Unter Konvergenz versteht man in der Mathematik die Existenz eines Grenzwertes. Das Gegenteil wird als Divergenz bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Konzept der modernen Analysis. In einem allgemeineren Sinne wird es in der Topologie behandelt.
In der altgriechischen Philosophie und Mathematik stand der Begriff Konvergenz noch nicht zur Verfügung. In seiner modernen Form wurde er erstmals von Augustin Louis Cauchy definiert.
Konvergenz und Divergenz von Folgen
Eine Folge konvergiert gegen einen Grenzwert a, wenn in jeder ε-Umgebung von a fast alle Folgenglieder liegen.
Definitionen
Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (xi) in X heißt konvergent gegen a wenn gilt:
(Sprich: Es gibt für jedes beliebige (noch so kleine) ε einen Index N (i.A. abhängig von ), derart, dass für alle Indizes n > N (alle weiteren Folgenglieder) gilt: der Abstand d(a, xn) ist kleiner als ε (d(a, xn) < ε) (in den reellen Zahlen also |xn - a| < ε))
a heißt Grenzwert (oder Limes) der Folge, und man schreibt
- .
Wenn die Folge (xi) nicht konvergiert, dann sagt man, sie divergiert.
In den reellen Zahlen unterscheidet man dann zwischen bestimmter Divergenz und unbestimmter Divergenz:
Bestimmte Divergenz gegen (bzw. ) liegt vor, wenn eine Folge xi jede reelle Zahl irgendwann überschreitet und dann darüber bleibt (bzw. jede Zahl unterschreitet). Das heißt,
bzw.
- .
Man schreibt dann
bzw.
und sagt, die Folge divergiert bestimmt gegen bzw. gegen .
Unbestimmte Divergenz liegt vor, wenn die Folge nicht das eben beschriebene Verhalten hat.
Beispiele
In den reellen Zahlen:
- Die Folge (1/n) konvergiert gegen 0 (ist eine Nullfolge).
- Die konstante Folge (c) mit einer festen reellen Zahl c konvergiert gegen c.
- Die Folge (1, 1.4, 1.41, 1.414, 1.4142, 1.41421, ...) der abbrechenden Dezimalentwicklungen von √2 konvergiert gegen √2.
- Die Folge (n) der natürlichen Zahlen divergiert bestimmt gegen .
- Die Folge (+1,-1,+1,-1,...) divergiert unbestimmt.
- Die Folge (1,-2,3,-4,5,-6,...) divergiert unbestimmt.
In den rationalen Zahlen sind (1/n) und (c) für eine feste rationale Zahl c konvergent; die Dezimalbruchentwicklung von √2 konvergiert aber nicht, da kein rationaler Grenzwert existiert. Sie ist jedoch eine Cauchy-Folge.
Konvergenz von unendlichen Reihen
Da man häufig die Konvergenz einer unendlichen Reihe nicht direkt mit der obigen Definition zeigen kann, gibt es einige so genannte Konvergenzkriterien.
Eine spezielle Art der Konvergenz ist hier die absolute Konvergenz.
Verallgemeinerungen
Konvergenz von Funktionenfolgen
Hauptartikel: Funktionenfolge
Um das Verhalten von Funktionenfolgen zu beschreiben, gibt es mehrere Konvergenzbegriffe, da es zum einen mehrere Abstandsbegriffe in einem Funktionenraum gibt und ferner neben der Frage nach der Existenz des Grenzwerts auch Fragen nach den Eigenschaften der Grenzfunktion auftauchen. So ist die Grenzfunktion einer Folge von stetigen Funktionen nicht notwendigerweise stetig.
Konvergenz in topologischen Räumen
Eine Folge (an) von Punkten in einem topologischen Raum X heißt konvergent gegen einen Punkt a, wenn in jeder Umgebung von a fast alle Folgenglieder liegen. a heißt dann ein Grenzwert von a. Ist X hausdorffsch, so hat eine Folge höchstens einen Grenzwert.
Dieser Konvergenzbegriff umfasst alle vorgenannten.
Fasst man eine Folge (an) als Abbildung von N in die reellen Zahlen (oder einen anderen topologischen Raum) auf, und bezeichnet man den zusätzlichen Punkt in der Ein-Punkt-Kompaktifizierung Y von N mit ∞, so bedeutet die Aussage: „(an) konvergiert gegen a“, nichts anderes als: „an lässt sich durch a∞ = a stetig auf Y fortsetzen“.
Konvergenz in der Stochastik
Um speziell bei Anwendungen in der Statistik angemessen darüber entscheiden zu können, ob Schätz- oder Testverfahren asymptotisch die richtigen Resultate liefern, haben sich verschiedene Konvergenzbegriffe in der Stochastik herausgebildet. Die wichtigsten von ihnen sind fast sichere Konvergenz, stochastische Konvergenz, Konvergenz im p-ten Mittel und Konvergenz in Verteilung. Offensichtlich sind all diese Begriffe schwächer als der allgemeine Konvergenzbegriff, da dem Einfluss des Zufalls Rechnung getragen werden muss.
Fréchet-Axiome
Ein sehr allgemeiner Konvergenzbegriff wird durch die Fréchet-Axiome definiert: Ein Raum wird als Raum mit Konvergenz im Sinne von Fréchet bezeichnet, wenn
- Jede Folge mit Elementen aus höchstens einen Grenzwert hat,
- Jede konstante Folge gegen konvergiert, und
- Jede Teilfolge einer konvergenten Folge ebenfalls konvergiert und den gleichen Grenzwert wie die Ausgangsfolge hat.
Dieser Konvergenzbegriff stimmt jedoch nicht mit dem Konvergenzbegriff der Topologie überein. Erstens können Folgen in Topologien, die das Hausdorff-Axiom nicht erfüllen, mehrere Grenzwerte haben. Zweitens reichen in Topologien, die das erste Abzählbarkeitsaxiom nicht erfüllen, Folgen alleine nicht aus, um die Topologie eindeutig zu beschreiben, sodass die Frechét Axiome auf Moore-Smith-Folgen erweitert werden müssen. Drittens gibt es Konvergenzbegriffe, die den Frechét-Axiomen genügen, aber nicht durch eine Topologie erzeugt werden können, beispielsweise die punktweise Konvergenz fast überall. In Vorlage:Lit sind die Zusatzkriterien beschrieben, die ein Raum mit Konvergenz im Sinne von Fréchet erfüllen muss, damit diese Konvergenz eindeutig durch eine Topologie erzeugt werden kann.
Siehe auch:
Literatur
- John L. Kelley: General Topology. Springer Verlag, 1997, ISBN 0387901256.