Naturkatastrophe
Eine Naturkatastrophe ist eine natürlich entstandene Veränderung der Erdoberfläche oder der Atmosphäre, die auf Lebewesen und insbesondere den Menschen und seine Lebensweise verheerende Auswirkungen hat.
Maßnahmen zur Abwehr von Naturkatastrophen werden im Rahmen des Katastrophenschutzes ergriffen.
Begriff der Naturkatastrophe
Ein spektakuläres Naturereignis (beispielsweise ein Gletscherabbruch auf Grönland) genügt nicht für den Sachverhalt einer Naturkatastrophe; im engeren Sinne kann ein Naturereignis nur dann zur Katastrophe werden, wenn es sich auf Menschen und ihre Lebensweise und modernen, kulturellen Gewohnheiten auswirkt. Wenn hingegen Menschen die Verursacher der Katastrophe in der Natur sind, spricht man von einer Umweltkatastrophe. Auch Seuchen (Epidemien) und Ungezieferplagen rechnet man normalerweise nicht unter den Begriff, wohl aber andere Schädlingsplagen, die sich primär auf das Wirtschaftsleben, und erst als deren Folge auf die Gesundheit auswirken.
Der Zeitraum, in dem die Veränderungen stattfinden, reicht von Sekunden (Erdbeben) bis zu Jahrzehnten (Dürren, Klimaschwankungen). Das Maß der Auswirkung auf den Menschen liegt dem Begriff Katastrophe zugrunde. Erheben lässt sich diese als Zahl der Katastrophenopfer, als volkswirtschaftlicher Schaden, aber auch als Versicherungsschaden.
Als „Katastrophe größeren Ausmaßes“ bzw. „außergewöhnliche Katastrophe hauptsächlich natürlicher Art“ etwa definiert der Art. 2 (2) Verordnung (EG) Nr. 2012/2002[1] zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union[2]
- „Eine Katastrophe, die in zumindest einem der betroffenen Staaten Schäden verursacht, die auf über 3 Mrd. EUR, […] oder mehr als 0,6 % seines BIP geschätzt werden.“
Zusätzlich werden auch angeführt:
- Ein natürliches Ereignis in einer Region, „welche[s] den größten Teil der Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht und schwere und dauerhafte Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und die wirtschaftliche Stabilität der Region hat.“
In diese Kategorie der EU fallen etwa ein Dutzend Ereignisse der letzten 100 Jahre in Europa, von denen die Hitzewelle 2003 mit 70.000 Todesopfern und das Elbehochwasser 2002 mit Schäden in Höhe von etwa 18 Mrd. € als verheerendste zu verzeichnen sind. Weltweit gehen solche Ereignisse in diesem Zeitraum in die Hunderte, als teuerste bezifferte Katastrophen der Geschichte gelten das Erdbeben von Kōbe 1995 und Hurrikan Katrina 2005 mit bis zu 100 Mrd. US-$ volkswirtschaftlichem Schaden. Was die opferreichste Naturkatastrophe der Geschichte ist, lässt sich kaum sagen; zu nennen wären die Dürren in Indien 1965–1967 mit an die 1,5 Mio. Toten, und die Überschwemmungen in Indien 1955 mit 45 Mio. Obdachlosen – über frühe Ereignisse liegen seltener Angaben über Opferzahlen vor, und kaum monetäre Schätzungen, die sich durch Unsicherheiten der Bemessungsgrundlage nicht ermitteln lassen.
Kofaktoren von Naturkatastrophen
Die Betrachtung, Analyse und Bewertung von Naturkatastrophen hängt stets von verschiedenen Faktoren ab. Die wichtigsten Faktoren sind:
- Globale Bevölkerungszunahme (exponentielle Entwicklung). Beispiel: im Jahr 1804 lebten eine Milliarde Menschen auf der Erde, im Jahr 2012 sind es bereits über 7 Milliarden.
- Insgesamt steigender Lebensstandard in fast allen Ländern der Erde führt zu wachsenden Wertbeständen, die im Falle einer Katastrophe betroffen sind. Dies betrifft insbesondere den Fall der Versicherungsschäden, und verzerrt die Bewertung von Ereignissen anhand von Schadsummen zugunsten der Industriestaaten. Zum anderen sind Folgeschäden wie Hungersnöte und Seuchen mit steigendem Lebensstandard stark sinkend.
- Konzentration von Bevölkerung und Werten in Großstadträumen: Entstehung zahlreicher Megastädte auch in gefährdeten Regionen (z. B. Tokio: 35 Mio. Einwohner).
- Besiedelung und Industrialisierung stark exponierter Regionen, insbesondere an Küsten, in Flussniederungen, Tourismus in Gefahrenzonen, z. B. in Florida.
- Anfälligkeit moderner Gesellschaften und Technologien, Bautechnik, Geräte, Netzwerke; Probleme auch bei Zulieferern.
- Weltweite Änderungen der Umweltbedingungen, Klimaänderung, Wasserverknappung, Verlust der Artenvielfalt.
Einteilung verschiedener Naturkatastrophen
Die folgende Aufstellung erfolgt nach nicht von Menschen herrührenden (nicht anthropogenen) Ursachen. Viele dieser Ursachen lassen sich allerdings auch direkt auf Menschen zurückführen (Eindeichungen und Abholzung bei Überschwemmungen, Überweidung bei Dürreereignissen).
Endogene/tektonische Ursachen:
- Erdbeben und Seebeben, auch mit Erdverflüssigung als Folge
- Vulkanausbrüche mit Lavafluss, Ascheregen oder pyroklastischen Strömen, Vulkanexplosionen, als Folgen auch Erdbeben, Wetteranomalien wie Vulkanischer Winter und Wasserstandsanomalien wie Gletscherlauf sowie Lahare als Folgen nach Starkregen
- Tsunamis (vulkanologische oder geodynamische Ursachen, auch astronomische, also Meteoreinschläge wären möglich, sind in der Menschheitsgeschichte nicht verzeichnet)
- Giftgasausbrüche aus vulkanischen Becken
Gravitatorische Ursachen:
- Massenbewegungen: Steinschlag, Erdrutsche, Bergstürze, Muren
- Lawinen
- Lahare (Schlammfluten nach Vulkanismus)
Klimatische Ursachen:
- Wetteranomalien (Unwetter, Extremwetterereignisse)
- Wasserstandsanomalien aufgrund von Wettern: Hochwasser (an Binnengewässern), Sturmflut (an Küsten)
- Windanomalien: Sturm/Orkan (als Stärkeklassen), Trogorkan, Tornado, Hurrikan/Taifun (als Typen), Schneeverwehung, Sturmflut (als Folgen)
- Niederschlagsanomalien: plötzliche Starkregen und langdauernde Dauerregen (mit nachfolgenden Hochwässern), „Schneechaos“ (mit nachfolgenden Lawinen oder Schneedruck), Hagelschlagsereignisse, Glatteis und Eisregen, Muren und Lahare
- Wärmeanomalien: Hitzeanomalien (Sommeranomalien), Jahrhundertsommer, Dürren, winterliche Wärmeereignisse (Tauwetter mit nachfolgendem Hochwasser)
- Kälteanomalien: Extremwinter, „ausgefallene“ Sommer, sommerliche Schneeeinbrüche
- Gezeitenanomalien
- Smog (endogene Mitursachen)
Sonstige Ursachen:
Katastrophenfickerstatistik
Größere Versicherungskonzerne führen in der Regel geographisch organisierte Risikostatistiken, die ihnen als Berechnungsgrundlage für Versicherungsprämien dienen. Die EM-DAT OFDA/CRED International Disasters Database der Weltgesundheitsorganisation dokumentiert seit 1888 die weltweiten Katastrophen. Demnach ereigneten sich zwischen 1900, 2000 und 2003 insgesamt 9195 größere Katastrophen mit jeweils mindestens 10 Toten. Davon hatten Wetterkatastrophen mit 57 % den höchsten Anteil, keine 20 % waren geologischen Ursprungs (Vulkanausbrüche, Erdbeben), wie auch die in die geologische Kategorie gezählten Tsunamis; der Rest waren biologische Katastrophen (Seuchen und Plagen).
Die Zahl der Todesopfer durch Naturkatastrophen beläuft sich pro Jahr auf durchschnittlich 80.000.
Die Weltbank hat 2005 in ihrem Report Natural Disaster Hotspots: A Global Risk Analysis Karten publiziert, die die Verteilung der Risiken auf Weltkarten zeigen. Etliche davon sind zu sehen auf den Seiten der Columbia University.[3]
Sonstiges
Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass im Zuge eines voranschreitenden Klimawandels in Zukunft noch mehr Wetterkatastrophen als jetzt schon auftreten werden.
Durch die starke Zunahme der Weltbevölkerung bzw. der Bevölkerungsdichte in vielen Regionen der Welt sind heute bzw. in Zukunft deutlich mehr Menschen von Naturkatastrophen betroffen als früher.
In List auf Sylt gibt es ein „Erlebniszentrum Naturgewalten“.[4]
Liste historischer Katastrophen
Siehe auch
Literatur
- Gerrit Jasper Schenk (Hrsg.): Katastrophen. Vom Untergang Pompejis bis zum Klimawandel. Thorbecke, Ostfildern 2009.
- Trevor Day: Faszination Naturkräfte. Eine eindrucksvolle Reise um die Erde. Dorling Kindersley Verlag, München 2002, ISBN 3-8310-0268-1.
- Michael Matheus, Gabriella Piccinni, Giuliano Pinto und Gian Maria Varanini (Hrsg.), Le calamità ambientali nel tardo medioevo europeo: realtà, percezioni, reazioni, Atti del XII convegno del Centro di Studi sulla civiltà del tardo medioevo, S. Miniato 31 maggio – 2 giugno 2008 (Collana di Studi e Ricerche 12), Florenz 2010.
- Lee Davis: Das große Lexikon der Naturkatastrophen. Verlag für Sammler, Graz 2003 ISBN 978-3-85365-199-5
Weblinks
- Naturgewalten von Thomas Sävert
- Das empfindliche Gleichgewicht der NATUR ist gestört
- Hintergrundinformationen zum Thema „Naturkatastrophe“ und zu Problemen mit der Definition, sowie weiterführende Links
- Die Emergency Disaster Database EM-DAT (englisch)
- NASA Earth Observatory
- Naturkatastrophen und Naturphänomene
Einzelnachweise
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 (PDF) des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union
- ↑ Solidaritätsfonds der Europäischen Union, SCADplus
- ↑ Natural Disaster Hotspots auf Ldeo.Columbia.edu
- ↑ www.muez.de