Der Kopenhagener Konsens 2004 (engl.: Copenhagen Consensus) ist ein dänisches Projekt, das versucht auf der Basis von ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen Prioritäten zu setzen für die wichtigsten Herausforderungen der Menschheit, wie Hunger, AIDS, Wasserversorgung, Zugang zu sanitären Einrichtungen, Handelsbeschränkungen, Korruption und Klimawandel. Das Projekt bedient sich der Methoden der Wohlfahrtsökonomie.
Die Idee hierzu kam von Bjørn Lomborg und anderen Mitgliedern des Institute for Environmental Assessment, einer Stiftung der dänischen Regierung und wurde von dem Magazin The Economist mitfinanziert.
Alle Teilnehmer sind Ökonomen, welche die Betonung auf eine Prioritätenliste legen, die auf einer rationalen Basis fußt – nämlich der ökonomischen Analyse. Trotz der Milliarden, die von der UNO, den Regierungen der reichen Staaten, Stiftungen, Wohltätigkeitsverbänden und Nicht-Regierungs-Organisationen für globale Herausforderungen ausgegeben werden, reicht das Geld, das für Probleme wie Unterernährung oder den Klimawandel verwendet wird, nicht aus. Die Weltbank schätzt, dass die Millenniumsziele der UNO im Jahr zusätzlich 40-70 Milliarden US$ neben den bereits ausgegebenen jährlichen 57 Milliarden US$ kosten würden.
Der Schwerpunkt liegt deshalb auf dem ökonomischen Ansatz, weil einerseits erkannt wurde, dass die Mittel, die für die globalen Herausforderungen ausgegeben werden, nicht ausreichen, und andererseits davon ausgegangen wird, dass die Medienaufmerksamkeit und die öffentliche Meinung sich auf Dinge konzentriert, die manchmal willkürlich und sentimental sind.
Ein Buch, das die Ergebnisse zusammenfasst, Global Crises, Global Solutions, wurde, herausgegeben von Lomborg, im Oktober 2004 von der Cambridge University Press veröffentlicht.
Experten
Der Prozess, wie er verfolgt wurde, basiert in starkem Maße auf der Expertise von Ökonomen mit großer Reputation, so etwa vier Nobelpreisträgern. Die Teilnehmer waren: (Nobelpreisträger gekennzeichnet)
Gebiete
Die Experten begannen mit zehn Herausforderungen und verschiedenen Lösungsmöglichkeiten für jede.
- Klimawandel (William R. Cline)
- Ansteckende Krankheiten (Anne Mills)
- Konflikte (Paul Collier)
- Bildung (Lant Pritchett)
- Finanzielle Instabilität (Barry Eichengreen)
- Regierung und Korruption (Susan Rose-Ackerman)
- Unterernährung und Hunger (Jere Behrman)
- Bevölkerung und Migration (Phillip L. Martin)
- Sanitäre Einrichtung und Wasser (Frank Rijsberman)
- Subventionen und Handelsbarrieren (Kym Anderson)
Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse wurde ermittelt, wie gut diese Probleme für die Politik zu lösen seien; sie wurden dabei in vier Kategorien eingeordnet: Sehr gut; Gut, Ausreichend und Mangelhaft.
Sehr gut Höchste Priorität hat nach dieser Ansicht die Bekämpfung von HIV und AIDS. Die Ökonomen schätzten, dass eine Investition von 27 Milliarden US$ bis 2010 nahezu 30 Millionen Infizierungsfälle verhindern könnte. Maßnahmen zur Bekämpfung von Unterernährung und Hunger wurden als zweitsinnvollst angesehen. Mittel seien hier Nahrungsergänzungsmittel, besonders gegen Eisenmangel durch einseitige Ernährung. Dies habe eine außerordentlich hohe Kosten-Nutzenrationalität. Die Ausgaben wurden auf 12 Milliarden US$ geschätzt. Der dritte Punkt umfasst Handelsliberalisierungen. Anders als bei vorgenannten Angelegenheiten sind zwar keine Leben in Gefahr, aber die Experten stimmten überein, dass hier mit geringen Kosten sehr großer Nutzen so wohl für die Welt als Ganzes als auch für die Entwicklungsländer gezogen werden könne. Der Vierte Punkt betrifft die Malaria. 13 Milliarden US$ würden sehr großen Nutzen für die Kosten bedeuten, besonders wenn sie für die chemische Moskito-Bekämpfung ausgegeben würden.
Gut Als Punkt fünf nennt der Konsens stärkere Investitionen in neue Agrartechnologien speziell für Entwicklungsländer. Drei Vorschläge zur Verbesserung von Sanitären Einrichtungen und der Wasserqualität für eine Milliarde der Ärmsten folgen in der Liste. (Gesetzt auf die Plätze 6 bis 8: einfache Wassertechnologie für Haushalte, gemeinschaftlich organisierte Wasserversorgung und Abwasserentsorgung und Forschung für eine größere Rentabilität des Wassers in der Nahrungsmittelerzeugung). Der letzte Punkt in dieser Kategorie betraf die Regierungsführung und befasste sich damit, wie die Kosten zur Gründung neuer Unternehmen gesenkt werden könnten.
Ausreichend Nummer 10 war ein Migrationsprojekt, dessen Ziel die Lockerung von Einwanderungsbarrieren für Facharbeiter war. 11 und 12 waren Unterernährungsprojekte – Verbesserung der Säuglings- und Kinderernährung und die Reduzierung des verbreiteten niedrigen Geburtsgewichts. Nummer 12 war die Erhöhung der Grundversorgung mit medizinischen Gütern oder der Kampf gegen Krankheiten.
Mangelhaft Die Punkte 14-17 umfassten Migrationsprojekte (Gastarbeiterprogramme für Nicht-Facharbeiter), die als Hindernis für Integration angesehen wurde, und Klimawandelprojekte (Kohlendioxidsteuer und das Kioto-Protokoll), die das Forum als wenig kosteneffizient für den erwarteten Nutzen ansah.
Kritik
Der Copenhagen Consensus wurde stark kritisiert. Einige Kritiker, unter ihnen auch Wirtschaftswissenschaftler wie Jeffrey Sachs, hinterfragten die Nutzbarkeit einer Kosten-Nutzenrechnung auch bei hochkomplexem und wissenschaftlich unsicherem Terrain, die Verwendung von bestimmten Diskontsätzen um jetzige und zukünftige Werte zu schaffen, sowie ihre Vermutungen bezüglich der Verfügbarkeit von Hilfsmitteln.
Weiterhin wurde kritisiert, dass die Diskussionsteilnehmer ausschließlich professionelle Ökonomen waren. Auch die Verbindung des Projekts mit Bjørn Lomborg, der kontroverse Positionen in Umweltfragen einnimmt, provozierte Skepsis. Auch die anderen Ökonomen, von Lomborg ausgewählt, standen in dem Verdacht, zu stark den Ideen des Freien Marktes verpflichtet zu sein und damit wenig Sympathie für einen Staatsinterventionalismus in Umweltfragen zu haben. Deshalb organisierte der Consensus parallel ein Forum von Nicht-Experten, das eine eigene Liste von Empfehlungen ausarbeitete (diese entsprachen im Wesentlichen denen der Experten).
Die tatsächlichen Vorschläge provozierten allerdings weniger Widerspruch, da ihre Prioritäten Nummer 1 und 2 (AIDS und Unterernährung) allgemein als höchst wichtig angesehen werden. Kritisiert wurde jedoch der Vorschlag zu den Handelsliberalisierungen in Punkt 3 (viele Globalisierungskritiker würden sie als besonders schädlich zurückweisen) und die niedrige Platzierung der Empfehlung zum Klimawandel.
Siehe auch
Literatur
- Sachs, Jeffrey D.: Seeking a global solution, in: Nature, Vol 430, S. 725-726 (August 2004).
- Lomborg, Bjorn: Global Crises, Global Solutions, Cambridge University Press, 2004