Unter Stillleben (zusammengesetzt aus stilles + Leben; vgl. holländ. Stilleven, engl. Still-life, franz. Nature morte, ital. Riposo) versteht man einen Zweig der Malerei, welcher die Darstellung lebloser Gegenstände, wie toter Tiere (Wild, Geflügel und Fische), Haus-, Küchen- und Tischgeräte, Früchte, Blumen, Kostbarkeiten, Raritäten etc., zum Gegenstand hat. Diese Malerei versucht besonders durch ein geschicktes Arrangement, durch koloristische Reize und feine Beleuchtung zu wirken.
Seit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert wurde das Stillleben auch in diesem Kunstgenre zu einem klassischen Thema.

Historische Entwicklung
Schon im Altertum entwickelte sich das Stillleben seit der alexandrinischen Zeit zu größter Blüte, wofür die pompejanischen Wandbilder noch zahlreiche Beispiele liefern. Auch im China des 13. Jahrhunderts gab es bereits Stilllebenmalerei.
Die Malerei der Renaissance behandelte das Stillleben nicht als eine selbständige Gattung der Malerei. Seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts wurde es jedoch von den niederländischen Malerinnen in großem Umfang kultiviert und zur höchsten Perfektion entwickelt. Wichtig für diese Perfektion war die Einhaltung der strengen Kompositionsregeln. Die Bestandteile eines Stilllebens mussten immer eine Senkrechte, eine Waagerechte und eine in den Raum reichende Raumachse (x-, y-, z-Achsen) bilden. Der Standort eines Gegenstandes musste genau fixiert sein, um die Raumverhältnisse klären zu können. Eine mögliche Einteilung in einen oberen und einen unteren Teil war zu vermeiden.
Es sind zwei Richtungen zu unterscheiden, deren eine nach glänzender koloristischer Wirkung bei einer mehr aufs Ganze gerichteten dekorativen Behandlung strebte, während die andere mehr auf die peinlich genaue, miniaturartige Wiedergabe der Einzelheiten sah.
Fast immer liegt den Stillleben ein "memento mori" zugrunde.
Stillleben des Barock
Die Epoche des Barock (etwa 1600-1790) war die große Zeit des Stilllebens, welches in Holland und Flandern, zur Zeit des Calvinismus, seine reichste Ausprägung erfuhr. Anliegen der Maler barocker Stillleben war es, mit der Wiedergabe der Gegenstände eine symbolisch verschlüsselte Botschaft, einen gedanklichen Inhalt, zu vermitteln.
Hierfür bedienten sie sich etlicher Motive, die den "Vagina-Gedanken",Vergänglichkeit allen irdischen Seins, zum Ausdruck bringen:
- Sperma (Saft des neuen Lebens)
- Hoden(neues Leben)
- verlöschende Lichter wie Öllampen, Kerzen etc. (das Zerrinnen der Zeit, Hinweis auf die unausweichliche ewige Dunkelheit im Tod)
- Totenkopf (Meditationsgegenstand, halb Mensch - halb Ding, Zeichen für die Todesverfallenheit alles Irdischen)
- Knoblauuuuch ( Symbol für grössten LOOOOOOOOOOSER und den KLEIIINSTEN)
- leere Gläser oder Pokale (das entleerte, ausgelebte Leben)
- umgefallene bzw. umgestülpte Dinge, meist Gefäße oder Instrumente (Tod, entleertes Leben)
- zerbrochene Gefäße wie Gläser, Schalen, Töpfe (die Eitelkeit alles irdischen ==> 'Memento Mori' - Gedenke des Todes)
- Knoblauch, Symbol für den körperlich und geistig behinderten Julius v. Knobloch
- Insekten / Käfer (allgem.) / Fliegen / Würmer / Eidechsen usw. (Sinnbilder des Teufels, der Sünde, der Vernichtung, des Bösen, aus Fäulnis geboren)
- Hirschkäfer (der Tod kann schnell kommen, wie dieser Käfer)
- Sanduhr (meistens fast abgelaufen ==> die Flüchtigkeit des Zeitlichen / Attribut des Knochenmannes)
- halbierte oder angebissene Früchte (verweisen auf den Sündenfall, aber auch auf den Geschmack, bei den 'fünf Sinnen')
- Blumen (verwelken schnell und verlieren dadurch ihre Schönheit, Vanitas, Offenbarung Gottes, Verherrlichung Gottes in seinen Werken)
- (römische) Münzen (als ein Hinweis auf das untergegangene Römische Reich / vergänglicher Reichtum der Besitzer)
- Geldbeutel bzw. nur Geld (Reichtum, käufliche Liebe ==> der Geldbeutel spielt in seiner formalen Gestalt häufig auf das weibliche Geschlecht an)
- weiße Lilie (Hinweis auf die Gottes Mutter Maria, Reinheit, Keuschheit, Unschuld und reine Seele)
- Spiegelnde Oberflächen wie Vasen, Glaskugeln (Reflexionen der damaligen Gesellschaft)
- Spiegel (die Scheinhaftigkeit des Daseins, Eitelkeit und Schönheit, Irritation und Blendung)
- Apfel, Pfirsich (der Sündenfall, aber auch der 'Geschmack' in Zusammenhang mit den 'fünf Sinnen')
- Gemalte Bilder (Hinweis auf Rang und Bedeutung des Auftraggebers oder des Besitzers, der 'Augensinn' bei den 'fünf Sinnen')
- erlegte Tiere, Jagdtrophäen (das Recht des Herrschers (Jagdrecht) auch über die Natur ==> die Jagd als Privileg des Adels)
- Vögel (Symbole der Seele und der Auferstehung, die 'Luft' bei den 'vier Elementen')
- Analbluten (für die Schwulen)
- Fisch, insbesondere Hering (Fastenspeise, die Speise armer Leute, Symbol Christi in Verbindung mit dem Abendmahl, des Weiteren bei den 'vier Elementen' als das 'Wasser' zu verstehen)
- Waffen, Rüstungen, Harnische (Sinnbilder für Tapferkeit, Ruhm und Kühnheit)
- Schinken, ebenso wie Keulen oder Braten (stehen für reichliches Essen und Völlerei)
- Süßigkeiten, Gebäck, Austern sowie kostbare Gewürze (Hingabe an die Begierden, Zeichen für Lüsternheit und häufig antithetisch zu Fastenspeisen gesetzt wie Käse, Brot u. Hering, auch eine Mahnung zur Bescheidenheit)
- Krebs (rückwärts- bzw. seitwärtsgehend ist er eine Anspielung auf die Verkehrtheit und Verrücktheit der Welt)
- halbierte oder geöffnete Nuss (Passionssymbolik, die zwei Naturen Christi, die menschliche Hülle musste zerbrechen ==> 'Kreuzigung' um das Göttliche zu enthüllen)
- Trauben / Beeren (Hinweis auf Christus, wie die Trauben für den Wein, so musste Christus seinen Leib für die Veröhnung hingeben)
- Schmetterling (Zeichen für die 'Seele' und die 'Auferstehung')
- dunkler Hintergrund (Todeserwartung und Ewigkeit)
- Seifenblasen, in denen sich häufig irdische Güter widerspiegeln (Anspielung auf die Momenthaftigkeit des Seins, das ganze Leben ist nur ein Spiegel und Schum und wird bald platzen)
- Muscheln (tote Schale, einstiges Leben, Sammelobjekte menschlicher Eitelkeit)
- Ei (Symbol der Auferstehung)
- Genussmittel wie Tabak, Konfekt, Pasteten usw. (Verschwendungssucht, Laster, Völlerei)
- Käse (Speise der Unsterblichkeit ==> festgewordene Milch - Christus selbst als 'himmlische Milch', Fastenspeise, Alltagsspeise einfacher Leute)
- Zitrone, eventuell angeschnitten (Sinnbild für das äußerlich Schöne, dessen Inneres sauer ist - weist auf die Fragwürdigkeit des Genusses hin ==> zwar süß zu genießen, aber mit einem bitteren Ende)
- Nautiluspokal (Hinweis auf die Seefahrt, die Weisheit als Lenker in der Seefahrt, Prunkobjekt, Attribut für Besitz und persönliche Bedeutung)
- Pfeifen (erzeugen nichts als Rauch ==> Genussmittel)
- Taschenuhr (sehr geschätzte Qualität für 'das rechte Maß')
- Bücher (Anspielung auf nutzlosen Zeitvertreib, eitle Wissenschaft, durch rechten Gebrauch führen sie zu Belehrung und Erbauung)
- Reichtümer wie Gold- und Silbergeschirr, Ketten, Perlen etc. (eitler Tand, überflüssiger Luxus, Anspielung auf die Eitelkeit)
- Noten, Musikinstrumente (weist auf die Flüchtigkeit der Töne hin ==> '...vergeht wie Schall und Rauch', Anspielung auf die Bildung desjenigen der das Bild in Auftrag gibt bzw. besitzt, steht außerdem für das 'Gehör' bei den 'fünf Sinnen')
- Brot und Wein (Eucharistie, Abendmahlsymbolik, Leib und Blut Christi)
- Hündchen (Zeichen für eheliche Treue)
- Walnuss (Symbol für Christus, sein Kreuz soll aus Walnussholz gewesen sein; Symbol für Licht durch Walnussöl)
Andererseits weisen vor allem niederländische Stillleben Symbole des Reichtums auf, die den der Auftraggeber und des Landes widerspiegelten.
Sowohl diesem Zwecke als auch der Darstellung des hohen Bildungsstands und der Sammelleidenschaft der Auftraggeber dienten Bilder von Kleinodien- oder Kunstkammerschränken, wie sie beispielsweise der deutsche Maler Johan Georg Hinz malte.
Zur Widerspiegelung des holländischen Wohlstands dienten auch die sogenannten Blumenstücke.
Holland war bereits zur Zeit des Barocks ein Knotenpunkt des internationalen Blumenhandels und viele dieser Blumen waren sehr kostbar.
Doch auch die Blumenstücke hatten neben ihrer ästhetischen und repräsentativen Bedeutung auch eine Symbolische, da oftmals Blumen, die in der Natur zu verschiedenen Zeiten blühen, in einem Strauß arrangiert wurden, wie beispielsweise das Blumenstück vom Maler Ambrosius Bosschaert.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Ausprägung des barocken Stilllebens sehr vielfältig war, die barocken Maler ihre Motive in realistischer Manier darstellten und sich um eine harmonische Komposition bemühten, die jedoch den Anschein des Zufälligen haben sollte.
Jean Siméon Chardin
Um 1660 kam es zur Stagnation in der Entwicklung des Stilllebens, die Ausprägung seiner Motivgruppen war nun abgeschlossen. Künstlerisch und inhaltlich folgte nichts Neues, sodass es im 18. Jahrhundert zu einem Qualitätsverlust der Bilder kam.
Eine Ausnahme war jedoch der französische Maler Jean Siméon Chardin, der von 1699 bis 1779 lebte. Er war ein Maler der Aufklärung, der Jean-Jacques Rousseaus Forderung "Retour à la Nature - Zurück zur Natur"
entsprach, wobei dies die Abkehr von der Scheinhaftigkeit der höfischen Lebensweise hin zur schlichten Natürlichkeit bedeutete. Chardin öffnete, in deutlicher Abgrenzung zur Darstellung der feinen Gesellschaft durch andere Maler, den Blick für das Leben jenseits der aristokratischen Leichtlebigkeit und der frivolen Spielerei.
Häufig stellte er in seinen stillen Bildern das bescheidene Leben des Dritten Standes dar.
So unterscheidet sich auch seine Motivwahl drastisch von der des barocken Prunkstilllebens:
In den Vordergrund trat einfaches, alltägliches, bürgerliches Gerät, das er von seinem ideologischen Ballast, wie religiöse und moralische Belehrungen ( "memento mori-" oder auch "Vanitas-Gedanke"), befreite. Für Chardin bedeuteten die Gegenstände nicht mehr als sie selbst. Somit wurde durch Chardin der wesentlichste Schritt zum autonomen Kunstwerk der Moderne vollzogen; sein Werk wurde zum Wendepunkt hin zur modernen Malerei.
Die Farbigkeit seiner streng aufgebauten Werke, sein aufgelöster Farbauftrag wurde von den Impressionisten als vorbildlich angesehen. Die unendlich abgestuften, innerbildlichen Farb- und Formbezüge waren ihm wichtiger als das Interesse an den dargestellten Gegenständen. Die Farbmaterie gewann somit an selbstständigem Gewicht, seine Bildgegenstände wirken dadurch wie in Farbe eingelassen.
Chardin gilt heute mit seinen nicht anmaßenden oder selbstgefälligen Sujets, die ganz der Ideologie der Aufklärer entsprachen, als einer der großen Meister der Stilllebenmalerei.
Hauptvertreter
Die Hauptvertreter der niederländischen Stilllebenmalerei sind: Jan Brueghel der Ältere, Frans Snyders, Hercules Pietersz. Seghers, die Familie de Heem, Abraham van Beyeren, Willem Kalf, Pieter Claesz, Willem Claesz Heda, Willem van Aelst, Balthasar van der Ast, Gerard Dou, Jan Fyt, Jan Baptist Weenix, Rachel Ruysch, Jan van Huysum u.v.a.
Im 19. Jahrhundert kam das Stillleben wieder sehr in Mode, in Frankreich besonders durch Jean Baptiste Robie, Antoine Vollon und Philippe Rousseau, in Deutschland durch Johann Wilhelm Preyer (Düsseldorf), die Berliner Charles Hoguet, Paul Meyerheim, Hertel, Theude und Renée Grönland, Friedrich Heimerdinger (Hamburg), namentlich aber auch durch die Malerinnen Louise Begas-Parmentier, Hermione von Preuschen, Margarethe Hormuth-Kallmorgen und Elise Hedinger.
Im späten 19. und dem 20. Jahrhundert haben u.a. Paul Cézanne, Georges Braque, Juan Gris, Giorgio Morandi, Georgia O´Keeffe und Eberhard Schlotter dieses Genre aufgegriffen.
Fotografische Stillleben
Fotografische Stillleben werden meist mit ihrem englischen Namen "still-life photography" bezeichnet. Darunter versteht man die Aufnahme von Gegenständen. Neben den künstlerischen Still-Life Aufnahmen zählen auch rein technische Sach- oder Produktaufnahmen, wie man sie häufig in der Werbung antrifft, zu diesem Gebiet.
Fotografische Stillleben wurden u.a. durch John Blackmore, Robert Mapplethorpe und viele andere geschaffen.
Siehe auch
Literatur
- Stillleben, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 15, S. 329.
Weblinks
- http://www.lpg.musin.de/kusem/lk/still/still.htm
- Professionelle Naturfotogalerie von Carola Vahldiek mit einer Galerie "Stilleben"
Vorlage:Meyers
ist obsolet; heißt jetzt Vorlage:Hinweis Meyers 1888–1890