Ein Brunnen ist ein Bauwerk zur Wassergewinnung aus einem Grundwasserleiter. Zur Förderung kommen verschiedene Pumpenarten zum Einsatz z. B. elektrische Tauchpumpen, elektrische Saugpumpen oder Handpumpen. Ebenso sind andere mechanische Einrichtungen wie Brunneneimer oder Wasserkünste zur Wasserförderung verbreitet. Eine besondere Form sind artesische Brunnen, bei denen der Brunnen in einen gespannten Grundwasserleiter abgeteuft ist, so dass keine Einrichtungen zur Wasserförderung benötigt werden.
Geschichte
Trinkwasser ist die Voraussetzung für das menschliche Überleben. Durch die gesamte Menschheitsgeschichte wurden temporäre Lager oder Siedlungen in der Nähe von Wasserstellen wie Quellen, Flüssen und Süßwasserseen errichtet.
Vom mesolithischen Wohnplatz Friesack in Brandenburg sind drei Gruben bekannt, die von Jägern und Sammlern zur Gewinnung von Trinkwasser angelegt wurden (Wasserlöcher). Auf diese Funktion deuten Schöpfgefäße aus einem Schildkrötenpanzer bzw. aus Birkenrinde, die auf den Grubensohlen entdeckt worden sind.[1]
Brunnen sind im Mittelmeerraum seit etwa 8000 v. Chr. nachgewiesen, wie in Atlit Yam (Israel) oder Kissonerga-Mylouthkia und Shillourocambous auf Zypern, wo sie im massiven Sandstein abgeteuft wurden.[2] Aus dem PPNC (ca. 7000 v. Chr.) gibt es drei Brunnen in Atlit Yam (Israel).[2] In Mitteleuropa sind Holzbrunnen seit der frühen Starčevo-Kultur (etwa 6000 v. Chr.) bekannt, von einem Fundplatz bei Slavonski Brod in Kroatien.[3]
Eine Reihe von Zeugnissen des Bandkeramischen Brunnenbaus belegen die Verbreitung dieser Art der Wasserversorgung seit der ersten bäuerlichen Besiedlung Mitteleuropas.
- Der früheste bandkeramische Brunnen ist in einer Siedlung der ältesten Bandkeramik von Mohelnice (Mähren) nachgewiesen. Von den Bohlen liegen Dendrodaten vor, mit Altern von 5540 bis 5460 v. Chr. Neben der ersten Phase des Brunnens von Plaußig werden Eythra 2 (im Tagebau Zwenkau),[4] Brodau und Dresden-Cotta ins 53. vorchristliche Jahrhundert (zwischen 5300 und 5200 v. Chr.) datiert. Eine Ballung von datierten Brunnen gibt es um 5100 v. Chr., wie im Falle von Erkelenz-Kückhoven, Eythra 1 und dem Brunnen von Altscherbitz. Der 2007 entdeckte Brunnen von Niederröblingen (Landkreis Mansfeld-Südharz) fügt sich in diesen Brunnenhorizont der jüngeren Bandkeramik ein.[5]
Europas tiefster steinzeitlicher Brunnen (über 15 m tief) (etwa 5100 v. Chr.) wurde bei Merzenich-Morschenich entdeckt und im Block geborgen.[6] Aus der Schnurkeramik sind Brunnen mit einer Auskleidung aus Flechtwerk bekannt.[7]
Brunnen zur Wassergewinnung und als Nutzbrunnen
Es wird zwischen Lauf- und Ziehbrunnen unterschieden. Der einfachste Brunnen ist ein Auffangbecken aus Holz oder Naturstein, mit dem das aus einer Quelle austretende Wasser direkt aufgefangen wird, bevor es zu einem Bach weitergeleitet wird.
Laufbrunnen
Durch natürlichen Druck werden einfache Laufbrunnen möglich. Dabei wird das Wasser in größerer Höhe gefasst und fließt durch eine Leitung entlang des natürlichen Geländegefälles bis zum Brunnen. Der Wasserstrom ist beim Laufbrunnen stetig, eine mechanische Förderung unnötig. In vielen Fällen sind Laufbrunnen mit zusätzlichen Becken oder Trögen versehen, die als Viehtränken, zum Wäsche- oder Gemüsewaschen dienen.
Ziehbrunnen
Unter einem Tiefbrunnen (oder Ziehbrunnen) versteht man eine meist senkrechte vom Menschen geschaffene Öffnung im Erdreich oder im Gestein, die entweder klein und verrohrt oder aber groß und durch die natürliche Festigkeit des Umgebungsmaterials erhalten sein kann (begehbare Brunnen). Im Norddeutschen nannte man gegrabene Brunnen früher auch Sodbrunnen oder lediglich Sod.[8] Aus modernen engen Bohrungen wird das Wasser durch technische Hilfsmittel (Winde oder Pumpe, z.B. Schwengelpumpe) nach oben gefördert.
Ziehbrunnen sind seit dem frühen Neolithikum nachgewiesen (Zypern) als urtümliche Schächte, die im Erdreich durch Holzkonstruktionen (Holzkastenbrunnen) stabilisiert wurden. Solche Schöpfeinrichtungen dienen zur Erleichterung der Wasserbeschaffung, insbesondere beim Tränken von Viehherden. Bekanntes Beispiel sind die Brunnen der Puszta, die es so im gesamten Steppengürtel Eurasiens und anderswo gibt. Neben dem Einsatz der Hebelwirkung über den Schwingbaum, an dem Gegengewichte die Arbeit erleichtern, sind Räder, Seile und Zugtiere (Büffel, Esel, Kamele) im Einsatz. Dagegen sind die in Mitteleuropa gebräuchlichen Ziehvorrichtungen weniger effektiv: Dabei wurde ein Zugseil auf einem verhältnismäßig kleinen Rundholz aufgewickelt oder über eine Umlenkrolle gezogen, die an einem zweischläfrigen Galgen aufgehängt war („Galgenbrunnen“).
Artesischer Brunnen
Der artesische Brunnen ist ein natürlicher Brunnen, aus dem Grundwasser wie aus einem System kommunizierender Röhren durch Überdruck aufsteigt. Der Aufstiegskanal ist dabei typischerweise künstlich angelegt und somit ein Tiefbrunnen.
Quanate
Eine besondere Brunnenform stellen die vor allem im Iran, in Afghanistan und im westlichen Teil Pakistans verbreiteten Qanate dar, bei denen es sich um unterirdisch verlaufende horizontale Wassersammelstollen mit oft hunderten vertikalen Zugangsschächten handelt; sie dienen überwiegend der Bewässerung kilometerweit entfernter Felder. Qanate kann man in fast allen Ländern am Persischen Golf sowie in Afghanistan, Pakistan, Syrien, am Rande der Taklamakan und im gesamten Maghreb sowie auf den Kanarischen Inseln finden. Daher gibt es viele verschiedene Bezeichnungen für sie: Auf Persisch heißen sie Kariz bzw. Karez (كاريز, DMG Kārīz). Im Oman werden sie Faladsch genannt, im Maghreb lautet ihr Name Foggara, was soviel wie „unterirdischer Stollen“ bedeutet. In Marokko sind auch die Bezeichnungen Rhetara, Khettara oder Hattara gebräuchlich.
Stufenbrunnen
Im Norden Indiens, vor allem in den Bundesstaaten Gujarat, Rajasthan und Uttar Pradesh, spielten Stufenbrunnen (vavs, baolis) eine große Rolle bei der öffentlichen Wasserversorgung. Ein runder Brunnenschacht wurde bis auf das Grundwasserniveau hinuntergeführt; daneben gab es eine zum Wasser hinabführende Treppe, die in der Monsunzeit auf unterschiedlichen Niveaus mit Regenwasser gefüllt war, was das Wasserholen erheblich erleichterte. Heute sind sie wegen des ständig absinkenden Grundwasserpegels nur noch von touristischer Bedeutung.
Brunnenbau
- Hauptartikel: Brunnenbau und Horizontalbrunnenbau
Zierbrunnen
Brunnen waren bis zur Einführung des Leitungswassers als öffentliche Orte der Wasserversorgung Treffpunkt für Menschen und insbesondere für Wäscherinnen. In vielen Ländern haben sie nach wie vor diese soziale Funktion. Viele historische Brunnenanlagen stehen heute unter Denkmalschutz und gelten zum Teil als Sehenswürdigkeit. Dadurch sind Brunnenanlagen auch heute ein Anziehungspunkt im öffentlichen Raum.
Brunnen wurden als Symbole der Macht oder des Einflusses des Erbauers seit der Renaissance oft prunkvoll ausgestaltet, so wurde etwa der Fontana di Trevi in Rom als Stiftung von Papst Nikolaus V., anlässlich der Restaurierung des Aquädukts Aqua Virgo, erbaut.
Mit dem Aufkommen von Wasserleitungen, die das Nutzwasser direkt in die Haushalte brachte, verschwanden die Entnahme- und Waschbrunnen im öffentlichen Raum. Sie wurden in vielen Dörfern und Städten durch mehr oder weniger künstlerisch gestaltete Brunnenanlagen ersetzt. Sie können dann oft die Komplexität von Wasserspielen erreichen: Bestandteile solcher Wasserspiele sind auch Fontänen, Kaskaden und Becken.
Das Wasser kühlt durch die Verdunstung im Sommer und trägt somit zur Verbesserung des Kleinklimas bei. Im islamischen Raum sind Innenbrunnen ein wichtiger Bestandteil von Palästen, da sie die Innenraumtemperatur absenken.
Zierbrunnenanlagen haben eine Umwälzpumpe; es wird daher nur das verdunstete Wasser ersetzt. Derartige Brunnen sollten vor Beginn der ersten Nachtfröste entleert werden.
Brauchtum
In Oberfranken, besonders in der Fränkischen Schweiz, gibt es den Brauch, Osterbrunnen zur Feier des Osterfestes zu schmücken. Im schwäbischen Raum gibt es in manchen Städten den Brauch des jährlichen, so genannten Geldbeutelwaschens im Brunnen. In manchen Städten werden zur Fasnacht Leute in einen Brunnen geworfen. Münzen, die in einen Brunnen geworfen werden, sollen zu Lebensglück oder einer Rückkehr an den Brunnen führen, so z. B. speziell beim Trevibrunnen in Rom. An der Popperöder Quelle in Mühlhausen/Thüringen wird alljährlich von Grundschulkindern ein Brunnenfest gefeiert. Dazu werden Blumensträuße im Brunnen versenkt, spezielle Brunnentänze getanzt und Brunnenlieder gesungen.
In Endingen am Kaiserstuhl findet jedes Jahr zur Fastnacht ein besonderes Spektakel statt. Am Schmutzigen Donnerstag wird feierlich der Jokili aus dem Rathausbrunnen gehoben. Erst jetzt beginnt die eigentliche Fastnachtszeit. Am Abend vor Aschermittwoch wird der Jokili wieder nach Abschluss einer Trauerrede im Brunnen versenkt, wo er bis zum Schmutzigen Donnerstag im darauffolgenden Jahr bleibt.[9]
Brunnen als Wappensymbol
Wegen ihrer Bedeutung für das Leben und Überleben der Menschen finden sich Brunnen auch in Ortswappen.
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Putzbrunn in Oberbayern
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Bad Fischau-Brunn in Niederösterreich
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Bad Sauerbrunn im Burgenland
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Brunn in der Oberpfalz
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Brunnenthal in der Schweiz
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Brunntal in Baden
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Waldbrunn in Unterfranken
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Bad Heilbrunn in Oberbayern
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Tiefenbronn in Baden-Württemberg
Siehe auch
- Brunnen als Motiv (Brunnen in Überlieferung und Literatur)
- Wasserspiele
- Brunnenstube
- Brunnenregenerierung
- Der römische Brunnen
- Brunnen (Heraldik)
- Schluckbrunnen
Brunnen nach Bauweise
Brunnen nach Standort
Literatur
- Hermann Spindler: Der Brunnen im Recht. Würzburg 1938.
- Gerhard Hirschmann: Der Hiserleinbrunnen. In: Altstadtfreunde Nürnberg (Hrsg.): Nürnberger Altstadtberichte. Heft 1, 1976.
- Kurt Müller: Gerühmt, verbannt und wiederentdeckt. Die komplizierte Geschichte des Kunstbrunnens zur Erinnerung an die erste deutsche Eisenbahn. In: Altstadtfreunde Nürnberg (Hrsg.): Nürnberger Altstadtberichte. Heft 16, 1991 (Der Eisenbahnbrunnen).
- Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege (Hrsg.): Brunnen der Jungsteinzeit. Internationales Symposium in Erkelenz, 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Denkmalpflege im Rheinland 11. Habelt, Bonn 1998.
- Jan Klápště (Hrsg.): Ruralia V. Water management in medieval rural economy. Prag 2005.
- Hermann Bischofberger: Brunnen, Brunnengemeinschaft. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 1, 2. Auflage. Schmidt, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 692–694.
- Dorothee Rippmann, Wolfgang Schmid, Katharina Simon-Muhscheid (Hrsg.): »zum allgemeinen stattnutzen«. Brunnen in der europäischen Stadtgeschichte. Kliomedia, Trier 2008, ISBN 978-3-89890-116-1.
- Rengert Elburg: Weihwasser oder Brauchwasser? Einige Gedanken zur Funktion bandkeramischer Brunnen. In: Archäologische Informationen. 34/1, 2011, 25–37. doi:10.11588/ai.2011.0.10154
- Saskia Hunsicker: Holzbrunnenkonstruktionen des frühen und hohen Mittelalters: Funktionsweisen und Bedeutung am Beispiel von Süddeutschland und dem Elsass. Diplomica-Verlag, Hamburg 2014, ISBN 978-3-8428-9519-5.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Bernhard Gramsch: Mesolithische Wasserlöcher in Brandenburg In: Harald Koschik (Hrsg.) Brunnen der Jungsteinzeit. Internationales Symposium in Erkelenz, 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland Heft 11, 1998, S. 17–23.
- ↑ a b Yosef Garfinkel, Ariel Vered, Ofer Bar-Yosef: The domestication of water: the Neolithic well at Sha'ar Hagolan, Jordan Valley, Israel. Antiquity, Sept. 2006.
- ↑ K. Minichreiter: Slavonski Brod: Galovo – deset godina arheoloških istraživanja (= ten years of archaeological excavations). Zagreb, Institut za arheologiju, 2007.
- ↑ Ingo Campen: Zwei weitere Bandkeramische Brunnen aus dem Tagebau Zwenkau. In: Archäologie aktuell im Freistaat Sachsen. 6, 1998/1999, S. 42–47.
- ↑ Niederröblingen: Sensationeller archäologischer Brunnenfund in Sachsen-Anhalt. auf: shortnews.de, 10. August 2007.
- ↑ Europas tiefster Brunnen aus der Steinzeit entdeckt – und im Block geborgen. auf: archaeologie-online.de, 8. Juli 2011.
- ↑ dazu generell als bestes Überblickswerk der Band „Brunnen der Jungsteinzeit“
- ↑ Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie. 1773 bis 1858.
- ↑ Fasnet in Endingen. auf: narren-spiegel.de