Mittelhochdeutsche Sprache

germanische Sprache (1050–1500)
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Mittelhochdeutsch (Mhd.) ist die Bezeichnung für eine ältere Phase der deutschen Sprache etwa zwischen 1050 und 1350. Dem Mittelhochdeutschen geht das Althochdeutsche (Ahd.) (etwa 750 bis 1050) voran. Von etwa 1350 bis 1650 spricht man von Frühneuhochdeutsch (Frnhd.). Mittelhochdeutsch ist vor allem als Sprache der Literatur überliefert; der alltägliche Sprachgebrauch schlug sich noch kaum in Schriftzeugnissen nieder. Zu den bekanntesten mittelhochdeutschen Dichtungen gehören das Nibelungenlied, der "Parzival" Wolframs von Eschenbach, der "Tristan" Gottfrieds von Straßburg, die Gedichte Walthers von der Vogelweide sowie der Minnesang. Die Dialekte der Schweiz haben zahlreiche Eigenarten des Mittelhochdeutschen beibehalten (u.a. Bewahrung der mittelhochdeutschen Monophtonge und öffnender Diphtonge).

Das Mittelhochdeutsche unterscheidet sich vom Althochdeutschen insbesondere durch die Neben- bzw. Endsilbenabschwächung. Vom Neuhochdeutschen ist das Mittelhochdeutsche vor allem durch den Vokalismus der Stammsilben unterschieden; anders als das Neuhochdeutsche weist das Mittelhochdeutsche Kurzvokale in offener Tonsilbe auf, die zum Neuhochdeutschen hin durch die Dehnung in offener Tonsilbe beseitigt worden sind.

Mittelhochdeutsch bezeichnet keine Hochsprache (im Gegensatz zur Umgangssprache), sondern ist als Gegenbegriff zum Mittelniederdeutschen zu verstehen und umfasst demnach die Sprache aller mitteldeutschen (thüringisch, hessisch, rheinfränkisch) und oberdeutschen Regionen (alemannisch, bairisch). Das Mittelhochdeutsche war keine überregional einheitliche Sprache wie das Schrift-Neuhochdeutsche, sondern war ebenso wie das heute gesprochene Deutsch gekennzeichnet durch starke regionale bzw. dialektale Unterschiede. Auch eine einheitliche Orthographie gab es im Mittelalter noch nicht. Für die Textausgaben der wichtigen mittelhochdeutschen Dichtungen, für Wörterbücher und Grammatiken wird das im Wesentlichen auf Karl Lachmann zurückgehende "normalisierte Mittelhochdeutsch" oder "Normalmittelhochdeutsch" verwendet, eine Idealform des Mittelhochdeutschen, das nur einen kleinen Ausschnitt der damaligen sprachlichen Realität wiedergibt.

Die folgende Übersicht zeigt das Vokalsystem des (Normal-)Mittelhochdeutschen:

Kurzvokale: a, e, i, o, u, ä, ö, ü
Langvokale: â, ê, î, ô, û, æ, œ, iu (langes ü)
Diphthonge: ei, ie, ou, öu, uo, üe

Es ist zu beachten, dass ei als e+i (nicht ai wie im Neuhochdeutschen, sondern wie "ei" oder "ij" im Niederländischen) zu sprechen ist; ie ist nicht lang-i, sondern i+e.

Die wichtigsten Veränderungen vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen betreffen den Vokalismus:

  • Die mittelhochdeutschen Langvokale /î, iu, û/ werden zu den Diphthongen nhd. /ei, eu/äu, au/ ("nhd. Diphthongierung") - Beispiele: mîn > mein, vriunt > Freund, hûs > Haus
  • Die mittelhochdeutschen Diphthonge /ie, üe, uo/ werden zu den Langvokalen /i, ü, u/ ("nhd. Monophthongierung") - Beispiele: liep > lieb, müede > müde, bruoder > Bruder
  • Die mittelhochdeutschen Diphthonge /ei, öu, ou/ werden geöffnet zu /ei, eu/äu, au/ ("nhd. Diphthongwandel") - Beispiele: bein > Bein, böume > Bäume, boum > Baum
  • Sämtliche mittelhochdeutsche Kurzvokale /a, e, i, o, u, ä, ö, ü/ werden in offener Silbe zu den entsprechenden Langvokalen gedehnt ("Dehnung in offener Tonsilbe")

weitere Veränderungen:

  • Großschreibung von Substantiven im Neuhochdeutschen (im Mittelhochdeutschen wurden nur Namen großgeschrieben)
  • Auslautverhärtung wird im Neuhochdeutschen nur noch phonologisch wiedergegeben, jedoch nicht graphisch gekennzeichnet (bspw. mhd. tac = nhd. Tag [gesprochen wird am Ende "k"])
  • Palatalisierung = "s" vor Konsonant im Wortanfang wird zu "sch". Dies ist orthographisch immer gekennzeichnet (bspw. slichen =nhd. schleichen) außer bei "s" vor "t" bzw. "p".

Literatur

  • Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch in der Ausgabe letzter Hand. 2. Nachdruck der 3. Auflage von 1885. Mit einem Vorwort von Erwin Koller, Werner Wegstein und Norbert Richard Wolf und einem biographischen Abriß von Horst Brunner. - Stuttgart: Hirzel 1992. ISBN 3-7776-0494-1.
  • Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bände. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872-1878. - Stuttgart: Hirzel 1992. ISBN 3-7776-0488-7 und ISBN 3-7776-0487-9
  • Kurt Gärtner u.a.: Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz. Mit rückläufigem Index. - Stuttgart: Hirzel 1992. ISBN 3-7776-0490-9 und ISBN 3-7776-0489-5
  • G. F. Benecke, W. Müller, F. Zarcke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 4 Bde. 3. Nachdruckauflage der Ausgabe Leipzig 1854-66. - Hildesheim: Olms 1986. ISBN 3-487-05372-1
  • Hilkert Weddige: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 6. Aufl. München: Beck 2004. ISBN 3-406-45744-4.
  • Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik. 23. Aufl. Neu bearb. v. Peter Wiehl u. Siegfried Grosse. - Tübingen: Niemeyer 1989. ISBN 3-484-10233-0 und ISBN 3-484-10232-2
  • Karl Weinhold: Kleine mittelhochdeutsche Grammatik. Fortgef. von Gustav Ehrismann und neu bearb. von Hugo Moser. 18., verb. Aufl. Wien: Braumüller 1994. ISBN 3-7003-1076-5.
  • Bergmann/ Pauly/ Moulin: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. Bearbeitet v. Claudine Moulin. 6., neu bearb. Aufl. - Göttingen 2004.

Siehe auch

Wiktionary: mittelhochdeutsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Mittelhochdeutsch – Lern- und Lehrmaterialien