Herkunft der Sprache
Das Jenische (language code YEC) ist eine im deutschsprachigen Raum und Frankreich entstandene Muttersprache für jenische Menschen. Einige Linguisten bezeichnen sie als eine "Geheim- oder Sondersprache", was jenische Leute als Beleidigung ihres Volkes und ihrer Sprache empfinden. Es enthält Elemente des Deutschen, Hebräischen, Keltischen und wenige Lehnwörter aus dem Romani.
Das Begriffsfeld "Rotwelsch" ist nicht deckungsgleich mit Jenisch. Als Rotwelsch wird eine Anzahl Soziolekte bezeichnet, die untereinander nah, mit der jenischen und der westjiddischen Sprache (Lachudisch) aber nur entfernt verwandt sind. Die hebräische Prägung des Jenischen bewegt sich lautlich und lexikalisch im gleichen zeitlichen und geographischen Raum wie die Entwicklungsgeschichte des Westjiddischen. Die Hebraismen sind im Jenischen viel zahlreicher als im Rotwelsch und zudem direkt aus dem Hebräischen entlehnt (z.B. laufen - holeche, Weg – derech, Küche - Sicheri). Hebraismen fanden ihren Weg ins Rotwelsch zumeist über die jiddischen Dialekte (z.B: Hebräisch chochem = gescheit wird über jiddisch gekochert und zigeunerisch Kochano = Lügner zu Rotwelsch Ausgekochter, im Jenischen bleibt es aber bei chochem = gescheit).
Im Jenischen vollzieht sich also der Bedeutungswandel wie auch in den jiddischen Sprachen ohne das Begriffsfeld zu verlassen (z.B jenisch Galach - Mönch aus hebräisch Galach = Geschorener). Friedrich Kluge verbindet in seinem Rotwelschen Quellenbuch etymologisch das jenische kefahr = Dorf mit dem zigeunerisch gav, dem rotwelschen Gefahr und dem umgangssprachlichen Kaff. Angesichts der zahlreichen Hebraismen im Jenischen und der offenbaren Lautverwandtschaft drängt sich aber die direkte Herleitung des jenischen Kefahr vom Hebräischen Kefar = Dorf auf. Ein weiteres Beispiel ist das jenische Wort medineholcher = Hausierer, das aus dem hebräischen Medina = Land und holech = Läufer den "Überlandläufer" bildet.
Das Jenische weist auch eine kleine Anzahl modifizierter romanischer Lexika auf (z.b. Strasse: Stradi - Strada). Gewisse Wörter aus dem Grundwortschatz lassen darauf schließen, dass es seinen Ursprung im Keltischen haben könnte (z.B. Hand - feme, Kopf - kibes, Milch - glis). Eigene jenische Wortschöpfungen haben oft einen hebräischen Hintergrund (Arbeit: Schinagel aus hebr. Schin-gole gebildet). Auch germanisch-romanische Hintergründe sind feststellbar (z.b. endlich: schlußement aus germ. schluss / rom.sufix -ment gebildet). Entgegen weit verbreiteter Meinungen ist das Jenische nicht nur kein Dialekt des Romani sondern enthält auch nur sehr wenige aus dem Romani adaptierte Wörter (z.B. flüchten: nasche - naschel).
Die Syntax des Jenischen folgt heute hauptsächlich der deutschen. Das Jenische weist zudem Rudimente älterer Sprachsysteme sowie eigentümliche Wortstellungen auf. Bei in frankophonen Ländern lebenden Jenischen überwiegt eine Aussprache des Jenischen, die sich an das Französische anlehnt. Regionale Dialekte des Jenischen in Österreich, der Schweiz, Deutschland, den Benelux-Staaten und Frankreich lassen auf unterschiedlich enge Kontakte zwischen Jenischen und jüdischen Leuten oder Angehörigen der Sinti und Roma schließen.
Verwandte Sprachen und Idiome
Nicht zu verwechseln ist das Jenische mit dem Soziolekt der Schausteller und Zirkusleute, welcher sich vor allem aus Wörtern des Deutschen, Jenischen und Romani zusammensetzt. Die spanischen Quinqui, die mit den Jenischen ethnisch-soziologisch verwandt sind, habe Elemente in ihrer Sprache, dem sogenannten Germania Argot, die auf das Jenische zurückgehen.
Die Sprecher des Jenischen
Die Sprecher, die Jenischen, sind eine eigenständige Gruppe und anders als oft vermutet, keine Sinti oder Roma. Die Jenischen sind traditionell Hausierer, Kesselflicker, Scherenschleifer, Bürstenmacher, Schrotthändler, Schausteller und Artisten. Da man einen keltischen Ursprung ihrer Sprache vermutet, werden die Jenischen manchmal als Nachfahren eines sehr alten, nomadisch lebenden Volkes angesehen.
Da die Jenischen oft in ihrer Umgebung gut verwurzelt waren und Kontakte zu anderen Händlern pflegten, wurden Varianten des Jenischen im südwestlichen Deutschland bis vor einigen Jahren als Handelssprache von Viehhändlern und Metzgern benutzt. Einige ältere Händler und Metzger beherrschen diese Sprache heute noch.
Lokal (z.B. in Leinzell) wird Jenisch noch von jungen Menschen gelernt; sie nehmen einzelne Wörter der jenischen Sprache in die Jugendsprache auf.
Jenische Schriftsteller
Obwohl das Jenische eigentlich bis heute keine Verschriftlichung kennt, wurde es schon seit langem in persönlichen Briefen, Nachrichten, usw. individuell verschriftlicht. Jenische Schriftsteller bedienen sich üblicherweise in ihren Arbeiten nicht des Jenischen, sondern der Sprache ihres Herkunftslandes. In Deutschland veröffentlichte Engelbert Wittich (1878 - 1937) verschiedene Bücher über die Sinti und die Jenischen, worin er auch jenisch geschriebene Gedichte und Lieder publizierte. Der schweizerische Jenische Albert Minder (1879-1965) publizierte 1948 die "Korber-Chronik", eine Art Sittengemälde der Jenischen in der Schweiz des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Die schweizerische Jenische Mariella Mehr (*1947) wurde durch ihre Schriften über ihre Vergangenheit als Opfer des Hilfswerks Kinder der Landstrasse international bekannt. Der österreichische Jenische Romed Mungenast (1953-2006) publizierte ebenfalls in Deutsch und Jenisch. Die österreichische Jenische Simone Schönett (*1972) verarbeitete in ihrem Roman "Im Moos" ihre Kindheit in Oesterreich. Der schweizerische Jenische Peter Paul Moser (1926-2003) veröffentlichte im Eigenverlag eine dreibändige Autobiographie mit vielen Reprints von Dokumenten aus seiner Akte als Opfer des Hilfswerks Kinder der Landstrasse. Der schweizerische Jenische Venanz Nobel (*1956) publiziert in deutscher Sprache Zeitungsartikel und Buchbeiträge über die Geschichte der Jenischen und jenisches Leben heute.
Literatur der Jenischen
- Mehr, Mariella: Werkverzeichnis unter Mariella Mehr
- Minder, Albert: Werkverzeichnis unter Albert Minder
- Moser, Peter Paul: Dreibändige Autobiographie Textauszüge und Bestellmöglichkeit online
- Mungenast, Romedius (Hg.): Jenische Reminiszenzen. Geschichte(n), Gedichte; Landeck/Tirol: EYE, 2001; ISBN 3-901735-06-2
- Nobel, Venanz: Wie dr Jänisch sich gspient...; Eigenverlag; 2000 Textauszug online
- Schönett, Simone: Im Moos; BIBLIOTHEK DER PROVINZ; 2001; ISBN 3-85252-423-7 Textauszug online
- Wittich, Engelbert: Werkverzeichnis unter Engelbert Wittich
Satzbeispiel
Beispiel des Satzbaues mit interlinearer Übersetzung (schweizerisches Jenisch):
- Am verholchten Schai isch mir de Laschischmadori muli tschant,
- Am gestrigen Tag ist mir die Kaffemaschine kaputt gegangen,
- Gestern ist mir die Kaffeemaschine kaputt gegangen,
- selber linstne ne zgwand zmenge,
- selber schaute ihn ganz zu machen,
- ich versuchte sie selber zu reparieren,
- isch me abe gehochlt lori,
- ist mir aber gelungen nicht,
- aber es gelang mir nicht
- drum delt ne mim olmische zem ne menge gwand
- Darum gab ihn zu meinem Vater zum ihn machen ganz.
- darum brachte ich sie zu meinem Vater, um sie reparieren zu lassen.
Wortbeispiele der jenischen Sprache
schickse, model, moss, tschai | Mädchen, Frau |
fisel | Junge |
scheunchen | Augen |
nack | Nase |
fetcher | Bohnen |
blätling | Salat |
knöpfhing | Kirschen |
bummerling | Äpfel |
schaller | Lehrer |
keluf, tschuckel | Hund |
kaserum | Schwein |
eckel | Kälbchen |
maro | Brot |
schächer-blamm | Bier |
schmunk | Fett |
längling | Wurst |
klufte | Kleidung |
gatsche | Hemd |
loving | Geld |
aschuri | Messer |
bachum | Mark |
boscher | Pfennig |
Muj | Mund |
fehmen | Hände, Finger |
lursche, huscher, huim | Schuhe |
nasch krek | geh fort |
stami | zu Hause |
ke fini | Schluss |
fineter | Fenster |
schockert | Kaffee |
guffe | schlagen |
jambedini | Schläge |
bibrisch | kalt |
gatte | hier |
lorischmunilaschi | koffeinfreier Kaffee |