Johann Michael Sailer, ab 1826 von Sailer[1] (* 17. November 1751 in Aresing, Oberbayern; † 20. Mai 1832 in Regensburg), war ein katholischer Theologe (insbesondere Pastoraltheologe) und Bischof von Regensburg.




Leben
Als Sohn eines Schuhmachers machte er 1770 seinen Gymnasialabschluss am Jesuitengymnasium München (heute Wilhelmsgymnasium München)[2] und begann dann als Novize bei den Jesuiten (bis zur Auflösung des Ordens 1773) ein Theologiestudium an der Universität Ingolstadt. Am 23. September 1775 wurde er in Augsburg zum Priester geweiht. Als Repetitor (ab 1777) und Professor der Dogmatik (ab 1780) lehrte er in Ingolstadt, bis er 1781 unter dem Vorwurf des „Obskurantismus“ entlassen wurde.
1784 erhielt er durch Fürsterzbischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen (u. a. Augsburg) eine Professur für Theologie an der Universität Dillingen. Er wurde 1794 als angeblicher Illuminat seines Amtes enthoben, lebte eine Zeit lang beim Grafen zu Stolberg in Wernigerode, sodann in Ebersberg (Oberbayern). Er erhielt 1799 wieder eine Anstellung als Professor der Theologie an der Universität Ingolstadt, die 1800 an die neue bayerische Landesuniversität Landshut verlegt wurde; hier verfasste er seine Hauptwerke. 1810 ernannte ihn die Bayerische Akademie der Wissenschaften zum auswärtigen Mitglied.
Sailer wurde 1821 in Regensburg erster Domkapitular, 1822 Generalvikar, Koadjutor und Titularbischof von Germanicopolis. Die Bischofsweihe empfing er am 28. Oktober 1822 vom Münchener Erzbischof Lothar Anselm von Gebsattel. 1825 wurde Sailer Dompropst am Regensburger Dom und endlich am 28. Oktober 1829 Bischof von Regensburg. Einer seiner engsten Mitarbeiter in Regensburg war Melchior von Diepenbrock. Nach mehreren Schlaganfällen starb Sailer 1832 in Regensburg,
- „... ein über die Grenzen seines Bistums hinaus fast wie ein Heiliger verehrter Bischof (...) Der Verfasser zahlreicher Erbauungsschriften, deren verinnerlichte Religiosität Katholiken wie Protestanten gleichermaßen berührte, gilt als Vorbild eines aufrechten Katholiken in der düsteren Zeit von Revolutionswirren und Säkularisation. Vierzig Jahre später (1873) werden die Werke desselben Mannes bei der Römischen Inquisition angeklagt, weil Sailer ein Häretiker gewesen sei, der die katholische Theologie durch aufklärerische und protestantische Ideen »zersetzt« habe.“ [3]
Sailer wurde von Senestrey, seinem mittelbaren Nachfolger im Amt, auf die Denunziation von Konstantin von Schaezler hin, bei der Inquisition in Rom angezeigt. Wichtige Rollen spielten dabei auch Carl Erhard Schmöger und Karl August von Reisach. Eine Verurteilung scheiterte zwei Male durch den Einspruch des Jesuitentheologen Johannes Baptist Franzelin.
Sailers Grabdenkmal im Regensburger Dom wurde von Konrad Eberhard geschaffen und zählt zu dessen Hauptwerken.
Lehre
Sailer wirkte als Buchautor und als Lehrer. Er war der Begründer und Hauptvertreter einer innerlichen und dabei duldsamen Richtung innerhalb der katholischen Kirche und zählt zu den Pionieren der Pastoraltheologie.
Starke Wirkung erzielte er durch die Heranbildung eines neuen Priestertyps. Mehr als tausend jungen Geistlichen vermittelte er während seiner dreißigjährigen Lehrtätigkeit nicht nur seine Ausprägung des Christentums, sondern auch die Fähigkeit, sich im täglichen Leben auf die gesamte Existenz der ihnen anvertrauten Gläubigen einzulassen. Zu seinen Schülern gehörten König Ludwig I. von Bayern, der Bibelübersetzer Joseph Franz von Allioli, der spätere bayerische Ministerverweser und Regierungspräsident Johann Baptist von Zenetti, der ihm zeitlebens verbunden blieb, sowie Martin Boos, dessen bei manchen kirchlichen Kreisen umstrittene Verkündigung er bejahte. 1811 schrieb er an Boos in Gallneukirchen:
- „Das Wesen Deiner Lehre ist apostolisch, Gott in Christus, Christi Tod, Christi Geist, Christi Leben – das ist das Wesen des Christentums.“[4]
Bedeutsam ist seine Übersetzung und Edition der Imitatio Christi des Thomas von Kempen als Nachfolge Christi 1794, die zahlreiche Auflagen bis in die neuere Zeit erlebte.
Während der Kompositionsarbeit an seiner Missa Solemnis (1820) stand Ludwig van Beethoven in Verbindung mit Sailer.[5]
1964 wurde das Gymnasium in Dillingen, an dem er mehrere Jahre als Lehrer tätig war, nach ihm benannt.
Schriften (Auswahl)
Einzelschriften
- Theologiae Christianae cum Philosophia nexus, Augsburg 1779
- Vollständiges Lese- und Betbuch zum Gebrauch der Katholiken, München, Ingolstadt 1783
- Vollständiges Gebetbuch für Katholische Christen, München 1785
- Ueber den Selbstmord. Für Menschen, die nicht fühlen den Werth, ein Mensch zu sein, München 1785 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv); (Images in der BSB)
- Vernunftlehre für Menschen, wie sie sind. Nach den Bedürfnissen unserer Zeit, 2 Bde. München 1785
- Glückseligkeitslehre aus Vernunftgründen, mit Rücksicht auf das Christentum, München 1787
- Vorlesungen aus der Pastoraltheologie, 3 Bde., München 1788–1789
- Kurzgefasste Erinnerungen an junge Prediger, München: 1791 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
- Für Kranke und ihre Freunde, München 1791
- Das Buch von der Nachfolge Christi. Neu übersetzt und mit einer Einleitung und kurzen Anmerkungen für nachdenkende Christen, München 1794
- Briefe aus allen Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung. Gewählt, übersetzt und zur Erbauung und Belehrung seiner Mitchristen herausgegeben 6 Bde. München 1800–1804
- Grundlehren der Religion, München 1805
- Über Erziehung für Erzieher, München 1807
- Kleine Bibel für Kranke und Sterbende und ihre Freunde, München 1810
- Joseph Anton Sambuga, wie er war, München, Verlag Jakob Giel, 1816 Kompletter Scan des Buches.
- Handbuch der christlichen Moral, zunächst für künftige katholische Seelsorger und dann für jeden gebildeten Christen, München 1817
Eine vollständige Bibliographie der ca. 240 Schriften Sailers findet sich in: Hubert Schiel: Johann Michael Sailer. Briefe. Regensburg 1952, S. 541–665. Sein Geburtsort Aresing besitzt 41 Bände seiner Schriften; es ist ein Teil des Nachlass des in der gleichen Gemeinde geborenen Prälaten Alois Haas.
Neuere Nachdrucke
- Vorlesungen aus der Pastoraltheologie. In: Anton Zottl, Werner Schneider (Hrsg.): Wege der Pastoraltheologie. Texte einer Bewußtwerdung. Band I. Das 18. Jahrhundert: Grundlegung und Entfaltung (F. St. Rautenstrauch – F. Ch. Pittroff – J. M. Sailer). Franz-Sales-Verlag, Eichstätt 1987, ISBN 3-7721-0095-3, S. 117–167 (wesentliche Passagen aus: 1. Grundfragen der Pastoraltheologie, 2. Praktisches Schriftforschen als Grundlage und Vorbereitung pastoraler Tätigkeit, 3. Der Seelsorger in seinen Funktion als Lehrer, Hirte und Priester).
- Das Buch von der Nachfolge Christi: ausgewählte Verse; mit Abbildungen aus illuminierten Handschriften der British Library des Thomas von Kempen. Nach der Übers. von Johann Michael Sailer. Steinkopf, Kiel 2004, ISBN 3-7984-0773-8
- Die Weisheit auf der Gasse, oder Sinn und Geist deutscher Sprichwörter. Ein Lehrbuch für uns Deutsche, mit unter auch eine Ruhebank für Gelehrte, die von ihren Forschungen ausruhen möchten. 1810. Neu hrsg. Greno, Nördlingen 1987, ISBN 3-89190-801-6.
Gesamtausgaben
- Gesammelte Schriften, 9 Bde. München 1828–1823
- Gesammelte Werke, 28 Teile, Grätz 1818–1827
- Gesammelte Reden. Sonntags-, Fest-, Fasten-, dann allgemeine Gelegenheits- und erste Meß-Predigten und Homilien, 8 Teile, Grätz 1820
- Herausgegebene Reden. Sonntags-, Fest- und Gelegenheitspredigten, 6 Teile, Grätz 1820–1821
- Sämmtliche Werke, unter Anleitung des Verfassers herausgegeben von Joseph Widmer, 40 Teile, Sulzbach 1830–41, Suppl. Band 1855
Literatur
- Klement Baader, Biographie des Herrn D. Johann Michael Sailer, Kollmann, (o. O.), 1814 (Digitalisat)
- Georg Aichinger, Johann Michael Sailer. Bischof von Regensburg, Freiburg 1865 (Digitalisat in der Google-Buchsuche; PDF-Datei)
- Franz Heinrich Reusch: Sailer, Johann Michael von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 178–192.
- Remigius Stölzle, Johann Michael Sailer. Seine Maßregelung an der Akademie zu Dillingen und seine Berufung nach Ingolstadt, Kösel/Kempten/München 1910
- Berthold Lang, Bischof Sailer und seine Zeitgenossen, Mainz/München 1932
- Willibrord Schlags, Johann Michael Sailer, „der Heilige der Zeitenwende“: nach seinen Bekenntnissen und Schriften dargestellt, Bonn 1934
- Gerard Fischer, Johann Michael Sailer und Johann Heinrich Pestalozzi, Freiburg/Basel/Wien, 1954
- Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Johann Michael Sailer und der ökumenische Gedanke (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, Band 29) 1955
- Paul Schattenmann, Johann Michael Sailer und sein Freundeskreis im Ries, in: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte, Jg. 27 (1958), S. 66–74
- Heinz Schuster, Die Geschichte der Pastoraltheologie, in: Franz Xaver Arnold u.a. (Hrsg.), Handbuch der Pastoraltheologie, Band 1, Freiburg/Basel/Wien 1964, S. 54ff.
- Franz Xaver Arnold, Pastoraltheologische Durchblicke. Das Prinzip des Gott-Menschlichen und der geschichtliche Weg der Pastoraltheologie, Freiburg, Basel, Wien 1965
- Johann Hofmeier, Seelsorge und Seelsorger. Eine Untersuchung zur Pastoraltheologie Johann Michael Sailers, Regensburg 1967
- Barbara Jendrosch, Johann Michael Sailers Lehre vom Gewissen (= Studien zur Geschichte der katholischen Moraltheologie, Band 19), Regensburg 1971, zugleich Diss., München 1968, ISBN 3-7917-0320-X
- Werner Schneider, Johann Michael Sailers biblische Grundlegung der Pastoraltheologie, in: Anton Zottl und Werner Schneider (Hrsg.), Wege der Pastoraltheologie. Texte einer Bewußtwerdung. Das 18. Jahrhundert: Grundlegung und Entfaltung (F. St. Rautenstrauch – F. Ch. Pittroff – J. M. Sailer), Band 1, Eichstätt 1987, ISBN 3-7721-0095-3, S. 105–114
- Georg Schwaiger (Hrsg.), Johann Michael Sailer und seine Zeit, Verlag des Vereins für Regensburger Bistumsgeschichte, Regensburg 1982
- Georg Schwaiger, Johann Michael Sailer, der bayerische Kirchenvater, Schnell & Steiner, München 1982, ISBN 3-7954-0108-9
- Werner Vitzthum, Johann Michael Sailer 1751–1832. Von Aresing nach Regensburg Gemeindeverwaltung, Aresing 1982
- Barbara Wachinger, Die Moraltheologie Johann Michael Sailers, in: Georg Schwaiger und Paul Mai (Hrsg.), Johann Michael Sailer und seine Zeit (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Band 16), 1982, S. 257–275
- Gisbert Kranz, Johann Michael Sailer, Regensburg 1982, ISBN 3-7917-0748-5
- Hans Bungert (Hrsg.), Johann Michael Sailer. Theologe, Pädagoge und Bischof zwischen Aufklärung und Romantik, Universitäts-Verlag, Regensburg 1983, ISBN 3-921114-57-8
- Theoderich Kampmann, Ein exemplarischer Priester. Johann Michael Sailer, Paderborn 1984, ISBN 3-506-79260-1
- Alexander Loichinger, Sailer und Diepenbrock, in: Münchener Theologische Zeitschrift, Jg. 41 (1990), S. 383–388
- Volker Ladenthin, Wenn Unterricht und Erziehung zur Sprache kommen. Beispiele „Sprachkritischer Didaktik“ bei Ch. Thomasius und J. M. Sailer, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, Jg. 70 (1994), S. 303–321
- Raimund Lachner: Johann Michael Sailer. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 8, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-053-0, Sp. 1182–1197 .
- Matthias Grätsch, Bischof Johann Michael Sailer, Seminararbeit, Philosophisch-Theologische Hochschule Benediktbeuern, Hauptseminar Kirchengeschichte, o. J. (um 2000), (online, PDF-Datei)
- Werner Chrobak u. a., Johann Michael von Sailer. Pädagoge – Theologe – Bischof von Regensburg, Schnell und Steiner, Regensburg 2001, ISBN 3-7954-1447-4
- Alexander Loichinger, Sailer, Diepenbrock, Christian und Clemens Brentano, in: Münchener Theologische Zeitschrift, Jg. 52 (2001), S. 304–322
- Hubert Wolf: Sailer, Johann Michael von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 356 f. (Digitalisat).
- Hubert Wolf, Johann Michael von Sailer. Das postume Inquisitionsverfahren, Paderborn 2002, ISBN 978-3506776716.
- Monique Bouic, Johann Michael Sailer (1751–1832), sa vie et son oeuvre depuis 1794, 3 Bände (thèse de doctorat, Réf ANRT: 54734, Identifiant BU: 07BOR30061), Bordeaux 2007
- Karl Eschweiler, Die katholische Theologie im Zeitalter des deutschen Idealismus. Die Bonner theologischen Qualifikationsschriften von 1921/22. Aus dem Nachlaß herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Thomas Marschier, Monsenstein und Vannerdat, Münster 2010, ISBN 978-3-86991-180-9 (darin S. 131–270: Die Erlebnistheologie Johann Michael Sailers als Grundlegung des theologischen Fideismus in der vorvatikanischen Theologie)
- Manfred Heim: Johann Michael von Sailer, in: Katharina Weigand (Hrsg.), Große Gestalten der bayerischen Geschichte, Herbert Utz Verlag, München 2011, ISBN 978-3-8316-0949-9
- Tobias Appl/Bernhard Lübbers (Hg.): Die Briefe Johann Michael von Sailers an Eduard von Schenk. Mit einem Anhang der Briefe Melchior Diepenbrocks an Schenk (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Beiband 23), Regensburg: Verl. des Vereins für Regensburger Bistumsgeschichte. 2014, S. LXXVI, 272.
- Tobias Appl/ Bernhard Lübbers: Schloss Barbing als Sommerresidenz Johann Michael von Sailers (1751–1832) (Regensburger kleine Beiträge zur Heimatforschung 3) Kollersried 2015 (online, PDF-Datei]
- John Paul Ito, Johann Michael Sailer und Beethoven, in: Bonner Beethoven-Studien, Band 11 (2014), S. 83–92
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Franz Heinrich Reusch: Sailer, Johann Michael von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 178–192.
- ↑ Max Leitschuh: Die Matrikeln der Oberklassen des Wilhelmsgymnasiums in München, 4 Bde., München 1970–1976; Bd. 3, S. 128
- ↑ Hubert Wolf, Johann Michael von Sailer. Das posthume Inquisitionsverfahren, Paderborn 2002, ISBN 978-3506776716.
- ↑ Johannes Goßner (Hrsg.): Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Seine Selbstbiographie, neu hg. von Franz Graf-Stuhlhofer. Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn 2012, S. 272.
- ↑ Lewis Lockwood: Beethoven – Seine Musik, sein Leben. Bärenreiter-Metzler, 2009.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Johann Nepomuk von Wolf | Bischof von Regensburg 1829–1832 | Georg Michael Wittmann starb vor der päpstlichen Präkonisation Franz Xaver Schwäbl |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Sailer, Johann Michael |
KURZBESCHREIBUNG | katholischer Theologe und Bischof von Regensburg |
GEBURTSDATUM | 17. November 1751 |
GEBURTSORT | Aresing, Oberbayern |
STERBEDATUM | 20. Mai 1832 |
STERBEORT | Regensburg |