Kinder- und Jugendfilm im Nationalsozialismus
Das fast einzige Kinderfilm-Genre im Nationalsozialismus bildete der Märchenfilm. Obwohl das NS-Kino einige Kinderdarsteller hervorbrachte, wurden diese nicht in speziellen Kinderfilmen eingesetzt.
Die Jugend eine von den Nationalsozialisten besonders umworbene Zielgruppe. Ein großes Publikum hatten die Jugendfilm-Stunden, die seit 1934 von der Hitler-Jugend durchgeführt wurden. Freilich wurden dort überwiegend Propagandafilme gezeigt, die ebenso für erwachsene Zuschauer bestimmt waren.
Kinderfilme im Nationalsozialismus
Altersfreigabe
Um alle Altersgruppen mit der Filmpropaganda erreichen zu können, wurde mit dem Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 die bis dahin noch bestehende Altersgrenze von 6 Jahren für Kinobesuche aufgehoben. Bemerkenswert ist dies allein schon deshalb, weil die Kinder dadurch bereits vor dem Eintritt in die Hitler-Jugend auch dem gesamten propagandistischen Beiprogramm aus Wochenschau und Dokumentarfilm ausgesetzt waren.
Märchenfilme
Das wichtigste Genre unter den Kinderfilmen bildeten die Märchenfilme, ein Gebiet, auf dem vor allem Hubert Schonger und Ferdinand Diehl produzierten. Auch Lotte Reiniger setzte ihre Arbeit nach 1933 fort. Ihre ersten Scherenschnittfilme entstanden bereits ab 1919 in der Weimarer Republik.
Kinderdarsteller
Obwohl das NS-Kino eine Reihe beliebter Kinderdarsteller hervorbrachte – z. B. Peter Bosse, Inge Landgut, Hans Neie, Norbert Rohringer, Hans Schaufuß, Walter Schuller, Babsi Schulz-Reckewell, Waldemar Spann-Müller, Traudl Stark – waren die Filme, in denen diese Kinder eingesetzt wurden, oft eher auf ein Erwachsenen- als auf ein Familienpublikum zugeschnitten.
Jugendfilme im Nationalsozialismus
Zielgruppe
Die Jugend war eine von den Nationalsozialisten besonders umworbene Zielgruppe. Als am 26. Juni 1933 der Kultusminister Bernhard Rust die Verwendung von Filmen im Schulunterricht einführte, schloss dies nicht nur Unterrichtsfilme, sondern auch Propagandafilme ein. Ein noch größeres Publikum hatten die Jugendfilmstunden, die seit 1934 von der Hitler-Jugend durchgeführt wurden.
Filmzensur
Ab 1939 wurden Filme, die der Zensurbehörde für die Vorführung vor jugendlichem Publikum besonders geeignet erschienen, mit dem Prädikat "jugendwert" ausgezeichnet. Freilich waren dies überwiegend Propagandafilme, die sich ebenso an erwachsene Zuschauer wandten:
Propagandafilme
Pour le Mérite (1938); D III 88 (1939); Robert Koch, der Bekämpfer des Todes (1939); Jud Süß (1940); Feinde (1940); Wunschkonzert (1940); Carl Peters (1941); Heimkehr (1941); Kameraden (1941); Kampfgeschwader Lützow (1941); Mein Leben für Irland (1941); Menschen im Sturm (1941); Ohm Krüger (1941); ... reitet für Deutschland (1941); Stukas (1941); Über alles in der Welt (1941); Jakko (1941); Andreas Schlüter (1942); Die Entlassung (1942); Geheimakte WB 1 (1942); Der große König (1942); Hände hoch! (1942); Der unendliche Weg (1943); Die Affäre Roedern (1944); Junge Adler (1944). Nur vier dieser Filme – Mein Leben für Irland, Jakko, Hände hoch! und Junge Adler – haben jugendliche Hauptfiguren. Der Historienfilm "Kadetten" (1939-41), der inhaltlich auch in diese Gruppe gehört, erhielt kein Prädikat.
Jugendfilm im engeren Sinne
Jugendfilme im engeren Sinne, d. h. Filme, die sich mit den altersspezifischen Problemen und Anliegen von Jugendlichen auseinandersetzen, wurden unter den Nationalsozialisten kaum produziert. Filme wie "Abel mit der Mundharmonika", "Anna und Elisabeth" und "Reifende Jugend" (alle drei 1933), die alle Kriterien für einen Jugendfilm erfüllen, waren bereits vor dem nationalsozialistischen Machtantritt konzipiert worden. Eine Ausnahme bilden vielleicht die Jungmädchenfilme - "Eine Siebzehnjährige" (1934), "Das Mädchen Irene" (1936), "Was tun, Sibylle?" (1938), "Ins blaue Leben" (1938), "Ihr erstes Erlebnis" (1939), "Aufruhr im Damenstift" (1941), "Kleine Mädchen - große Sorgen" (1941) - aber auch hier sind die tragenden Figuren oft die Erwachsenen. Es scheint, als wäre in einer Zeit, in der die Jugend "flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl" (Adolf Hitler in einer Rede an die Hitlerjugend auf dem Parteitag 1935) sein sollte, gar kein Raum für die Darstellung von jungen Menschen mit Problemen gewesen.
Zielvorgaben
Auch wurde der Jugend im Nationalsozialismus unmissverständlich vorgegeben, was ihr Anliegen zu sein habe: Der selbstlose Einsatz für Partei und Nation. So überrascht es dann auch nicht, dass das einzige Genre von Jugendfilmen, das die nationalsozialistische Filmindustrie schließlich doch hervorbrachte, die Bewährungsfilme im Milieu nationalsozialistischer Jugendorganisationen waren (neben den oben erwähnten Prädikatsfilmen z. B. Hitlerjunge Quex (1933), Die Bande von Hoheneck (1934), Zwei Welten (1940), Jakko (1941), Jungens (1941), Kopf hoch, Johannes (1941), Himmelhunde (1941/42).
Sonstige altersgerechte Filme
Auch andere Filme ohne Kinder- und Jugendrollen, die aber dennoch für diese geeignet gewesen wären, hatten Seltenheitscharakter. Der bekannteste Film dieser Art war sicher Münchhausen mit Hans Albers in der Titelrolle, dessen Drehbuch Erich Kästner im Auftrag von Propagandaminister Joseph Göbbels unter Verwendung eines Pseudonyms verfaßte.
Literatur
- A. U. Sander: Jugend und Film. Berlin 1944 Sonderveröffentlichung 6 für "Das Junge Deutschland" Amtliches Organ des Jugendführers des Deutschen Reiches (Enthällt u.a. eine Meinungsumfrage der HJ unter ihren Mitgliedern bei denen einzelne Filme bewertet wurden, sowie umfangreiche Listen, Klassifizierungen zu Filmen)
- Jugendfilm im Nationalsozialismus. Dokumentation und Kommentar, Münster 1984
- Barbara Stelzner-Large, "Der Jugend zur Freude"? Untersuchungen zum propagandistischen Jugendspielfilm im Dritten Reich, Weimar (VDG, Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften) 1994