Operation Chariot

Britischer Angriff auf St. Nazaire im Zweiten Weltkrieg
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Vorlage:Schlacht Die Operation Chariot war ein britischer Angriff auf den Hafen von St. Nazaire, im von den Deutschen besetzten Frankreich in der Nacht vom 28. März, 1942, während des Zweiten Weltkriegs. Die Operation wurde durch die Royal Navy und britischen Kommandoeinheiten durchgeführt.

Die britische Admiralität fürchtete, dass das größte Schlachtschiff der Kriegsmarine - die Tirpitz - im Atlantik eingesetzt werden sollte. Für die vorher notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten bei einem Schiff dieser Größe bot nur das Normandie-Dock (frz. Forme Ecluse Louis Joubert) im Hafen von Saint-Nazaire ausreichende Kapazitäten. Daher sollte das Trockendock in einem Überfall zerstört werden.

Hintergrund

Der Hafen von St. Nazaire

Das Dock war von 1924 bis 1928 gebaut worden, um die Normandie-Überseedampfer aufzunehmen, und wird manchmal auch Normandie-Dock genannt. Es war 1148 Fuß (350 m) lang und 164 ft (50 m) breit und mündete am einem Ende in den Penhoet-Becken und in die Mündung der Loire am Anderen. Die Schleusen des Docks waren im caisson-and-camber Stil erbaut, jede aus 167 Fuß (51 m) langen und 35 Fuß (11 m) dicken hohlen Stahlteilen.

 
Ansicht des Hafens von St. Nazaire

Außer dem Dock beinhaltete der Hafen einen neuen U-Boot-Bunker, gebaut durch die Organisation Todt, mit sechs enormen U-Boot-Becken. Es war über zwei Ein- bzw. Ausgänge, einem im Osten, nahe des Normandie-Docks und einem im Süden, der in den neuen (1907) avant-port führte, mit dem Meer verbunden.

Situation der Deutschen

Die deutsche Verteidigung in St. Nazaire galt als zweitstärkste im westlichen Frankreich nach Brest. Beide Seiten der Flussmündung waren befestigt und wurden vom 280. Marineartillerie-Bataillon (unter Edo Dieckmann) und dem 22. Marineluftabwehr-Bataillon (unter dem Befehl von C. C. Mecke) bemannt. Befestigte Geschützstellungen an der nördlichen Küste schlossen vier 150-mm-Haubitzen, vier 170-mm-Geschütze und vier 75-mm-Geschütze bei Chémoulin im Südwesten vom St. Nazaire und vier 88-mm-Geschütze und zehn 20-mm-oder 40-mm-Flak-Geschütze bei Villès Martin, näher bei St. Nazaire ein. Weiter entfernt, bei La Baule, standen vier 105-mm-Geschütze und zwei 240-mm-Eisenbahngeschütze. Über die Flussmündung von St. Nazaire waren vier 75-mm-Geschütze, bei St. Gilda, weitere vier bei Le Pointeau und ungefähr zehn 20-mm-Flak-Geschütze bei Mindin. Im unmittelbaren Hafengebiet waren ungefähr 30 einzelne 20-mm-Flak-Kanonen, zwei 20-mm-Vierlings-Flak, ungefähr 15 40-mm-Flak-Kanonen und ein Flakschiff, der "Sperrbrecher 137", außerhalb des neuen Hafens. Außerdem waren schwere Flugerabwehrstellungen in der Stadt. Bei Le Croisic und St. Marc waren Radarstationen, außerdem verfügten alle deutschen Positionen über Suchscheinwerfer. Ungefähr 1.000 Mann besetzten diese Verteidigungsstellungen und es gab ungefähr 5.000 weitere Soldaten in der Stadt. Unterseeboote ausgeschlossen, umfasste die Seemacht in der Stadt zehn Minensuchboote, vier kleine sogenannte "Hafenschutzboote" und vier Torpedoboote.

Der britische Plan bzw. die Situation der Briten

 
U-Boot-Docks im Hafen von St. Nazaire

Der britische Angriffsplan stützte sich wesentlich auf das Überraschungsmoment. Eine Flottille von Schiffen mit niedrigem Tiefgang sollte die Flussmündung der Loire hinauf fahren, während die deutsche Verteidigung von Luftangriffen beschäftigt werden sollten. Ein Zerstörer, die HMS Campbeltown, sollte, mit Sprengstoff beladen, das Trockendock rammen. Die Kommandoeinheiten sollten den Zerstörer und andere Schiffe verlassen und 24 verschiedene Ziele zerstören und sich danach an der Alten Mole wieder auf die Schiffe begeben und St. Nazaire verlassen. HMS Campeltown sollte einige Stunden später explodieren und das Trockendock zerstören. Ursprünglich waren für die Operation der Zerstörer und acht Motorbarkassen eingeplant, eingesetzt wurden jedoch der Zerstörer, sechzehn Motorbarkassen, ein Motor-Kanonenboot und ein Motor-Torpedoboot.

Insgesamt sollten 611 Soldaten bei der Operation eingesetzt werden. Das Kommando über die Seeeinheiten hatte Cmdr. Robert Edward Dudley Ryder, die Kommandos wurde von Lt. Col. Augustus Charles Newman geführt. Die Kommandoeinheiten wurden in drei Gruppen eingeteilt, eine davon wurde auf der Campbeltown verschifft, die anderen auf den Motorbarkassen. Jede Kommandogruppe war wiederum in demolition squads und protection squads eingeteilt. Die demolition squads sollten die Anlagen zerstören und hatten daher Sprengstoff, Äxte und Vorschlaghämmer bei sich, die protection squads sollten die demolition squads schützen und waren mit Handgranaten und Maschinenpistolen bewaffnet.

Der Luftangriff sollte von 35 Whitley- und 25 Vickers Wellington-Bomber durchgeführt werden. Diese Zahlen wurden allerdings stark reduziert, da die Maschinen anderweitig benötigt wurden, und Churchill die französischen Verluste bei der Operation gering halten wollte.

Britische Schiffe

Als Zerstörer wurde HMS Campbeltown ausgesucht, ein veraltetes Schiff, welches von den USA an Großbritannien überstellt wurde. Die Campbeltown wurde so umgerüstet, dass sie einem deutschen Torpedoboot der Möwe-Klasse ähnelte. Alle Geschütze und überflüssige Aufbauten wurden entfernt, um den Tiefgang des Schiffes auf ein Minimum zu reduzieren. Als Bewaffnung wurden lediglich ein 12-Pfünder-Geschütz sowie acht 20-mm-Kanonen zurückgelassen. Hinter dem Hauptgeschütz wurden 24 in Stahl und Beton eingeschlossene Sprengladungen platziert. Die Besatzung wurde auf ein Minimum von 75 Mann reduziert.

Das eingesetzte Motor-Kanonenboot war MGB 314 (MGB=Motor Gun Boat), es sollte gleichzeitig als Leitschiff für den Angriff fungieren. Neben seiner Offensivbewaffnung war MGB 314 mit Radar und Sonar ausgerüstet.

Das Motor-Torpedoboot war MTB 74 (MTB=Motor Torpedo Boat), ein Schiff der Vosper-Werft. Es wurde mit 1000 kg Sprengladungen mit Verzögerungszündern ausgestattet. Wie die anderen kleinen Boote wurde es mit Plymouth Pink, eine violetten Lackierung, versehen, um die Gefahr der Erfassung durch Suchscheinwerfern zu verringern.

Die hölzernen Motorbarkassen nahmen jeweils 15 Mann Kommandosoldaten und extra Treibstoff auf.

Die gesamte Gruppe sollte bis kurz vor das Ziel von zwei Zerstörern der Hunt-Klasse, HMS Atherstone und HMS Tynedale, eskortiert werden.

Die eigentliche Operation

Der Hinweg

Der Flottenverband lief am 26. März 1942 aus dem britischen Falmouth aus. Die Marschroute verlief erst süd-östlich und später südlich, wobei die Schiffe eine Pfeilformation einnahmen, um wie U-Boot-Jäger auszusehen. Am 27. März kam es zu einem kurzen Zwischenfall mit einem deutschen U-Boot, die Schiffe konnten ihren Weg jedoch unerkannt fortsetzen. Am Morgen des 27. änderten sie ihren Kurs nach Osten, um am Abend in nord-östlicher Richtung nach St. Nazaire zu fahren. Dort angekommen wurde die Formation geändert. Die Motorbarkassen fuhren in zwei Reihen hintereinander, zwischen den Reihen HMS Campbeltown. MGB 314 fuhr als Führungsschiff voraus. Dank des verringerten Tiefgangs konnten die Schiffe die Haupteinfahrlinie zum Hafen umgehen und näherten sich über die Untiefen weiter westlich.

Der Angriff

Der vorangegangene Ablenkungsangriff durch die Bomber war planlos verlaufen und ließ die deutschen Verteidiger nur wachsam werden. Trotzdem konnten die britischen Schiffe relativ nah an den Hafen herangelangen, ohne entdeckt zu werden. Gegen 01:15 Uhr wurde der Verband erstmals gesichtet, um 01:22 Uhr von Suchscheinwerfern erfasst. Die Schiffe befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 1,5 sm vom Ziel entfernt. Mittels eines gefälschten deutschen Morsecodes verschaffte sich die Flotte weitere fünf Minuten Zeit. Um 01:28 und bei etwa 1,5 km Entfernung zum Ziel eröffneten die Deutschen das Feuer. Der Hauptteil davon konzentrierte sich auf den Zerstörer Campbelltown. Ungeachtet dessen rammte das Schiff um 01:34 Uhr das südliche Schleusentor mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 kn. Sieben Kommando-Teams verließen das Schiff und begannen ihr Zerstörungswerk. Die meisten ihrer Ziele konnten sie zerstören, auch das nördliche Schleusentor wurde beschädigt.

Die anderen Schiffe waren weit weniger erfolgreich. Vier Minuten nach der Rammung waren bereits acht Motorbarkassen zerstört. Aufgrund ihrer hölzernen Bauart genügten wenige Treffer, um sie außer Gefecht zu setzen. Der Besatzung blieb dann nichts anderes übrig, als sich ins Wasser oder in Schlauchboote zu retten. Die meisten ertranken oder verbrannten im Feuer des ausgelaufenen Treibstoffs. Die Verluste dieser acht Boote beliefen sich auf etwa 80% der Besatzung. Auch auf den anderen Booten blieb kaum ein Soldat unverletzt. Geblendet durch die Suchscheinwerfer fuhren einige Boote über den Hafeneingang hinaus und mussten in schwerem Abwehrfeuer wieder umkehren, um ihre Kommandos abzusetzen. MTB 74 überstand den Angriff, konnte seine Spezialtorpedos auf die Schleuse des alten Hafeneingangs abfeuern und sich dann zurückziehen. Die Motorbarkassen nahmen die Verletzten auf und flohen ebenfalls. Von den gelandeten Kommandos schafften es nur wenige, sich wieder einzuschiffen, den verabredeten Sammelpunkt an der alten Mole erreichte keiner. MGB 314 verließ den Hafen als letztes Boot.

Wieder auf dem Meer

Die übriggebliebenen Schiffe liefen zu einen Sammelpunkt etwa 25 sm vor St. Nazaire, wo sie sich mit der Zerstörer-Eskorte treffen sollten. Auf ihrem Weg dorthin wurden sie von größeren Geschützen mit höherer Reichweite beschossen. Eine der Barkassen und MTB 74 wurden getroffen und sanken. Da beide Schiffe viele Verwundete und die Besatzung der Campbeltown aufgenommen hatten, verursachte die Zerstörung der beiden Boote über die Hälfte der Gesamt-Verluste der Operation unter den Seeleuten. Eine weitere Barkasse wurde gegen 05:30 Uhr vom deutschen Torpedoboot Jaguar abgefangen. Dessen Kommandant wollte die Barkasse kapern und verzichtete deshalb auf den Einsatz seiner Hauptwaffen. Nach über einer Stunde Gefecht musste das britische Boot kapitulieren.

Nur vier britische Boote schafften es zum Sammelpunkt, zwei davon wurden noch dort aufgegeben. Die beiden anderen wurden nach Luftangriffen auf den Verband ebenfalls zurückgelassen. Drei Barkassen, die den Sammelpunkt verpasst hatten, schafften es aus eigener Kraft zurück nach Falmouth.

Die Kämpfe an den Docks

Die im Dock zurückgebliebenen Kommandos wurden von deutschen Stoßtruppen angegriffen, die gegen 02:00 Uhr in das Dock eindrangen. Nach der Flucht der Boote konzentrierte sich das deutsche Geschützfeuer auf das Dock. Die Briten verschanzten sich in Lagerhäusern und verließen ihre Position gegen 03:00 Uhr, um sich zunächst in das Stadtzentrum von St. Nazaire und später auf das Land zurückzuziehen. Sie erreichten den Place de la Vielle Ville, allerdings waren etwa 75 % der Überlebenden verwundet. Zu diesem Zeitpunkt wurden die deutschen Truppen durch reguläre Wehrmachtseinheiten des 679. motorisierten Infanterieregiments verstärkt. Die Engländer musste daraufhin südwärts ausweichen und in der Stadt Deckung suchen. Die Deutschen umstellten die Stadt, errichteten Straßensperren und durchkämmten die Stadt Haus für Haus.

Gegen 10:00 Uhr waren fast alle Kommandosoldaten gefangen oder gefallen. In La Baule wurden die knapp 200 Überlebenden gesammelt und in Kriegsgefangenenlager verteilt. Fünf britische Soldaten schafften es, sich bis Gibraltar durchzuschlagen. Die Verluste beliefen sich auf 169 Tote unter den britischen Soldaten und 42 Tote sowie 127 Verwundete unter den Deutschen.

Für den Einsatz wurden fünf Victoria-Kreuze vergeben: an die Kommandeure Newman und Ryder, den Sgt. Thomans Frank Durrant (posthum für das Gefecht mit der Jaguar), den Seemann William Alfred Savage (posthum für seinen Einsatz als Schütze auf 'MGB 314) und Stephen Halden Beattie, den Kommandanten von HMS Campbeltown.

Explosion der Campbeltown

Die Sprengladungen der Campbeltown sollten gegen 09:00 Uhr explodieren. Obwohl die Überreste des Schiffes von den Deutschen durchsucht wurden, konnte der Sprengstoff nicht gefunden werden. Entgegen der Planungen explodierte das Schiff erst gegen 10:35 Uhr und riss 250 Soldaten und Zivilisten in den Tod.

Die Spezialtorpedos von MTB 74 explodierten wie vorgesehen erst am 30. März. Die Detonation stürzte die deutsche Garnison in Panik, es kam zu einer Schießerei zwischen deutschen Soldaten und französischen Zivilisten, in deren Verlauf 16 Zivilisten getötet und weitere 30 verwundet wurden.

Auswirkungen

Der Überfall erzielte für die Briten die erhoffte Wirkung: Das Trockendock wurde zerstört. Neben den fünf Briten, die mit dem Viktoriakreuz ausgezeichnet wurden, wurden über 80 weitere Auszeichnungen für Tapferkeit verliehen. Unter den britischen Kommandoaktionen gilt der Angriff als "The Greatest Raid of All". Die Überlebenden nannten sich nach der Operationsbezeichnung "Charioteers".

Literatur

  • James G. Dorrian: Storming St. Nazaire, Leo Cooper, London, 1998
  • C.E. Lucas Phillips: The Greatest Raid of All, Heinemann, 1958
  • Commander R.E.D. Ryder: The Attack on St. Nazaire, John Murray, 1947
  • Stuart Chant-Sempill: St. Nazaire Commando, John Murray, 1985
  • Corran Purdon: List the Bugle, Greystone Books, Antrim, 1993
  • Ken Ford: St Nazaire 1942, Osprey Campaign Series book No. 92, Oxford, England, 2001
  • David Mason: Raid on St. Nazaire, Ballantine Books, 1970
  • J. Gille und J.-P. Lucas: Objectif Saint-Nazaire, Presse Océan, 1990
  • Duncan Harding: Assault on St. Nazaire
  • Al Ross: The Destroyer Campbeltown, Conway Maritime Press, London, 1990
  • Wilhelm Wolfslast: Britischer Zerstörer "Campbeltown": Der Handstreich auf Saint-Nazaire, Arthur Moewig Verlag, München
  • John Wingate: Profile Warship No. 5: HMS Campbeltown, Profile Publications, Windsor, 1971
  • Daniel Sicard: Saint-Nazaire 1939-1945, Editions Ouest-France, Rennes, 1994
  • Jon Cooksey: Operation Chariot - The Raid on St Nazaire, Pen & Sword Books, ISBN 1-84415-116-6