Irak-Konflikt

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. März 2006 um 03:39 Uhr durch Justin Madden (Diskussion | Beiträge) (neue Absätze Literatur insbesondere Stefan Aust, Jürgen Schuster u.a.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Annektierung Kuwaits durch den Irak im Jahre 1990 war der Auslöser für den Zweiten Golfkrieg, in dem eine Allianz unter Führung der USA Kuwait befreite, und der mit einer Niederlage des Iraks endete. Nach dieser Niederlage wurden gegen den Irak Sanktionen verhängt, darunter die Auflage, seine Massenvernichtungswaffen zu vernichten und dieses durch Waffeninspekteure überwachen zu lassen, sowie die Verhängung von Flugverbotszonen im nördlichen und südlichen Irak. Die USA und ihre Verbündeten warfen dem Irak immer wieder Verletzungen dieser Auflagen vor, was mehrfach zu Bombardierungen des Iraks führte.

Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 riefen die USA zu einem weltweiten Krieg gegen den Terror auf. Dabei richtete sich das Augenmerk zunächst auf Afghanistan, wo die Terrororganisation Al-Qaida ihr Hauptquartier hatte. Nach dem Sieg der USA und ihrer Verbündeten im Afghanistan-Krieg richtete sich das Interesse der USA auch gegen andere "Schurkenstaaten" und hier im Laufe des Jahres 2002 immer mehr auf den Irak als einen Teil der "Achse des Bösen". Ihm wurde einerseits vorgeworfen, den Terrorismus zu unterstützen, andererseits aber auch, die seit dem Zweiten Golfkrieg geltenden Auflagen immer wieder zu verletzten, insbesondere, seine Massenvernichtungswaffen nie vollständig vernichtet zu haben und weiter an der Entwicklung dieser zu arbeiten.

Als wichtigste Verbündete gelten der Administration seit den Anschlägen auf das Pentagon und die Zwillingstürme der Brite Tony Blair, der Spanier José Maria Aznar und der Australier John Howard. Spätestens Bushs Rede in West Point am 1. Juni lässt kaum Zweifel an der Kriegsentschlossenheit der Amerikaner. Bush ermächtigt die USA in dieser Rede, präemptiv und unilateral zu handeln. Anfang Juli verkündet der amerikanische Präsident öffentlich, er wolle "mit allen Mitteln" einen Regimewechsel im Irak erzwingen.

Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder bezieht erst nach einem internen Gespräch mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac Ende Juli Position. Die beiden Politiker lehnen einen US-Alleingang ohne Mandat ab.

Die Verhandlungen im Sicherheitsrat beginnen in der zweiten Septemberwoche. Die Vetomächte Russland, China und Frankreich haben sich bisher nicht grundsätzlich gegen einen Militärschlag ausgesprochen. Sie glauben jedoch nicht an irakische Massenvernichtungswaffen, auch nicht an eine erhebliche vom Irak ausgehende Gefahr und sind skeptisch gegenüber dem Verdacht, Saddam Hussein unterstütze Terroristen.

Während der Verhandlungen im Sicherheitsrat legt Tony Blair als Beweis für die „überwältigenden Gründe für eine Entwaffnung des Irak“ dem britischen Unterhaus am 24. September ein Dossier mit neuen Beweisen vor.

Nach wochenlangen Verhandlungen beschloss der UN-Sicherheitsrat daraufhin am 8. November 2002 in der Resolution 1441, die Waffeninspektionen unter der Leitung von Hans Blix zu verstärken, den Irak noch einmal ultimativ aufzufordern, diese und alle früheren Resolutionen einzuhalten, und erneut zusammenzutreten, um über Maßnahmen zu beraten, sollte der Irak die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verletzen.

Während die USA und Großbritannien bereits in der Resolution 1441 einen Freibrief für eine Militäraktion sehen, verlangen Frankreich, Russland und China eine zweite Resolution auf Basis der Inspektionsergebnisse. Aus Berlin signalisiert der mittlerweile wieder gewählte Kanzler Schröder seine Unterstützung und relativiert somit seine Position der scharfen Ablehnung militärischer Aktionen.

Noch während der Verhandlungen im Sicherheitsrat verabschieden die USA im September die ‚Neue Nationale Sicherheitsstrategie’, auch Bush-Doktrin genannt. Zum Krieg gegen den Irak ermächtigen Senat und Repräsentantenhaus den Präsidenten dann am 10. und 11. Oktober.

Die USA warfen im Folgenden dem Irak vor, die Resolutionen weiterhin zu verletzen und drängten immer stärker darauf, das Irak-Problem militärisch zu lösen (s. Irak-Invasionsplan der USA). Die USA wurden dabei von einer Reihe von Staaten unterstützt, besonders zu nennen sind hier Großbritannien, Italien und Spanien. Andere Staaten, vor allem Syrien, Belgien, Deutschland, Frankreich sowie Russland und die Volksrepublik China wollten das Irak-Problem weiterhin friedlich lösen. Dazu arbeiteten Deutschland und Frankreich Anfang Februar 2003 an einem Plan, der eine Erhöhung der Zahl der Waffeninspektoren und evtl. auch den Einsatz von Blauhelm-Soldaten vorsah. Unterstützung erhielten sie dabei unter anderem von Russland und China.

Am 15./16. Februar 2003 fanden in vielen Ländern Massenkundgebungen gegen eine militärische und für eine Verhandlungslösung des Konfliktes statt. Die größten Kundgebungen sind in Großbritannien (London: 2 Millionen), Spanien (landesweit vier Millionen) und Italien (Rom: zwei Millionen). Die heterogene Friedensbewegung organisieren antikapitalistische Netzwerke wie Attac, aber auch Gewerkschaften, friedenspolitische Gruppen, arabische und palästinensische Zirkel, Kirchengemeinschaften und Parteien wie die Grünen, Kommunisten und Sozialdemokraten. Getragen werden sie letztlich von großen Teilen der Bevölkerung, die sonst nicht politisch, weltanschaulich oder religiös organisiert sind. Es waren dies die einzigen Friedensdemonstrationen, die schon vor einem möglichen Krieg stattfanden.

Zuvor war der Streit innerhalb der NATO zwischen den Befürwortern eines Militärschlages gegen den Irak und den Befürwortern einer friedlichen Lösung weiter eskaliert, als die NATO-Führung im Schweigeverfahren Militärhilfen für die Türkei einleitete. Belgien und Frankreich stoppten das Verfahren am 10. Februar 2003, indem sie von ihrem Veto-Recht Gebrauch machten, Deutschland unterstützte sie dabei, ohne selbst ein Veto einzulegen.

Am 17. Februar einigten sich die NATO-Staaten schließlich über Hilfeleistungen für die Türkei im Falle eines Irak-Krieges. Im Kompromiss versicherten Belgien, Deutschland und Frankreich, dass sie ihren Bündnisverpflichtungen im Falle eines Angriffs auf die Türkei nachkommen würden, gleichzeitig wurde aber betont, dass es sich um reine Defensivmaßnahmen handelte und nicht um Vorbereitungen für einen Angriff auf den Irak, sowie dass weiterhin eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes unter Einbeziehung der UNO angestrebt wird.

Anfang März 2003 kam es im türkischen Parlament zu einer Abstimmung über die Unterstützung für die USA mit dem Resultat, dass die Unterstützung eines Alleinganges verweigert wird. Die von den USA angebotenen Wirtschaftshilfen waren offenbar viel zu niedrig und auch der Druck von Seiten der Europäischen Union, wichtigster Handelspartner der Türkei, zu groß. Somit fehlte den USA ein wichtiges Einmarschgebiet, und eine Invasion des Iraks konnte nur noch vom Golf aus erfolgen.

Nachdem es aufgrund der grundsätzlich verschiedenen Positionen zu keiner Einigung im UN-Sicherheitsrat über eine weitere Irak-Resolution kam, mündete der Irak-Konflikt am 20. März 2003 durch den Einmarsch der USA in den Irak in den Dritten Golfkrieg.

Die Hauptkampfhandlungen im Irak dauern von der Nacht vom 19. auf den 20. März bis zum 2. Mai als Bush die Kämpfe als beendet erklärt. Auffallend war, dass es weder zu einem „letzten Gefecht“ in Bagdad kam, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen einsetzte und dass das Regime Saddam Husseins innerhalb weniger Wochen kollabierte. Bei den Verhandlungen um die neue Resolution 1483 im April und Mai, die die Nachkriegsordnung im Besatzungsgebiet und die Rolle der Vereinten Nationen festlegen sollten, zeigten sich im Sicherheitsrat wieder die Fronten wie vor Kriegsbeginn.

Die Völkerrechtler bezeichnen in der überwiegenden Mehrheit diesen Krieg als völkerrechtswidrig. Schätzungen zufolge sind bis 2004 für jeden gefallenen US-Soldaten 20 tote Iraker zu beklagen - ein für die asymmetrische Kriegsführung typisches Ungleichgewicht, das schon in Somalia sichtbar wurde.

Literatur

  • August Pradetto (Hg.): Internationale Reaktionen auf die Irak-Politik der USA 2002. Hamburg 2002.
  • Daniel Yergin: Der Preis. Die Jagd nach Öl, Geld und Macht, Frankfurt 1991, ISBN 3100958047
  • Jürgen Schuster: Das „alte“ und das „neue“ Europa: Die Reaktionen der europäischen Länder auf die amerikanische Irak-Politik. Ein Vergleich dreier Erklärungsansätze. Münster 2004.
  • Stefan Aust und Cordt Schnibben (Hg.): Irak. Geschichte eines modernen Krieges. München 2004.
  • Timothy Garton Ash: Freie Welt. Europa, Amerika und die Chance der Krise. München 2004.
  • Wolfgang K. Lerch: Kein Friede für Allahs Völker, Frankfurt 1991, ISBN 3100438094
  • Thomas Seifert, Klaus Werner: Schwarzbuch Öl. Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld, Januar 2006,

320 Seiten, ISBN 3-552-06023-5