Diskussion:Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft
Beteiligung von Studenten?
Waren Studenten tatsächlich erstmalig zu den Plenumsdebatten des Soziologentages zugelassen, wie es Der Spiegel am 22. April 1968 meldet? In der Eröffnungsansprache Dahrendorfs (Theodor W. Adorno (Herausgeber im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Soziologie): Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? Verhandlungen des 16. Deutschen Soziologentages. Enke, Stuttgart 1969. S. 3-8) ist davon nicht die Rede. Er beklagte den Charakter der DGS als Honoratiorengesellschaft, forderte eine Öffnung ein und hoffte, „daß auch Tagungen dieser Art, wie sie in der Tradition der Deutschen Soziologentage stehen, nicht mehr stattfinden.“ (S. 8) In den Diskussions-Dokumentationen des Tagungsbandes findet sich kein erkennbarer studentischer Beitrag, auch keiner von Hans-Jürgen Krahl. Außer dem Spiegel-Artikel und journalistischen Beiträgen, die sich auf ihn beziehen (wie der Rundfunkbeitrag Soziologie made in Frankfurt. 1968 und die Folgen von Christa Schell, 14. Oktober 2010, 08.30 Uhr, hr2-kultur) gibt es keine fachgeschichtliche Quelle für direkte studentische Beteiligung am Soziologentag. Es gab aber während des Kongresses außerhalb des offiziellen Programms (daher auch im Tagunsband nicht dokumentiert) eine öffentliche Podisumsdiskussion an der (neben anderen) Dahrendorf und Erwin Scheuch einerseits und die Studenten Krahl und Wolfgang Lefèvre andererseits teilnahem. Da ging es hoch her, Die Welt titelte am 16. April 1968 Dahrendorf und Scheuch in der Löwengrube. Offizieller Bestandteil des Soziologentages war diese Diskussion aber nicht und um Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft ging es in ihr auch nicht hauptsächlich, eher um den Zustand der deutschen Soziologie. Das ist der aktuelle Stand meiner Recherchen. Ich nehme die Behauptung von den erstmals zugelessenen Stunden und den entsprechenden Einzelnachweis aus dem Artikel raus. --Jürgen Oetting (Diskussion) 09:46, 25. Apr. 2016 (CEST)
- Bassam Tibi und HJ Krahl haben als Studenten (Doktoranten) jedenfalls mitdiskutiert (s. Tagungsband S. 146). --FelMol (Diskussion) 13:16, 25. Apr. 2016 (CEST)
- Danke für den Hinweis. Stimmt, vielleicht hatte Adorno seine Doktoranden zur Teilnahme eingeladen (ich vermute nur). In meinen derzeitigen Überarbeitungs-Entwurf (noch BNR) entschärfe ich das Problem einfach dadurch, dass nicht explizit behauptet wird, Studenten seien erstmals zugelassen gewesen. Sonst macht ja auch die einführende Bemerkung von Dahrendorf (DGS immer noch als Honoratiorengesellschaft) keinen Sinn. Der hätte doch sicher auf die offizielle Zulassung von Studenten hingewiesen. Seltsame Quellenlage insgesamt. --Jürgen Oetting (Diskussion) 13:37, 25. Apr. 2016 (CEST)
Frage zu Offe
Es wird ja im Text auf Habermas' Legitimationsprobleme hingewiesen. Wie aber stehts um Offes' Strukturprobleme des kapitalistischen Staates. Aufsätze zur politischen Soziologie? Passen sie auch in die gesamte Problematik bzw. Kontext? Louis Wu (Diskussion) 14:17, 25. Apr. 2016 (CEST)
- Ja, beide Bücher sind Ausdruck der Kontroverse. Oder besser, sie stellten, damals aktualisiert, die kapitalimsuskritische Position in der deutschen Soziologie dar. Ich möchte sie in der Überarbeitung (im BNR und im Fluß, du findest das über meinen Beiträge) kurz gesondert nennen unter "Entwicklung in den Folgejahren". Die Bücher erschienen ja erst fünf Jahre nach dem Kongress. Vorher gibt es im Artikel die Diskussion des Soziologentages pur. Macht keinen Sinn, es so zusammen zu mantschen, wie bisher. Wie ich Marcuse da einbaue in den Artikel, weiß ich noch nicht. Der hat zwar mächtig mitgemischt, war auch zeitweise in Frankfurt, warf dann ja aber den Frankfurter vor, den politischen Gehalt ihrer gemeinsamen Theorie verraten zu haben. Und das war ganz sicher kein Aufruf zur Mäßigung. --Jürgen Oetting (Diskussion) 15:06, 25. Apr. 2016 (CEST)
Auch die Fachgeschichtsschreibung ist mangelhaft
In einer (noch) zitierten Passage behauptet Annette Treibel, Dahrendorf habe auf dem Soziologentag eine nicht unkritische aber im Stil moderate Konflikt- und Herrschaftssoziologie präsentiert (Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. 5. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2013, S. 22.). In der Tagunsdokumentation sieht es aber ganz anders aus. Dahrendorf verzichtete in seinem Plenums-Referat (am zweiten Kongress-Tag) ausdrücklich auf geplante Präsentationen seiner Soziologie, sondern stellte stattdessen kritische Fragen zum Adorno-Einführungsvortrag (zu dem es keine direkt anschließende Diskussion gegeben hatte) und zum Gemeinschaftsreferat von Adorno-Schülern Joachim Bergmann, Gerhardt Brandt, Klaus Körber, Ernst Theodor Mohl und Claus Offe), das direkt vor seinem gehalten worden war (im Tagunsband ab S. 88 nachzulesen). --Jürgen Oetting (Diskussion) 10:14, 25. Apr. 2016 (CEST)