Benutzer:Nicola/Rathauspropheten

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  • Lemma: "Kölner Rathauspropheten" oder "Rathauspropheten"?

Die Kölner Rathauspropheten sind eine Gruppe von acht Holzplastiken aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind im Kölner Museum Schnütgen in St. Cäcilien in Köln ausgestellt.

Bis 2011 standen die Figuren im Hansasaal des Kölner Rathauses. Aus konservatorischen Gründen mussten die Originale jedoch ins Museum Schnütgen gebracht werden, an ihrer Stelle stehen im Rathaus nun Repliken.

Zunächst wurde die Entstehung der Skulpturen auf das Ende des 14./Anfang des 15. Jahrhunderts datiert. Neueste Untersuchungen seit 2012 durch die Wissenschaftlerin Sarah Grimberg von der TH Köln ergeben jedoch, dass die Plastiken frühestens im Jahre 1440 entstanden sein können. Grundlage für diese Festlegung sind dendrochronologischen Untersuchungen, bei denen das Fällungsjahr des Holzes durch die Analyse der Jahresringe bestimmt wird.

Geschichte/Bedeutung

Die Rathauspropheten wurden 1448 erstmals schriftlich erwähnt.[1] Wachsende Bedeutung des Rathauses als „Wahrzeichen der kommunalen Selbständigkeit“ führte im 14. Jahrhundert zur Einführung religiöser Bildprogramme, wobei ähnlich wie in der Kirche biblische Motive zur Legitimierung von politischer Macht herangezogen wurde. Im Fall der Rathausfiguren zog man die Autorität alttestamentarischer Propheten auch in weltlicher Hinsicht als Vorbilder für ein „verpflichtendes politisches Idealbild der Zeit“ heran, vor allem Gerechtigkeit, Gleichheit im Recht, Eintracht etc.[2] Ähnliche Darstellungen in anderen Hansestädten: Brügge, Brüssel, Bremen und Lübeck, früheste wohl in Köln – Malereien im Hansesaal (-> Fragmente Wallraf Depot) seit ca. 1360er[3].

Für Köln gilt als Anlass zur Heranziehung einer solchen übergeordnete Autorität der sogenannte „Verbundbrief“ aus dem Jahre 1396, einer „Verfassung“ für die Stadt, mit der die alten Patriziergeschlechter entmachtet wurden und nun das Bürgertum und die Gaffeln das Sagen in der Stadt hatten.[4] Deshalb hatten Historiker und Kunsthistoriker die Entstehung der Propheten auch auf diese Zeit gelegt. Aber auch die korrigierte Datierung der Entstehung nach dem Gutachten aus dem Jahre 2016 passt in den historischen Kontext, da 1437 der Verbundbrief erweitert und somit die bürgerlichen Strukturen in der Stadt verfestigt wurden.[4] Mit dieser Neuordnung in der Stadt war auch ein repräsentativer Ausbau des Rathauses verbunden.[1]

Der Verbundbrief, der „als Garant für Ruhe, Frieden und Sicherheit“[1] dienen sollte, existierte in 23 Ausfertigungen. Doch wegen seiner unhandlichen Größe und der zahlreichen Siegel spielte der Verbundbrief „kaum physisch eine dauerhafte Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung“[1], zudem konnten nur wenige Menschen lesen. An dieser Stelle kamen nun die Propheten ins Spiel, die figürlich die Mahnungen an die Herrschenden im Rathaus visualisierten.[5]

Mit dem Bau des Ratsturms tagte der Rat nicht mehr im Hansasaal wie im 14. Jahrhundert, sondern im Senatssaal. Die erste Erwähnung der offenbar nach den Skulpturen benannte „Prophetenkammer“ 1448 ließ darauf schließen, dass diese vor dieser Zeit entstanden sind. (--> Eduard Trier vermutete direkte Zusammenhang mit dem Bau des Turmes, 1408-1414, Geis mutmaßt: 1426 war die Ratskapelle schon die nächste große Baustelle, deshalb neuen Turm vorher ausgestattet)

Neun gute Helden im Hansasaal: Rückgriff auf Ritter/Könige zur Legitimation Patrizierherrschaft, Propheten mit Spruchbändern: neue ethische Grundsätze der bürgerlichen Stadt (Verbundbrief)[6]

Standorte

Vorraum der neuen Ratskammer, 1448 erstmals als „camera prophetarum“ urkundlich (oder "schriftlich?) erwähnt, so dass jeder Ratsherr auf dem Weg in die SItzung daran vorbei musste. Ursprüngliche Aufstellung unklar, vermutlich in zwei Vierergruppen an den Wänden. Um 1600 standen sie frei auf Holzpfeilern an der Treppe zur Ratskammer. [2]

Die Funktion der Prophetenfiguren wurde lange Jahre als Mahnung an die Ratsherren verstanden, sich dem Gemeinwohl verpflichtet zu fühlen. Diese mussten die Prophetenkammer – so die zeitgenössische Bezeichnung – auf dem Weg zum Ratssaal durchqueren und somit die Figuren passieren. Eine bestimmte Funktion der Prophetenkammer kann aufgrund der disparaten Quellenlage nicht präzise zugewiesen, sondern muss aufgrund von Indizien interpretiert werden. Schon vor 1424, bevor der Rathausturm und der Hauptbau miteinander verbunden wurden, ist in Quellen die Rede von einem Raum „vor der Ratskammer“, in dem offensichtlich Rechtsgeschäfte vollzogen wurden.[7] Die Ersterwähnung der Prophetenkammer mit just dieser Bezeichnung im Jahre 1448 berichtet in der Form einer notariellen Urkunde vom Besuch eines Gesandten Kaisers Friedrich III., dessen Weg durch die Prophetenkammer führte. Das die Kammer explizit erwähnt wurde, war nach Ansicht von Plassmann ein Zeichen dafür, dass diesem Raum eine wichtige Funktion zukam. [8]

Seit 1972 an der Nordwand des Hansasaales.[3]

Künstlerische und kunsthistorische Einordnung

Der Name des Künstlers oder der Werkstatt, wo die Propheten hergestellt wurden, ist nicht bekannt. Jede einzelne Figur wurde aus einem massivien Eichenstamm hergestellt, der rund 80 Zentimeter Durchmesser hat.[4]

Klarer Bezug zu den Vorgängermotiven im Hansasaal erkennbar, aber auch deutliche Unterschiede: Gewandelte Vorstellung von „weisen Männern“, andere Kopfbedeckungen

Einordnung der Texte

Übereinstimmungen mit älteren Texten der Hansasaal-Propheten, aber auch neue Texte dazu, die sich auf den Verbundbrief von 1396 beziehen.

Beschreibung

Nicola: Anm. zur Galerie: „das gemeine Beste“ ist im Schnütgen ohne Kommentar doppelt. Die Inschriften sind auch lt. Literatur verändert worden gegenüber der Liste von 1600. Tbd.

Es handelt sich um acht rundplastische/vollrunde, farbig gefasste Figuren aus Eichenholz[9] mit einer Höhe von 120 bis 125 Zentimetern (neuere Quellen: 113-117 cm[2]). Sieben Figuren sind bärtig, eine bartlos; alle tragen bodenlange, fließende Gewänder und weiche Mützen als Kopfbedeckung und halten je ein Spruchband mit lateinischen Inschriften in einer gotischen Minuskelschrift in den Händen. Die Inschriften lauten nach Vogts (1930) wie folgt[10] (leicht abweichende Schreibweisen in [2]):

  1. PRIMUM QUAERITE REGNUM DEI ET IUSTITIAM EIUS (Matth. 6, 33)[11]
    • In dem ersten solt ir suchen das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit.
    • „Zuerst suchet das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“
  2. INITIUM SAPIENTIAE AMOR DE (Jes. Sir. 1,16 / Psalm 111,10)[11]
    • Ein Beginn der Weisheit ist die Furchte Gotz.
    • „Der Beginn der Weisheit ist die Gottesfurcht“
  3. OPORTET OPERARI CONSILIATA VELOCITER, CONSILIARE AUTEM TARDE
    • Die geraden Sachen soll man gering tun, wann idt woll bedacht ist, ever Man soll langsam raden
    • „Nimm langsam Rath, dann eil zur Tat.“
  4. UTITILITAS PUBLICA PRIVATE SEMPER EST (nach anderer Quelle: „EST SEMPER”[9]) PRAEFERENDA
    • Die Nutzichkeit des gemeinen Besten is man alwege vurzukeren in allen Sachen
    • Das gemeine Beste ist dem persönlichen immer vorzuzuziehen (Gemeinwohl vor Eigenwohl)
  5. DEROGARIONEM CUPIENTES VINCIT INTEGRITAS ACTIONIS
    • Der Vollherdich is in seinen Werken of in seinen Sachen, der verwinnet alles, das im entgegen is of hinderlich in den Rechten
    • „Die Unversehrtheit der Vernunft überwindet diejenigen, die (das Gesetz) abzuschaffen wünschen.“
  6. EQUUM EST NECIS ARTIFICEM ARTE PERIRE SUA. (Math. 26,52)[11]
    • Idt is Recht, das ein Todtschleger der Kunst of ein Meister der Schalkheit
    • „Es ist billig, daß ein Meister des Todschlags durch sein eigenes Handwerk umkommet.“
  7. FIDUM SIT REIPUBLICE CONSISTORIUM SILENTIQUE SALUBRITATE IMMUNITUM
    • Die Heimlichkeit der Ratskammer die soll man halden mit gezierder stiller Heilsamkeit
    • „Es soll keiner aus dem Rat schwatzen“
  8. QUE PRO REPUBLICA PERIERINT PERPETUO VIVERE INTELLIGTUNTUR
    • Diegene die hie vergenklich seint umb des gemeinen besten Willen, die sollen allwege leben bei Gott in Weisheit und in Freuden.
    • „Wer für die Gemeinschaft stirbt, soll ewig leben.“

Die niederdeutschen Übersetzungen der Texte stammen aus der Zeit um 1600.[10] (Manuskript HAStK)

Nach Plassmann sind die Zitate eine „Mischung aus Zitaten bzw. Entlehnungen aus der Bibel, von Klassikern und aus den philosophischen Diskursen seit dem 13. Jahrhundert“. Daran sei erkennbar, dass es sich bei dem Verfasser um einen gebildeten Menschen handeln müsse, den er in das Umfeld der Universität zu Köln verortet, dessen Name allerdings unbekannt ist.Referenzfehler: Es fehlt ein schließendes </ref>. [12] [3]

[6] [2] [13]

  1. a b c d Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 59.
  2. a b c d e Reiner Dieckhoff: Acht Prophetenfiguren aus der ehemaligen Prophetenkammer des Rathauses. In: Werner Schäfke (Hrsg.): Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute. Kölnisches Stadtmuseum, Köln 1988, S. 411–414.
  3. a b c Walter Geis: Die Propheten als Rechtssymbole. In: Walter Geis, Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: Das gotische Rathaus und seine historische Umgebung (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln). Band 26. J.P. Bachem Verlag, Köln 2000, ISBN 3-7616-1391-1, S. 439–458.
  4. a b c Kölner Rathauspropheten: neue Erkenntnisse zu Entstehungszeit, Herstellung und Aufstellung. In: TH Köln. 4. April 2016, abgerufen am 24. April 2016.
  5. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 60.
  6. a b Ulrike Surmann: Vom städtischen Umgang mit Bildern. Die Bildprogramme des Kölner Rathauses. In: Hiltrud Kier, Bernd Ernsting, Ulrich Krings (Hrsg.): Köln: der Ratsturm. Seine Geschichte und sein Figurenprogramm (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln). Band 21. J.P. Bachem Verlag, Köln 1996, ISBN 3-7616-1156-0, S. 182–187.
  7. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 65 f.
  8. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 66 f.
  9. a b Das Schnütgen-Museum. Eine Auswahl. 2. Auflage. Köln 1961, S. 59.
  10. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen vogts.
  11. a b c Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 61.
  12. Max Plassmann: Zur Funktion der Prophetenkammer im Kölner Rathaus. In: Rheinische Vierteljahrsblätter. Band 77. Bonn 2013, S. 59–72.
  13. Eduard Trier: Die Propheten des Kölner Rathauses. Bonn 1952 (Maschinenschriftliche Dissertation).