Unter einem Verdränger versteht man ein Boot welches sich zu jeder Zeit mit dem Rumpf im Wasser befindet und dieses verdrängt. Das Gegenteil davon sind Gleiter, welche sich mit zunehmender Geschwindigkeit aus dem Wasser heben und anfangen darauf zu gleiten. Dazwischen gibt es noch zwei Arten von Halbgleitern.
Im Detail: Jedes Wasserfahrzeug, gleich ob Floß, Flugboot, Flugzeug mit Schwimmern, Amphibienfahrzeug, Luftkissenboot, Boot oder auch Schiff, ist im Ruhezustand im Wasser ein Verdränger, da jeder im Wasser befindliche Körper Wasser gleichen Gewichts verdrängt (Archimedisches Prinzip).
Die Unterschiede zwischen Verdränger, Halbgleiter und Gleiter treten erst zu Tage, wenn sich ein Wasserfahrzeug in Bewegung setzt; dies ist schon in der Planung der Rumpf- und Antriebskonstruktion, der Beladung und des Einsatzzweckes zu berücksichtigen, da sich am fertigen Boot oder Schiff diese Eigenschaft nicht mehr ändern/beeinflussen lässt.
Zwar kann man jeden Verdränger auch als Gleiter oder Halbgleiter fahren, was aber sehr viel Energie und Geschwindigkeit kostet.
Und auch große Verdränger können in schwerer See auf dem Weg von einem Wellenberg in ein Wellental ins Gleiten geraten, was "Surfen" genannt und überhaupt nicht erwünscht ist: Ein Verdränger, der auf Gleitfahrt im Wellental ankommt, ist von Zerstörung und Untergang bedroht, denn ein Verdränger lässt sich auf Gleitfahrt nicht steuern oder gar bremsen, und die Energie einer Wellenfront, die direkt auf ein sehr schnell auf einen Gegenstand trifft, kann diesen zerstören, auch wenn dieser Gegenstand ein aus dickstem Stahl gefertigter Schiffsbug ist. Gerät man mit einem Verdränger in einem Sturm ins surfen, wird ein Treibanker ausgebracht, um die Geschwindigkeit niedrig genug zu halten, nicht ins Gleiten zu kommen.
Verdränger
Verdränger müssen während der Fahrt das Volumen des Wassers, welches sie durch ihr eigenes Gewicht verdrängen, von vorne nach hinten "umschaufeln". Dieser "Umschaufelei" und damit der Höchstgeschwindigkeit beim klassischen Verdränger sind hydrodynamisch zwei Grenzen gesetzt.
Rumpfgeschwindigkeit
Kein Verdränger kann mit der Abrisskante am Heck die Welle überholen, die durch den Bug desselben Verdrängers während der Fahrt gebildet wird. In der Praxis macht sich das Problem bereits bemerkbar, wenn die der Heckabrisskante ein Stück vorauseilende Heckwellenvorderseite die dem Bug nacheilende Bugwellenrückseite erreicht, also die Bug- und die Heckwellensysteme miteinander zu interagieren beginnen. Durch extrem schlanke Bauweisen (siehe auch den Artikel Katamaran) ab einem Längen-/Breitenverhältnis von etwa 8:1 interagieren die Wellensystem von Bug und Heck zwar nicht mehr miteinander, aber die Heckabrisskante kann dennoch die Bugwelle nicht überholen. In der Praxis bedeutet das, dass man bei kurzen breiten Rümpfen nur mit einem mehr an Antriebsleistung dieselben Geschwindigkeiten erreichen kann, als mit weniger Antriebsleistung in einem gleich langen, schmalen Rumpf.
Dennoch ist die tatsächlich von einem Verdränger zu erreichende Endgeschwindigkeit ausschließlich von der Länge des Schiffsrumpfes in der Wasserlinie abhängig ist, nicht jedoch von seiner Form oder Breite. Diese spezifisch für jeden Rumpf existierende, maximale Endgeschwindigkeit nennt man "Rumpfgeschwindigkeit".
Die Rumpfgeschwindigkeit eines jeden Verdrängers ist exakt errechenbar und lässt sich auch mit dem stärksten Antrieb nicht überschreiten. Wird die Rumpfgeschwindigkeit durch widrige Umstände dennoch überschritten (z.B. in einem Sturm auf dem Weg von einem Wellenkamm in ein Wellental), so kommt es zum gefährlichen "Surfen" (siehe oben in der Einleitung).
Kavitation
Ein zweites Phänomen, das die Höchstgeschwindigkeit eines klassischen Verdrängers begrenzent, ist die Kavitation. Mit zunehmender Geschwindigkeit eines Verdrängers durch das Wasser steigt der Wasserwiderstand an. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit ist der Widerstand des Wassers gegen den vom Wasser umspülten Teil des Schiffskörpers so groß, dass das Wasser auf der Unterdruckseite der Antriebsschaufel des Propellers, Impellers oder der Schiffsschraube verdampft. In diesem Augenblick sinkt der Vortrieb des Propellers etc. auf Null, die Dampfgasblase bricht zusammen. Auf molekularer Ebene trifft dann das Wasser auf die Antriebsschaufel; dabei wird letztere zerstört.
Ein in die Kavitation gefahrener Impeller, Propeller oder auch Schiffsschraube sieht angenagt aus oder als habe das Boot oder Schiff gar eine Grundberührung gehabt.
Kavitation verursacht überdies Vibrationen, die den Antrieb eines Bootes oder Schiffes beschädigen, ja sogar zerstören können.
Der Moment, ab dem bei einem Verdränger Kavitation auftritt, lässt sich relativ gut berechnen. Man weiß heute, dass allen Überwasserschiffen, gleich wie groß sie motorisiert sind oder wie unendlich lang und schlank sie sein mögen, in Verdrängungsfahrt bei etwa 50 Knoten eine asymptotische Geschwindigkeitsgrenze gesetzt ist. Der Geschwindigkeitsrekord für ein Überwasserschiff steht seit etwa 1940 bei exakt 45,6 Knoten und wurde vom französischen Zerstörer LE TERRIBLE aufgestellt.
Bei Unterwasserfahrzeugen tritt der Kavitationseffekt später ein, da mit je 10 Metern zunehmender Wassertiefe der Wasserdruck um je 1013 hPa steigt, also mit zunehmender Tiefe der durch die Geschwindigkeit verursachte Widerstand des Wassers auf den Verdränger größer werden darf, bevor es auf der Unterdruckseite der Antriebsschaufeln zur Kavitation kommt. Man kann errechnen, dass große, moderne und nuklear angetriebene Unterseeboote in der Lage sind, in etwa 500 Metern Wassertiefe etwa 65 Knoten zu fahren. Dabei machen sie dann aber so einen Lärm (Kavitation ist laut!), dass davon auszugehen ist, dass die Reisegeschwindigkeiten solcher Fahrzeuge aus taktischen Gründen auch in Zukunft 40 Knoten nicht übersteigen werden.
Superkavitation
Es gibt inzwischen zahlreiche Bemühungen, die Kavitation bereits am Bug eines Unterwasserfahrzeuges entstehen zu lassen und so die Komponente Wasserwiderstand aus der Gleichung zu entfernen; immerhin ist der Widerstand des Wassers etwa 800 mal so hoch, wie der des Wasserdampfes. Dieses Phänomen der beabsichtigt herbeigeführten und dann in einen Vorteil verwandelten Kavitation nennt man Superkavitation. Experimentaltorpedos haben auf diese Art bereits über 400 Knoten (knapp 800 km/h) erreicht, lassen sich dann aber nicht mehr steuern, sondern fahren schnurgeradeaus. An möglichen Antriebs- und Steuerungskonzepten wird gearbeitet.
In der Theorie sind Verdrängern, die per Superkavitation unterwegs sind, dieselben physikalischen Grenzen gesetzt, wie sie auch beim Betrieb von Luftfahrzeugen(Flugzeugen auftreten.
Bei Oberflächenfahrzeugen, also nicht vollständig untergetauchten Wasserfahrzeugen, funktioniert Superkavitation nicht, da sie den Auftrieb aufhebt. Billiger und einfacher ist es, will man schneller unterwegs sein, einen Gleiter zu bauen und zu betreiben.
Klassische Verdränger finden sich in der gesamten Spanne vom Einbaum über Kolumbus' SANTA MARIA bis hin zur QUEEN MARY II.
Gleiter
Gleiter sind durch ihre Rumpfkonstruktion dazu geeignet, sich mittels eines starken Antriebes gegen den Wasserwiderstand aus dem Wasser zu erheben und auf dem Wasser zu gleiten. Ab dem Moment, in dem die Gleitfahrt einsetzt (dem Moment des sogenannten Angleitens und ab dem die Verdrängerfahrt beendet ist, ist es dem Gleiter möglich, seine eigene Bugwelle zu überholen. Könnte man den Luftwiderstand außer Acht lassen, so gäbe es keine Endgeschwindigkeit. In der Praxis wird jeder Gleiter allerdings bei zu hoher Geschwindigkeit vom Luftdruck angehoben und hebt vom Wasser ab. Diese Maximalgeschwindigkeit ist je nach Konstruktion und Beladung immer unterschiedlich. Typische Vertreter für Gleiter sind Surfbretter,Rennboote, Schlauchboote und Tragflächenboote sowie die Rümpfe von Flugbooten.
Gleitertypen
War die Gleitfahrt früher nur auf kleine, leichte Boote beschränkt, gibt es inzwischen sogar große 30-Meter-Yachten, die als Gleiter gebaut und betrieben werden. Wird allerdings in so eine Yacht im nachhinein z.B. ein schweres Marmorbad eingebaut, kann es passieren, dass diese Yacht sich nicht mehr in die Gleitfahrt bringen lässt. Auch militärische Anwendungen haben inzwischen erstaunliche Größen erreicht. Inzwischen gibt es sogar ein US-amerikanisches Einmann-U-Boot, welches aufgetaucht in Gleitfahrt übergehen kann.
Konstruktionsaspekte
Der konstruktive und betriebstechnische Haken ist bei jedem Gleiter die Fähigkeit, überhaupt erst einmal in das Gleiten zu kommen. Diese Fähigkeit ist nicht nur von der Rumpfform, sondern vor allem vom Leistungsgewicht des Schiffes abhängig. Wenn der Gleiter jedoch erst einmal gleitet, dann könnte man sein Gewicht (theoretisch), zum Beispiel mit Zuladung per Hubschrauber, auch über das Maximum des Gewichtes erhöhen, mit dem die Gleitfahrt noch erreicht werden konnte.
Ein Problem ist, dass, sehr vereinfacht dargestellt, die Geschwindigkeit, ab der ein Schiffsrumpf auf seiner Fahrt durch das Wasser in das Gleiten übergeht, mit zunehmendem Gewicht steigt. Um diese Mindestgleitgeschwindigkeit zu erreichen, ist mit zunehmendem Gewicht daher auch eine zunehmende Antriebsleistung nötig.
Da jeder Gleiter bis zu dem Moment des Gleitens hydrodynamisch ein Verdränger ist und da es das oben geschilderte Phänomen der Kavitation gibt, ist der Konstruktion des Gleiters nach oben hin eine Gewichtsgrenze gesetzt, die nur mit den hydrodynamischen Kniffen, wie sie bei einem Tragflügelboot angewandt werden, oder durch den aerodynamischen Effekt bei einem Flugboot, nach oben hin verschoben werden kann; es gibt jedoch keine größeren Wasserfahrzeuge (Schiffe) gibt, die konstruktiv als Gleiter unterwegs sind.
Luftkissenfahrzeuge
Luftkissenfahrzeuge sind keine Gleiter, da sie während der Fahrt den aerodynamischen Bodeneffekt nutzen, nicht aber in Berührung mit der Wasseroberfläche stehen.
Halbgleiter
Da ein Gleiter in Gleitfahrt bei gleicher Geschwindigkeit wesentlich weniger Energie benötigt, um seine Geschwindigkeit zu halten, als ein gleich großer Verdränger, steckt hinter der Halbgleiterkonstruktion die Idee, Energie zu sparen, also mit einer Yacht weniger Kraftstoff zu verbrauchen oder mit einem Segelboot schon bei weniger Wind schneller unterwegs zu sein.
Die Halbgleiter können in mehrere Untergruppierungen aufgeteilt werden:
Klassische Halbgleiter
Als klassische Halbgleiter werden folgende zwei Untergruppen bezeichnet:
Verdrängertyp
Ein Verdränger, den man per Konstruktion dazu gebracht hat, mit einem Teil des Rumpfes in Gleitfahrt zu gehen, während der Großteil desselben Rumpfes weiterhin als Verdränger unterwegs ist. Große Trawleryachten sind so unterwegs.
Gleitertyp
Ein Gleiter, der noch immer einen Kiel besitzt, welcher das Wasser verdrängt, also nicht aus ihm hervorsteigt. Große (Off Shore)-Rennsegelboote sind so unterwegs. Theoretisch gehören auch Tragflügelboote in diese Gruppe. Bei Tragflügelbooten funktioniert der "Flug" durch/über das Wasser im übrigen nur wegen des Effekts der o.a. "Superkavitation" an den Tragflächen.
Moderne Halbgleiter
Der „moderne Halbgleiter“ kann ebenfalls in zwei Untergruppen eingeteilt werden und gehört in das Kapitel „Halbgleiter“, obbwohl die „modernen Halbgleiter“ geräde als Verdränger funktionieren, da in beiden Fällen ein Gleiterrumpf mit einem ausgeprägten Verdrängerunterwasserschiff kombiniert wurde.
Der edersche DG-Hull
Der österreichsche Physiker Theodor Eder wurde Ende der 1990er vom Bürgermeister von Venedig gebeten, einen Schiffsrumpf zu entwickeln, welcher keine Welle wirft. Seine Konstruktion wurde "DG-Hull" genannt ("Deplacement-Glider" = "Verdrängergleiter").
Physikalisch betrachtet, "löscht" bei diesem Boot die Welle, die während der Fahrt vom Unterwasserschiff erzeugt wird, die Welle aus, die vom Bug und Heck erzeugt werden, indem das Wellental der einen Welle mit dem Wellenbergen der anderen beiden Wellen zusammenfällt. Das Boot funktioniert und ist seit 2003 auf dem Wasser unterwegs.
Betrachtet man es genau, ist es ein Gleiter mit einem deutlich ausgeprägten Verdrängerkiel, was die Konstruktion zu einem Verdränger ohne die verdrängertypische Rumpfgeschwindigkeit macht: Denn wo keine Welle entsteht, muss auch keine überholt werden, was das edersche Boot bei deutlich weniger Energiebedarf weitaus schneller fahren läßt, als es die Rumpfgeschwindigkeit eines gleich großen klassischen Verdrängers auch bei unendlich großer Motorisierung zuließe. Das edersche Konzept des DG-Hull verbindet die Vorteile des Gleiters mit den Vorteilen des Verdrängers. In der Theorie ist dieses Konzept auf jede Boots- und Schiffsgröße und auf jede Verwendung anwendbar und scheint am besten zu funktionieren, wenn der Boots-/Schiffsrumpf in der Konstruktionswasserlinie (KWL) ein Längen-/Breitenverhältnis von 1:3 bis 1:4 aufweist.
Die Firma Alsphere besitzt weltweit alle Rechte an diesem DG-Konzept. Das Patent läuft 2033 aus. Zum Nachbau kann eine Lizenz erworben werden.
Der Wellenbinder
Der "Wellenbinder" wurde 1910 durch den Bootsbauer und Ingenieur Claus Engelbrecht „erfunden“ und dann in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts vom bei Engelbrecht angestellten deutschen Schiffbauingenieur Arthur Tiller verbessert. Er hat das gleiche Funktionsprinzip wie der edersche DG-Hull. Es gibt jedoch zwei wesentliche Unterschiede zwischen DG-Hull und Wellenbinder:
- Der edersche DG-Hull ist ein noch mindestens bis 2033 patentrechtlich geschützter Knickspanter der in der KWL in einem völligen Längen-/Breitenverhältnis von 1:3 bis 1:4 daherkommt.
- Der tillersche Wellenbinder ist ein Rundspanter, dessen Patentrechte im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges abgelaufen sind, der aber etwas komplizierter zu berechnen und teurer zu fertigen ist, als der DG-Hull und der in der KWL in den schlanken bis sehr schlanken Längen-/Breitenverhältnissen von 1:5 bis 1:10 gebaut wurde.
Zu Lebzeiten von Arthur Tiller wurde der Rumpf noch nicht berechnet, - dazu war man auch gar nicht in der Lage, - sondern durch empirisches Vorgehen, also den Bau von Wasserfahrzeugen als Modell und in Echtgröße, entwickelt.
Außerdem hatten Engelbrecht, Tiller und weitere ihrer zeitgenössischen europäischen und us-amerikanischen Bootsbauer und Ingenieure einen anderen Ansatz als Theodor Eder. Sie hatten nicht als Physiker Küstenanlagen vor dem Wellenschlag fahrender Boote zu schützen, sondern wollten mit den am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nur schwach motorisierten Lustbooten zur Begeisterung der Besitzer und Benutzer möglichst hohe Geschwindigkeiten erzielen.
So fuhren die „echten“ Wellenbinderkonstruktionen von damals bei rund 10 Meter Länge und gut 20 PS Antrieb knapp 10 Knoten (18 km/h) schnell, obwohl die Hydrodynamik der Rumpfgeschwindigkeit nur etwa knapp 8 Knoten (13 km/h) zugelassen hätte, egal wie stark diese Boote motorisiert gewesen wären.
Und in der Zeitschrift „DIE YACHT“, Jahrgang 1935, Heft 30, Seite 11 wird ein von Arthur Tiller gebautes Boot beschrieben, welches als Wellenbinder bei 18 Meter Länge mit 520 PS knapp 26 Knoten (48 km/h) ereicht, obwohl, wie wir heute wissen, die Rumpfgeschwindigkeit der Konstruktion auch bei stärkster Motorisierung nur gute 10 Knoten (knappe 18 km/h) Fahrt durchs Wasser erlaubt.
Die Unterscheidung zwischen „echten“ und „falschen“ Wellenbindern wurde 1934 von Arthur Tiller getroffen, um diejenigen Boote, deren Unterwasserschiffe nur so aussahen wie das Unterwasserschiff eines Wellenbinders, aber lediglich als echter Verdränger oder (bei ausreichender Motorisierung) als echter Gleiter daherkamen, von denjenigen zu unterscheiden, mit denen tatsächlich hohe Geschwindigkeiten zu erreichen möglich war, ohne, dass sie in Gleitfahrt übergingen. Während des Entwurfes und des Baues eines Wellenbinders war der Unterschied damals noch nicht festzustellen. Erst die Probefahrt konnte darüber Erkenntnisse bringen.
Die Gleitfahrt statt der Verdrängerfahrt wurde von den Konstrukteuren jener Zeit nur aus den zwei Gründen heraus nicht gewünscht, dass Gleiter sehr gut motorisiert und sehr leicht gebaut sein mussten, was bei den damaligen Möglichkeiten von Materialauswahl und Motorisierung im Gegensatz zu den gestiegenen Ansprüchen an den Komfort eines Lustbootes stand.
Generell tendierte man allerdings damals dennoch dazu Wellenbinder eher nach dem Prinzip des „Wellenbinder 1“ auf dem angehängten Bild zu bauen, da diese Boote bei ausreichender Motorisierung und falschen Proportionen zu gleiten beginnen konnten, was man für das kleinere Übel hielt, wenn man den „echten“ Wellenbinder nicht zu bauen erreicht hatte, wärend die Boote nach dem Prinzip des „Wellenbinder 2“ bei falscher Proportionierung gewöhnliche Verdränger blieben.
Im Verkauf damals (und auch auf dem heutigen Gebraucht-/Klassikbootsmarkt) wurde und wird aus einem gewissen kaufmännischen Geschick, aber oft auch aus Unkenntnis heraus, die Unterscheidung zwischen „echten“ und „falschen“ Wellenbindern nur selten gemacht und kann nur nach komplexen Berechnungen oder einer schlichten Probefahrt getroffen werden. Und sind Wellenbinder, gebaut in den Jahren 1910 bis etwa 1940, sofern sie die Wirren der Zeit bis heute überlebten, schon klassische Raritäten, so sind die „echten“ Wellenbinder unter ihnen als sehr, sehr selten zu betrachten.
Bei den seit der Milleniumswende modernen Neubauten von Booten im Retrolook der 1920er bis 1950er Jahre kommt der Wellenbinder als Konstruktion des Unterwasserschiffes praktisch nicht vor, obwohl gerade das 21ste Jahrhundert die Möglichkeit böte, einen Wellenbinder schon auf dem virtuellen Zeichenbrett so zu entwerfen, dass das fertige Boot später im tillerschen Sinn auch funktioniert.
der „falsche Fünfziger“ unter den Wellenbindern
Etwa seit 1950 gibt es kleine, oft von Außenbordmotoren angetriebene Sportboote, für die der Begriff des „Wellenbinders“ wiederentdeckt wurde. Diese „Wellenbinder“ entstanden aus Kanadiern mit Spiegelheck, die man mit Außenbordmotoren, Lenkrad und Windschutzscheibe versah und nahmen schnell eine eigene Form und Größe an, die sehr den „Autobooten“ und „Limousinen“ des Motorbootbaus der Goldene Zwanzigern gleicht. Bei genauer Betrachtung sind es auch kleine „Autoboote“, nur dass die klassischen Autoboote Innenbordmotore besaßen. Diese „Wellenbinder“ der 1950er und -60er Jahre haben nichts gemein mit den tillerschen und engelbrechtschen Wellenbindern, besitzen nicht einmal die konkav-konvexe-Spanntenform eines echten Wellenbinders, sondern sind per Rumpfkonstruktion echte, im Unterwasserschiff scharf geschnittene Gleiter in Knickspanntbauweise. Was sie mit dem echten Wellenbinder vereint ist der auch bei Verdrängungsfahrt gute Geradeauslauf bei sehr guter Manövrierfähigkeit. Die „falschen Fünziger“ (benannt nach den Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts) wurden in den Wirtschaftswunderjahren so populär, da sie jeder halbwegs praktisch begabte Mensch in seiner Diele, seinem Schrebergarten oder in seiner Garage bauen konnte.
Inzwischen werden sie wieder modern, diese wirklich falschen „Wellenbinder“, die bereits richtige, elegante, kleine Mehrpersonenmotorboote sind und sich in modernen Leihtbauweisen dennoch auch mit dem Führerschein „B“ trailern lassen (wenn der Außenbordmotor sich denn während der Fahrt auf der Straße im Kofferraum des Pkw und nicht am Boot befindet).
Es gibt inzwischen zahlreiche Vereine, die sich mit dem Bau, dem Erhalt und dem Betrieb des Sportbootes der Kategorie des (falschen Fünfziger) „Wellenbinders“ befassen.