Benutzer:Veleius/Spielwiese

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Kastell Rudchester
Alternativname Vindobala/Vindovala
Limes Britannien
Abschnitt Strecke 2
Datierung (Belegung) hadrianisch,
2. bis frühes 5. Jahrhundert n. Chr.
Typ a) Kohorten- und Reiterkastell
Einheit a) Legio II Augusta (Bautrupp),
b) cohors I Frixagorum
Größe Fläche: 2,4 ha
Bauweise Steinbauweise
Ort Rudchester
Geographische Lage 54° 58′ 33,6″ N, 1° 39′ 46,8″ WKoordinaten: 54° 58′ 33,6″ N, 1° 39′ 46,8″ W hf
Vorhergehend Kastell Condercum (östlich)
Anschließend Kastell Onnum (westlich)
Datei:032 Hadrian.jpg
Münzporträt des Hadrian
Areal des Kastells bei der Rudchester Farm
Plan des Kastells von William Hutton, 1802

Vindobala war ein römisches Hilfstruppenkastell und stand nahe des Weilers Rudchester, bei Heddon-on-the-Wall, Northumbria, England. Es gehörte zu der aus insgesamt 17 Kastellen bestehenden Festungskette des Hadrianswalls und sicherte dessen östlichen Abschnitt. Das Lager wurde etwa 300 Jahre, vermutlich von 122 bis 400 n. Chr. vom Militär genutzt. Überregional bekannt geworden ist die Ausgrabungsstätte vor allem auch durch ein Mithräum, dass sich südöstlich des Kastells befand. Trotz seines schlechten Erhaltungszustands erbrachte die Grabungsstätte dennoch einige bedeutende archäologische Funde. Sie lieferten wertvolle Informationen über die Entwicklung des Grenzverteidigungssystems im Norden Britanniens.

Name

Der Name Vindobala oder Vindovala leitet sich aus dem keltischen ab und könnte "Mächtiger weißer Berg" oder "weiße starke Mauern" bedeuten.[1]

Lage

Das Kastell von Rudchester ist das vierte Glied in der Festungskette des Hadrianswalls. Es befindet sich ca. 11 km von Benwell entfernt, stand am höchsten Punkt eines flachen Bergrückens zwischen dem March Burn im Westen und den Rudchester Burn im Süden und Osten. Der Hadrianswall verläuft an der Westseite des Flußtals des Rudchester Burn, dann über den leichten Anstieg zum Kastell bis zum Abstieg in die flache Senke die vom March Burn durchflossen wird. Vom Standort des Kastells aus gab es nur eine beschränkte Sicht nach Norden. Im Gegensatz dazu erlaubt die Topographie aber einen weiten Blick nach Süden über das Tal des Tyne, während die Sicht nach Osten und Westen wieder stark eingeschränkt war. Die Umrisse des Kastell sind auf Luftbildern deutlich sichtbar, es liegt teilweise unter der B6318.

Forschungsgeschichte

Der Standort des Kastells ist seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Sein Areal wurde über einen langen Zeitraum landwirtschaftlich genutzt. Im 19. Jahrhundert fand nördlich der Straße, am Ostwall des Kastells eine Untersuchung statt. 1897 fanden die ersten archäologischen Versuchsgrabungen am Kastell statt. 1901 konnte der Verlauf des frühen Holz-Torf-Walls verfolgt werden. Die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen wurden 1924 von W. Parker-Brewis durchgeführt, dabei konnten die genauen Ausmaße des Lagers festgestellt werden. Gleichzeitig konnten einige Tore und die wichtigsten Gebäude (Kommandantenhaus, Stabsquartier und Getreidespeicher) identifiziert und lokalisiert werden. 1930 wurden vom Kastellareal Luftaufnahmen angefertigt.

1972 wurden vom Newcastle University Excavation Committee (J.P. Gillam, R. M. Harrison) Teile des südöstlichen Viertels des Kastellareals (via Quintana) freigelegt. 1975 wurden Bauarbeiten am Kastellgelände von den Archäologen Charles Daniels beobachtet. 1987 wurden von der University of Durham, Department of Archaeology geophysikalische Untersuchungen im Kastell und entlang des südlichen Vallum vorgenommen. Dabei wurde der Verlauf der Kastellmauer untersucht und einige neue Erkenntnisse über die Innenbebauung gewonnen. In weiterer Folge wurde die Position der NW-Ecke bestimmt. Bodenanomalien ließen auf das Vorhandensein von weiteren Gebäuden, im Norden, an der B6318 und an der südöstlichen Ecke (Ausrichtung Ost-West) schließen. 1988 wurden mittels weiterer geophysikalischer Untersuchungen durch die Archäologen der Universität Durham in der nördlichen Hälfte der Festung der Verlauf der Kastellmauer bzw. des Innenwalls und die Position des Nordtors geklärt. Eine weitere archäologische Untersuchung wurde von Colm O'Brien, im Zuge der Erneuerung der Hauptwasserleitung im Juni 1989 durchgeführt. Dabei konnte eine 17,31 m lange Mauer am Nordende des Wasserleitungsgrabens beobachtet werden. Steinstrukturen und ein Schwellenblock deuteten darauf hin, dass dort (praetentura) ein von Ost nach West ausgerichtetes Gebäude stand. Nach 60-65 m stieß man in einer Tiefe von 0,7 m auf die Wallstraße des Kastells, die via singularis. Keine Spur konnte von der Kastellmauer gefunden werden, obwohl einige große Steine, die man bei Grabenmeter 70 sichtete, ​​können von der Mauer stammen. Zwischen 72 m und 88,5 m stieß man in einer Tiefe zwischen 0,4 m und 0,55 m auf die Überreste von Gebäuden des Vicus.

1990 wurde eine Feldbegehung durchgeführt. Bis 1992 konnte der weitere Verlauf des südlichen Vallums geklärt werden. Er überquerte 90 m westlich des Kastells den March Burn, drehte dann um 60 Grad und umlief im Süden das Lager. Von den vier Haupttoren wurden zwei ausgegraben, dazu ein Lagerhaus, einige Räume des Stabsquartiers und die Reste einer Hypokaustenheizung des Kommandantenhauses. Als Funde sind eine lebensgroße Statue des Herkules und fünf Altäre des Mithras erwähnenswert.[2]

Entwicklung

Das Kastellareal war wahrscheinlich schon seit vorrömischer Zeit besiedelt. Bei den Grabungen konnten prähadrianische Pflugmarken in der Tonschicht unterhalb des römischen Bordenhorizonts beobachtet werden. 122 befahl Kaiser Hadrian im Norden Britanniens eine Sperrmauer, verstärkt durch Wachtürme und Kastelle, vom Tyne bis zum Solway-Firth zu errichten, um die britischen Provinzen vor den ständigen Einfällen der Pikten aus dem Norden zu schützen. Der Wall wurde größtenteils durch Soldaten der drei in Britannien stationierten Legionen und der classis Britannica errichtet. Die Besatzung sollte das Tal des March Burn sichern. Vindobala wurde im späten 2. oder frühen 3. Jahrhundert durch ein Feuer zerstört und vorrübergehend von seiner Besatzung aufgegeben. Um 270 wurde das Kastell wieder mit Soldaten belegt. Im Inneren wurden Holzgebäude auf Steinfundamenten hochgezogen. Am Ende des 3. Jahrhunderts wurde vom Militär aufgegeben. Das Kastell war aber vielleicht noch bis in das späte vierte Jahrhundert bewohnt. Aus dieser Zeitperiode fanden die Archäologen Fragmente von Crambeck- und Huntcliffekeramik, eine Steinschwelle und Steinsockel in denen-Löcher zum Einsetzen von Holzpfosten eingemeißelt waren. Die Kastellruine war noch bis zum 18. Jahrhundert sichtbar, danach wurde sie durch Steinraub systematisch zerstört. Sein Baumaterial wurde u.a. zum Bau der Rudchester Manor, für Farmgebäude in der näheren Umgebung und die Militärstraße B6318 verwendet.

Kastell

Vom Kastell und dem Hadrianswall ist heute nur noch eine rechteckige, 1,4 m hohe Bodenerhebung, die Süd- und Westseite (0,6 m hoch), direkt am Hadrianswall Path, auf einer Schafweide zu sehen. Ein Abschnitt des Nordwalls bildet eine breite flache, 1,6 m hohe Böschung. Die nördliche Hälfe des Kastells wurde durch landwirtschaftliche Tätigkeit fast vollkommen zerstört. Auch im Inneren der Festung sind nördlich der B6318 keine Oberflächenmerkmale mehr sichtbar. Die Südseite ist etwas besser erhalten. Vindobala ähnelte ansonsten stark den benachbarten Kastellen von Wallsend und Benwell.

Das Lager hatte den für die mittlere Kaiserzeit typischen quadratischen Grundriss mit abgerundeten Ecken (Spielkartenform). Wie bei den benachbarten Wallkastellen reichte auch in Vindobala die praetendura des Lagers über den Hadrianswall hinaus. Es maß von Nord nach Süd 157 m und von West nach Ost 118 m und bedeckte (inkl. der rückwärtigen Erdrampe) eine Fläche von 1,8 ha. Es dürfte insgesamt über sechs Tore verfügt haben. Vier Haupttore (zwei Durchgänge) im Norden, Süden und Osten und zwei Nebentore (mit nur einem Durchgang) im Westen und Osten. Die Haupttore waren durch je zwei Flankentürme gesichert. Erforscht ist das Südtor, dessen Mittelpfeiler (spina) knapp unter dem Boden noch erhalten geblieben ist und das westliche Seitentor. Unterbrechungen in den Steilhängen markieren jene Stellen, an denen das Südtor und das westliche Seitentor ausgegraben wurden. Die vier Kastellecken waren durch Türme verstärkt. Am Standort des südöstlichen Eckturms ist noch eine Bodensenke zu erkennen. Spuren des Wehrgrabens haben sich an der Westseite (eine 0,7 m tiefe Senke) erhalten. Auf Luftaufnahmen aus den 1930er Jahren ist sein Verlauf auch an der Nord- und Südseite sichtbar. Innerhalb der Festung wurden 1987 die Position der Nordwestecke, die von Gebäuden im nordwestlichen Viertel bestimmt und kohärentere Spuren von Ost nach West ausgerichteten Gebäuden in der Süd-Ost-Ecke beobachtet.

  • Das Stabsquartier (principia) verfügte über einen Kellerraum unter dem Fahnenheiligtum (sacellum) zur Aufbewahrung der Truppenkasse.
  • Das Kommandantenhaus (prätorium) war mit einer Hypokaustenheizung ausgestattet.
  • 1972 wurde im Südosten der Festung das nördliche Ende einer Mannschaftsbaracke aus hadrianischer Zeit freigelegt. Sie brannte im späten zweiten oder frühen dritten Jahrhundert ab und wurde später durch eine Baracke ähnlicher Bauart ersetzt. Diese wurde zwar nicht gewaltsam zerstört, verfiel aber im Laufe der Zeit durch Vernachlässigung und wurde nach ihrem Zerfall nicht wieder aufgebaut.[3]

Hadrianswall

Der Wall verläuft im Abschnitt Rudchester direkt unter der B6318. Die Ausgrabungen bei Meilenkastell 13 im Jahr 1930 bestätigten, dass der Wall in dieser Sektion in der Breitversion ausgeführt war. Der Verlauf der Militärstraße die zwischen dem Wall und dem vallum verlief, ist in diesem Abschnitt des Korridors noch nicht archäologisch bestätigt. Der südliche Graben konnte durch geophysikalische Untersuchungen im Südwesten und im Süden der Festung lokalisiert werden. Er läuft wie in Benwell in einem weiten Bogen um das Kastell herum. Der asymmetrische Verlauf des vallum rund um das Lager legt nahe, dass das Kastell vor den Graben fertiggestellt wurde. Auf der Ostseite erreichen die beidseitig des vallum aufgehäuften Erddämme erreichen noch eine Höhe von ca. 1 m, der Graben ist 1,4 m tief.

Garnison

Folgende Besatzungseinheiten sind für Vindobala bekannt:

Zeitstellung Truppenname Beschreibung
2. Jahrhundert n. Chr.
3. bis 4. Jahrhundert n.Chr. cohors prima Frixagorum Diese 500 Mann starke, vermutlich auch teilberittene Kohorte wurde ursprünglich in Niedergermanien aufgestellt und stellte vom 3. bis zum 4. Jahrhundert die Besatzung des Kastells.

[4]m

Vicus

Nur einige Terrassen zwischen Rudchester und dem Mithrastempel markieren heute das Areal der römischen Zivilsiedlung (vicus). Sie befand sich im Süden und Südwesten des Lagers. Einige der Terrassen sind bis zu 3,2 m, die meisten aber nur 0,3 m bis 1,5 m hoch. Gebäudereste sind keine mehr zu sehen. Spuren des Vicus konnten auch bei der Rudchester Farm beobachtet werden. Ein Felsloch, bekannt unter dem Namen "The Giants Grave" ist in Wirklichkeit eine in den Fels gehauene Zisterne, sie mißt intern 3,9 m x 1,5 m und ist ca. 0,5 m tief. Diese Art von Zisterne ist bisher einzigartig im nördlichen Grenzgebiet. Zum Vicus gehörte auch ein Tempel, der dem persischen Gott Mithras geweiht war. Er stand südwestlich des Kastells.

Mithräum

"Das Heiligtum wurde 150 yds wiederentdeckt. Außerhalb der südwestlichen Winkel der Festung und von den Herren ausgegraben. JP Gillam und I. MacIvor. Der Schrein wurde auf der ursprünglichen Oberfläche des Bodens gebaut und im Nord-Westen ausgerichtet. Das Kirchenschiff ist rechteckig, 42 Meter lang und 26 Meter breit, mit einem flachen Segment Apsis an der nordwestlichen Ende;.. eine Tür in der Mitte der Südostwand führt in das Kirchenschiff aus einem asymmetrisch geplanten externen narthex Zusammen. fast die ganze Länge des Schiffes, auf jeder Seite einer zentralen Gasse 10ft. breit, sind erhöhten Sitzen oder Bänken, 6 ft. breit, an der Vorderseite mit Stein. Nave und Narthex ausgekleidet wurden zusammen earley im dritten Jahrhundert am Boden gebaut dass war von früheren Strukturen, einschließlich einer großen gefüllten Grube im Laufe des Jahrhunderts über den teilweisen Zusammenbruch des südöstlichen Ende des Schreins gebracht besetzt worden. Die Konsolidierung der Füllung. Das Kirchenschiff, danach ohne externe narthex rekonstruiert, Fortsetzung um als Schrein bis zur endgültigen Schändung in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts · "funktionieren. In der Nähe der Stelle, wo es lag, muss es eine Feder und ein paar Meter mehr nach Osten ein Becken, in den Felsen gehauen wurden. Dieses Becken (L. 3,66 Br. 1,22 D. 0,61) hat "ein Loch in der Nähe der Unterseite an einem Ende". Ein Teil davon wurde aus Mauerwerk und seiner Entdeckung darin enthaltenen Knochen und (Bruce) "ein Eisen Gerät nach einem Drei-footed Leuchter beschrieben". Diese Mithraeum versorgte uns mit vier Altäre, die auf der Blackgate Museum sind (N

"The sanctuary was rediscovered 150 yds. outside the south-western angle of the fort, and excavated by Messrs. J. P. Gillam and I. MacIvor. The shrine was built on the original surface of the ground, and oriented to the north-west. The nave is rectangular, 42 ft. long and 26 ft. wide, with a shallow segmental apse at the north-western end; a doorway in the centre of the south-eastern wall leads into the nave from an asymmetrically planned external narthex. Along almost the whole length of the nave, on each side of a central alley 10ft. wide, are raised couches or benches, 6 ft. wide, revetted at the front with stone. Nave and narthex were built together earley in the third century on ground that had been occupied by earlier structures, including a large filled pit. Consolidation of the filling in the course of the century brought about the partial collapse of the south-eastern end of the shrine. The nave, subsequently reconstructed without an external narthex, continued to function as a shrine until its final desecration in the first half of the· fourth century". Close to the spot, where it was situated, there must have been a spring and a few yards more Eastward a basin, hewn out in the rock. This basin (L. 3.66 Br. 1.22 D. 0.61) has "a hole close to the bottom at one end". Part of it was made of brickwork and on its discovery it contained bones and "an iron implement described as a three-footed candlestick" (Bruce). This Mithraeum supplied us with four altars, which are at the Blackgate Museum (N

Gräberfelder

Siehe auch

Literatur

  • John Collingwood-Bruce: Handbook to the Roman Wall, Harold Hill & Son, 1863, ISBN 0-900463-32-5.
  • John Collingwood-Bruce, Charles Daniels (Hrsgb.) Handbook to the Roman Wall with the Cumbrian coast and outpost forts, 1978.
  • Archaeologia Aeliana: or miscellaneous tracts relating to antiquity, New series, Nr. 1 (1857) - 25, 1904, S. 25-31.
  • P. Brewis: Archaeologia Aeliana: or miscellaneous tracts relating to antiquity, Nr. 1, 1924.
  • J. Gilliam: Archaeologia Aeliana: or miscellaneous tracts relating to antiquity, Nr. 1, 1972.
  • J. Gillam, I. MacIvor, "The Temple of Mithras at Rudchester", Archaeol. Ael.,4 XXXII, 1954, S. 176 ff. the excavation report.
  • A. Rivet, Colin Smith: The place-names of Roman Britain, 1979.
  • J. Gibson: A Geophysical Investigation of the Roman Fort and Vallum at Rudchester (Vindovala). Unpublished MSc dissertation, Durham University, 1988.
  • J. Moore: Resistivity and S-Wave Seismic Refraction Surveys at Hadrians Wall, Rudchester, Northumberland. Unpublished MSc dissertation, Durham University, 1988.
  • M. Bowden, K. Blood: The Roman fort at Rudchester: an analytical field survey, 1991.
  • Tony Wilmott: Hadrian's Wall: archaeological research by English Heritage 1976-2000, 2009.

Anmerkungen

  1. L. Rivet, Colin Smith 1979, S. 500
  2. Bowden & Blood: The Roman Fort at Rudchester. An analytic field survey. Archaeologia Aeliana, 5. Serie, 1991, Nr. 19, S. 25-31
  3. P. Brewis 1924, S. 93-120, J. Gillam 1972, S. 81-85, J. Collingwood Bruce 1978, S. 76-81
  4. ND Occ. 11, 20



Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Tyne and Wear Kategorie:Bauwerk in Tyne and Wear Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Britannia) Kategorie:Tyne and Wear Kategorie:Erbaut im 2. Jahrhundert Kategorie:Hadrian (Kaiser)

CASTRA REGINA

Castra Regina war ein römisches Legionslager, auf dem Gebiet von Regensburg, eine kreisfreie Stadt in Ostbayern, Bezirk Oberpfalz, Landkreises Regensburg, Deutschland. Castra Regina umfasste neben dem Legionslager auch eine Zivilstadt, ein großes Gräberfeld sowie einige Heiligtümern und Tempelanlagen. Im Lager konnten neben den Kasernen noch Badeanlagen, ein Praetorium und ein Werkstättengebäude nachgewiesen werden.

Die Gründung eines Kohortenkastells in Regensburg-Kumpfmühl Anfang der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts n. Chr. markiert den Beginn der römischen Herrschaft über die Region um Regensburg. Von ihm aus überwachten römische Auxiliarsoldaten den Grenzabschnitt des Römischen Reiches am Donaubogen und den Flußtälern von Naab und Regen. Während der Markomannenkriege wurde das Kastell und seine Zivilsiedlung vermutlich niedergebrannt. Nachdem in der Provinz Raetien wieder der Frieden eingekehrt war, entstand auf dem Areal der heutigen Regensburger Altstadt ein großes Lager als Hauptquartier der Legio III. Italica. In den Jahren um 179 n. Chr. fertiggestellt, war es der bedeutendste Militärstützpunkt der rätischen Provinz. Westlich des Lagers entwickelte sich im Lauf der Zeit eine Zivilsiedlung (Canabae), in der Handwerker, Händler und die Familienangehörigen der ca. 6000 im Lager stationierten Legionare lebten. Nebenher entstanden Tempelbezirke, Gräberfelder, im näheren Umland Dörfer, (Vici) Gutshöfe und weitere Gewerbebetriebe die das Lager mit Gütern des täglichen Bedarfs versorgten. Nach einer relativ ruhigen Zeitperiode durchbrachen im 3. Jahrhundert neuerlich einige Germanenstämme den Limes. Auch Castra Regina und sein Umland hatten massiv unter den kriegerischen Wirren der anbrechenden Völkerwanderung zu leiden. Mehrmals wurden dabei das Legionslager sowie die nahen Siedlungen verwüstet. Im Laufe des 4. und 5. Jahrhunderts verlor Castra Regina durch den schrittweisen Abzug der Legion mehr und mehr seine einstige militärische Bedeutung. Das Legionslager wandelte sich in eine befestigte zivile Siedlung (Oppidum), bewacht von einer kleinen Resttruppe. Im Lager ließen sich in weiterer Folge immer mehr germanische Zuwanderer nieder und übernahmen nach Abzug der letzten regulären römischen Soldaten im 5. Jahrhundert dort eine führende Rolle. Im Zuge der Stammesbildung der Baiuwaren avancierte das ehemalige Militärlager zur Residenz der ersten baiuwarischen Herzöge.

Name

Der antike Ortsname geht vermutlich auf ältere keltische Bezeichnungen zurück.[1] Er beruht auf zwei keltischen Wörtern: rate oder ratis „Wall“, „Stadtmauer“ und bona „Gründung“ oder „Stadt“.[2] Nach Reitzenstein eine Zusammensetzung aus bauna (Wohnort) und dem Personenenamen Ratasos. Die Ortsbezeichnungen Regensburg wechselten zu Zeiten der Römer mehrmals. Angefangs bezeichneten sie den Standort einfach als "legio" (a Leg(ione) = "Lager" oder "bei der Legion"), diese Bezeichnung ist aus einer Inschrift (Entfernungsangabe) aus dem Jahr 201 n.Chr. überliefert, später als Regino (425-430) oder Reginum. Um 400 war der Ort als Castra Regina bekannt (= vom Fluß "Regen" oder auch "befestigtes Lager an der Regen"). Im Zusammenhang mit der Zivilsiedlung (Canabae) kennt man eine undatierte Inschrift, k(anabarum) R(eginensium). Regana und Radaspona werden ab 770 von Arbeo von Freising als Ortsbezeichnung überliefert. Im 14. Jahrhundert glaubte man, Regensburg sei vom römischen Kaiser Tiberius im Todesjahr Christi, gegründet worden. Auch der für Regensburg damals angenommene lateinische Name 'Tiburnia' schien dies zu bestätigen. Die Namensverknüpfung Regensburg - Tiburnia - Tiberius findet sich bereits in einem gefälschten Privileg von Papst Leo III. für das Kloster St. Emmeram aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. In Wirklichkeit war damit aber wohl die Stadt Teurnia im heutigen Kärnten gemeint.[3]

Lage

Regensburg befindet sich in einer klassischen „Pfortenlage” an einer Übergangsstelle zwischen topographischer Enge und Weite. Die Donau verlässt dort das Hügel- und Bergland und fließt weiter in die Gäubodenebene. Hier kreutzten sich in der Antike einige große Handelsstraßen. Zusätzlich mündeten hier die Flüsse Naab, Vils und Regen in die Donau. Sie dienten schon in der Zeit vor der Ankunft der Römer als wichtige Verbindungs- und Transportwege.

Forschungsgeschichte

14. bis 17. Jahrhundert

Der Regensburger Domherr Konrad von Megenberg (1311-1374) setzte das Gründungsdatum Regensburgs noch mit dem Sterbedatum von Jesus Christus gleich. Als Stadtgründer galt Kaiser Tiberius. Auch Johannes Turmair, genannt Aventinus (1477-1534), hielt weiter an der Gründung der Stadt durch Tiberius fest, verlegte aber das Datum auf 14 v. Chr. Diese Ansicht hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Aventinus erfaßte erstmals römische Inschriften aus Regensburg. Seine Aufzeichnung dieser Inschriften markiert den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung des römischen Regenburg. Bischof Albert Ernst Graf von Wartenberg (1635-1715) stieß beim Umbau des Kanonikalhofes (Maria-Läng-Kapelle) um 1675 auf weitere antike Funde. Seine Beschreibung einer "Grabung" und der Funde (die nur zum Teil römisch waren) ist ein wichtiges Dokument der Erforschung des römerzeitlichen Regensburgs im 17. Jahrhundert. In seinem Manuskript Ursprung und Herkommen. Der Vormahls Herrlich- und Königlichen Haupt-Statt Noreja...anjetzo Regens-Burgg... (1688), in dem er die Geschichte des frühen Regensburgs gestützt auf die römische Kaisergeschichte schilderte, versuchte er eine Verbindung zwischen der Heilsgeschichte und Regensburg herzustellen. Aus den angeblichen Funden von römischen Ziegelsteienen, gläsernen Kelchen und Patenen sowie mittelalterlichen Reliquiarien glaubte er auch die Anwesenheit der Apostel in Regensburg ableiten zu können.

18.Jahrhundert

Während die Werke Aventins und Wartenbergs nur einen kleinen Kreis von Gelehrten bekannt waren, erwachte gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein größeres Interesse an der römischen Vergangenheit der Stadt. Vielerorts machten sich Laien als auch ernsthafte Forscher auf die Suche nach antiken Überresten in Regensburg. Die bedeutensten Gelehrten, die sich ab dieser Zeit mit der Geschichte der alten Reichsstadt auseinandersetzten, hatten sich drei besonders um die Erkundung der römischen Wurzeln Regensburgs verdient gemacht: Georg Gottlieb Plato, genannt Wild, Roman Zirngibl (1740-1816) und Bernhard Stark. Der Stadtsyndicus Georg Gottlieb Plato-Wild (1710-1777), stieß vor den Südtoren der Stadt auf Scherben und schwarze Erdablagerungen. Damit lieferte er wichtige Hinweise für die spätere Aufdeckung des Großen Gräberfeldes, des zentralen Begräbnisplatz der Römer ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. Plato-Wild fertigte Lagepläne und Zeichnungen von seinen Funden an. Viele von ihnen gingen später verloren, die Abbildungen Plato-Wilds blieben aber erhalten. In seinem Werk "Sammlung verschiedener Nachrichten, den Ursprung, Erbauung und Bewachs der Stadt Regensburg auch deren Namen betreffend" (1776) handelt das erste Kapitel "Von denen zu Regensburg entdeckten römischen Alterthümern". Hier berichtet er u.a. von diversen Ausgrabungen. Plato-Wild entdeckte auch das zum Kastell Kumpfmühl gehörige römische Gräberfeldes, das er von 1750 bis 1761 untersuchte. Er fertigte auch den ersten schematischen Lageplan des Legionslager an. 1760 beobachtete er zusammen mit Roman Zirngibl den Abbruch eines Abschnittes der Südmauer im Küchengarten des Obermünsters. Durch seine Arbeiten war ab da der ungefähre Verlauf der Lagermauer bekannt.

19. Jahrhundert

Bernhard Stark (1767-1839) führte die ersten gezielten und langfristigen Grabungen nach römischen Zeugnissen in Regensburg durch. Über seine Grabungen, die vom 10. Dezember 1807 bis zum 11. Mai 1808 andauerten, berichtete er dem damaligen Stadtherrn Fürstprimas Carl von Dalberg und fügte seinem Bericht eine detailierte Grabungszeichnung bei. Die Untersuchungen im Garten des Fabrikanten Neumiller hatten gezeigt, daß sich das Gräberfeld entlang der Landstraße nahe Kumpfmühl ausdehnte. Zwischen 1808 und 1809 stieß Stark westlich von Kumpfmühl auf Verbrennungs- (bustum) und Bestattungsplätze. Stark nahm an, dass diese Bestattungsplätze zum Gräberfeld des Legionslagers zählten, wahrscheinlich gehörten sie jedoch zum Kumpfmühler Kohortenkastell. Ab 1810 wurden die Kosten der nachfolgenden Grabungen vom bayrischen Staat übernommen. 1811 ließ Stark im Kreuzgang des Klosters St. Emmeram Grabungen durchführen, deren Ergebnisse er in zwei Tagebüchern festhielt. Starks Aufzeichnungen über seine Forschungen wurden nie veröffentlicht. Die Gründung des Historischen Vereins des Regenkreises, heute als Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg bekannt, erfolgte im Jahr 1830. Im Laufe der Zeit legte der Verein eine beträchtliche Sammlung bedeutender römischer Funde an für die Stadt Regensburg an. Aus ihr stammen der Großteil der Ausstellungsstücke im heutigen Stadtmuseum. Besonders die römischen Funde gingen auf die vereinseigene Grabungstätigkeit zurück. In der Gründungszeit des Vereins waren hierbei besonders drei Personen federführend: Pfarrer Joseph Dahlem, Hugo Graf von Walderdorff und Georg Steinmetz.

Der Geistliche Joseph Dahlem entdeckte das große Gräberfeld und barg römische Überreste auf dem Königsberg (Kumpfmühl). In weiterer Folge untersuchte er den Verlauf der Via Augustana (der römischen Hauptstraße nach Augsburg) im Bereich der heutigen Kumpfmühler Straße. 1873 war er an der Bergung der Gründungsinschrift des Legionslagers mitbeteiligt. Auch bei der Auffindung und Restauration der Porta Praetoria war Dahlem involviert. Neben seiner Forschungstätigkeit legte der den Grundstein für die prähistorisch-römische Sammlung des Historischen Vereins und wurde deren erster Kustos. Hugo Graf von Walderdorff wurde 1868 zum Vorsitzenden des Vereines gewählt und blieb es bis 1882. Er verschaffte dem Verein die notwendigen Genehmigungen zur Überwachung der Grabungen bei den Eisenbahbaunarbeiten und finanzierte aus seinem Privatvermögen den Erwerb zahlreicher Altertümer für den Historischen Verein, die er so vor der Zerstörung bewahren konnte. Neben diesen Aktivitäten widerlegte er u.a. die Existenz einer römischen Siedlung am linken Donauufer und vermaß Teile der Lagermauer. Weiters war er an den Ausgrabungen Dahlems in Kumpfmühl und am Moltkeplatz (Alter Kornmarkt) beteiligt. Deren Befund interpretierte er zwar fälschlich als Lagerpraetorium, Waldorf verfasste jedoch ansonsten für diese Zeit erstaunlich exakte Ausgrabungsberichte. Sein literarisches Hauptwerk "Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart" erschien 1869 und gilt auch heute noch als eines der Standardwerke zur frühen Geschichte Regensburgs. Georg Steinmetz (1850-1945) übernahm ab 1895 die Stelle des Kustos des vereinseigenen Lapidarium (Ulrichsmuseum), eine Tätigkeit, die er 40 Jahre lang ausübte, bis die Vereinssammlung schließlich in den Besitz der Stadtverwaltung überging. Steinmetz sorgte für den guten Zustand der Fundstücke und die Kartierung der Sammlung. Mit Steinmetz Abgang endete die denkmalpflegerische Funktion des Historischen Vereins und der bayrische Staat übernahm diese Aufgabe.

20. Jahrhundert

21. Jahrhundert

Anfang 2006 wurden etwa 100 m östlich der Mauern des späteren Legionslagers keltische Gräber mit teilweise hochwertigen Grabbeigaben gefunden. Sie wurden auf etwa 400 v. Chr. datiert.

Entwicklung

Vorrömische Zeit

Der Regensburger Donaubogen wird von Menschen schon seit dem Neolithikum besiedelt. in frühmittelalterlichen Quellen ist als Träger des ältesten bekannten Ortsnamens eine keltische Siedlung namens Radasbona überliefert. An den Mündungen der Flüsse Naab und Regen kreuzten sich schon in vorrömischer Zeit auch bedeutende Handels- und Verkehrswege.

1. Jahrhundert v. bis 1. Jahrhundert n. Chr.

15 v. Chr. okkupierten die Römer unter Augustus in einem großangelegten Alpenfeldzug alle keltischen Stammesterritorien zwischen dem östlichen Alpenbogen und der Donau. Die Römer schlugen die Gebiete an der oberen Donau später der Provinz Raetien zu. Die Grenze gegen die freien Germanenstämme bildeten nun die großen Flüsse Rhein und Donau. In der Regierungszeit des Kaiser Vespasian wurde um das Jahr 80 zuerst das Hilfstruppenkastell von Regensburg-Kumpfmühl auf einem Hangsporn über der Donau errichtet. Von dort aus aus konnte der gesamte Donaubogen sowie die Flußmündungen von Naab und Regen gut eingesehen werden. Besonders die verkehrsgünstige Lage und ein stark frequentierter Donauübergang bewog die Römer dazu, hier dauerhaft Militär zu stationieren. Das Holz-Erde-Lager, wurde später in Stein umgebaut. Hier waren abwechselnd eine 500 Mann starke teilberittene Kohorte (cohors equitata) oder eine Doppelkohorte mit ca. 1000 Hilfstruppensoldaten (auxilia) stationiert. Das Lagerdorf (vicus) breitete sich an der heutigen Hauptstraße zwischen Augsburg und Regensburg und verfügte auch über eine Therme. Eine zweite Siedlung am Donauufer, im Bereich der heutigen westlichen Altstadt wird ebenfalls für diese Zeit vermutet. Reste eines Wachturmes wurden nahe der Naabmündung beobachtet. Der westlich von Regensburg gelegene Landzwickel zwischen den beiden großen Flüssen (sog. Dekumatenland) wurde später zusätzlich durch eine Linie aus Gräben, einer Mauer, Wachtürmen und Kastellen, den Obergermanisch-Raetischen Limes gegen Einfälle der nordöstlichen Barbarenstämme gesichert. Dadurch konnten auch die dort durchführenden Handelswege fast lückenlos überwacht werden.

2. Jahrhundert

Im 2. Jahrhundert etablierte sich hier die vermutlich älteste römische Brauerei nördlich der Alpen (heute Römer-Pavillon am Kornweg). Das Auxiliarkastell und die Zivilsiedlungen wurden in der zweiten Hälfte der 160er-Jahre zerstört. In diesem Jahr geriet die Donaugrenze durch die Ankunft ostgermanischer Stämme am Limes erstmals ins Wanken. In den darauffolgenden, äußerst desaströsen Markomannenkriegen wurde die bis dahin fast ungestörte Aufwärtsentwicklung Rätiens schlagartig unterbrochen. Bei diesen Auseinandersetzungen wurde auch das Hilfstruppenkastell niedergebrannt (wahrscheinlich gegen 170). 175, nach Vertreibung der Markomannen entschloss sich Kaiser Marc Aurel die 6.000 Mann der Legio III Italica unter ihrem Legaten Marcus Helvius Clemens Dextrianus nach Regensburg zu verlegen. Im Bereich der heutigen Altstadt wurde auf Befehl des Kaisers mit dem Bau des Legionslagers begonnen. Damit avancierte Castra Regina zum wichtigsten und größten Militärstützpunkt in Rätien. Aus den Resten der Bauinschrift ist bekannt, dass Anfang des Jahres 179 das Osttor des Lagers fertiggestellt worden war. Mit der Belegung der kurz davor errichteten Kasernen hängt wohl ein Weihaltar eines Unteroffiziers (optio) zusammen, der laut der Kaisertitulatur in der Zeit zwischen Frühjahr und Herbst des Jahr 180 in Auftrag gegeben worden war. Der Legionskommandant fungierte in Personalunion auch als Statthalter der rätischen Provinz. Sein Amtssitz verblieb jedoch auch weiterhin in der Provinzmetropole Augusta Vindelicum (Augsburg). Westlich des Lagers entwickelte sich rasch eine größere canabae legionis (Zivilsiedlung), in der Handwerker, Händler und die Familienangehörigen der Legionäre lebten. Unter ihrem Schutz entwickelte sich der Ort bald zu einem regionalen Handelsmittelpunkt.

3. Jahrhundert

Im 3.Jahrhundert durchbrachen feindliche Germanenstämme erneut den rätischen Limes. Während ein großer Teil der rätischen Legion zur Bekämpfung der Sassaniden im Osten eingesetzt war, wurden in den 240er Jahren ihr Lager und die Zivilstadt von den Alamannen verwüstet. Während weiterer Invasionen durch germanische Stämme wurde das Lager mehrmals teilweise zerstört. Das Lager wurde zwar danach jedesmal wieder aufgebaut, die rätischen Grenzgebiete erholten sich jedoch nicht mehr gänzlich von den massiven Zerstörungen. Auch die meisten Höfe im Alpenvorland mussten aufgegeben werden. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts, 278, wurde das Legionskastell ein zweites Mal niedergebrannt jedoch kurze Zeit später wieder aufgebaut.

4. Jahrhundert

Im Zuge der Heeresreformen durch Diokletian und Konstantin I. wurde die Legion in sechs Vexillationen - von denen nur eine in Regensburg stationiert blieb - geteilt. Das Lager wurde in der Spätantike noch einmal umgebaut bzw. modernisiert. Um 357 fielen die Juthungen, ein Teilstamm der Alamannen, in Raetien ein und richteten erneut schwere Verheerrungen an. Auch Castra Regina dürfte dadurch wieder massiv in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Da ständig Garnisonssoldaten zur Auffüllung der neuen mobilen Feldarmeen (comitatenses) abgezogen wurden zog sich die Besatzung am Ende vermutlich in ein Restkastell in eine der Ecken des Legionslagers zurück. Das übrige ummauerte Areal wurde der Zivilbevölkerung überlassen. Nach mehr als 200 Jahren Aufenthalt zogen am Ende des 4. Jahrhunderts die letzten Soldaten der Legio III Italica nach Vallatum (vermutlich das Kastell in Weltenburg) ab. Die Vermutung, dass sie durch Pseudocomitatenses ersetzt wurde, ist trotz Auffindung einiger ihrer Ziegelstempel nicht hinreichend belegbar. Auch die Zivilbevölkerung war zu diesem Zeitpunkt wohl schon großteils abgewandert, weswegen Castra Regina sowohl seine Funktion als Handelszentrum als auch seine militärische Bedeutung verlor. Seit dem frühen 4. Jahrhundert siedelten sich stattdessen immer mehr Germanensippen in Rätien an. Ab dem 5. Jahrhundert stellten sie schließlich die herrschende Klasse in der ehemaligen römischen Provinz.

Frühmittelalter

Von etwa 500 bis 788 war Regensburg der Hauptsitz der Herzöge der Bajuwaren aus dem Geschlecht der Agilolfinger die das ehemalige Legionslager zu ihrem Wohnsitz ausbauten. Regensburg wurde zu einem bedeutenden Zentrum des frühen bairischen Stammesherzogtums. Herzog Odilo verwirklichte im Jahr 739 die bairische Diözesaneinteilung. Die Bistümer Regensburg, Freising, Passau und Salzburg wurden kirchenrechtlich gegründet und ihre Grenzen festgelegt. Nach seinem Sieg über den bairischen Herzog Tassilo III. verbrachte Karl der Große zwei aufeinanderfolgende Winter (791–793) in Regensburg, um die Einverleibung Baierns in das Fränkische Reich persönlich abzusichern. Unter Ludwig II.(dem Deutschen) wurde Regensburg wieder Residenz und Verwaltungszentrum.

Legionslager

Das Legionslager stand im Bereich der heutigen Regensburger Altstadt und erstreckte sich bis zum Ufer der Donau. Noch bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts beschränkte sich Regensburg im wesentlichen auf das Areal des Lagers und einiger umfriedeter Gebiete im Westen. Das Lager hatte einen - für mittelkaiserzeitliche Befestigungen typischen - rechteckigen Grundriss mit abgerundeten Ecken (Spielkartenform) und bedeckte eine Fläche von 450 x 550 Meter (24,3 ha. Die Umfassungsmauer ist heute noch an einigen Stellen sichtbar (Porta Praetoria, Parkhaus am Dachauplatz, Am Königshof, Ernst-Reuter-Platz). Das Lagerinnere war durch die in Ost-West Richtung verlaufende „via principalis“ und die in Nord-Süd Richtung führende „via praetoria“ in vier Teile gegliedert. Im Zentrum des Lagers befand sich die „principia“ (Lagerverwaltung) und das „praetorium“ (Wohnhaus des Kommandanten). Das Lager bedeckte eine Fläche von 24,3 ha (540 x 460 Meter). wurde von einer etwa 8 Meter hohen und 2 Meter starken Mauer umschlossen. An deren Außenseite befand sich ein Spitzgraben und innen waren Wälle angeschüttet. In regelmäßigen Abständen standen insgesamt 30 Türme (inklusive der Tortürme). Die Mauerecken waren abgerundet. Die 4 Tore waren von je 2 Tortürmen flankiert. Das Lagerinnere wurde wie bei allen befestigten Römerlagern dieser Epoche gegliedert durch die in Ost-West-Richtung verlaufende via principalis und die in Nord-Süd-Richtung führende via praetoria. An diesen Lagerhauptstraßen lagen die Unterkünfte für Handwerker, Verwaltungssoldaten, das Lazarett, die Latrinen u.ä. Die rechtwinklig abzweigenden kleineren Lagergassen führten zu den Wohnquartieren der einfachen Soldaten. Im Zentrum des Lagers lagen die principia, das Hauptquartier, sowie das praetorium, das Wohnhaus des Kommandanten der Legion. Dies war in Castra Regina der Lagerpräfekt. Der eigentliche Legionskommandeur residierte in seiner Funktion als Statthalter der Provinz Raetia in deren Hauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg). Er kam nur zu Inspektionen persönlich in das Legionslager. Am Fuße des an der Innenseite der Lagermauer aufgeschütteten Erdwalls zog sich die 10 Meter breite via sagularis um das gesamte Lager herum. Rund um das Lager und die Zivilsiedlung lagen eine ganze Reihe von Bauernhöfen (villa rustica), die vorrangig zur Versorgung der Legion aber später auch der Zivilsiedlung angelegt wurden.

Es wurde von einem Spitzgraben mit 6 Metern Breite und 3 Metern Tiefe umfasst. Der 70-90cm hohe Mauersockel (auf dem die 1,80 Meter dicke und 9 Meter hohe Kastellmauer mit 30 Türmen und 4 Toren stand)

Porta Praetoria

Das Nordtor des Legionslagers wurde im späten Mittelalter in das Bischöfliche Brauhaus miteinbezogen. Es blieb auf diese Weise erhalten da die Vermauerung verhinderte, dass die Bevölkerung die Steine des Tores für neue Gebäude verwendete. Erbaut wurde sie um 179 n. Chr. Zusammen mit der etwas größeren Porta Nigra in Trier (erbaut 180 n. Chr.) ist die Porta Praetoria der älteste erhaltene römische Hochbau nördlich des Alpenbogens. Auch in nachrömischer Zeit wurde das Tor weiter benutzt. Seit dem Jahr 932 ist es als Porta Aquarum, "Wassertor" bekannt. Nach dessen Überbauung verlor es seine Funktion. Spätestens 1649 wurde auch der Torbogen vermauert und durch einen nördlichen Vorbau verdeckt. 1885 kam es bei Umbaumaßnahmen am Bischofshof zu seiner Wiederentdeckung.

Es handelte sich ursprünglich um ein zirka 10 Meter breites Tor mit zwei Durchfahrten, flankiert von einem West- und Ostturm. Die Türme verfügten über zwei Stockwerke und hatten feindseitig fünf Rundbogenfenster die zur Beleuchtung und als Schießscharten dienten. Quer über den Toren befand sich noch eine Wachstube. Erhalten geblieben sind der linke Flankenturm und ein Durchgangsbogen des einst wohl sehr repräsentativ gestalteten Lagerzugangs. Vom wohl 11 Meter hohen Flankenturm stehen noch zwei Geschosse. Er wurde aus bearbeiteten Kalksteinquadern errichtet. Der 4 m breite und 6 m hohe Torbogen besteht aus 13 großen Kalksteinquadern, welche an den Seiten glatt behauen sind und ohne Mörtel aneinandergefügt wurden.

Umwehrung

Die Mauer hat eine Höhe von ca. 8 Meter. Ihre Länge beträgt insgesamt 2 km und sie ist 2 Meter breit. Außerdem waren auf der Mauer 30 Türme angebracht, hierbei waren jeweils 4 Tore von 2 Tortürmen flankiert. Die aus Sand- und Kalksteinquadern errichte römische Mauer war insgesamt 545 Meter lang, 7-8 Meter hoch und 2,4 Meter stark. Eine 10 Meter breite Erdaufschüttung verstärkte das Mauerwerk von innen und diente als Wehrgang. Die Mauer ist in mehreren Teilen auch heute noch sichtbar. Sie wurde im 3.Jrh. bei Einfällen der Alamannen teilweise zerstört und wieder aufgebaut. In den Jahren 1955 - 63 wurde am Ernst-Reuter-Platz die Südost-Ecke des römischen Legionslagers freigelegt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Aktion war ein harter Kampf und forderte sowohl der Deutschen Herold AG, die das Gelände bebauen wollte, als auch den damit befaßten Archäologen, Konservatoren sowie der Regensburger Stadtverwaltung viel Geduld und Fingerspitzengefühl ab. Nach einigen Verzögerungen einigte man sich im Sommer 1955 darauf, zunächst durch Grabungen den Mauerverlauf festzustellen. Während dieser von Oktober bis Dezember 1955 dauernden Untersuchung des Grundstücks wurden in 8 m Tiefe die römischen Schichten erreicht. Die Römermauer kam tatsächlich in einem hervorragenden Erhaltungszustand in einer Länge von 23 m bei einer aufgehenden Höhe von mehr als 4 m zum Vorschein. Auch die Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung mit Wehrturm wurden ergraben. Auch aufgrund von Streitigkeiten zwischen dem Deutschen Herold, der Stadt Regensburg und verschiedener Anlieger lagen die freigelegten Bodenfunde bis Juni 1958 ohne weiteren Schutz in der offenen Baugrube. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte das Baulinienfeststellungsverfahren abgeschlossen werden. Auch die Grabungen wurden wieder aufgenommen und prompt konnten die Archäologen weitere 16 m Römermauer bis unmittelbar an die Maximilianstraße heran freilegen.

Nachdem durch einen Architektenwettbewerb ein für beide Seiten annehmbarer Plan entstanden war, stand der Vollendung des ersten Bauabschnitts des Versicherungsgebäudes nichts mehr im Wege. Die Stadt Regensburg und der Bauherr hatten sich dahingehend geeinigt, daß die römischen Überreste erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben sollten. Einen so krassen Fall von Denkmalzerstörung, wie man ihn beim Bau der Industrie- und Handelskammer 1952 hatte hinnehmen müssen, wollten die Verantwortlichen absolut vermeiden. Dort wurden ca. 30 m bestens erhaltener Römermauer einfach abgerissen. Die Steine fanden als Material zur Rollierung des Untergrundes Verwendung. Nun standen Stadtverwaltung und Landesamt für Denkmalpflege vor einem neuen Problem. Wie sollte man die Überreste erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich machen? Man entschied sich für die noch heute bestehende Lösung. Die Mauer wurde in eine kleine Grünanlage eingebettet. Dies war damals zwar die praktikabelste Lösung, nicht aber die optimale. Weitaus besser wäre es gewesen, die Anlage in Form eines kleinen Museums zu gestalten. Der Römerpavillon am Kornweg bietet dafür ein Beispiel. Denn die Römermauer ist unter freiem Himmel allen Witterungseinflüssen ungeschützt ausgesetzt, was eine aufwendig und v.a. ständige Pflege notwendig macht, wenn das Denkmal nicht schnell gänzlich verloren gehen soll. Damit sind natürlich immer große Kosten verbunden, die die Stadt scheinbar bis 1989 gescheut hat.

27 Jahre lang geschah in und an der Anlage nämlich überhaupt nichts mehr. Die Römermauer rottete vor sich hin. Auch die Tradition, die Ausgrabungen wie schon während der Freilegung als Müllkippe zu mißbrauchen, lebte schnell wieder auf. 1989 beschloß die Stadt endlich, wieder etwas für das seinerzeit so hart erkämpfte und nach der Porta Praetoria wohl wichtigste römische Denkmal Regensburgs zu tun. Daß dies bitter nötig war, mögen Zitate aus Zeitungsartikeln verdeutlichen. So stand z. B. in der "Woche" am 16.2.1989 zu lesen: "Römermauer stiefmütterlich behandelt", "Römermauer als Schandfleck [...] Sie [die Stadt] hat an einem schlechten Beispiel demonstriert, wie man mit Dingen nicht umgeht, die sonst gerne als Touristenattraktion verkauft werden."

Die Stadt Regensburg stellte 50.000,-- DM für die Instandsetzung bereit. Man säuberte die Mauer von Bewuchs und befestigte mittlerweile lose gewordene Steine. An der mittelalterlichen Wehranlage wurde eine Treppe angebracht, so daß der Wehrturm nun begehbar ist. Schließlich richtete man noch einen Schauraum ein. Drei Schautafeln geben Auskunft über die Südost-Ecke des Lagers und über Castra Regina im allgemeinen. Für Interessierte ist die Besichtigung dieses Schauraumes im Zuge von Stadtführungen möglich.

Im Bereich der Südost-Ecke der Legionslagermauer hatte man also in zähem Ringen einen akzeptablen Kompromiß zwischen den Interessen der Denkmalpflege, der Stadtentwicklung und der Privatwirtschaft gefunden.


ENTDECKUNG UND RETTUNG DER MAUER

Im Mai 1954 reichte die Deutsche Herold AG eine Bauvoranfrage für ein Bürogebäude ein, das am Ernst-Reuter-Platz errichtet werden sollte. Bereits zuvor hatte man vermutet, auf dem noch relativ unverbauten Gelände auf Bodendenkmäler zu stoßen, insbesondere auf die römische Lagermauer. Es bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die römische Schicht relativ unverletzt vorzufinden. Im Zuge eines zweiten Bauabschnitts mußte ein Parkplatz für die Mitarbeiter der Deutschen Herold AG angelegt werden. Die Zufahrt sollte gerade über jenen Teil des Geländes führen, auf dem die Römermauer stand. Dagegen wehrte sich die Stadt und forderte zudem vom Deutschen Herold finanzielle Mittel zur Konservierung der Mauer, was die Versichungs-AG aus nachvollziehbaren Gründen ablehnte.

Nachdem der Streit soweit eskaliert war, daß der Deutsche Herold sogar die Zuschüttung der Mauerreste veranlaßt hatte, regte sich massiver Protest in der Bevölkerung. Durch die Initiative verschiedener Privatpersonen konnten bis Mai 1962 ca. 22.000,-- DM für die Konservierung der Mauer gesammelt werden. Auch die Regierung der Oberpfalz hatte inzwischen reagiert und verfügt, daß die Versicherungsgesellschaft die Mauer wieder freilegen müsse. Ende Juni 1962 waren insgesamt ca. 75 m Römermauer gerettet.

Gräberfelder

Das 19. Jahrhundert gilt gemeinhin als das Zeitalter der Industrialisierung und des Fortschritts. Die Vergangenheit, zumal wenn sie soweit zurückliegt wie die römische, scheint in diesem Denken wenig Platz zu finden. Dennoch entwickelte sich gerade in diesen Jahren ein wachsendes Interesse an Geschichte und deren Überresten, und es begann eine staatlich geförderte und gelenkte Bodendenkmalpflege. Doch diese beiden Punkte scheinen sich nur beinahe zu widersprechen, oft ermöglichten erst umfangreiche industrielle oder auch verkehrstechnische Bauvorhaben die Aufdeckung und Untersuchung vieler archäologischer Funde. Grabungen, die allein aus Forschungsgründen unternommen wurden, waren schon damals eher selten.

Auch Regensburg bildete dabei keine Ausnahme. Obwohl hier die Industrialisierung nur recht langsam voranschritt, kamen dennoch bei etlichen Bauprojekten wertvolle römische Überreste ans Tageslicht. Ein Beispiel für eine solche "Förderung" von Bodendenkmalpflege ist der Auf- und Ausbau des Eisenbahnnetzes, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das wohl größte Bauprojekt im Regensburger Umland.

Lange hatte man um einen Bahnanschluß kämpfen müssen. Schon 1819 wurden erste Pläne für eine Schienenverbindung von Main und Donau veröffentlicht. Mitte der 30er Jahre bildete sich in Regensburg ein Komitee mit dem Ziel einer Bahnlinie nach Nürnberg. Doch erst 1859 wurde die erste von Regensburg ausgehende Strecke in Richtung Amberg-Nürnberg fertiggestellt. Mit der Bahnanlage sprengte Regensburg ab 1859 erstmals seinen mittelalterlichen Umriß. Das damals noch freie Gelände zwischen Bahnhof und Stadt wurde recht schnell bebaut.

In den nächsten Jahren wurden die Bahnverbindungen dann immer mehr ausgebaut. Bei einer dieser Erweiterungen, der sogenannten Donautalbahn nach Ingolstadt, wurde dann bei den nötigen Erdarbeiten zwischen der Stadt und Kumpfmühl das Areal des zentralen Bestattungsplatzes des römischen Regensburg (Großes Gräberfeld) angegraben und durch Pfarrer Joseph Dahlem im Auftrag des Historischen Vereins wissenschaftlich untersucht. Er legte seine Erkenntnisse in einem ausführlichen Fundprotokoll nieder und verfertigte auch einen Gräberplan. Hinweise auf eine Nekropole entlang der Via Augustana, der alten Römerstraße nach Augsburg, gab es schon seit langem. Bereits im 18. Jahrhundert wurde dort durch den Stadtsyndikus Plato-Wild systematisch nach Funden gesucht. Und in den Jahren 1807/1808 deckte der Benediktinerpater Bernhard Stark bei seinen Grabungen im Neumillerschen Garten mehr als 300 Gräber auf. Man konnte also davon ausgehen, daß bei den Planierungsarbeiten auf diesem Gebiet relativ reichhaltige Funde gemacht würden.

Der Vorstand des Historischen Vereins, Hugo Graf von Walderdorff, erwirkte daher bei den zuständigen Behörden in München die Erlaubnis zur Beobachtung des Bahnbaus und zum Anlegen einer Sammlung. Etwa um die gleiche Zeit, von 1870-1873, führte auch die private Ostbahngesellschaft Bauarbeiten im römischen Friedhofsgebiet durch, um die Linie Regensburg-Neumarkt-Nürnberg zu erstellen. Auch hier sollte der Historische Verein eigentlich die Bergung der dabei anfallenden Funde überwachen dürfen. Die Erlaubnis wurde jedoch wieder entzogen, da die Ostbahn plante, selbst eine Sammlung für das Direktionalgebäude anzulegen (das "Sponsoring" von Geschichtsforschung hatte eben schon damals Prestigewert). Die Sammlung erreichte aber nur einen sehr bescheidenen Umfang und ging schließlich ganz verloren. Für Joseph Dahlem, der vom Historischen Verein mit der Untersuchung beauftragt worden war, bedeutete das jedenfalls, daß der südliche Bereich des Gräberfeldes ihm fast gänzlich verschlossen war. Auch im weiteren Verlauf der Grabungen hatte er immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Der Friedhof, den Dahlem untersucht hatte, stellte sich nun vereinfacht ungefähr so dar: er lag, wie bereits erwähnt, zu beiden Seiten der römischen Via Augustana und hatte eine Länge von zirka 140 Meter. Direkt an der Straße begannen die Beerdigungsstätten, die hier zumeist Brandgräber und ungeordnet zueinander angelegt waren. In einer Tiefe von etwa 40-70 cm lag meist eine Urne, um die sich eine Schicht mit Asche und Scherbenresten befand. In der Urne selbst wurden oft Beigaben wie Bronze- und Eisenschmuck, Lampen, Kämme, usw., einfach alle möglichen römischen Gebrauchsgegenstände gefunden. Vereinzelt befanden sich zwischen den Brand- auch einige Skelettgräber aus der gleichen Zeit. Dieser Teil des Gräberfeldes dürfte etwa von Ende des 2. bis Ende des 3. Jahrhunderts benutzt worden sein. Weiter westlich gelegen befindet sich ein Friedhofsabschnitt, der von Dahlem als konstantinisch bezeichnet wurde.

Es ist festzuhalten, daß das großflächig untersuchte Gebiet weder ganz ausgegraben wurde - so blieben tieferliegende Gräber unberücksichtigt - noch Dahlem alle entdeckten Bestattungen in sein Protokoll aufnahm. Die Gesamtzahl der Bestattungen des Gräberfeldes dürfte bei wenigstens 3000 Brandgräbern und 2000 Körpergräbern liegen, damit ist es einer der größten bekannten römischen Grabplätze an Rhein und Donau.

Nur einen Teil seiner umfangreichen Funde veröffentlichte Dahlem selbst 1881 in einem Führer durch das Museum St. Ulrich, dem er auch seinen Gräberplan beifügte. H. Lamprecht übernahm schließlich die Bearbeitung seiner Aufzeichnungen, aus denen er einen Fundbericht erstellte, der 1906 publizierte wurde; wissenschaftlich aufgearbeitet wurde der Befund erst 1971 durch Siegmar von Schnurbein.

Literatur

  • F. Vollmer, Inscriptiones Baiurariae Romanae (1915), S. 358ff;
  • Paul Reinecke, Bayerische Vorgeschichtsfragen. Band 4, 1924, 40; id., “Das Auxiliarkastell Ratisbona-Kumpfmühl,” Germania 9, 1925, S. 85ff.
  • Georg Steinmetz, Regensburg in der vorgeschichtlichen und römischen Zeit, Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Oberpfalz u. Regensburg 1926, S. 3 - 72.
  • Friedrich Wagner, Die Römer in Bayern 4 (1928) 61ff; id., “Neue Inschriften aus Raetien,” Ber. RGK 37-38 (1956-57) S. 101ff.
  • A. Stroh, “Untersuchungen an der Süidostecke des Lagers der legio III Italica in Regensburg,” Germania 36 (1958) 78ff;
  • F. Ulbert, “Das römische Regensburg,” Germania Romana I: Römerstadte in Deutschland 1 (1960) 64ff; id., “Das römische Regensburg als Forschungsproblem,” Verhandlg. Hist. Ver. Oberpfalz u. Regensbg. 105 (1965) 7ff;
  • K. Schwarz, “Ausgrabungen im Niedermünster zu Regensburg,” Jahresbericht der Bayer. Bodendenkmalpflege 8 (1970).
  • 500 Jahre auf den Spuren der Römer. Geschichte der Erforschung des römerzeitlichen Regensburg, Hrsg.: Stadt Regensburg; Katalogredaktion und Schriftleitung: Gerhard Waldherr (Ausstellungskataloge zur Regensburger Geschichte Bd. 4), Regensburg, 1994, ISBN: 3-925753-39-7.
  • Karlheinz Dietz, Gerhard Waldherr: Berühmte Regensburger: Lebensbilder aus zwei Jahrtausenden, Universitätsverlag, Regensburg 1997, ISBN: 3-930480-67-0.
  • Karlheinz Dietz, Thomas Fischer: Die Römer in Regensburg. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1996, ISBN: 3-7917-1484-8.
  • Karlheinz Dietz, Udo Osterhaus, Sabine Rieckhoff-Pauli, Konrad Spindler: Regensburg zur Römerzeit, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1979, ISBN: 3-7917-0599-7.
  • Thomas Fischer, Sabine Rieckhoff-Pauli: Von den Römern zu den Bajuwaren. Stadtarchäologie in Regensburg. Bayerische Vereinsbank, München: 1982 (Bavaria Antiqua).
  • Gerhard Waldherr: Auf den Spuren der Römer - ein Stadtführer durch Regensburg. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2001, ISBN: 3-7917-1748-0.
  • Andreas Boos, Lutz-Michael Andreas, Bernhard Overbeck: Der römische Schatz von Regensburg-Kumpfmühl, Museen der Stadt Regensburg, Regensburg 2000, ISBN: 3-925753-86-9.
  • Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein: Lexikon bayerischer Ortsnamen: Herkunft und Bedeutung. Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Verlag C.H.Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-55206-9.

Burg Starhemberg

Nördlich des Ortes liegen die Ruinen der einst bedeutenden und weithin sichtbaren Burg Starhemberg - die Türme waren aus dem Raum Wiener Neustadt zu sehen -, die im 13. Jahrhundert kurzzeitig landesfürstliche Residenz und Schatzkammer war. Die gut befestigte Burg galt als uneinnehmbar und eignete sich daher für die Verwahrung des Babenberger Schatzes.

In ihren Anfängen gehörte die 1146 erstmals urkundlich genannte Burg zum Herrschaftsbereich der steirischen Otakare. Vermutlich um 1140 von Adalram von Waldegg-Feistritz erbaut, war sie zunächst Sitz steirischer Adeliger. Nach dem Aussterben der Otakare 1192 ging sie in den Besitz der Babenberger über und wurde bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts in mehreren Phasen zu einer der größten landesfüsrtlichen Burgen Österreichs ausgebaut. Trotz des Verfalls haben sich große Teile der romanischen Burganlage erhalten. Aus der Ausbauphase um 1200 unter Herzog Leopold V. oder Leopold VI. stammen u.a. die Hochburg, die später zum Turm ausgebaute Rundkapelle im Vorburgbereich und die ca. 240 m lange Ringmauer.

Nur wenige Jahrzehnte später erfolgte unter dem letzten Babenbergerherzog Friedrich II. dem Streitbaren (1230-1246) der Ausbau zur prunkvollen Residenz. In seinen Auseinandersetzungen mit dem gleichnamigen Stauferkaiser Friedrich II. nutzte der Herzog die Burg wiederholt als Zufluchtsort. Zahlreiche Urkunden bezeugen seine Anwesenheit in den Jahren 1240, 1242 und 1244. Ausbau der Burg Starhemberg unter Herzog Friedrich II. zur herzoglichen Residenz - Verwahrung des "Babenberger Schatzes"

Die Burg Starhemberg wurde unter Herzog Friedrich II. für wenige Jahre ein so bedeutender Schauplatz fürstlicher Repräsentation, dass sie sogar in der vermutlich bald nach 1245 angefertigten Ebstorfer Weltkarte neben Wien und Krems eingezeichnet wurde ("Starkenberch").

In der nach dem Vorbild von Sainte-Chapelle errichteten zweigeschoßigen Burgkapelle wurde der "Babenberger Schatz", darunter die Urkunden, verwahrt. Nach dem Tod des Herzogs 1246 verlor die Burg an Bedeutung, der Schatz wurde noch eine Zeit lang dort vom Deutschen Orden gehütet. Er ist bis auf Heiltümer und zahlreiche Urkunden nicht erhalten. Im Zuge der umfangreichen landesfürstlichen Bautätigkeit wurden repräsentative Wohnbauten mit hochwertiger künstlerischer Ausstattung errichtet, die Rundkapelle zu einem monumentalen Turm aufgestockt und ein weitläufiger Zwinger angelegt (sog. "Waffenplatz"). Zu den repräsentativsten Neubauten gehört die zwar nur mehr in Resten erhaltene, aber mit Hilfe digitaler Vermessung und Computervisualisierung rekonstruierbare Annenkapelle im Burghof, die zwischen Palas und ehemaligen Turm eingebaut wurde. Die Rekonstruktion der Architektur ergab einen an französische Vorbilder orientierten zweigeschoßigen Sakralraum, der sich wegen seiner fortschrittlichen Raumlösungen durchaus mit der "Capella speciosa" in Klosterneuburg (Weihe 1222) - dem damals modernsten Bau im Herzogtum Österreich - messen konnte. Sie diente daher wohl als Palastkapelle und vermutlich auch als Schatzkammer für kostbare Reliquien sowie die Urkunden des Herzogtums. Sicher ist, dass die damals als "unüberwindlich" geltende Burg das "Schatzhaus" des Babenberger Schatzes war.

Nach diesem Ausbau musste Starhemberg mit seinen insgesamt drei Türmen – für Burgen damals sehr ungewöhnlich - einen überaus beeindruckenden Anblick geboten haben, durchaus vergleichbar mit staufischen Kaiserresidenzen, was wohl auch die Intention des Bauherrn war. Herzog Friedrich II. befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, den Aufstieg in den königlichen Rang bereits vor Augen. Die in dieser Zeit verhandelten Pläne, die Herzogtümer Österreich und Steier zum Königreich zu erheben, wurden allerdings nicht realisiert. Die Bedeutung Starhembergs ist nicht zuletzt daraus ersichtlich, dass die Burg in der sog. Ebstorfer Weltkarte, entstanden vor 1250 in Norddeutschland, neben Wien und Krems eingezeichnet ist (Starkenberch urbs).

Nach dem Tod Herzog Friedrichs II. 1246 wurde die Burg vom Deutschen Orden verwaltet, der vor allem die dort verwahrten Dokumente hütete, solange die Erbansprüche ungeklärt waren. Wieweit die Deutschordensbrüder erfolgreich waren, ist nicht bekannt, da sich der Babenberger Schatz großteils nicht erhalten hat. In den folgenden Jahrhunderten blieb die Burg in landesfürstlichem Besitz, verlor aber an Bedeutung. Ab dem 15. Jahrhundert wurde sie häufig verpfändet und 1590 schließlich an die Grafen Heussenstein verkauft, die mehr als 200 Jahre im Besitz von Burg und Herrschaft blieben. Unter ihnen erfolgte um 1600 ein grundlegender Renaissance-Umbau der mittelalterlichen Hochburg zu einem schlossartigen Wohnbau. Die Gestaltung der noch erhaltenen Hoffassade des Nord- und Westtrakts mit einheitlichen Fensterachsen und Spiraldekor stammt aus dieser Bauphase. Auch die Befestigungsanlagen wurden modernisiert. Der Stich von Georg Matthäus Vischer (1672) zeigt Starhemberg noch als stattlichen und bewohnbaren Adelssitz, der 1683 der Bevölkerung Schutz vor den Osmanen bieten konnte.

Der Verfall setzte im 18. Jahrhundert ein, als die Dächer abgetragen wurden, um die nach der Dachfläche berechnete Dachsteuer zu sparen. 1817 kam die Burg in den Besitz des Freiherrn Stephan von Badenthal, 1830 wurde sie von Erzherzog Rainer, Vizekönig von Lombardei-Venetien, erworben. Verbunden mit dem großen Interesse des 19. Jahrhunderts am (romantisch-verklärten) Mittelalter erregten die Ruinen nun die Aufmerksamkeit von Heimatforschern, Gelehrten und Künstlern und ließen Ansichten und Beschreibungen entstehen. 1870 stürzte der Großteil des Palas ein. In der Folgezeit dienten die Ruinen der Bevölkerung als "Steinbruch" für den Hausbau; 1945 führte die militärische Nutzung als Beobachtungsposten zu weiteren schweren Schäden durch russischen Artilleriebeschuss.

Seit 1913 ist Starhemberg im Besitz der Familie Salvator-Habsburg-Lothringen. Trotz Bemühungen des örtlichen Burgenvereins konnte die Ruine bislang nicht saniert werden und ist daher aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich.


weiterführende Literatur: Barbara Schedl (Hg.), Starkenberch urbs. Ein virtuelles Modell der Burg Starhemberg in Niederösterreich (Virtuelle Mediävistik 1), 2000, Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (CD-ROM).


Bautechnisch-gesteinskundliche Überlegungen zum Burgenbau im südlichen Niederösterreich Rudolf Koch, Andreas Rohatsch, Wien

Aus geologischer Betrachtungsweise gesehen befindet sich die Burgruine Starhemberg in der geologischen Einheit der Nördlichen Kalkalpen nahe dem Westrand des jungtertiären Wiener Einbruchsbeckens. Der Burgberg besteht aus gebanktem Dachsteinkalk und stellt außerdem die geologische Typuslokalität des in vereinzelten Lagen vorkommenden roten Starhembergkalkes dar. Mit etwas Glück und Ausdauer können in diesen Gesteinen verschiedene Fossilien, wie zum Beispiel Brachiopoden, Bivalven und Korallen gefunden werden. Am Südabhang des Burgberges, gegenüber dem Gasthof »Zitherwirt«, verläuft die Schichtgrenze zu den Sedimentgesteinen der Gosauformation mit Rudistenkalken, Tonmergeln, Sandsteinen und Konglomeraten.

Im Mauerwerk und in den Architekturteilen gelangten folgende Gesteine zur Anwendung: Als Hauptbaumaterial kommt Dachsteinkalk vor, der direkt im Bereich des Burgberges abgebaut wurde, untergeordnet sind Starhembergkalk, Gosausandstein und -konglomerat) Wöllersdorfer Leithakalk, Lindabrunner Konglomerat, Leithakalksandstein und Kalktuff zu beobachten.

Das hochmittelalterliche Mauerwerk der Ringmauer besteht durchwegs aus Quadern von mittlerem bis kleinem Format, wobei durch bewußte Formatwahl der meist querrechteckigen Quadern einheitlich durchlaufende Lagerfugen angestrebt wurden. Sofern Fugensprünge dennoch auftraten, wurden diese durch übergreifende Quaderlagen und »vierungsartige« Füllstücke an die nächsten Quaderlagen angeglichen. Zur Erzielung eines regulären Verbandes mit versetzten Stoßfugen treten vereinzelt hochkant, also nicht lagerhaft verlegte Ausgleichsstücke auf. Im Durchschnitt fallen vier Quaderlagen auf 1m Bauhöhe, was annähernd den mittleren Arbeitshöhen entsprechen dürfte. Die Quader sind an den Sichtflächen sorgfältig mit dem Steinhammer zugerichtet, vereinzelt sind auch Spuren des Spitzeisens zu erkennen; ein Randschlag konnte nirgends nachgewiesen werden.

Zeitgleiches Quadermauerwerk - wie etwa jenes der Burgkapelle von Liechtenstein aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts -liegt mit seinen geflächten Quadern qualitätsmäßig höher, doch standen in Starhemberg die Materialeigenschaften des fast ausschließlich verwendeten Dachsteinkalks einer Feinbearbeitung entgegen. Dieser stellt für die steinmetzmäßige Bearbeitung aufgrund seiner Härte und Zähigkeit besondere Herausforderungen an Handwerkstechnik und Steinmetzwerkzeug.

An einigen vor der Abwitterung geschützten Stellen im Inneren dieser ältesten Teile der Burg hat sich noch der ursprüngliche Verschlußmörtel der Stoß- und Lagerfugen erhalten, der einst das steinsichtige Quadermauerwerk mit einem dekorativen Fugennetz akzentuierte. Wie jedes Quadermauerwerk ist auch das der Burg Starhemberg als Schalenmauerwerk ausgeführt. Aufschlüsse über die Binnenstruktur ergeben sich an Fehlstellen der Innenfläche. Hier ist zu erkennen, daß die Bruchsteinfülle der Mauerspeise gleiche »Schichthöhen« wie jene der Quaderschale aufweist. Die Mauerfülle wurde demnach nicht erst nach Aufbau einiger Quaderlagen quasi in die so entstandene Schalung hineingegossen, sondern sorgfältig Schicht für Schicht mit der Außenschale hochgezogen.

Der prinzipielle Aufbau der hochmittelalterlichen Binnenmauern folgt jenem der Ringmauer, allerdings mit zwei Abweichungen, wie etwa die ältere Rückwand im Bereich der Küche zeigt. Einerseits herrscht jetzt ein kleinteiligeres Quadergefüge vor - auf 1 m Bauhöhe fallen fünf Schichten an -, andererseits werden Schichtsprünge durch leicht schräg verkantete Quaderstücke vermieden, eine Technik, die letztlich an das »opus spicatum« (Fischgrätverband) beim Bruchsteinmauerwerk erinnert. Bedingt durch das meist würfelige Quaderformat kommt es häufiger zu durchlaufenden Stoßfugen als beim Verband der Ringmauer.

Daß beide Varianten des Quadermauerwerks der Zeitstufe des 12. Jahrhunderts angehören, läßt sich an der Rundkapelle im ehemaligen Vorfeld der hochmittelalterlichen Burg nachweisen, wo die Synthese der Mauerstruktur vollzogen wurde. Das älteste Quadermauerwerk der Burg Starhemberg belegt, daß die Bautechnik einerseits von zeitspezifischen Faktoren abhängig ist (Quaderverband, Fugennetz), andererseits von materialtechnischen Aspekten (Format und Bearbeitung), Im Zuge des Ausbaues der Burg unter Herzog Friedrich II. kommt es bereits zur Verwendung von hammerechtem Bruchsteinmauerwerk.

Im ausgehenden Spätmittelalter und beim Umbau bzw. der Erweiterung der Burg im 16. Jahrhundert herrscht das material- und bautechnisch unproblematische Bruchsteinmauerwerk vor. Zusätzlich zum weiterhin den Großteil der Baumassen bestimmenden Dachsteinkalk gelangen dünnschichtige, plattige Gesteine zur Anwendung, die für eine Quaderherstellung ungeeignet sind (Starhembergkalk,Gosausandsteine). So zeigen etwa die Rondelle im Bereich des Turnierplatzes ein Bruchsteingefüge, das aus relativ großen und unregelmäßigen Blöcken besteht, die kaum mehr durchlaufende Lagerfugen ausbilden. Charakteristisch für dieses Mauerwerk sind die mit kleinen Bruchsteinen ausgezwickten Lager- und Stoßfugen. Im Gegensatz etwa zum Zwickelmauerwerk des 13. Jahrhunderts, das in der Regel in den Stoßfugen keine durchgehenden Zwickelsteine verwendet, werden so die großen Blöcke gleichsam in einem »Zwickelnetz« verspannt. Fensterbögen werden mit Ziegeln, Gosausandsteinen oder Kalktuff gemauert.

Deutlicher noch ist diese Mauerwerkstechnik an den jüngeren Teilen der Küche - eine Rückwand gehört ja, wie oben angeführt, dem hochmittelalterlichen Bestand an - zu erkennen. Hier werden teilweise sogar Quader (Spolien?) in dieser Art vermauert. Die Wahl dieser »Netzmauertechnik« liegt zweifellos in der Bauökonomie begründet, erlaubt doch die Verwendung großformatiger Bruchsteinblöcke ein rasches Aufrichten der Mauern, wobei durch den Wegfall einer auch nur groben Zurichtung der anfallenden Blöcke auf gleiche Formate und die Anpassung mit Zwickelsteinen im Mauerverband der Zeitaufwand minimiert wird.

Bei der Küche kommt weiters die ab dem Spätmittelalter bereits voll ausgebildete Materialdifferenzierung zum Tragen, wie etwa die Beispiele des Portals - der Sturz besteht aus Wöllersdorfer Leithakalk, die Pfosten aus jungtertiärem Konglomerat - und der Kalktuffsteinpyramide des Schornsteinaufsatzes zeigen. Dieses Material eignet sich aufgrund der sehr geringen Rohdichte, der leichten Bearbeitbarkeit und der doch ausreichenden Festigkeit hervorragend für Gewölbe und Kuppeln, die aus statischen Gründen in Leichtbauweise errichtet wurden.

Für Binnenmauern und Neu- bauten der Renaissancetrakte verwendete man in Starhemberg Mischmauerwerk (Ziegel, Dach- steinkalk,Starhembergkalk, Gosausandsteine, Gosaukon- glomerate,Kalktuff). Der Ziegel- anteil ist etwa im Vergleich zum barocken Mischmauerwerk zumindest in Starhemberg relativ gering. Man scheint dieses Material, das offen- sichtlich nicht in unmittelbarer Nähe hergestellt werden konnte, in großem Ausmaß nur für Gewölbe- und Gewändekonstruktionen verwendet zu haben. So findet sich im Mischmauerwerk der Renaissancetrakte kaum ein voll erhaltenes Format. Die Bruchsteine sind annähernd in Schichtkompartimenten von durchschnittlich 50 cm verlegt, wobei man aufgrund des einheitlichen und kleinen Formats der Steine nahezu ohne Auszwickungen auskommt. Dieses neuzeitliche Mauerwerk besitzt keinen bewußt gestalteten und auf Sicht berechneten Oberflächencharakter, es gehört bereits zur Gruppe des nachmittelalterlichen Verputzmauerwerks.



Siehe auch

Liste der Kastelle des Donau-Iller-Rhein-Limes

Literatur

Einzelnachweise

  1. Josef Hohl (Hrsg.): Lokalhistorische Texte: Regensburg. Lindauer, München 1982, ISBN 3-87488-904-1, S. 30.
  2. Xavier Delamarre: Dictionnaire de la langue gauloise. éditions errance 2003.
  3. F.v.Reitzenstein, 2006, S. 224-225