Fegefeuer

Prozess der Läuterung, in dem die Seele eines Verstorbenen auf den Himmel vorbereitet wird
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Das Fegefeuer (lat. purgatorium) ist nach der römisch-katholischen Lehre ein mystischer Ort der Läuterung, in dem die Seele eines Verstorbenen auf den Himmel vorbereitet wird. Das Christentum glaubt an ein Leben nach dem Tod. Wenn der Christ sein Leben nach Gott ausgerichtet hat, wird dieses Leben nach dem Tod in Gottesnähe stattfinden. Der Ort bzw. der Zustand dieser Gottesnähe wird als Himmel bezeichnet. Da die katholische Kirche jedoch davon ausgeht, dass der sündige Mensch erst noch einer Veränderung bedarf, bevor er Teil des sündenfreien Himmels sein kann, ist die Vorstellung eines Ortes bzw. eines Zustandes der Läuterung entstanden, welcher Fegefeuer genannt wird. Im Fegefeuer erleiden die Seelen dieselben Qualen wie in der Hölle. Sie müssen darin aber nur solange bleiben, bis sie Läuterung für ihre Sünden erfahren haben - dann werden sie befreit und ins Paradies geführt. Die Seelen sind im Fegefeuer also nicht endgültig festgehalten, sondern sie haben immer die Gewissheit, daraus entlassen zu werden. Gebete von Lebenden helfen, diese Zeit zu verkürzen. Die Wurzeln zu dieser Idee reichen bis ins frühe Christentum


Geschichte

Die Vorstellung vom Feuer als Reinigungssymbol war bereits im Altertum verbreitet. Einer der Vorläufer des Fegefeuers ist ein Ort, der refrigerium interum genannt wird. Nach Tertullian (ca. 150 – 220), einem der ersten, der von einem refrigerium spricht, können sich die Gerechten hier nach ihrem individuellen Tod erfrischen, solange sie auf die Seligkeit nach dem Jüngsten Gericht warten. Für Tertullian ist das refrigerium gleichbedeutend mit Abrahams Schoß. Die Seelen im refrigerium schlafen, erleiden keine Qualen und bleiben bis zu ihrer Auferstehung dort. Im 6. Jahrhundert prägte Papst Gregor der Große die Vorstellung vom Fegefeuer.

Jacques Le Goff datierte die “Geburt des Fegefeuers” in die Zeit von 1170 bis 1200. Er untersuchte das Phänomen des Fegefeuers unter soziologischen Gesichtspunkten und wies nach, dass die Etablierung eines 'dritten Ortes' durch die Pariser Scholastik mit den sozialen Umwälzungen der Zeit in direktem Zusammenhang gesehen werden kann. Er konnte zudem zeigen, dass Bußpraxis und Fegefeuer in einem sehr engen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Konfrontiert mit dem Fegefeuer müssen die Gläubigen Abbitte leisten. Die offizielle Bußpraxis erlebt dabei einen gewaltigen Aufschwung und führt das kirchliche Ablasswesen auf seinen Höhepunkt. Man glaubte dabei, dass man Verstorbene durch Gebete und gute Werke aus dem Fegefeuer erlösen könne. Als besonders nützlich wurde die Stiftung eines Bades für Arme angesehen (Seelbad). Allmählich bürgerte sich der Missbrauch ein, diese guten Werke mit Geldspenden an die Kirche abzulösen.

Katholische Lehre

Die Lehre vom Fegefeuer knüpft biblisch an 1. Kor. 3,13-15 an, wo die Werke des Einzelnen im Jüngsten Gericht im Feuer geprüft werden; dies deutet Augustinus dahin, dass vielleicht nach dem Tode noch die Seelen einiger Gläubigen durch Feuer geläutert, also das Irdische aus ihnen ausgebrannt werde. Im 12. Jahrhundert war die Vorstellung eines Fegefeuers endgültig im Volksglauben verankert und erst dann war auch die Bezeichnung Fegefeuer gebräuchlich. Der Ausdruck purgatorium ist erstmalig beim Erzbischof von Tours, Hildebert von Lavardin (gest. 1133) nachweisbar. Seit dem 13. Jahrhundert ist das Gedankenmodell unter Theologen und in den Gemeinden allgemein bekannt, theologisch völlig ausgebildet findet sich die Lehre bei Thomas von Aquin.

Heute ist man in der katholischen Kirche von der Notwendigkeit der Läuterung überzeugt, allerdings umgehen viele Theologen Mutmaßungen über zeitliche und räumliche Dimensionen dieses Geschehens. Weiterhin wird jedoch daran festgehalten, dass die Lebenden den Verstorbenen durch Gebet, Feier der heiligen Messe und Taten der Nächstenliebe zu Hilfe kommen können. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Seele nach ihrer Selbsterkenntnis das Fegefeuer bereitwillig auf sich nimmt, um - von den schlechten Eigenschaften geläutert - in das Paradies eingehen zu können.

Die katholische Dogmatik hat zudem in der Cattolicà- mehr oder minder - volkstümliche Ausweichquartiere zwischen Himmel, Hölle und Fegefeuer erdenken lassen, so den "Limbus infantium", einen Ort für die ungetauft verstorbenen kleinen Kinder ("Hölle" wäre doch zu hart), sowie "Warteinweil" (für die braven Landsknechte).

Orthodoxe Lehre

In den Ostkirchen sind diese Gedanken der westlichen Theologie weitgehend unbekannt geblieben. Die orthodoxe Ablehnung der westlichen Fegefeuerlehre war ein wesentlicher Grund für das letztliche Scheitern der versuchten Wiedervereinigungen der Kirchen 1274 und 1435. Die Orthodoxie kennt das Gebet für die Seelen der Verstorbenen, aber keine offizielle Erklärung für seine Wirksamkeit.

Protestantische Lehre

Die Reformation räumte mit der nach Ansicht der Reformatoren unbiblischen Vorstellung vom Fegefeuer auf und schaffte das Gebet für die Verstorbenen in ihrem Bereich ab.

Fegefeuer in der Kunst

Auf mittelalterlichen Darstellungen wird das Fegefeuer oft als eine unangenehme von Feuern aufgeheizte Höhle dargestellt (ähnlich der Hölle).

Die berühmteste literarische Darstellung des Fegefeuers findet sich in der Göttlichen Komödie von Dante

Es gibt immer wieder auch säkulare Versionen des Fegefeuer-Themas, etwa in der Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier": Ein selbstsüchtiger Reporter gerät in eine "Zeitfalle", aus der er erst befreit wird, als er gelernt hat, Gutes zu tun und andere Menschen zu lieben.


Literatur

  • Jacques Le Goff : La naissance du purgatoire. Paris 1981
  • Himmel – Hölle – Fegefeuer. Ausstellungskatalog. (Ausstellung: Schweizerisches Landesmuseum Zürich). Zürich 1994.