Johann Gottfried Herder
Johann Gottfried (später: von) Herder (* 25. August 1744 in Mohrungen; † 18. Dezember 1803 in Weimar) war ein deutscher Dichter, Übersetzer, Theologe, Beamter und Philosoph der Weimarer Klassik.

Er war einer der einflussreichsten Schriftsteller und Denker Deutschlands und zählt mit Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller zum klassischen Viergestirn von Weimar.
Leben
Kindheit und Jugend
Herder wurde als Sohn des Kantors, Glöckners und Schullehrers Gottfried Herder (* 9. Mai 1706; † 26. September 1763) und dessen zweiter Ehefrau Anna Elisabeth Peltz (* 1717; † 3. Oktober 1772 (an Schwindsucht)) geboren. Seine Eltern hatten am 20. November 1738 geheiratet. Durch seine pietistischen Eltern, die vor seiner Geburt eine Tochter (Maria Elisabeth) früh verloren hatten, wurde er religiös geprägt. Seine Kindheit verbrachte er mit zwei Geschwistern Anna Luise (* 1. November 1741 in Mohrungen; † 30. Januar 1767 ebd.) und Katharina „Trinchen“ Dorothea (* 12. Juli 1748 in Mohrungen; † 18. Oktober 1793 in Weimar). Als der später geborene Carl Friedrich verstarb, war das Herders erste Berührung mit einem Toten und es entstand sein erstes Gedicht „Auf meinen ersten Todten! das Liebste, was ich auf dieser Welt verloren.“
Die Verhältnisse seiner Eltern waren bescheiden aber nicht so dürftig, dass auf eine gute Erziehung der Kinder hätte verzichtet werden müssen. Herder besuchte in Mohrungen (heute Morąg in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren), einer Stadt mit damals kaum 2000 Einwohnern in der damalig preußischen Provinz Ostpreußen, die Stadtschule unter Rektor F. M. Grimm. Vor allem beeinflusste der seit 1760 an der Mohrunger Stadtkirche amtierende Diakonus S. F. Trescho (1733 – 1804), ein protestantischer Theologe der Aufklärung, der dem Pietismus nahestand, den jungen Herder, dessen Bibliothek er frei benutzen durfte. Auf Initiative des russischen Regimentschirurgen J. C. Schwarz-Erla (* um 1715 in Livland – ?) ging Herder dann nach Königsberg und später nach Sankt Petersburg und begann eine Ausbildung als Chirurg. 1763 erhielt Herder auf sein Gesuch das „Hochgräflich-Dohnasche“-Stipendium und beteiligte sich an der Preisaufgabe der Schweizerischen Patriotischen Gesellschaft „Wie können die Wahrheiten der Philosophie zum Besten des Volkes allgemeiner und nützlicher werden?“. In seiner Philosophie wird die Arbeit – wie auch von Immanuel Kant oder später z. B. von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottlieb Fichte – zur Existenzbedingung und sittlichen Pflicht erklärt. Im Sommer 1762 verließ er Mohrungen und sollte die Stadt sowie seine Eltern nie mehr wiedersehen.
Studium in Königsberg
Herder kam im Hochsommer 1762 in der |ostpreußischen Hauptstadt an. Er erkannte, dass er für den Beruf als Chirurg ungeeignet war und schrieb sich am 10. August als Student der Theologie an der Universität Könisgberg ein. Die unter den Studenten übliche Perücke soll er, wie auch im späteren Leben, vermieden haben zu tragen. Er gewann mit dem Freimaurer und Buchhändler Johann Jakob Kanter (1738 – 1786) einen hilfreichen Gönner, der von Herders anonymen Werk „Gesang an Cyrus“ beeindruckt war und welches heimlich von Herder an den russischen Zar Peter III., diesen als Friedensbringer preisend, nach Königsberg verschickt worden war. Cyrus war der persische Herscher, welcher das jüdische Volk aus der babylonischen Gefangenschaft entließ, sowie ihnen die Heimkehr sowie die Erlaubnis zum Tempelbau in Jerusalem erteilte. Ein Thema, welches Herder zeitlebens nicht mehr losließ. Dass er das Gedicht nicht an den preußischen König, sondern auf das russische Oberhaupt münzte, kann als Hinweis genommen werden, dass er sich früh vom überspitzen Preußenpatriotismus abwandte. Durch eine Anstellung als Hilfslehrer an der Elementarschule des Collegium Fridericianum erwarb er einen ersten eigenen Lebensunterhalt und widmete sich nun auf einigermaßen gesicherter wirtschaftlicher Basis vor allem seiner Bildung. Einflussreich war von den Universitätslehrern nur Immanuel Kant, als der Begründer der kritischen Philosophie, außerhalb der Universitätskreise aber unter anderem außerdem Johann Georg Hamann (1730 – 1788) und die Schriften Jean-Jacques Rousseaus (1712 – 1778). Er schloss sich hier einer gelehrten Clique an, die aus Theodor Gottlieb von Hippel, Johann Georg Hamann, Johann George Scheffner, und Kant bestand. Herder, der 1762–64 bei Kant Vorlesungen über Astronomie, Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Mathematik und Physiogeographie hörte, schrieb später darüber: „Mit dankbarer Freude erinnere ich mich aus meinen Jugendjahren der Bekanntschaft und des Unterrichts eines Philosophen, der mir ein wahrer Lehrer der Humanität war (…) Seine Philosophie weckte das eigne Denken auf, und ich kann mir beinahe nichts Erleseneres und Wirksameres hierzu vorstellen, als sein Vortrag war.“ Herder wurde von Kant aufgefordert, nicht so viel über den Büchern zu brüten. Bedeutung erlangte aber auch die Kritik an Kant von Hamann und Herder, die ihm vorhielten, die Sprache als originäre Erkenntnisquelle vernachlässigt zu haben. Herder wies zudem darauf hin, dass der Mensch bereits im Zuge der Wahrnehmung „metaschematisiert“, was bereits Einsichten der Gestaltpsychologie vorweg nahm.
Erste Literarische Werke
Herder schrieb zunächst Gedichte und Rezensionen für Kanters „Königsbergische Zeitung“.
Dass Herder im Herbst 1764 als Kollaborator (Aushilfslehrer) an die Domschule nach Riga berufen wurde, kam ihm aus Furcht vor einem drohenden Militärdienst sehr gelegen. Am 11. November, kurz vor seiner Abreise, die von Friedrich II von Preußen genehmigt wurde, ereignete sich in Königsberg ein verhehrender Brand, der für viele Tage wütete und Herder zu dem Gedicht inspirierte „Ueber die Asche Königsberg. Ein Trauergesang“. In Riga schließlich füllte er die Position als Aushilfslehrer von Dezember 1764 bis Mai 1769 aus; später wurde er auch als Pfarradjunkt („Pastor adjunctus“) an zwei vorstädtischen Kirchen (Jesus- und Gertrudenkirche) angestellt, so dass er in der alten Hauptstadt Livlands, die sich damals noch fast republikanischer Selbständigkeit erfreute (über 500 Jahre – bis 1787 – städtische Selbstverwaltung durch den Magistrat), einen wichtigen Wirkungskreis fand und bei dem Gouvernement und der 'Ritterschaft' angesehen war. Die Kreise des städtischen Patriziats erschlossen sich Herder, der sich eines bis dahin ungekannten Lebensgenusses erfreute. Vor allem durch das Haus des Ratsherrn Johann Christoph Berens (1729 – 1792) und dessen Brüder Gustav (1733 – 1780), Karl (1725 – 1789) und Georg (1739 – 1813), an das er durch Hamann empfohlen war, hatte er gute Freunde in den bürgerlichen Kaufmannskreisen erworben. Im 'Rigaer Blatt' erschien 1764 seine erste umfangreichere Studie „Ueber den Fleiß in mehrerern gelehrten Sprachen“, die bereits die für ihn typischen Vokabeln „Nationalcharakter“ und „Genie“ enthielten.
In Riga wurde er im Juni 1766 in der Loge „Zum Schwert“ in den Freimaurerbund aufgenommen. Nicht nur Herders „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ zeigt Nachwirkungen hierauf. In seinem Logenbruder und Schriftsteller Rektor Johann Gotthelf Lindner fand er für seinen zukünftigen Lebensweg eine Schlüsselfigur.
Herder schrieb nun erste größere Veröffentlichungen, welche sein Freund Johann Friedrich Hartknoch (1740 – 1789) verlegte: In Riga entstanden die „Fragmente über die neuere deutsche Literatur“ (Riga 1766-67), „Über Thomas Abbts Schriften“ (Riga 1768) und „Kritische Wälder“ (Riga 1769) anonym. Er wandte sich einer Sprachphilosophie zu. Durch die Anonymität, welche durch C. A. Klotz (1738 – 1771), einen Professor in Halle aufgedeckt wurde, hatte er sich selbst den Weg zu seriösem schriftstellerischen Austausch versperrt und wurde literarisch angegriffen. Einem Ruf an eine Petersburger Schule im Jahre 1767 folgte er nicht. Er schreibt Beiträge für die „Rigischen Anzeigen“. Herder postulierte, dass die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besonderen Genius der Volksart und Sprache bedingt seien. Er stand in dieser Zeit z. B. im Briefkontakt zu J. W. L. Gleim (1719 – 1803) und Fr. Nicolai (1733 – 1811). Auf Nicolais Aufforderung hin wurde er Mitarbeiter an der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek (ADB)“, für die er bis 1773 etwa 40 Rezensionen schrieb. Literarisch schließlich geriet Herder in Nicolais Kritik, der später dann die Literatur des Sturm und Dranges, die Klassik und die aufkommende Romantik attackierte. Der ebenso gescholtene Goethe wie auch der vorher angegangene Herder vermochten aber dennoch, Leben und Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker, eine der wenigen fiktionalen literarischen Werke Nicolais, als Zeitdokument zu würdigen – was unter den Zeitgenossen ansonsten eher Ausnahme blieb. Herder kritisierte leidenschaftlich einerseits die orthodoxe Einstellung der damals gegenwärtigen Theologie, und andererseits die abwehrende Haltung gegen seine reformerischen Schulpläne. Er polemisierte auch unter anderem in seiner Autorentätigkeit gegen das andauernde Übergewicht der Lateiner im deutschsprachigen Raum. Die folgenden Proteste veranlassten Herder dazu im Frühling 1769 seine Entlassung zu erbitten, um in Mitteleuropa eine größere Wirksamkeit entwickeln zu können.
Reisender Fürstenerzieher
Mit Hilfe einiger Freunde, namentlich seines Rigaer Verlegers J. F. Hartknoch, der ein Freimaurer und Vertrauter Hamanns, Kants und Kanters war, trat er im Mai 1769 eine Reise an, die ihn zunächst per Handelsschiff mit seinem Freund Gustav Berens nach Nantes führte (Ankunft Mitte Juli). Unterwegs entstand das Journal meiner Reise im Jahr 1769 (erst 1846 veröffentlicht). Von Nantes brach er am 4. November zur Weiterfahrt nach Paris auf. Hier pflegte er mit den Enzyklopädisten einen regen Gedankenaustausch und trat in Bekanntschaft mit d'Alembert.
Da er keine mehrjährigen Reisen auf Kosten der Freunde durchführen wollte, kam der Antrag des fürstbischöflich lübischen Hofs zu Eutin, den Erbprinzen von Holstein-Gottorp Peter Friedrich Wilhelm als Reiseprediger zu begleiten, sehr willkommen. Im Dezember 1769 reiste er über Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Hamburg nach Eutin, wo er Anfang 1770 eintraf. In Hamburg hatte er G. E. Lessing, J. J. C. Bode (1730 – 1793), J. B. Basedow (1723 – 1790), Hauptpastor J. M. Goeze (1717 – 1786) und Mathias Claudius (1740 – 1815) kennen gelernt. Im Juli reiste er von Eutin im Gefolge des Prinzen ab. Erste Stationen sind Hannover und Kassel; in Göttingen schloss er Bekanntschaft mit Heinrich Christian Boie (1740 – 1786). Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf von Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg erreicht. Bei einem Reiseaufenthalt in Darmstadt lernte Herder den Kriegsrath J. H. Merck (1741 – 1791) kennen und über ihn auch seine spätere Frau Maria Karoline Flachsland (* 28. Januar 1750 in Reichenweier/Elsass – † 15. September 1809 in Weimar), in welche er sich unversehens verliebte. Eine rasch gefasste und erwiderte Neigung nährte in Herder den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen nur über Mannheim bis Straßburg, wo es zu dem für die deutsche Literatur äußerst folgenreichen Treffen mit dem jungen Johann Wolfgang Goethe kam. Herder erbat vom Eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zu Schaumburg-Lippe angetragene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat als Nachfolger Abbts an, blieb aber dann um einer (missglückten) Augenoperation willen den Winter über in Straßburg. Das Augenleiden, eine Fistel, sollte sein Leben lang nicht auskurieren. Hier machte er Goethe auf Homer, Pindar, Ossian, Shakespeare, Hamann, und die Volksdichtung aufmerksam. Herder war die erste überlegene Persönlichkeit, die Goethe kennenlernte; seine Führung war unbarmherzig. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit L. Sterne, O. Goldsmith, J. J. Winckelmann, F. G. Klopstock, Shaftesbury, Rousseau, Voltaire und P. H. T. d'Holbach. Als Herder das Stück Goethes Gottfried von Berlichingen mit der Eisernen Hand (das noch gar nicht für die Bühne gedacht war) kritisierte, wurde er von seinem Zögling zunächst aber auch mit einer sich distanzierenden Haltung bedacht.
Haupt- und Hofprediger und Konsistorialrat in Bückeburg
Ende April 1771 trat Herder seine neue Stellung in der damalig 2000 Einwohner zählenden Haupt- und Residenzstadt der Grafschaft Schaumburg-Lippe in Bückeburg als Hofprediger an. Die prächtige lutherische Stadtkirche, im manieristischen Stil erbaut, wurde in der Folge seiner redegewandten Andachten gut besucht. Das Verhältnis zu dem durch und durch soldatischen und keinen Widerspruch duldenden Landesherrn Graf Wilhelm gestalte sich schwierig, zudem Graf Wilhelms fromme Gemahlin Maria sich Herder in herzlicher Verehrung anschloss.
Die Zeit des Bückeburger Aufenthalts war Herders eigentliche Sturm- und Drang-Periode. Die von der Berliner Akademie preisgekrönte Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ (Berlin 1772), die er noch in Straßburg begonnen hatte, eröffnete eine Reihe von Schriften, mit denen er bahnbrechend für die junge Literatur werden sollte. Herder, Goethe und Merck editierten 1772 die „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“, ein kritisches und programmatisches Organ deutscher bürgerlich-oppositioneller Intelligenz, zu dem Herder viele Rezensionen zu Geschichtsschreibung, Philosophie und Religion einbrachte. Seit 1773 zerbrach seine Freundschaft zu Merck durch Intrigen Franz Michael Leuchsenring und Mercks Indiskretion über das von Mercks vermittelte Verhältnis Herders zu Karoline.
Die Aufsätze über „Ossian und die Lieder alter Völker“, „Shakespeare“ in den fliegenden Blättern „Von deutscher Art und Kunst“ (Hamburg 1773) und der Schrift „Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblüht“ (1775 von der Berliner Akademie preisgekrönt) stellten Herder in den Mittelpunkt der Bewegung, welche eine aus dem Leben stammende und auf das Leben wirkende, echte Natur atmende Dichtung wiedergewinnen wollte. M. Claudius gab den „Wandsbecker Boten“ bis 1775 heraus bei dem Goethe, Herder und G. A. Bürger (1747 – 1794) mitwirkten. Mit der anonym erschienenen Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (o. O. [Riga] 1774) protestierte er gegen die öde und lebensferne Aufklärungsbildung der Zeit. Herder zog eine zeitweilige Sammlung von Volksliedern aus Scheu vor den tonangebenden Kritikern zurück; er entwarf „Brutus. Ein Drama zur Musik. in Musik gesetzt von dem Concertmeister Bach zu Bückeburg“, welches 1774 von Johann Christoph Friedrich Bach vertont wurde. Eine engere Freundschaft verband ihn mit Bach, der für ihn einige Kantaten schrieb. Die Berufung Herders nach Bückeburg führte zu fruchtbarer Zusammenarbeit und einer Freundschaft zwischen dem Dichter und dem Komponisten. Aus ihrem gemeinsamen Schaffen stammen die Oratorien Die Kindheit Jesu und Die Auferweckung des Lazarus (1773) sowie einige Kantaten und zwei dramatische Werke (Brutus und Philoktetes, beide 1774), wobei der kritische Herder offenbar in der engen Zusammenarbeit mit Bach seine musikästhetischen Ansichten in die Praxis umgesetzt sah. Diese Phase, die für Bach wohl die geistig anregendste Zeit in Bückeburg war, endete vorläufig 1776. Die Schrift „Alte Fabeln mit neuer Anwendung“ entstanden.
Johann Kaspar Lavaters (1741 – 1801) „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ mit kleineren Beiträgen Herders erschienen 1775 – 1778. Ab 1780 distanzierte sich Herder von Lavaters religiösem Mystizismus, Aus vergleichbaren Gründen lehnte er ebenso schließlich die Studien des Emanuel Swedenborg ab.
Generalsuperintendent in Weimar
Herder verhandelte um eine Berufung an die Universität Göttingen (wo man ihm ein Kolloquium zur Prüfung seiner angezweifelten Orthodoxie auferlegen wollte), als ihm durch Goethes Einfluss im Frühjahr 1776 der Ruf als Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an die Stadtkirche zu Weimar zuteil wurde. Nach dem Tod seiner Bückeburger Gönnerin, der Gräfin Maria, entschloss sich Herder, dem Ruf zu folgen und traf am 2. Oktober 1776 in Weimar ein. Die Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar an der Ilm hatte um 1780 ca. 6000 Einwohner (um 1800 ca. 7000) und wurde von Herder als „Marktflecken“ eingeschätzt. Es entwickelte sich ein enger Kontakt zu K. L. v. Knebel (1744 – 1834), J. A. v. Einsiedel (1754 – 1837) und Wieland (1733 – 1813), für dessen Teutschen Merkur (1773-1789) Aufsätze über Hutten, Kopernikus, Reuchlin, Savonarola, Sulzer, Winckelmann und Lessing entstanden. Für das Menschenbild dieser Zeit, die man auch mit dem Stichwort 'Neuhumanismus' umschreiben könnte, ist Winckelmann von Bedeutung. Es ist nicht von ungefähr auch an den so genannten Laokoonstreit zwischen Johann Gottfried Herder und Lessing zu denken.
Herders amtliche Stellung wie persönliche Natur verboten ihm jedoch, an dem rauschenden Karneval in den ersten Regierungsjahren Carl Augusts Anteil zu nehmen. Obschon er rühmte: „Ich bin hier allgemein beliebt, bei Hofe, Volk und Großen, der Beifall geht ins Überspannte. Ich lebe im Strudel meiner Geschäfte einsam und zurückgezogener, als ich in Bückeburg nur je gelebt habe.“ Herder fühlte sich oft von der Kleinlichkeit und Enge der Verhältnisse in Weimar gedrückt. Dennoch wirkte die veränderte Lage günstig auf ihn, und wenn er auch über mancherlei Bürden seines Amtes klagte, so nahm gleichwohl seine literarische Produktivität einen gewaltigen Aufschwung. Der Prozess, mit dem sich die hervorragendsten Repräsentanten des Sturm und Dranges in die Protagonisten der deutschen klassischen Literatur verwandelten, nahm bei Herder zu Ausgang der 1770er Jahre seinen Anfang. Die Abhandlung „Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume“ (Riga 1778), die „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum“ (Riga 1778) und die Herausgabe der „Lieder der Liebe“, mit einer darin enthaltenen Übersetzung des Hohenliedes Salomons (Leipzig 1778) sowie der längst vorbereiteten „Volkslieder“ (erst 1807 von dem Schweizer Geschichtsschreiber und Herders Freund Johannes von Müller (1752 – 1809; älterer Bruder von Johann Georg Müller) „Stimmen der Völker in Liedern“ betitelt, Leipzig 1778-79) waren seine ersten Publikationen in Weimar. Die von der Bayerische Akademie der Wissenschaften preisgekrönte Abhandlung „über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten“ (1778; 1781 veröffentlicht) galt erneut dem Nachweis, dass echte Poesie die Sprache der Sinne, und ihre Wirkung allgemein und im höchsten Grad natürlich sei. Diese Wahrheit sollten auch die mit umfassender Kenntnis ausgewählten, lebendig nach- und anempfundenen „Volkslieder“ weiten Kreisen zum Bewusstsein bringen.
Freundschaft mit Goethe
Einen positiven Einfluss hatte seit den ersten 1780er Jahren das wiederhergestellte innige Verhältnis Herders und seines Hauses zu Goethe. Herder trat in einen regen Gedankenaustausch zu dem fünf Jahre jüngeren Freund. 1911 legte der Germanist Günther Jacoby eine seiner Untersuchungen über Herder vor, welche anhand von umfangreichen und nachvollziehbaren Textvergleichen darzulegen versuchte, dass Goethe als Vorbild bei seinem Faustdrama, insbesondere beim Urfaust (entstanden bereits in den Jahren zwischen 1772 und 1775), aber auch beim später ausgearbeiteten Faust I und II, Herder im Sinn hatte. Im Gegenzug steigerte sich Herders Gefühl seinerseits für Schönheit und Klarheit des Vortrags und sein poetisches Ausdrucksvermögen durch den reinen Formensinn Goethes. In seinem Familienleben wurde Herder durch die dauernde Liebe seiner Frau und die sich erfreulich entwickelnden Kinder beglückt. Freilich brachten auch die Sorgen um die Bildung und Zukunft dieser Kinder, eine gewisse Großartigkeit seines Naturells, welche mit den nicht dürftigen, aber mäßigen Einnahmen nie völlig in Harmonie kam, und mancherlei Krankheiten Herders, für welche er schon seit 1777 auf Badereisen Erholung zu suchen hatte, dunkle Stunden und Tage auch in diese lichtesten Jahre von Herders Leben. 1780 wurde seine Schrift „Vom Einfluss der Regierung auf die Wissenschaften und der Wissenschaften auf die Regierung“ in Berlin preisgekrönt und publiziert. In ebendiesen 1780er Jahren entstand beinahe alles, was Herders Wirken durch innere Reife und äußere Vollendung bleibende Nachwirkung sicherte. In dieser Zeit fand er auch einen bleibenden Freund in dem noch katholischen Carl Leonhard Reinhold, der sich jedoch durch Herders Anregung und Aufsicht bei der anschließenden Durchführung der Konversion 1784 in Weimar zum protestantischen Glauben hinreißen ließ. Bezogen sich die „Briefe, das Studium der Theologie betreffend“ (Weimar 1780-81, 4 Teile) und eine Reihe von vorzüglichen Predigten auf Herders Amt und nächsten Beruf, so leitete das große, leider unvollendet gebliebene Werk „Vom Geiste der Ebräischen Poesie“ (Dessau 1782-83, 2 Teile) von der Theologie zur Poesie und Literatur hinüber. Aus der tiefsten Mit-Empfindung für die Naturgewalt, die Frömmigkeit und eigenartige Schönheit der hebräischen Dichtung entstand ein Werk, von welchem Herders Biograph Rudolf Haym mit Recht rühmte, dass es „für Kunde und Verständnis des Orients Ähnliches geleistet wie Winckelmanns Schriften für das Kunststudium und die Archäologie“. Herder war zwar ein Liebhaber des alten häbrischen Volkes, aber er beanstandete verschiedentlich im despektierlichem Ton das Verhalten der Juden. Ähnliche Tendenzen sind auch in Bezug auf Goethes Verhältnis zu Juden und dem Judentum zu erkennen; bei Goethe lässt sich auch hier ablesen, dass in 'seiner Brust zwei Seelen wohnten' und er äußerte sich nicht eindeutig zu diesem komplexen Thema. Herder sei sehr wohl „ein Freund der Hebräer“, aber „im protestantischen Talar“, drückt sich der Publizist Klaus L. Berghahn (Lit. s. u.) aus, denn für die Juden seiner Zeit hatte er nicht viel Verständnis aufbringen können. Er hielt sie für verderbt und ehrlos und glaubte, dass man sie nur durch Erziehung bessern könne. Mit dieser Meinung stand er jedoch nicht allein da, denn nicht wenige Aufklärer forderten die Selbstaufgabe des Judentums und den Übertritt der Juden zum Christentum. Mendelssohns Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften auf Vorschlag von Herder soll am Widerstand Friedrichs II. mit Rekurs auf Mendelssohns Religion gescheitert sein.
1783 reiste Herder nach Hamburg und lernte Klopstock (1724 – 1803) kennen, besuchte Claudius, Karl Wilhelm Jerusalem (1709 – 1789) in Braunschweig und Gleim in Halberstadt; zu Friedrich Heinrich Jacobi (1743 – 1819) entwickelte sich eine Freundschaft. Goethes Gedanken über eine organische Entwicklung in der Naturgeschichte kamen seinen Vorstellungen sehr nahe. Die alte Freundschaft zu ihm, die in ihrer Beziehung dauernd schwankte, wurde wieder intensieviert, diesmal allerdings auf gleicher Ebene – Goethe musste nun von Herder als ebenbürtig anerkannt werden; die alten Freunde Goethes, Merck und Lavater, dagegen mussten weichen. 1785 begann Herder die Herausgabe seines großen Hauptwerkes, der „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (Riga 1784-91, 4 Bände), die endliche Ausführung eines Lieblingsplans, die breitere Ausführung von Gedanken, welche er längst in kleinern Schriften in die Welt gesandt hatte, und wiederum die energische Zusammenfassung alles dessen, was er über Natur und Menschenleben, die kosmische Bedeutung der Erde, über die Aufgabe des sie bewohnenden Menschen, „dessen einziger Daseinszweck auf Bildung der Humanität gerichtet ist, der alle niedrigen Bedürfnisse der Erde nur dienen und selbst zu ihr führen sollen“, was er über Sprachen und Sitten, über Religion und Poesie, über Wesen und Entwicklung der Künste und Wissenschaften, über Völkerbildungen und historische Vorgänge gedacht und (wie seine Gegner erinnerten) geträumt hatte. Die Aufnahme des Werkes entsprach dem großen Verdienst desselben. Das Ziel der Bildung ist die menschliche Vervollkommnung. Diese Idee der Erziehung findet sich in Herders Ideen... und unter anderem auch bei Johann Heinrich Pestalozzi (Abendstunde eines Einsiedlers), Schiller, Goethe (Wilhelm Meister) und Immanuel Kant (Über Pädagogik). Gleichzeitig veröffentlichte Herder die nach den verschiedensten Richtungen bedeutende Sammlung seiner „Zerstreuten Blätter“ (Gotha 1785-97, 6 Teile), in welcher eine Reihe der schönsten Abhandlungen und poetischen Übersetzungen die Geistesfülle und sittliche Grazie des Schriftstellers in herzgewinnender Weise offenbarte. Im Jahr 1787 wurde er Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und es erschien Herders Schrift „Gott. Einige Gespräche“, die eine Auslegung und Verteidigung Spinozas ist. Des weiteren verfasste er ein „Buchstaben- und Lesebuch“.
Italienreise, Zerwürfnis mit Goethe
Eine Zäsur bildete Herders Italienreise in den Jahren 1788-1789. Ab dem 6. August begleitete Herder den Domherrn zu Trier, Worms und Speyer Johann Friedrich Hugo von Dahlberg auf seiner Reise. Seine (ihm oft im Umgang schädliche) hypochondrische Reizbarkeit und mancherlei ungünstige Zufälle wirkten zusammen, ihn eigentlich nur in Neapel zum Vollgenuss dieser Reise kommen zu lassen. In Rom fand er Anschluss an die Gesellschaft der gleichfalls dort weilenden Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach und schloss eine herzliche Freundschaft mit Angelika Kauffmann (1741 – 1807). Überdies trat er mit J. H. W. Tischbein (1751 – 1829) und Heinrich Meyer (1760 – 1832) in Bekanntschaft, die ihn durch Rom führten. Herder empfing bleibende Eindrücke, die vielleicht noch günstiger gewirkt hätten, wenn ihn nicht in Italien eine abermalige verheißende Berufung nach Göttingen erreicht und die Frage des Gehens oder Bleibens in Weimar ihn während der Rückreise gequält hätte. Die Rückkehr trat er im Mai an und führte ihn über Florenz, Venedig und Mailand. Goethe wirkte für Herders Bleiben in Weimar und konnte im Einverständnis mit dem Herzog Tilgung der Herderschen Schulden, Gehaltsverbesserungen und mancherlei tröstliche Verheißungen für die Zukunft bieten. Herder ließ sich nur widerwillig zum Bleiben bestimmen, und beide sollten dieser Entscheidung nur kurz sehr froh werden. Die materiellen Sorgen im Herderschen Haus milderten sich nur vorübergehend, und seine Ansprüche, welche Herder und seine Gattin auf Grund der Abmachungen von 1789 erhoben, führten zu einem unheilbaren Bruch mit Goethe. Dieser schockierte die weimarer Gesellschaft durch die Sinnlichkeit der Römischen Elegien. Verständnis hierfür fand Goethe allerdings bei dem sonst so strengen Herder. 1792 erschien Herders Aufsatz „Über ein morgenländisches Drama“, welcher eine begeisterte Reaktion auf Johann Georg Adam Forsters (1754 – 1794) „Sakontala“ war. Herders körperliche Leiden beeinträchtigten seine Arbeitskraft zusätzlich; der fünfte Teil der „Ideen“ blieb ungeschrieben, und bereits die „Briefe zur Beförderung der Humanität“ (Riga 1793-97, 10 Sammlungen) trugen die Farbe eines verdüsterten Geistes. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zur klassischen Kunst Schillers und Goethes fand, verschärfte Herder nun gewaltsam und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten mehr und mehr hervortreten. Er lernt den jungen Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (Novalis) kennen, welcher sich später, um 1798, für die Idee begeisterte, eine Gründung eines kosmopolitischen, republikanischen Ordens voranzutreiben. Zu Beginn der Französischen Revolution hatte Herder offenkundig seine Sympathien für diese Gesellschaftsumstrukturierung bekundet, änderte jedoch spätestens mit den Septembermorden 1792 seine Ansicht. Herder hatte mehrmals in einer Form von Selbstzensur und wegen offenbaren Drucks von oben seine „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ umgearbeitet. 1797 beseitigte Goethe den frühen Briefwechsel mit Herder in einem Autodafé. Die bürgerliche und plebejische Opposition (besonders in Süddeutschland) erhielt durch die anrückenden Franzosen Auftrieb. Die Erwartung der revolutionären Demokraten wurden jedoch durch Frankreich nicht erfüllt. 1799 errichtete Napoléon Bonaparte im Interesse der Großbourgeoisie die Militärdiktatur.
Spätwerk
Friedrich Schack Trendelenburg und Johann Friedrich Bohn waren die Verleger Herders „Terpsichore“ (1795). Trendelenburg war der letzte Schüler Karl Leonhard Reinholds und September (?) 1794 in Weimar gewesen. Die „Terpsichore“ erschien anonym und erinnerte an den vergessenen Dichter Jakob Balde. Herders „Christliche Schriften“ (1796-1799, 5 Sammlungen), in denen das Gefühl für den eigentlichen Kern des Christentums Ausdruck fand oder die Aufsätze für Schillers „Horen“ bewährten den alten Herderschen Geist. Aber voll Bitterkeit und mit unzulänglichen Waffen bekämpfte Herders „Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft“ (1799, 2 Teile) und die „Kalligone“ (1800) die Philosophie Kants, voll absichtlicher Verkennung richtete seine „Adrastea“ (das. 1801-1803, 6 Teile) ihre Spitzen gegen die Dichtung Goethes und Schillers. Er sah früh voraus, dass diese den ganzen Ruhm davontragen würden und bezeichnete sich selbst bald als „dürrer Baum und verlechzte Quelle“, bald als „Packesel und blindes Mühlenpferd.“ In einer Zeit der wirtschaftlichen Not erschien „Iduna oder Der Apfel der Verjüngung“ als ein Beitrag der „Horen“, welcher Schiller zum Widerspruch reizte. Es entwickelte sich eine Freundschaft zu Jean Paul, der ihn in der Zeit 1798 bis 1800 häufig besuchte. In den Sommern 1802 und 1803 suchte er Heilung in den Bädern von Aachen und am Egerbrunnen, im Herbst des letztgenannten Jahrs erfolgte ein neuer heftiger Anfall, dem Herder am 18. Dezember 1803 erlag. Letzte Kräfte waren in die „Legenden“, die Übertragung der Romanzen „Der Cid“ und die dramatischen Gedichte „Der gefesselte Prometheus“ und „Admetus' Haus“ geflossen. Die Annahme eines ihm vom Kurfürsten von Bayern 1802 verliehenen Adelsdiploms, wodurch sein Sohn der Grundbesitz erhalten blieb, und die Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums kamen zu spät um Herder frischen Lebensmut zurückzugeben.
Die Familie
Herders Gattin Maria Karoline Flachsland, * 28. Januar 1750 in Reichenweier im Elsass, lebte nach ihres Vaters Tod bei der Schwester in Darmstadt, wo sie Herder kennen lernte, der sich am 2. Mai 1773 mit ihr verheiratete. Nach Herders Tod ordnete sie dessen literarischen Nachlass und schrieb: „Erinnerungen aus dem Leben Herders“ (hrsg. von J. G. Müller, Stuttgart 1820, 2 Bände.; neue Ausg. 1830, 3 Bände). Sie starb am 15. September 1809 in Weimar.
Der älteste Sohn, Wilhelm Gottfried von Herder, * 28. August 1774 in Bückeburg, studierte in Jena Medizin, wurde 1800 Provinzialakkoucheur und 1805 Hofmedikus in Weimar, wo er am 11. Mai 1806 an den Folgen einer Typhusinfektion starb. Er schrieb: „Zur Erweiterung der Geburtshilfe“ (Leipzig 1803) und nahm teil an der Herausgabe der Werke seines Vaters.
Der zweite 1776 noch in Bückeburg geborene Sohn Sigismund August Wolfgang von Herder wurde sächsischer Oberberghauptmann und war ein bedeutender Geologe. Freund des Dichters und Philosophen Novalis, welcher ein Studium der Bergwissenschaften in Freiberg führte und Salinenassessor in Weißenfels war.
Der dritte Sohn, Wilhelm Ludwig Ernst von Herder, wurde am 12. Februar 1778 schon in Weimar geboren, wurde Kaufmann und ließ sich für viele Jahre in St. Petersburg nieder. Er starb 1842 in Heidelberg.
Am 25. August 1779 (Johann Gottfried Herders Geburtstag) wurde Karl Emil Adelbert geboren. Er kaufte später das Gut Stachesried in Bayern. Allerdings war der Besitz dieses Gutes bald gefährdet. In Bayern hatte in dieser Zeit jeder Adelige das Recht, einem bürgerlichen Käufer, der ein Gut erwarb, dies im ersten Jahr nach dem Kauf zum Einstandspreis wieder abzunehmen. Freiherr von Voelderndorff drohte von diesem Recht Gebrauch zu machen. Um diese Gefahr abzuwenden, ersuchte sein Vater beim bayrischen Kurfürsten um die Nobilitierung nach, die dann auch erfolgte.
Am 23.April 1781 wurde Luise Theodore Emilie geboren. Sie heiratete Constantin Stichling nachdem dessen erste Frau Juliane, eine Tochter Wielands, gestorben war. Ein Sohn Luises und damit Enkel Herders war der ehemalige weimarsche Staatsminister Stichling.
Der am 01.06.1783 in Weimar geborene Emil Ernst Gottfried von Herder war bis 1839 bei der Regierung für Schwaben und Neuburg tätig und starb als bayerischer Oberforst- und Regierungsrat am 27. Februar 1855 in Erlangen. Er gab in „Herders Lebensbild“ (Erlangen 1846-47, 24 Bände) eine liebevolle Darstellung des Lebens und Wirkens seines Vaters.
Am 21. August 1790 wurde schließlich mit Rinaldo Herders jüngstes Kind geboren.
Herders Illuminatenmitgliedschaft
Johann Gottfried von Herder war eines der bislang rund 1500 ermittelten Mitglieder der sogenannten bayrischen Illuminaten. In diesen Orden wurde er am 1. Juli 1783 unter dem Namen 'Damasus Pontifex' als 'Dekan' der Weimarer Illuminatenniederlassung von Bode initiiert; etwa vier Monate nach Goethes Aufnahme in den Orden (11. Februar), der am gleichen Tag wie sein Herzog Carl August affiliiert wurde.
In der Erforschung des Illuminatenordens ist ein Prtokoll vom 12. Februar 1784 von besonderer Bedeutung. Dieses Schriftstück wurde am selben Tag von den Illuminaten Adolph Freiherr Knigge (1752 – 1796) (Ordensname 'Philo Judaeus'), J. J. C. Bode ('Amilius/Aemilius/Winefried'), August Dietrich Reichsgraf von Marschall auf Burgholzhausen (1750 – 1824) ('Philostratus') und Ernst Carl Constatin von Schardt (auch Ernst Karl Konstatin von Schardt) (1744 – 1833) ('Appolonius') unterzeichnet. Zusätzlich wurde dieses Papier am folgenden Tag nur noch von Herzog Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg) (1745 – 1804) ('Quintus Severus/Timoleon'), Joachim Friedrich Ernst von der Lühe ('Cato Uticensis'), Christian Georg von Helmholdt (auch Helmolt) (1728 – 1805) ('Chrysotomus'), Goethe ('Abaris') und Herder am 13. Februar unterschrieben. Herder unterzeichnete als einziger mit seinem bürgerlichen Namen. Mit diesem Protokoll ist eine Verhandlung mit Knigge dokumentiert worden, die den Rückzug Knigges aus dem Orden beschloss. Von wissenschaftlichem Interesse sind verschiedene Interpretationen, auch von weiteren Dokumenten, die um diese Zeit von Knigges Besuch in Weimar zu diesem Anlass entstanden. Niemand weiteres aus dem Orden, ausgenommen Carl August (Ordensname 'Eschilus') und noch ein Paar 'Regenten' aus Gotha, wahrscheinlich Rudolph Zacharias Becker (1752 – 1822) ('Henricus Stephanus') und Johann Benjamin Koppe (1750 – 1791) ('Accacius/Marcus Aurelius'), sollte durch ein verbindliches Schweigegelübde, welches den Unterzeichnern auferlegt wurde, von diesen Verhandlungen etwas erfahren. Entscheidend ist, dass der Münchner 'Areopag', wie die Führungsrige der Illuminaten hieß, hiernach an einer „allgemeinen Regierung“ teilnehmen sollte, was unter anderem von einigen Forschern so gedeutet wird, dass Adam Weishaupt, der ursprüngliche Gründer des Ordens, seine absolute Führungsposition, die auf Lebensdauer ausgelegt war, im Laufe der Zeit zugunsten einer demokratisch gewählten Führung Platz machen sollte. In wie weit diese angeblichen Pläne in die Tat umgesetzt wurden, ist fraglich.
Ein öffentliches Bekenntnis durch Herder zu seiner Freimaurermitgliedschaft erfolgte außer in einigen seiner persönlichen Briefe an andere Freimaurer bekanntlich nicht. Zu dem Illuminatenorden, der keine Freimaurerorganisation war, äußerte er sich gar nicht; trotzdem beschäftigte er sich inhaltlich mit einigen Persönlichkeiten dieser Gruppierung oder stand sogar in mehr oder weniger regem Austausch zu folgenden Illuminaten:
- Johann Baptist Edler von Alxinger, Jens (Immanuel) Baggesen, Karl Friedrich Bahrdt, August Johann Georg Karl Batsch, Friedrich Wilhelm Ludwig von Beulwitz, Johann Erich Biester, Christian Friedrich Blankenburg, Alois Blumauer, Johann Joachim Christoph Bode, Johann Lorenz Böckmann, Johann Georg Wilhelm Böhmer, Carl August Böttiger, Franz Xaver Bronner, Johann Wilhelm Christian Gustav Casparson, Karl Friedrich Cramer, Carl Theodor Reichsfreiherr von Dalberg, Johann Friedrich Hugo von Dalberg, Christian Konrad Wilhelm von Dohm, Franz Karl von Eckartshausen, Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Friedrich Hildebrand Freiherr von Einsiedel (wünschte die Aufnahme in den Orden; Affiliation aber ungewiss), Herzog Ernst II von Sachsen-Gotha, Prinz August von Sachsen-Gotha-Altenburg (der Bruder des regierenden Herzog Ernst), Johann Joachim Eschenburg, Schack Hermann Ewald, Johann Georg Heinrich Feder, Daniel Fellenberg (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Ignaz Aurelius Feßler (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Johann Georg Adam Forster (Mitgliedschaft umstritten), Josef Maria Nepomuk Freiherr von und zu Fraunberg, Jakob Friedrich von Fritsch, Christian Garve, Johann Friedrich Gildemeister, Karl Heinrich Freiherr von Gleichen (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Leopold Friedrich Günther Goeckingk, Gerhard Anton Halem, Karl Ludwig von Haller, Karl August Fürst von Hardenberg-Reventlow, Arnold Hermann Ludwig Heeren (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), August Adolf Friedrich Hennings, Jakob Anton Hertl, Franz Xaver Hof(f)mann, Johann Wilhelm Graf von Hompesch (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Christoph Wilhelm Friedrich Hufeland, Isaak Iselin, Friedrich Heinrich Jacobi, Johann Friedrich Kästner, Wenzel Anton Dominik Fürst von Kaunitz-Rietberg, Leopold Franz Graf Kinigl (Künigl), Martin Gottlieb Klauer, Johann Friedrich Kleucker, Christian Gottfried Körner, Franz Michael Leuchsenring, Josef Ignaz Freiherr von Leyden auf Affing, Justus Christian Loder, Johann August Ludecus, Karl Graf Ludolf, August Dietrich Reichsgraf von Marschall, Jakob Mauvillon, Franz Xaver Mayer, Christoph Meiners, Friedrich Ernst Karl Mereau, Franz Georg Karl Joseph Johann Nepomuceus Graf Metternich-Winneburg-Beilstein Fürst zu Ochsenhausen, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer, Daniel Gotthilf Moldenhawer, Honore Gabriel Riqueti de Mirabeau, Maximilian Joseph Graf von Montgelas, (Wolfgang Amadeus Mozart [war einer von einem Illuminaten geleiteten Loge beigetreten, damit aber noch kein Illuminat]), Christian Friedrich Müller, Johannes von Müller, Friedrich Christian Karl Heinrich Münter, Johann Carl August Musäus, Christoph Friedrich Nicolai, Dietrich Heinrich Ludwig Freiherr von Ompteda, Johann Heinrich Pestalozzi, Johann Wilhelm Petersen, Heinrich August Ottokar Reichard, Carl Leonhard Reinhold, Joseph Friedrich von Retzler, Cornelius Johann Rudolph Ri(e)del, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, Georg Ernst von Rü(h)ling, Jakob Salat (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt), Karl Ernst Konstatin Freiherr von Schardt, Johann Ernst Schlegel, Johann Georg Schlosser, Friedrich Ludwig Schröder, Samuel Thomas von Soemmering, Joseph Freiherr von Sonnenfels, Anton Mathias Sprickmann, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg, Lorenz Johann Daniel Succow, Joseph Benedikt Wilhelm Graf von Thurn-Valassina, Christian Gottlob von Voigt, Paul Joachim Sigmund Vogel, Johann Joseph Maria Graf von Wilczek, Johann Jakob von Willemer, Johann Georg Ritter von Zimmermann (Illuminatenmitgliedschaft nicht sicher belegt).
Würdigung und Nachwirkung
Mannigfach rätsel- und widerspruchsvoll, ungleicher in seinen Leistungen als seine großen Zeitgenossen, aber unvergleichlich reich, vielseitig, voll höchsten Schwunges und schärfster Einsicht, eine Fülle geistigen Lebens in sich tragend und um sich erweckend, steht Herder in der deutschen Literatur. In der großen Umbildung des deutschen Lebens am Ende des 18. Jahrhunderts hat er mächtiger und entscheidender eingegriffen als andere - und die Spuren seines Geistes lassen sich in der Literatur im engeren Sinn, in Fachwissenschaften und Spezialzweigen, die aus seinen Anregungen hervorgegangen sind, überall nachweisen. Der verschwenderische Überreichtum seiner Gedanken, die Genialität seiner Einsichten und die wunderbarste Einfühlung für das echt Poetische offenbaren sich in beinahe allen seinen Werken; die Forderung der „Humanität“, der Heranbildung und Läuterung zum vergöttlichten Menschlichen, einem Lebens- und Bildungsideal, dem noch ganze Jahrhunderte nachringen können, ist der durchgehende Grundgedanke in der Vielheit und Mannigfaltigkeit seiner Schriften. Bei allen seinen Gaben schwankte seine künstlerische Gestaltungskraft, so dass er als Dichter nur in einzelnen glücklichen Momenten und auf dem Gebiet der didaktischen Poesie zu wirken vermochte. Die Verbindung seines eigenen ethischen Pathos mit Stimmungen und Gefühlen, welche ihm aus der Dichtung der verschiedensten Zeiten und Völker aufgingen, war nie ohne Reiz; sein Verdienst als poetischer Übersetzer, als Aneigner und Erläuterer fremden poetischen Volksgeistes kann kaum zu hoch angeschlagen werden. Nicht unterschätzt werden darf der Vorwurf, dass ausgehend von der generellen Annahme – die Herder, der Ethnologe, nur im Frühwerk vertrat, wie auch seinen Nationalstolz –, dass nämlich die menschlichen Rassen feststehende und unveränderbare Merkmale aufwiesen, wie dies etwa auch von Kant und Hegel postuliert wurde, sich der moderne Rassismus entwickelt habe. Herder erklärte z. B. die Kunst als Welt- und Völkergabe und nicht als Privileg einzelner „bevorzugter Geister“. Den Machiavellismus bezeichnete er im 58. Humanitätsbrief als skrupellose Machtpolitik (z. B. Machiavellismus Jesuiticus...).
Die große Zahl von Herders poetischen Übertragengen aus den verschiedensten Sprachen, ihre Auswahl und die Resultate, welche Herder jedes mal aus ihnen zog, haben einer allgemeinen, über die „Gelehrtengeschichte“ der vorausgegangenen akademischen Perioden hinauswachsenden Literaturgeschichte den Boden bereitet. Neben den „Stimmen der Völker in Liedern“, dem „Cid“, den Epigrammen aus der griechischem Anthologie, den Lehrsprüchen aus Sadis „Rosengarten“ und der ganzen Reihe anderer Dichtungen und poetischer Vorstellungen, welche Herders anempfindender Geist für die deutsche Literatur gewann, stehen jene morgenländischen Erzählungen, jene Paramythien und Fabeln, die Herder im Wiedererzählen benutzte, Momente seiner eigenen sittlichen Anschauung, seiner Humanitätslehre beizugesellen, und die hierdurch wieder durch ihre Vortragsweise zu seinem geistigen Eigentum werden. Höher aber als der Dichter steht überall der Prosaiker Herder, der große Kulturhistoriker, Religionsphilosoph, philosophische Anthropologe und der feinsinnige Ästhetiker (Vgl.: Herders Ästhetik), der im Sinn Lessings und doch in völlig anderer Erscheinung produktive Kritiker, der glänzende Essayist, der gehaltreiche und in der Form anmutvolle Prediger und Redner. Es ist Herders eigenstes Missgeschick gewesen, dass die großen Resultate seines Erkennens und Strebens rasch zum Gemeingut der Bildung, seine Anschauungen zu Allgemeinanschauungen wurden, so dass es erst der historischen und kritischen Zurückweisung auf die Genialität, die seelische Tiefe und den verschwenderischen Gedankenreichtum der Herderschen Schriften bedurfte, um das größere Publikum zu denselben zurückzuführen. Der junge Rudolf Steiner entwickelte einen an Goethe, Herder und Hegel aber auch Friedrich Nietzsche, Max Stirner und Ernst Haeckel geschulten „ontologischen Monismus“, der die Möglichkeit wirklichkeitsgemäßer Erkenntnis durch die Vereinigung von Begriff und Wahrnehmung darlegen sollte.
- Als Theologe erwarb er sich großes Verdienst um eine geistige, von dem Buchstaben des Dogmas freie Auffassung des Christentums; der Heiligen Schrift widmete er literarhistorische und historisch-antiquarische Studien, die sie aus ihrer Zeit und ihrem Volke verstehen lehrten [...].
- Brockhaus (1908), Bd.9, S. 33 (normalisiert und in seiner - nach 1900 konventionellen - Beurteilung der Gestaltungskraft Herders abgemildert)
Eine der bleibenden Leistungen Herders war die zuerst in seiner Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit formulierte Erkenntnis, dass die Mächte der Geschichte wie Nationen, Epochen u. a. jeweils ihren eigenen Wert in sich tragen und unabhängig von der Gegenwart des Betrachters beurteilt werden müssen. Die im Zeitalter der Aufklärung bedeutende Idee der Toleranz wurde damit von Herder auf andere Völker und Geschichtsepochen angewandt. In der Literaturgeschichte führte ihn seine Erkenntnis zu dem viel zitierten Ausspruch über Shakespeare, in Griechenland sei ein Drama entstanden, wie es im Norden nicht hätte entstehen können. Herder legte damit den Grundstein zum Historismus. Die ersten, die eine Geschichtsphilosophie entwickeln, sind die Vertreter des deutschen Idealismus Johann Gottfried Herder und Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling.
Ihm zu Ehren wurde seine Büste in der Walhalla aufgestellt. Vor der Stadtkirche zu Weimar wurde ihm 1850 ein ehernes Standbild (modelliert von Ludwig Schaller) errichtet, welches am 25. August enthüllt und zu welcher Gelegenheit Franz Liszt Szenen aus Herders Drama „Der entfesselte Prometheus“ vertonte. Dieses Ehrenmal ist das erste in Weimar gewesen, welches an einen Klassiker erinnert. Der Platz vor der Kirche, die im Februar 1945 teilweise zerstört und unter anderem mit dem Geld von Thomas Mann 1953, welches er für den Goethe-Nationalpreis der DDR erhalten und hierfür gespendet hatte, wiederaufgebaut wurde, ist nach Herder benannt. Innerhalb der Kirche befindet sich neben den drei Glocken, welche seit 1922 „Luther – Bach – Herder“ genannt werden, seine Beerdigungsstätte, und enthält seit 1819 die von der Berliner Preußischen Eisengießerei produzierte Grabplatte, welches ein geheimnisvolles, antik-mystisch-gnostisches Symbol der Ewigkeit, eine Schlange, welche sich in den Schwanz beißt (Ouroboros), schmückkt und seinem Petschaft nachgestaltet ist. In der Mitte der Schlange sind die Zeichen Alpha und Omega zu sehen, weil die Offenbarung des Johannes sein Lieblingswerk der Bibel gewesen ist (Johannes: 22,13: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ziel.“). An der Innenseite der Schlange steht der der luzide Wahlspruch Herders, der sich auch auf seinem Siegel befand: „Licht – Liebe – Leben“ (Johannes-Evangelium 8,12, Erster Johannesbrief 2,10; 4,16).
Die evangelische Kirche ehrte ihn, indem sie 1882 in ihr Gesangbuch einen Epiphanias-Choral nach seinem Poem „Du aller Sterne Schöpfer Licht“ aufnahm, der sich leicht verändert in der Stammausgabe des 'Evangelischen Gesangbuches' von 1994 unter der Nummer 74 finden lässt. Im Zuge der Romantik war es Herder, der eine intensive Auseinandersetzung mit der Folkloristik empfahl. So beschäftigten sich u.a. Ludwig Achim von Arnim sowie Clemens Brentano mit Volksliedern und die Brüder Grimm, wesentlich von ihm beeinflusst, mit Märchen und Sagen. Ganz im Sinne Herders beschränkten die letzteren sich dabei nicht auf deutschsprachige Urkunden. Englische, schottische und irische Quellen waren bereits in Mode; sie dehnten ihren Arbeitsbereich auf Skandinavien, Finnland, die Niederlande, Spanien und Serbien aus. Herder schrieb sehr kunstvoll im grammatisch-rhetorischen Stil, die viele Anakoluthe, Aposiopesen, Brachylogien, Chiasmen, Hendiadyoine, Oxymora und Hystera-Protera enthielt. Er war ein Meister der „Neologismen“ – viele seiner Wortschöpfungen sind „anonym“ geworden, denn kaum jemand weiß mehr, dass sie von Herder stammen. Er prägte Worte wie: „Volkslied“ (worauf Ulrich Grober hinweist) - der deutsche Begriff „Volkslied“, als Übersetzung der englischen Bezeichnung „popular song“, stammt aus seiner 1773 erschienenen Rezension über eine 1765 in England erschienene Sammlung von englischen und schottischen Balladen – „Zeitgeist“ (so Michael Zaremba bei seinem Festvortrag am 31. Oktober 2003 in der Weimarer Herderkirche) oder „Weltmarkt“ (s.: Manfred Koch, Weltliteratur. Eine Übersetzernation erhebt den Anspruch auf Universalität. Vortrag auf dem Themenkongress der Evangelischen Akdemie Thüringen zum 200. Todestag von Johann Gottfried Herder in Kooperation mit der kulturstadt weimar GmbH vom 13. – 16. November 2003 ([1]). Der Begriff „Elbflorenz“ ist ebenfalls eng mit ihm verknüpft, und über die „Einbildungskraft“ (vgl.: Vorstellungskraft) führte er bahnbrechende Dispute mit Kant, zudem postulierte er eine „genetische Kraft“, welche unabhängig von der Rasse der Menschen und der Zeit existieren sollte; als moderner Denker war er „gegen Erbregierungen“, und damit ist er „für die Produktivkräfte würde man, sozusagen, altdeutsch, marxistisch sagen“ (Zitat: siehe den Kultur- und Literaturkritiker Professor Georg Bollenbeck zum 200. Todestag von Herder im Deutschlandfunk (DLF) (Kultur Heute) am 18. Dezember 2003, Die Geburt der Kulturkritik aus dem Geiste Herders:). Lange vor Wilhelm Dilthey entsteht schon so etwas, wie der Gedanke vom „geschichtlichen Wesen“; „die neuere Ethnologie, die neuere Kulturanthropologie, die neuere Kulturwissenschaft, das, was man cultural turn [vgl.: englischsprachigen Wikipedia-Artikel: cultural turn] nennt, [ist] ohne Herder überhaupt nicht denkbar [...]. Das hat zwei Gründe, einmal die Bedingtheit über Klima, Milieu, Volk und zum Zweiten, und das ist wichtig, dass Herder die Völker alle gleich gelten lässt, das ist entscheidend. Heine sagt, für Herder sind die Völker wie eine Harfe, wie die Saiten an einer Harfe und die Harfe spielt Gott“ (Quelle: DLF, G. Bollenbeck). Wolfgang Thierse sagte: „Die deutsche Kulturnation - das war einmal ein schönes großes Wort, das die Herzen höher schlagen ließ. Und da ich die Einwände schon ahne, möchte ich hinzufügen: es war auch ein unschuldiges Wort. Was man später die "deutsche Kulturnation" genannt hat, das ist mit Friedrich Schiller verbunden, wenn auch ohne sein aktives Zutun, und viel mehr noch mit seinem Zeitgenossen und Weimarer Mitbürger Johann Gottfried Herder“ (Deutschlandradio (DLR), Kulur, Signale am 3. April 2005 in: Die Kulturnation „Von Schiller lernen?“ ([2]).
Zitate zum "Humanitäts"-Begriff
- „(...) Betrachten wir die Menschheit, wie wir sie kennen, nach den Gesetzen, die in ihr liegen, so kennen wir nichts Höheres, als Humanität im Menschen; denn selbst wenn wir uns Engel oder Götter denken, denken wir sie uns nur als idealistische, höhere Menschen.“
- „Ich wünschte, daß ich in das Wort Humanität alles fassen könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung zur Vernunft und Freiheit, zu feineren Sinnen und Trieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zur Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe; denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als Er selbst ist, in dem das Bild des Schöpfers unserer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte, abgedrückt lebt. (...)“
- Einer der zentralen Begriffe im Zusammenhang mit Herder ist die Humanität, das „Streben nach der ursprünglichen Einheit des Menschengeschlechtes“ (Hans Dietrich Irmscher im Kölner Stadtanzeiger vom 25. August 1994).
- "Für Johann Gottfried war jegliche Enge auf religiösem Gebiet völlig undenkbar, durch seinen ganzheitlichen geschichtlichen Tiefblick war die Freiheit mit seinem Begriff der Religion nicht nur vereinbar, sondern förmlich notwendig und unvermeidbar." (Robert Matthees: Johann Gottfried Herder. Versuch einer Biografie.)
Editionsgeschichte
Johann Gottfried von Herders (1744-1803) "Sämtliche Werke" erschienen zuerst in einer von J. Georg Müller, Johannes von Müller und Heyne unter Mitwirkung von Herders Witwe und Sohn publizierten Ausgabe.
Die Entfremdung des Publikums veranlasste die "Ausgewählten Werke" in einem Band (Stuttgart 1844), "Geist aus Herders Werken" (Berlin 1826, 6 Bände), "Ausgewählte Werke" (hrsg. von H. Kurz, Hildbnrgh. 1871, 4 Bände), "Ausgewählte Werke" (hrsg. von Ad. Stern, Leipzig 1881, 3 Bände).
Nach Vollständigkeit strebten erneut die Ausgabe in der Hempelschen "Nationalbibliothek" (Berlin 1869-79, 24 Teile, mit Biographie von Düntzer) und die große kritische, von Suphan geleitete Ausgabe von "Herders Werken" (das. 1877 bis 1887, 32 Bände), eine Musterarbeit ersten Ranges, ein Zeugnis höchster Pietät, Gewissenhaftigkeit und kritischer Sorgfalt. Auf Grund der letztern Ausgabe gaben Suphan und Redlich "Herders ausgewählte Werke" (Berlin 1884 ff.) in 9 Bänden heraus.
Eine gekrönte Preisschrift Herders: "Denkmal Johann Winckelmanns", von 1778 gab Alb. Duncker (Kassel 1882) heraus.
Sammlungen von Briefen Herders veröffentlichen Düntzer und F. G. v. Herder in den Werken: "Aus Herders Nachlaß" (Frankfurt 1856-57 3 Bände), "Herders Briefwechsel mit seiner Braut" (das. 1858), "Herders Reise nach Italien" (Gießen 1859) und "Von und an Herder" (Leipzig 1861-62, 3 Bände) Vgl. auch Suphan, Goethe und Herder ("Preußische Jahrbücher" 1878).
Ein sehr reichhaltiger literarischer Nachlass Herders kaufte die königliche Bibliothek in Berlin an, die von Suphan und seinem Mitarbeitern bei der kritischen Ausgabe wahrscheinlich genutzt wurde.
Von biographisch-kritischen Schriften über Herder ist außer dem von seiner Gattin gesammelten "Erinnerungen" (siehe unten) und dem von seinem Sohn Emil Gottsried von Herder verfassten "Lebensbild" (Erlangen 1846-47, 3 Bände.) das biographische Hauptwerk zu erwähnen, das alle frühern Versuche weit hinter sich lässt: R. Haym, Herder nach seinem Leben und seinen Werken (Berl. 1880 bis 1885, 2 Bde.), eine Meisterleistung streng fachlicher und zugleich liebevoller Lebensdarstellung und Beurteilung. Vgl. außerdem Werner, Herder als Theologe (Berl. 1871)
Werke
- Fragmente über die neuere deutsche Literatur, Riga 1766-67.
- Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772)
- Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter (1773)
- Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker (1773) (hier und später vertrat Herder hartnäckig die vermeintliche Echtheit dieser „schottischen“ Dichtkunst; vgl.: James McPherson (1736 – 1796))
- Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken (1778/79 Erst in der 2. Auflage 1807 unter dem Titel Stimmen der Völker in Liedern )
- Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (4 Teile 1784/91)
- Briefe zur Beförderung der Humanität; zehn Sammlungen (1791-1797)
- Terpsichore, Lübeck 1795
- Christliche Schriften, Riga 1796-1799, 5 Sammlungen.
- Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1799, 2 Teile.
- Kalligone, Leipzig 1800.
Literatur
- Michael Zaremba: Johann Gottfried Herder - Prediger der Humanität (2002); Biografie, die erstmals Herders gesamten Briefwechsel berücksichtigt, aber die Illuminatenmitgliedschaft verschweigt; ISBN 3-412-03402-9
- Herder, 1) Johann Gottfried von, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888/89, Bd. 8, S. 413 ff.
- Jens Heise: Johann Gottfried Herder zur Einführung, Hamburg: Junius, 1998, ISBN 3885069741
- Rolf Engert: Herder. 13 Vorlesungen (2004); ISBN 3-933287-56-1
- Ralf Simon: Das Gedächtnis der Interpretation. Gedächtnistheorie als Fundament für Hermeneutik, Ästhetik und Interpretation bei Johann Gottfried Herder, Hamburg: Meiner, 1998.
- Jürgen Brummack: Herders Polemik gegen die 'Aufklärung', in: Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. v. Jochen Schmidt, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1989, S. 277-293.
- Hans Adler: Weltliteratur - Nationalliteratur - Volksliteratur. Johann Gottfried Herders Vermittlungsversuch als kulturpolitische Idee, in: Nationen und Kulturen. Zum 250. Geburtstag Johann Gottfried Herders, hrsg. v. Regine Otto, Würzburg: Königshausen & Neumann, 1996, S. 271-284.
- Franz-Josef Deiters: Das Volk als Autor? Der Ursprung einer kulturgeschichtlichen Fiktion im Werk Johann Gottfried Herders, in: Autorschaft. Positionen und Revisionen. DFG-Symposion 2001, hrsg. v. Heinrich Detering, Stuttgart u. Weimar: Metzler, 2002, S. 181-201; ISBN 3-476-01850-4
- Franz-Josef Deiters: '... über Einem Brette, auf offnem allweiten Meere...'. Johann Gottfried Herders Konzept der Dichtung als Medium der kulturellen Identität und das Problem einer hermeneutischen Kulturanthropologie, in: Estudios Filológicos Alemanes 8, hrsg. v. Fernando Magallanes Latas, Sevilla 2005, S. 155-168; ISSN 1578-9438
- Gerhardt, Peter von und Schauer, Hans: Johann Gottfried Herder - seine Vorfahren und seine Nachkommen; Leipzig 1930.
- Günther Jacoby, Herder als Faust, Verlag von Felix Meiner, Leipzig 1911
- Klaus L. Berghahn, Grenzen der Toleranz. Juden und Christen im Zeitalter der Aufklärung, Böhlau-Verlag, Köln 2001.(2.durchgesehen Ausgabe) ISBN 3-412-08701-7, 304 S.
Weblinks
- Vorlage:PND
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Internationale Herder-Gesellschaft
- Kommentierte Linksammlung der Unibibliothek der FU Berlin
- Herder-Portal
- Herder in W.Vocke: Daten der deutschen Literatur
- Aufsatzsammlung zu Herder im Goethezeitportal
- Herder - ein Ostpreuße; mit schöner Bilderstrecke
- Herder als Pädagoge
- Texte
- Werke von Johann Gottfried Herder im Projekt Gutenberg-DE
- Texte von Herder in der Arno-Schmidt-Referenzbibliothek der GAS (PDFs; Fraktur-Reprints)
- http://www.johann-gottfried-herder.de/downloads.html
Personendaten | |
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NAME | Herder, Johann Gottfried |
KURZBESCHREIBUNG | Dichter, Philosoph, Übersetzer und Theologe der Weimarer Klassik |
GEBURTSDATUM | 25. August 1744 |
GEBURTSORT | Mohrungen |
STERBEDATUM | 18. Dezember 1803 |
STERBEORT | Weimar |