlust. Im nachhinein zeigte sich, dass diese Krankheit schon vor einigen Jahren begonnen hatte und so manchen Versprecher des Bundespräsidenten in den letzten Jahren seiner Amtszeit erklärte.
Seit 1971 machte sich Lübke, wie es Walter Henkels umschrieben hat, "zum Ausgang aus dieser Zeitlichkeit bereit". Der Bonner Journalist Eduard Neumaier beschrieb ihn im Spätherbst 1971 so: "Eingefallen, hager, an einem Spazierstock tappend, von einer Krankenschwester gestützt ..., unzweifelhaft ein Greis geworden".
Im November 1971 besuchte der Altbundespräsident zum letzten Mal seinen Geburtsort Enkhausen.
Vilma Sturm hat in einem Nachruf auf Lübke einfühlsam die Eindrücke seines "verlöschenden Lebens" beschrieben, "ohne körperliche Schmerzen, aber qualvoll genug, ähnlich den Leiden der Gefangenen. Eingesperrt, kaum noch die Möglichkeit, sich zu äußern, sich mitzuteilen. ... Gefangen in dem Gestrüpp aus verengten Blutbahnen, die sich immer bedrängender um ihn zusammenzogen, bis es dann - welche Erlösung - zu Ende ging". Der Kissinger Chefarzt Hans-Georg Denkhardt, der Lübke als Kurarzt viele Jahre behandelt hatte und ihm auch persönlich nahestand, wurde Ende Februar 1972 nach Bonn gerufen. Dort registrierte er Altersveränderungen bei Heinrich Lübke, die auf einen baldigen Tod hindeuteten.
Am 30. März 1972, Gründonnerstag, erforderten akute Magenblutungen eine rasche Operation Lübkes in der nahegelegenen Chirurgischen Universitätsklinik auf dem Venusberg. Dabei stellte sich heraus - was er seit Jahrzehnten befürchtet hatte, während zahllose Ärzte andere Befunde diagnostiziert hatten -, dass er an einem weit fortgeschrittenen Magenkrebs litt; die Metastasen hatten bereits das Gehirn erreicht. Nach zwei weiteren Blutstürzen starb Heinrich Lübke am 6. April 1972, um 16.48 Uhr, im Alter von 77 Jahren, in der Klinik in Bonn.
Bei einem Staatsakt im Plenarsaal des Deutschen Bundestags am 13. April 1972 wurden die Verdienste Lübkes gewürdigt. Nach einem Requiem im Kölner Dom, wurde Lübke auf dem Friedhof seiner Heimat Enkhausen, welche 1975 in Sundern eingemeindet wurde, beigesetzt. Das Familiengrab auf dem Dorffriedhof in Enkhausen schmückt nur die schlichte Mitteilung
Heinrich Lübke Bundespräsident von 1959 bis 1969.
Siehe auch
Literatur
- Werner Pieper: Die 13 Leben des Heinrich Lübke. Löhrbach 2004. ISBN 3-922708-22-6
Weblinks
- Vorlage:PND
- Lübke-Biografie des Bundespräsidialamtes
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LuebkeHeinrich
- Stimmt's? Lübke und die Neger (Die Zeit)
- http://www.heinrichluebke.de/
Personendaten | |
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NAME | Lübke, Heinrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (ZENTRUM,CDU), 1959-1969 Bundespräsident der BRD |
GEBURTSDATUM | 14. Oktober 1894 |
GEBURTSORT | Enkhausen, Sauerland |
STERBEDATUM | 6. April 1972 |
STERBEORT | Bonn |