Der Segelflug ist das Fliegen mit motorlosen Flugzeugen und Luftsportgeräten oder das Fliegen mit abgeschalteten Motor. In Ergänzung zum reinen Gleitflug werden hierbei auch natürliche Aufwinde zur Höhengewinnung genutzt.

Im Grunde kann jedes Flugzeug ohne Motor auch im Gleitflug gesteuert werden, selbst die Landung eines Spaceshuttle ist nach der allgemeinen Definition ein Segelflug und das SpaceShipOne ist sogar ganz offiziell ein nicht-eigenstartfähiges Segelflugzeug mit Hilfsantrieb. Diese Art des Fliegens wird jedoch üblicherweise mit Segelflugzeugen, Motorseglern, bestimmten Ultraleichtflugzeugen, Gleitschirmen oder Hängegleitern betrieben. Unter Segelflug im engeren Sinn versteht man aber nur den motorlosen Flug von Segelflugzeugen oder Motorseglern mit Höhengewinn. Obwohl die physikalischen Grundlagen zum Fliegen gleich sind, verwendet man je nach Fluggerät Begriffe wie Gleiten, Gleitsegeln, Gleitsegelfliegen, Paragleiten oder Drachenfliegen mit Hängegleitern.
Das Segelflugzeug wird beim Start auf eine gewisse Ausgangshöhe gebracht, von der es ohne weiteren Antrieb im Gleitflug weiterfliegt. Dabei sinkt ein Segelflugzeug je nach Bauart und Geschwindigkeit mit 0,5 - 1 m pro Sekunde. Durch Nutzung natürlicher Energiequellen wie Thermik, Hangwind oder Leewellen kann das Segelflugzeug an Höhe gewinnen. Dies ermöglicht ihm längere Zeit in der Luft zu bleiben und einen weiteren Aufwind im Gleitflug zu erreichen. Bei entsprechender Wetterlage sind damit Flüge von mehreren Stunden Dauer und Streckenflüge über 1.000 km Distanz möglich.
Start
Windenstart
Beim Windenstart wird das Segelflugzeug mit Hilfe einer Seilwinde in die Luft gebracht. Die Winde mit einer Motorleistung von 200 bis 350 PS zieht das Flugzeug an einem bis zu 2.000 m langen Stahl- oder Synthetikfaserseil mit etwa 90-130 km/h Fluggeschwindigkeit. Die erreichbare Flughöhe beträgt ein Drittel bis zur Hälfte der ursprünglichen Seillänge (bei günstigen Wetterbedingungen auch mehr). Nach Erreichen dieser Höhe muß das Windenseil vom Piloten ausgeklinkt werden. Auch bei Flugzeugen die ein automatisches System für das Ausklinken besitzen, wird vom Piloten immer zur Sicherheit die Ausklinkvorrichtung betätigt. Ein am Seilende befestigter Fallschirm öffnet sich nach dem Ausklinken und ermöglicht das kontrollierte, vollständige Einziehen des Seils durch die Winde. Die Rückbringung des Seiles zum Startplatz erfolgt durch ein motorisiertes Fahrzeug, meistens ein Auto. Windenstarts sind besonders in der Ausbildung beliebt, da sie preisgünstig sind und eine rasche Startfolge erlauben.
Flugzeugschlepp
Beim Flugzeugschlepp wird das Segelflugzeug von einem Motorflugzeug oder auch Motorseglern und UL-Flugzeugen gezogen. In der Startphase fliegt der Pilot des Segelflugzeuges dem Motorflugzeug hinterher. Dies erfordert von beiden Piloten Disziplin und Präzision. Beim Erreichen der gewünschten Schlepphöhe klinkt der Pilot des Segelflgzeuges aus. Diese Startart ist für Thermik- oder Streckenflüge ideal, weil das Segelflugzeug direkt in einen Aufwind geschleppt werden kann.
Eigenstart
Das Segelflugzeug hat einen Motor und einen ausklappbaren Propeller im Rumpf (Klapptriebwerk) eingebaut, rechtlich ist es daher ein Motorsegler. Zum Start wird der Propeller ausgefahren und der Motor gestartet. Durch den Vorschub wird das Flugzeug immer schneller, kann abheben und steigen. Wenn die gewünschte Höhe erreicht ist, wird der Motor abgestellt, abgekühlt und eingefahren. Der sportliche Teil des Fluges kann beginnen.
Gummiseilstart
1. Gummiseil
2. Kurzes Kupplungsseilstück
3. „Gummihunde“
4. Halteseil
5. Haltepflock
Beim Gummiseilstart wird hangabwärts gegen den Wind gestartet. Die je ca. 25 m langen Gummiseile werden von der 4- bis 10-köpfigen Startmannschaft („Gummihunde“) mit Schwung im Laufschritt gestrafft. Kurz bevor die zunehmende Spannunung des Gummiseils die Helfer stoppt, wird das Halteseil auf Kommando des Startmeisters gekappt, und das Flugzeug setzt sich zügig in Bewegung. (Heutzutage wird jedoch anstatt eines Haltepflocks eine Haltemanschaft bestehend aus circa 4-6 Personen verwendet, da dies technisch leichter zu handhaben und außerdem kostengünstiger ist) Nach dem Start wird das Startseil am Flugzeug ausgeklinkt. Der Gummiseilstart ist mittlerweile nicht mehr gebräuchlich, da die modernen Segelflugzeuge in Faserverbundbauweise einfach zu schwer sind und eine zu hohe Mindestgeschwindigkeit haben. Außerdem sind für einen Gummiseilstart wesentlich mehr Helfer notwendig, als etwa bei einem Windenstart oder Flugzeugschlepp. Allerdings bietet sich, z.B. an der Fliegerschule-Wasserkuppe, immer mal eine Gelegenheit, sich diese Startart anzusehen.
Autoschlepp
Beim in den USA auch heute noch gebräuchlichen Autoschlepp zieht ein Auto oder LKW das Flugzeug an einem Seil entweder direkt oder über eine Umlenkrolle. Alternativ kann eine Seilrolle im Auto während des Schleppes langsam Seil abgeben, so dass das Segelflugzeug ständig höher fliegen kann.
Flug
Gleitflug
Nach dem Start beginnt der Gleitflug. Ohne Aufwind und ohne Motor verliert das Flugzeug stetig an Höhe, denn der Vortrieb wird aus einem Teil der Gewichtskraft erzeugt. Um die erforderliche Geschwindigkeit für den Gleitflug zu halten, zeigt die Flugzeugnase nach unten (Sinkflug). Dieser Höhenverlust wird bei längeren Flügen durch den Aufenthalt in Aufwindgebieten ausgeglichen. Gute Gleitflugleistungen sind nötig, um von einem Aufwind zum nächsten zu gleiten und größere Strecken zurückzulegen.
Hangaufwind
Beim Fliegen im Hang-Aufwind fliegt das Segelflugzeug auf der Luv-Seite eines Berghangs in einer aufwärts gerichteten Luftströmung. Hangwind findet man z.B. wenn ein Bergrücken quer zur Windrichtung steht. Je nach Windstärke und Hangform kann bis mehrere hundert Meter über die Hangkante gestiegen werden. Hangaufwind war die erste Form des Aufwindes für Segelflugzeuge. Noch vor Entdeckung des Thermikfluges Mitte der 1920er Jahre wurde auf der Wasserkuppe Hangwind genutzt, um Flüge in Segelflugzeugen zeitlich über das Abgleiten der Höhendifferenz zwischen Start- und Landepunkt auszudehnen. So konnte 1922 der erste Segelflug von über einer Stunde Dauer vorgenommen werden. Am 11. Mai 1924 flog Ferdinand Schulz in seiner Eigenkonstruktion FS 3 „Besenstielkiste“ mit 8 Stunden 42 Minuten in Rossitten eine Weltbestleistung im Dauerflug.
Thermischer Aufwind
In thermischen Aufwinden gewinnen Segelflugzeuge kreisend Höhe bis knapp unter die Wolkenuntergrenze, welche in Mitteleuropa in Abhängigkeit von Temperatur und Luftfeuchtigkeit bei etwa 1.000 bis 3.000 m über Meeresspiegel (NN) liegt. In den Alpen oder anderen Regionen können die Wolkenuntergrenzen bis 5.000 m oder höher steigen. Thermische Aufwinde werden als „Bart“ oder „Schlauch“ bezeichnet. Diese Aufwindzonen entstehen vor allem an besonnten Hängen von Hügeln und Bergen, und in besonders starkem Ausmaß, wenn der Boden felsig oder dunkel ist, oder an Waldkanten, da dort der Wind die warme Luft vom Boden ablösen kann. Über diesen geeigneten Flächen erwärmt sich die Luft und steigt wegen der Verringerung der Dichte bzw. Ausdehnung des Volumens (siehe Gasgesetze). Segelflugzeuge können so mit etwa 2 bis 3 Meter (und mehr) pro Sekunde an Höhe gewinnen. Für den Segelflieger zeigen Quellwolken und manchmal kreisende Greifvögel solche Aufwindzonen an. Über Wasserflächen und Wäldern z.B. entsteht tagsüber kaum Thermik, da sie die Sonnenwärme eher aufnehmen als abstrahlen. Erst in den Abendstunden finden sich hier ruhige Aufwinde, wenn diese Gebiete ihre gespeicherte Wärme wieder an die Umgebung abgeben. Das Variometer zeigt das Steigen bzw. Sinken an und ist damit ein sehr wichtiges Fluginstrument im Segelflugzeug.
In Deutschland ist es im Sichtflug nicht erlaubt, bis direkt an die Wolkenuntergrenze zu kreisen. Um gefährliche Annäherungen mit anderen Flugzeugen zu vermeiden, ist ein vertikaler Wolkenabstand von etwa 300 m einzuhalten. Diese können nämlich im selben Luftraum nach Instrumentenflugregeln fliegen und sich damit auch innerhalb von Wolken bewegen. Wolkenflug ist möglich, wenn der Pilot die entsprechende Lizenz besitzt und der Flug von der Flugsicherung genehmigt wurde. In Deutschland muss das Segelflugzeug hierfür neben Fahrtmesser, Höhenmesser, Variometer, Kompass, Wendezeiger und Libelle (oder ein künstlicher Horizont) unter Umständen auch mit einem Transponder ausgerüstet sein, um der Flugsicherung eine eindeutige Identifizierung zu ermöglichen. In der Schweiz gibt es so genannte Wolkenflugzonen, für deren Benutzung man sich per Funk anmelden muss. Der thermische Segelflug ist theoretisch bis zur Wolkenobergrenze möglich. Bei Gewitterwolken liegt sie in unseren Breitengraden bei bis zu 9.000 m, in den Tropen bei bis zu 18.000 m über dem Meeresspiegel.
Die Pioniere des Segelflugs sind wegen der starken Aufwinde von bis zu 15 m/s in Gewitterwolken eingeflogen. Dazu nutzten sie teilweise komplette Holzhauben, um sich gegen Hagel zu schützen. Die enormen Kräfte der turbulenten Auf- und Abwinde konnten im schlimmsten Fall das Flugzeug in der Wolke zerstören. Konnte sich ein Pilot in einer solchen Situation mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug retten, drohten ihm neben Hagel und Kälte noch das Aufsteigen des Fallschirms bis in für den Menschen tödliche Höhen. Darum fliegt heute kaum jemand freiwillig in eine Gewitterwolke ein und selbst große, moderne Jets umfliegen sie, wenn das möglich ist.
Wellenflug
Leewellen entstehen bei besonderen Starkwind-Wetterlagen auf der windabgewandten Seite eines Hindernisses. Segelflieger erkennen diese Wetterlagen häufig an den charakteristischen Lenticulariswolken. Sie erreichen in diesen Windsystemen Flughöhen von etwa 3.000 bis 8.000 m, manchmal auch mehr als 10.000 m über dem Boden. Der Weltrekord von fast 15.000 m wurde so erreicht. Für solche Flüge benötigt man ab ca. 4.000 m Sauerstoff, ab ca. 7.000 m einen Druckanzug, sowie Kleidung, die gegen die extreme Kälte schützt. Die Null Grad Grenze liegt selbst im Hochsommer um 3.000-4.000 m, in 10.000 m herrschen Temperaturen um minus 50°C. Druckkabinen oder Kabinenheizungen sind bei Segelflugzeugen aus Gewichtsgründen nicht möglich.
Dynamischer Segelflug
Die Bedingungen für den dynamischen Segelflug, unterschiedlich schnelle horizontale Winde in zwei übereinanderliegenden Schichten, treten nur selten in für Segelflugzeuge nutzbaren Höhen und Größenordnungen auf. Meist sind die unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten auf eine bodennahe Grenzschicht oder einen Leebereich hinter einem Erderhebung begrenzt. Der Trick besteht darin, dass beim Fliegen in einer schnell bewegten Luftschicht mit dem Wind kinetische Energie gewonnen wird, die beim Einfliegen in die relativ dazu unbewegte tiefere Luftmasse erhalten bleibt. Mit dieser zusätzlichen Energie kann durch Umsetzen der kinetischen in potentielle Energie nun wieder in die höhere Luftschicht gegen den Wind hineingeflogen werden, worauf nach einer weiteren Wende erneut kinetische Energie gewonnen werden kann. Einige Vogelarten, wie zum Beispiel die Albatrosse, beherrschen diese Methode und können so ohne eigenen Energieaufwand schnell große Strecken zurückzulegen. Modellflieger erreichten damit in Kalifornien Geschwindigkeiten von bis zu 484 km/h.
Landung
Ein Segelflugzeug setzt mit erheblichem Energieüberschuss (Höhenreserve) zur Landung an - der Pilot tastet sich sozusagen von oben an die Landung heran. Die überschüssige Energie wird dann mit Hilfe der Störklappen (auch: Bremsklappen) und eventuell noch durch einen kontrollierten Seitengleitflug (Slip) vernichtet. Nicht typisch aber verbreitet ist sogar der Einsatz von Bremsfallschirmen. Deshalb ist es möglich, dass Segelflugzeuge sehr präzise am gewünschten Landepunkt aufsetzen. Der Pilot kann zwar nicht durchstarten, hat aber genügend Reserve, um auch einem kurzfristig auftauchenden Hindernis ausweichen zu können. In der Ausbildung ist die Landung der schwierigste Teil, bei dem höchste Konzentration vom Flugschüler gefordert wird.
Wenn der Pilot sich auf einem Streckenflug befindet und keine Höhenreserven mehr hat (etwa weil die Thermik gegen Abend nachgelassen hat), sucht er sich ein geeignetes Landefeld. Meist wählt er dazu eines der zahlreichen Segelfluggelände aus, von dem er bequem nach Hause fliegen (Flugzeugschlepp) oder fahren (Flugzeug im Anhänger) kann. Ist kein Flugplatz mehr erreichbar, so muss er das Segelflugzeug auf einem Acker oder einer Wiese landen (Außenlandung). Dies ist ein bereits in der Ausbildung gelernter Vorgang, der einen geübten Piloten nicht weiter nervös machen sollte. Besonders beliebt sind die Geschichten von den Erlebnissen nach der Außenlandung. Da wurden lebenslange Freundschaften geschlossen, heftige Streits ausgetragen und manch ein Segelflieger soll gar im Gefängnis gelandet sein. Der Zuhörer sollte allerdings darauf achten, dass er das Fliegerlatein richtig interpretiert.
Ausbildung
Die Flugausbildung zum Segelflugpiloten erfolgt zum großen Teil in Segelflugvereinen oder auch in kommerziellen Flugschulen. Die Ausbildung gliedert sich in drei Teile: Der erste Abschnitt beinhaltet das Erlernen der Grundtechniken des Segelfliegens, wie Kurvenflüge, Starten und Landen. Dieser Ausbildungsabschnitt erfolgt in einem doppelsitzigen Segelflugzeug. Er endet mit der sogenannten A-Prüfung, dem ersten Alleinflug. Hierbei wird zum erstenmal das Flugzeug ohne Fluglehrer geflogen. Im zweiten Abschnitt werden die Grundtechniken im Alleinflug geübt und es wird auf Einsitzer umgeschult. Dieser Abschnitt endet mit der B-Prüfung, bei der der Flugschüler zeigen muss, dass er auch ohne Fluglehrer mit einem Einsitzer bestimmte Aufgaben im Flug erledigen kann. Der dritte und letzte Abschnitt der Ausbildung befasst sich mit der Vorbereitung des thermischen Segelfliegens. Es werden Thermikflüge mit und ohne Fluglehrer durchgeführt. Er endet mit der C-Prüfung. Nach der theoretischen Prüfung und einem Streckenflug über 50 km oder alternativ einem Streckenflug über 100 km mit Fluglehrer kann die praktische Prüfung abgelegt werden.
Die Ausbildung kann mit 14 Jahren begonnen werden und dauert einige Monate bis maximal 4 Jahre. Die Lizenz kann, in Deutschland, mit 16 Jahren, durch eine theoretische und praktische Prüfung erworben werden. Da die Ausbildung in den Vereinen ehrenamtlich erfolgt, sind die Kosten durch Beitragsgebühren für den jeweiligen Verein gedeckt. Diese betragen je nach Verein 20 bis 50 Euro pro Monat. Zusätzliche Kosten für den Lizenzerhalt stellen die medizinischen Tauglichkeitsuntersuchungen, der Erwerb eines Sprechfunkzeugnisses, sowie die Prüfungsgebühren dar.
Segelfliegen ist wegen der Kombination aus sehr hohem Erlebniswert, der Herausforderung an die geistige Leistungsfähigkeit und der niedrigen Kosten gerade für Jugendliche sehr attraktiv. Ein jugendlicher Segelflieger spürt das Vertrauen des Fluglehrers in ihn, baut erhebliches Wissen auf und lernt Verantwortung zu übernehmen.
Es gibt strenge theoretische und praktische Anforderungen für ein Bestehen der Segelflug-Prüfungen. Der Vertrauensarzt des Bundesamtes für Zivilluftfahrt BAZL kann Brillen oder Kontaktlinsen vorschreiben und eine allgemein gesunde geistige und körperliche Verfassung ist nötig. Hörbehinderte müssen in der Lage sein, ohne Lippenablesen einer Person einwandfrei zu folgen. Für den Instrumentenflug sind die Bedingungen in der Schweiz strenger. International sind die Regeln für den Erwerb der Segelfluglizenz sehr unterschiedlich. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien oder Australien, ist das FAI-Leistungsabzeichen Silber-C die Segelfluglizenz selber.
Streckensegelflug
Der Streckensegelflug ist die hohe Kunst des Segelfliegens. Voraussetzung ist, dass der Pilot sein Flugzeug bestens beherrscht. Neben Start, Höhengewinn und Landung muss er navigieren und das Wetter richtig einschätzen können. Beim Streckensegelflug geht es entweder darum, eine möglichst große Strecke zurückzulegen oder eine gegebene Strecke in möglichst kurzer Zeit zu absolvieren - nur unter Ausnutzung der Energie, welche die Natur durch Aufwinde zur Verfügung stellt. Die möglichen Streckenlängen betragen dabei einige hundert bis zu 3.000 Kilometern.
Der Streckensegelflug ist eine Herausforderung für Körper und Geist. Der Pilot muss körperlich fit sein, um stundenlang mit äußerster Konzentration fliegen zu können. Die mentale Belastung ist außerordentlich, denn weder Euphorie beim Hochpunkt noch Frust beim Tiefpunkt eines Fluges sind hilfreich zur Erreichung des Ziels. Der Streckensegelflieger hat während eines Fluges sehr viele Entscheidungen zu treffen, zu denen er nur vage Informationen verfügbar hat: Welchen Aufwind fliegt er an? Welche Wolke sucht er sich aus? Welcher Flugweg ist für ihn der Beste? Am Ende des Tages zeigt sich, wie gut er alle Anforderungen zusammen führen konnte und - nicht zuletzt - wie viel Glück er hatte.
Um größere Strecken fliegen zu können, werden je nach Leistungsstand des Piloten unterschiedliche Strategien genutzt. Der vorsichtige Pilot wird jeweils die Thermik bis zur größten Höhe auskurbeln, um sich dann bei moderater Vorfluggeschwindigkeit einen neuen Aufwind zu suchen. Rekorde lassen sich mit diesem Stil sicher nicht erreichen, dafür gerät der Pilot aber auch nicht so schnell in Gefahr, sich nach einen Außenlandeplatz umsehen zu müssen. Der risikofreudige Pilot dagegen sucht nur die stärksten Aufwindgebiete und versucht, mit möglichst hohen Tempo die nächste Thermik zu erreichen. Diese Strategie birgt das Risiko der frühen Außenlandung und wird auf lange Sicht sicher auch nicht vom Erfolg gekrönt sein. Der erfahrene Pilot nutzt eine Mischung aus den beiden vorgestellten Strategien. Dieser muss ständig das Wetter richtig einschätzen können und seinen Flugstil auf die sich ändernden Wetterverhältnisse anpassen. War bei guter Thermik ein schnelles Vorfliegen noch möglich, so muss beim Durchgleiten einer größeren Abschirmung sehr sorgfältig mit der zur Verfügung stehender Höhe umgegangen werden. Das Thema ist so umfassend, dass zahlreiche Bücher damit gefüllt wurden.
Mit einem Segelflugzeug Strecke zu fliegen ist ein außerordentliches Abenteuer. Fremde Landschaften ziehen vorbei und Wetterveränderungen sind zu bewältigen. Die optischen Eindrücke, beispielsweise bei einem Streckensegelflug über den Alpen, sind unvergleichbar.
Kunstflug
Manche Segelflieger lassen sich im Kunstflug ausbilden. Dabei kommt es im Wettbewerb nicht darauf an, so schnell wie möglich eine möglichst lange Strecke zu fliegen, sondern gewisse Figuren in einem Würfel von 1.000 m Kantenlänge, so präzise und energiesparend wie irgendmöglich zu fliegen. Dieser Würfel, die sogenannte Box, ist aus Sicherheitsgründen um 450 m, bei bestimmten Wettbewerben um 200 m über Grund nach oben verschoben, so dass der Segelflieger sein Programm dort beenden muss. Weiterhin gibt es in diesen Wettbewerben drei Arten von Programmen, in denen die Kombinationen aus Loopings, Rollen und Turns, geflogen werden. Dies sind: Bekannte und Unbekannte Pflicht, die vom Veranstalter vorgegeben werden und die individuelle Kür, die jeder Pilot eigens mit Hilfe eines Figurenkatalogs, kreiert hat. Gewertet werden die Flüge ähnlich wie beim Eiskunstlauf, durch eine buntgemischte Gruppe von Schiedsrichtern, die die Ausführung der einzelnen Figuren mit Punkten bewerten.
Der Kunstflug stelle eine sinnvolle Ergänzung zum Streckenflug dar. Man lernt sein Fluggerät in absolut jeder Fluglage zu beherrschen und kann auch an thermiklosen Tagen etwas fliegerisch Sinnvolles tun, das obendrein auch eine Menge Spaß bereitet.
Weltrekorde
- Höhenweltrekord: 14.938 m, aufgestellt von Robert R. Harris (USA) in einem G-102 (Einsitzer) am 17. Februar 1986
- Streckenweltrekord: 3.009 km, aufgestellt von Klaus Ohlmann (GER) und Karl Rabeder (AUT) in Argentinien in einem Nimbus 4DM (Doppelsitzer) am 21. Januar 2003
- Geschwindigkeit über ein 1.000 km Dreieck: 169.72 km/h, Helmut H. Fischer (GER) in Südafrika in einem Ventus am 5. Januar 1995
Weitere Weltrekorde sind auf der Website der FAI abrufbar.
Geschichte
Schon Otto Lilienthal gelangen mit seinen Gleitfluggeräten Segelflüge, also Flüge, bei denen er einen Höhengewinn erzielen konnte. Mit der rasanten Entwicklung von Ottomotoren mit hoher Leistung und geringem Gewicht gelang der motorisierte Flug und der Segelflug geriet zunächst in Vergessenheit, bis der Versailler Vertrag in Deutschland den Motorflug verbot. Zahlreiche flugbegeisterte, zum Teil die Piloten des ersten Weltkriegs, aber auch einfach nur fluginteressierte, vom Jugendlichen bis zum reichen Erben, versammelten sich seit 1919 auf der Wasserkuppe in der Rhön um hier den motorlosen Flug zu untersuchen und in der Praxis auszuprobieren. Hier erprobten sie völlig unterschiedliche Konzepte von Segelflugapparaten, Starttechniken und Auftriebsnutzungen. Besonders ein Entwickler und Pilot der ersten Stunde, Alexander Lippisch, gelangte durch seine Nurflügelkonstruktionen später zu Weltruhm.
Dabei gab es auf der Wasserkuppe zunächst gar nichts. Lippisch und Espe, die ersten sogenannten „Rhönindianer“, die das ganze Jahr auf dem Berg wohnten, hausten zunächst in einem Kleiderschrank, der in einem Zelt stand, in dem sie Flugapparate bastelten. Für ausgewogene Ernährung, Hygiene und Körperpflege war keine Zeit und kein Bedarf, die Vorteile der zivilisatorischen Entwicklung wurden nicht genutzt. Sie ernährten sich nur von Erbswurst und tranken Quellwasser. Im Winter lag meterhoch Schnee, der periodisch auftretende starke Nebel behinderte die Erprobung der Flugapparate, ebenso wie die ständig auftretende Mäuseplage. Nach dem Bau einer Baracke verbesserte sich die Wohnsituation, im Winter 1920 blieben schon 5 Leute auch über den Winter auf der Wasserkuppe und die „Luftpolizei“ gründete eine Außenstation mit zwei Polizisten und einem Koch, die jedoch von den „Rhönindianern“, die keine Zeit mit dem lernen von Namen verschwenden wollten, nur mit „1“, „2“ und „3“ angeredet wurden; einer dieser Luftpolizisten, Max Kegel wurde selber Segelflieger und, da er unfreiwillig ein Gewitter zum Höhengewinn nutzte, unter dem Namen „Gewittermaxe“ berühmt. Auch mit neuen Materialien wurde experimentiert. Die Zelle der FS-3 war zum Beispiel nur aus Tannenbäumen und Türscharnieren gefertigt, die Bespannung bestand aus alten Armee-Bettbezügen und die Steuerung erfolgte nur über zwei Tischtennisschlägern ähnlichen Ruderklappen an den Tragflächenenden - obwohl mit diesem Fluggerät zahlreiche Rekorde erflogen werden konnten, behielt es seinen Spitznamen „Besenstiel“.
Erst durch die Entwicklung der „Vampyr“ zeigte sich, in welche Richtung sich der Segelflugzeugbau entwickeln mußte. Es war der erste nicht verstrebte Eindecker - diese Bauweise wurde damals „Junkers-Bauweise“ genannt - der durch den verminderten Luftwiderstand neue Möglichkeiten im Segelflugzeugbau eröffnete. Auch wurde von sehr großen Spannweiten abgesehen, die damals eine Verspannung benötigten und die Wendigkeit reduzierten, ebenso von verstrebten Doppeldecker-Gleitern, die zwar wendiger waren, dies aber durch eine Verdoppelung des induzierten Widerstands durch die zwei Tragflächen erkauften.
Nur die wenigsten waren in der Lage, diese komplexen, zumeist auch aerodynamisch instabilen Fluggeräte zu steuern. Die Flugzeiten von wenigen Sekunden mit dem eigenen Gerät reichten dazu kaum aus. Erst Fritz Stamer entwickelte die bis in die 1960er Jahre verwendete Segelflugschulung auf Einsitzern, die eine einigermaßen sichere Flugausbildung auf den damaligen Gleitflugzeugen ermöglichte.
Literatur
Abenteuer & Geschichte
- Jochen von Kalckreuth: Das stille Abenteuer, 2002, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02206-0
- Peter Riedel: Erlebte Rhöngeschichte 1911-1926 Band I "Start in den Wind", 1977, Motorbuch Verlag, ISBN 3-879-43539-1
- Peter Riedel: Erlebte Rhöngeschichte 1927-1932 Band II "Vom Hangwind zur Thermik", 1984, Motorbuch Verlag, ISBN 3-87943-981-8
- Peter Riedel: Erlebte Rhöngeschichte 1933-1939 Band III "Über sonnige Weiten", 1985, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-01047-X
- Philip Wills: Auf freien Schwingen, 1975, Motorbuch Verlag, ISBN 3-879-43377-1
Ausbildung & Technik
- Dietmar Geistmann: Die Entwicklung der Kunststoff-Segelflugzeuge, 1976, Motorbuch Verlag, ISBN 3-879-43483-2
- Gerhard Wissmann: Abenteuer in Wind und Wolken - Die Geschichte des Segelfluges, 1988, Transpress Verlag, ISBN 3-344-00275-9
- Helmut Reichmann: Streckensegelflug, 2005, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02479-9
- Helmut Reichmann: Segelfliegen, 1998, Motorbuch Verlag, ISBN 3-879-43660-6
- Winfried Kassera: Flug ohne Motor, 2005, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02335-0
Weblinks
Große Server der Länder
- http://www.segelflug.de/ – Der deutsche Segelflug-Server
- http://www.segelfliegen.ch/ – Der Server des Segelflugverbandes der Schweiz
- http://www.streckenflug.at – Der österreichische Segelflug-Server
Segelfliegen lernen
- http://www.segelflug.de/segelflug_de.html – Vereine
- http://www.segelflug.de/schulen.html – Flugschulen
Videoclips
- http://www.alpenstreckenflug.de/texte/segelflugvideos.htm – Große Linksammlung zu Segelflugvideos
- http://www.camworks.de/ueber-den-wolken.html – Video über Segelflug
- http://www.aeroclub-muenchen.de/flugberichte/videos/aecm.wmv – Werbevideo Aeroclub München
Sonstige Links
- http://www.segelfliegen-magazin.de/ - Deutschsprachige Segelflugzeitschrift
- http://www.segelkunstflug.com/ – Förderverein Segelkunstflug
- http://www.kunstflieger.de/ – Infos zum Segelkunstflug
- http://www.lfm.mw.tum.de/lfm_sources/albatros.html - Dynamischer Segelflug
- http://www2.onlinecontest.org/ – Startseite des OLC (Online Contest)
- http://www.fai.org/gliding/ – International Gliding Commission (englisch)