Einleitung - Abgrenzung zum Begriff Neolithische Revolution
Als Beginn des Neolithikums wird das Aufkommen der produzierenden Wirtschaftsweise, der Landwirtschaft, betrachtet. Diese ist das Thema der Agrargeschichte und ihr Auftreten unterscheidet das Neolithikum vom Paläolithikum, in dem die aneignende Wirtschaftsweise, das Jagen und Sammeln, die einzige war. Dieser Epochenwechsel, der die Lebensweise des Menschen tiefgreifend verändert hat, wird hinsichtlich des Aufkommens der Landwirtschaft unter zwei Gesichtspunkten diskutiert: Der Entstehung (neolithische Revolution) und der Verbreitung (Neolithisierung) der entsprechenden Kulturtechniken. Es wird allgemein davon Ausgegangen, dass die Landwirtschaft dreimal unabhängig voneinander entstanden ist (Levante,Südchina,Mittelamerika), und von diesen Keimzentren aus durch soziale Prozesse ihre Verbreitung fand.
Dieser Artikel behandelt die Neolithisierung, also die Vorstellungen darüber, wie sich die Landwirtschaft ausgebreitet hat.
Neolithisierung vom Vorderen Orient aus
Die Wurzeln der Neolithisierung sind im Fruchtbaren Halbmond zu suchen. Der Ackerbau verbreitete sich vom Fruchtbaren Halbmond aus in alle Richtungen:
- Der Weg der frühen Bauern führte aus der Levante nach Zypern und gleichzeitig von Anatolien nach Griechenland und Bulgarien und von dort nordwärts, über den Balkan die Donau aufwärts bis nach Nordfrankreich und Nordeuropa;
- Die zweite Route führte über Griechenland nach Südostitalien und in einem zweiten Schritt entlang der Küsten Spaniens, Portugals und Südfrankreichs bis nach Westfrankreich.
- Die dritte Route führte nach Armenien und Georgien und vielleicht auch in die östliche Ukraine
- Die vierte Route führte über den Sinai nach Ägypten und Nordafrika.
- Weitere Routen führten nach Südarabien, in den Iran, nach Afghanistan und von dort weiter nach Osten.
Merkmale der Neolithisierung Europas
Kennzeichen des Neolithikums sind sesshafte Lebensweise, der Anbau von Kulturpflanzenm, Haustierhaltung, der Gebrauch geschliffenen Steingeräte und Keramik. Ob die sich ausbreitenden Kulturen durch die Akkulturation einheimischer Jäger und Sammler oder durch Zuwanderung von Kolonisten entstehen, ist nur in seltenen Fällen auszumachen. So gelten die Träger der Cardial-Kultur, die in mehreren Küstenregionen des westlichen Mittelmeers bekannt ist, als zugewandert, das Epi-Cardial, das sich in den umliegenden Gebieten entwickelt dagegen als Imitation durch ansässige Wildbeuter, ebenso die La-Hoguette-Keramik. Ob die bandkeramische Besiedlung Mitteleuropas durch Zuwanderer oder durch Akkulturation entstand ist auch anhand genetischer Untersuchungen noch nicht zu bestimmen. Sicher ist nur, dass alle europäischen Rinder aus Anatolien stammen und keine gezähmten europäischen Auerochsen sind.
Das Neolithikum wird um 8.200 v. Chr. mit all seinen Ausprägungen (immer noch akeramisch) auf dem zuvor unbesiedelten und mit endogener Fauna ausgestatteten Zypern erkennbar. Weitere frühe Belege finden sich in Griechenland und im südostitalienischen Apulien.
Im wesentlichen wird Europa auf zwei Routen neolithisiert. Die Donau aufwärts und über das Mittelmeer. Für Mitteleuropa galt lange die Kolonisation durch einwandernde "Bandkeramiker" als gesichert. Sie ist von der Ukraine bis ins Pariser Becken verbreitet und besiedelt vor allem fruchtbare Lössböden. In einem ersten Schritt breitet sie sich ca. 5600 bis 5400 v. Chr. von Westungarn bis ins Rhein-Main-Gebiet aus, in einem zweiten bis ins Pariser Becken aber auch weit nach Osten. Schon etwas früher, nämlich um 5900/5800 v. Chr. werden die Küsten des westlichen Mittelmeers von Bauern besiedelt. Von hier aus erreichen bestimmte Kulturpflanzen und Kulturmerkmale auch die Gebiete nördlich der Alpen. In welchem Zusammenhang frühe Ackerbauspuren im Alpenvorland stehen, die bereits um 6900 v.Chr. nachweisbar sind, ist selbst für Archäologen rätselhaft, da die sicher fassbaren archäologischen Kulturen damals noch auf den Orient und das östliche Mittelmeer beschränkt waren. In der nordeuropäischen Tiefebene, auf den Britischen Inseln und in Skandinavien setzt sich die Neolithisierung erst nach 4500 v. Chr. allmählich durch.
Von der "Neolithischen Revolution" spricht man nur im Kontext mit dem ersten Auftreten der Domestikation von Tieren und Pflanzen in der Levante, wo das so genannte "neolithische Bündel", also die Kernmerkmale der Neolithisierung erstmals auftaucht
Ursachen der Neolithisierung
Der Verlauf der Neolithisierung, die regionale Veränderung der Wirtschaftsweise, ist nicht abschließend geklärt, weil der Prozeß nicht nur unterschiedlich verlief, sondern sich auch in Regionen mit ganz unterschiedlichen Ressourcen und klimatischen Verhältnissen abspielte. Drastische Umweltveränderungen waren der Auslöser der Domestikationen, aber offenbar hat primär die demographische Explosion die Verbreitung der Lebensweise nach sich gezogen.
Literatur
- B. Volkhausen, Neolithisierungsprozeß: Ethnographische Parallelen 1994
- M. Benz, Die Neolithisierung im Vorderen Orient 2000
- S. Scharl, Die Neolithisierung Europas. Ausgewählte Modelle und Hypothesen (Rahden, Leidorf 2002).