Condictio ob turpem vel iniustam causam

Rechtsgrundsatz, nach dem eine Leistung zurückgegeben werden muss, deren Annahme gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstieße
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Die condictio ob turpem vel iniustam causam ist ein Unterfall der Leistungskondiktion im deutschen Bereicherungsrecht. Die lateinische Phrase bedeutet übersetzt etwa „Rückgewähranspruch für den unsittlichen oder unrechten Fall“. Die condictio ob turpem vel iniustam causam liegt dann vor, wenn ein Empfänger mit der Annahme einer Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Wer geleistet hat, kann das Erlangte dann von ihm herausverlangen.

Rechtslage

Wortlaut

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

Tatbestand

Die condicto ob turpem vel iniustam causam ist eine ist eine spezielle Form der allgemeine Leistungskondiktion, der condictio indebiti. Sie erfordert wie diese, dass der Anspruchsgegner etwas durch Leistung erlangt hat. Durch die Annahme der Leistung muss der Leistungsempfänger gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen haben. Es ist nicht notwendig, dass das Rechtsgeschäft, das die Grundlage der Leistungsgewährung ist, selbst rechts- oder sittenwidrig ist.[1]

Anwendungsbereich

In den Fällen, in denen § 817 BGB anwendbar ist, ist häufig ebenfalls die allgemeine Leistungskondiktion anwendbar. Dies liegt daran, dass bei sitten- oder gesetzeswidrigen Sachverhalten das der Leistung zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft regelmäßig wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB oder wegen eines Sittenverstoßes nach § 138 BGB nichtig ist. Damit fehlt der Rechtsgrund für die Leistung von Anfang. Dies schränkt den Anwendungsbereich der condictio ob turpem vel iniustam causam ein. Es haben sich im Wesentlichen zwei Fallkonstellationen herausgebildet, in denen allein die condictio ob turpem vel iniustam causam anwendbar ist.[2]

Zum einen ist sie anwendbar, wenn nur einer der beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen das Gesetz begangen hat. Die §§ 134, 138 BGB führen nur dann zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, wenn dieser Verstoß beiden Parteien vorgeworfen werden kann.[2] Beispiele

Darüber hinaus ist sie anwendbar, wenn die condictio indebiti nach § 814 BGB ausgeschlossen ist. Kennt der Leistende bei Erbringung seiner Leistung das Fehlen des Leistungsgrunds, kann er seine Leistung nicht mit der allgemeinen Leistungskondiktion kondizieren. Diese Kondiktionssperre gilt nicht für die condictio ob turpem vel iniustam causam.[2]

Eine condictio ob turpem vel iniustam causam kann etwa bei Erpressungen eingreifen. Hier ist das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft für die Leistung – meist eine Geldzahlung – gültig, da der Gesetzes- oder Sittenverstoß allein durch den Empfänger nicht ausreicht, um auch das Grundgeschäft nach §§ 134, 138 BGB nichtig zu machen. Denn der Leistende selbst verstößt regelmäßig nicht gegen die guten Sitten oder das Gesetz. Da also nur der Leistungsempfänger gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, kann von diesem die Leistung nach § 817 Satz 1 BGB, nicht aber mit der allgemeinen Leistungskondiktion zurückgefordert werden.[2]

Ausschluss

In § 817 Satz 2 BGB sieht das Gesetz eine besondere Einwendung gegen den Herausgabeanspruch vor:

Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

Die ganz herrschende Ansicht weitet diesen Anspruchsausschluss in zwei Richtungen aus. Zunächst muss er erst recht gelten, wenn dem Leistenden der Verstoß nicht nur gleichfalls, sondern sogar alleine zur Last fällt. Andererseits wird die Vorschrift auf alle Leistungskondiktionen erstreckt.

Umstritten ist der Grund für die gesetzliche Regelung. Vielfach wird er darin gesehen, dass sich der Kläger nicht zur Anspruchsbegründung auf sein eigenes Unrecht berufen könne, ohne widersprüchlich zu handeln: turpitudinem suam allegans nemo auditur - die Rechtsordnung hört einen solchen Vortrag nicht.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Manfred Wandt: Gesetzliche Schuldverhältnisse, 7. Auflage, Vahlen 2015, S. 155.
  2. a b c d Manfred Wandt: Gesetzliche Schuldverhältnisse, 7. Auflage, Vahlen 2015, S. 156.