Im März 2006 fanden Präsidentschaftswahlen in Weißrussland statt. Der seit 1994 amtierende Präsident Aljaksandr Lukaschenka durfte nach einem im Westen kritisierten Referendum über eine Gesetzesänderung, die ihm weitere Legislaturperioden ermöglichte, zum zweiten Mal zur Wiederwahl antreten. Der stärkste Gegenkandidat war Aljaksandr Milinkewitsch.
Wahl
Im Vorfeld der Wahl kam es zu Kritik an den ungleichen Wahlbedingungen durch die Opposition. In der Woche vor der Präsidentschaftswahl verschärfte die Regierung sein Vorgehen gegen Kritiker, wodurch auch mehrere Zeitungen geschlossen, oder am Vertrieb gehindert wurden. Wie einige Medien berichteten, drohte der Sicherheitsapparat des Präsidenten mit äußerster Härte gegen jegliche Protestkundgebungen vorzugehen. Regimegegner würden als »Terroristen« verfolgt. Ihnen drohe damit die Todesstrafe. In einer Fernsehansprache drohte Lukaschenka insbesondere Ausländern, dass jedem, der versuche, »etwas in unserem Land anzustellen«, der Kopf »wie einem Entchen abgerissen« würde. Den Vorwurf, die weißrussische Opposition würde massiv unterdrückt, wies die Regierung von sich. Die deutsche Tagesschau zitierte aus einer Erklärung: »Das Außenministerium Weißrusslands ist schockiert, dass die OSZE schon vor dem Wahltag ihr Urteil gefällt hat, ohne die Urteile ihrer Beobachter abzuwarten«. Grund für die frühe Kritik waren laut einem Mitarbeiter der OSZE die Ereignisse in der Woche vor der Wahl [1]. Auch wurde mehreren OSZE-Wahlbeobachtern die Einreise nach Weißrussland untersagt.
Die USA und die EU kündigten Sanktionen an, sollte es Unregelmäßigkeiten im Ergebnis der Abstimmung geben.
Urnengang
Der Urnengang fand am Sonntag 19. März 2006 statt. Dem offiziellen Endergebnis zufolge gewann Lukaschenka die Wahl mit 82,6 % der Stimmen. Stärkster Oppositionskandidat wurde Alexander Milinkewitsch mit 6 % der Stimmen. Insgesamt beteiligten sich 92,6 % der Wähler an der Wahl.
- Aljaksandr Lukaschenka: 82.6 %
- Aljaksandr Milinkewitsch: 6.0 %
- Sjarhej Hajdukewitsch: 3.5 %
- Aljaksandr Kosulin: 2.3 %
Reaktionen
Bereits vor dem offiziellen Ende der Wahl verkündeten die meist staatlichen Meinungsinstitute ein Wahlausgang von 80 bis 85 %. In der darauf folgenden Nacht kam es auf dem Oktoberplatz in der Hauptstadt Minsk zu einem friedlichen Protest von etwa 10.000 Personen gegen die Wahl und Präsident Aljaksandr Lukaschenka. Der Organisator und Gegenkandidat Aljaksandr Milinkewitsch erklärte, dass er das Ergebnis nicht akzeptiere und forderte eine Wahlwiederholung. Laut Präsident Aljaksandr Lukaschenka gab es keine Fakten für eine Wahlfälschung und er bezeichnete die Oppositionellen offen als Terroristen und drohte mit Folgen. Der Geheimdienstchef drohte den Demonstranten, sie könnten als Terroristen betrachtet werden und die Regierung zögere nicht dafür lange Gefängnisstrafen oder sogar Todesurteile auszusprechen.
Für den Abend des 20. März rief die Opposition erneut zum Protest auf, um gegen die Fälschung der Wahlergebnisse zu demonstrierten. Dem Aufruf folgten trotz Versammlungsverbot und befürchteten Repressalien erneut etwa 5.000 Personen. Schätzungsweise 500 harrten über Nacht in Zelten aus. Etwa 20 wurden am Morgen des 21. März beim Verlassen des Platzes verhaftet. Nach den Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjesna zufolge waren es 108 Festnahmen. Einige Botschafter und Vize-Botschafter Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Lettlands zeigten in einem kurzen, inoffiziellen Besuch symbolisch ihre Solidarität mit den meist jungen Demonstranten. In der dritten Nacht demonstrierten noch 1.000 Personen. Als Vorbild des Protests diente die Orangefarbene Revolution, die nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2004 auf friedlichem Weg Neuwahlen und einen Wechsel in der Regierung erzielte.
In der Nacht zum 24. März wurde das Camp der Protestteilnehmer durch die Polizei innerhalb von 15 Minuten geräumt.
Die Proteste setzten sich am Mittag des 25. März fort, als rund 3000 Lukaschenko-Gegner sich zu einer nicht genehmigten Demonstration versammelten. Der Oktoberplatz war an beiden Eingängen durch sogenannte Anti-Aufruhr-Einheiten gesichert, die rund 2000 der Demonstranten in einen nahegelegenen Park abdrängten. Zuvor war eine Absperrung von mehreren Hundert Demonstranten durchbrochen worden, woraufhin Sicherheitsgitter aufgestellt wurden. Die Polizei forderte die Menge auf, nach Hause zu gehen, da die Demonstration nicht genehmigt sei. Vereinzelt gab es Prügeleien zwischen Ordnungshütern und Protestanten, aber insgesamt blieb die Lage ruhig. Die Behörden teilten mit, dass sich der Oppositionspolitiker Aljaksandr Kosulin und der Sprecher des Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch Pawel Mascheika in Haft befanden. Kosulin hatte zuvor zum Sturm auf ein Gefängnis aufgerufen, in welchem Regierungskritiker in Haft sassen. Danach verschärfte sich die Situation zwischen den Demonstraten und der Polizei kurzzeitig. Dies führte zu Kritik auch von Milinkewitsch. Milinkewitsch wies die Meldung der russischen Nachrichtenagentur Interfax über seine Festnahme zurück.
Internationale Reaktionen
Die OSZE mit ihren 500 Wahlbeobachtern betitelte die Wahl als undemokratisch und kritisierte die unfairen Bedingungen für die oppositionellen Parteien.
Die russische Regierung bewertete die Wahl als "ein Beleg für die Tatsache, dass die Wähler unserem Kurs in Richtung eines weiteren Wachstums des Wohlstandes des weißrussischen Volkes vertrauen". Wladimir Putin gratulierte Aljaksandr Lukaschenka zur Wiederwahl. Russland warf der OSZE vor, dass diese in dem Land einen Aufruhr angestiftet hätten. [2] Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass die OSZE voreingenommen der Wahl gegenüberstand und keinen neutralen Standpunkt innegehabt hatte.
Die USA verkündeten am darauf folgenden Tag, dass sie das Resultat der Wahl nicht akzeptierten und forderten Neuwahlen.
Nachdem die Proteste in Weißrussland durch die Polizei beendet wurden, haben die Europäische Union und die USA ihren Druck auf die weißrussische Führung verstärkt. Die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen bei ihrem Gipfeltreffen Sanktionen gegen den Präsidenten Alexander Lukaschenka. Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik, sagte, dass unter anderem Einreiseverbote für diejenigen geprüft würden, die die Wahlen gefälscht hätten. EU-Vertretern zufolge ist auch das Einfrieren von Auslandsvermögen in der Diskussion. Ferner sagte die EU der Opposition in Weißrussland weitere Unterstützung zu.
Weblinks
Offizielles:
Massenmedien:
- tagesschau.de
- derstandard.at
- reuters.com
- Schweizer Tagesschau
- welt.de
- Belnews.INFO (belarussisch)
- jungewelt.de
Weblogs mit Themen zu der Wahl in Belarus:
- br23 aus Minsk (englisch, belarussisch)
- Andrei Khrapavitski: Belarus Elections 2006
- Der Wiener Lloyd (deutsch)
Wahlbeobachtung:
- Bericht der OSZE (englisch, russisch)