Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

E-Mail-Dienst für Rechtsanwälte in Deutschland
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Das besondere elektronische Anwaltspostfach (kurz: beA) ist ein E-Mail-Postfach für Rechtsanwälte. Das beA ermöglicht den 163.540 Rechtsanwälten (Stand 1. Januar 2015[1]) in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälten die sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz, mit Behörden und untereinander.[2] Der Zugriff auf das beA erfolgt entweder über einen Webbrowser oder über eine Kanzleisoftware.

Der ursprünglich vorgesehene beA-Starttermin zum 1. Januar 2016 wurde Ende November 2015 von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verschoben. Die BRAK bespricht mit dem IT-Dienstleister Atos einen neuen Projektplan. Aus diesem Projektplan ergibt sich ein neuer, noch zu benennender Starttermin. Unabhängig von dem verschobenen Starttermin läuft die beA-Erstregistrierung weiter.[3]

Für Notare ist mit entsprechendem Leistungsumfang das besondere elektronische Notarpostfach als Pendant zum beA vorgesehen.[4] Notare erhalten für die Software „XNotar“ ein Update. Ab Version 3.5.x ist „XNotar“ mit einem EGVP-Programm zur sicheren Kommunikation mit Gerichten und Behörden ausgestattet.[4]

Das beA für Rechtsanwälte und das besondere elektronische Notarpostfach für Notare lösen für diese beiden Berufsgruppen die bisherige Java-basierte Software Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach („EGVP-Client“) ab.

Teilnehmer

Über das beA werden Zivilgerichte, Arbeitsgerichte, Finanzgerichte, Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte spätestens bis zum 1. Januar 2020 erreichbar sein. Alle Bundesgerichte sind bereits jetzt auf dem elektronischen Weg erreichbar. Für die Strafgerichtsbarkeit existiert ein Entwurf zum Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen. Er sieht vor, dass das beA auch für die Kommunikation mit den Strafgerichten und Staatsanwaltschaften genutzt werden kann. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist noch nicht für den elektronischen Rechtsverkehr vorgesehen.

Des Weiteren wird das neu eingerichtete zentrale elektronische Schutzschriftenregister über beA zugänglich sein.

Rechtsanwälte können sich untereinander und den Rechtsanwaltskammern beA-Nachrichten schreiben.

Für Syndikusrechtsanwälte mit einer ausschließlichen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist das genaue Verfahren wegen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens („Gesetzes zur Neuordnung des Rechts für Syndikusanwälte“) und offener technischer Fragen noch nicht geklärt. Ein beA kann zum Zeitpunkt November 2015 noch nicht bestellt werden.[5]

Haben Syndikusanwälte auch eine Zulassung als Rechtsanwalt, können sie für diese Tätigkeit zum 1. Januar 2016 ein beA beantragen. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Berufsträger mit zwei Zulassungen auch zwei getrennte beA erhalten.[5]

Rechtliche Grundlagen

Hintergrund für die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist die Reform des Verkehrs zwischen Rechtsanwälten, Justiz und Verwaltungsbehörden in Richtung auf eine digitale Aktenführung.

Der Elektronische Rechtsverkehr ist die Bezeichnung für den „sicheren, rechtlich wirksamen Austausch elektronischer Dokumente zwischen Bürgern, Behörden und Gerichten.“ Das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 1206) und das Formvorschriftenanpassungsgesetz vom 13. Juli 2001 ergänzten die Schriftform um eine elektronische Form. Seit dem Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 können Prozessakten elektronisch geführt werden.[6]

Mit Art. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (FördElRV) (BGBl. I S. 3786) wurden die Paragraphen § 31 und § 177 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) angepasst und die Paragraphen § 31a, § 31b und § 49c neu eingefügt. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) wird durch die Änderungen an der BRAO verpflichtet, für jeden in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt für die Dauer seiner Zulassung ein beA einzurichten. Der Gesetzgeber erhofft sich durch das FördElRV eine Beschleunigung der Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs. Das beA stellt einen besonderen Meilenstein dieser Entwicklung dar.[7]

Zeitplan: Elektronisches Dokument und Elektronischer Rechtsverkehr

Auf der Grundlage des Formvorschriftenanpassungsgesetzes vom 13. Juli 2001 ist nach § 130a ZPO zur Wahrung der Schriftform die Übermittlung von elektronischen Dokumenten bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) zulässig.[8] Eine Übermittlung von elektronisch qualifiziert signierten Dokumenten ist bereits vor dem 1. Januar 2016 zum Beispiel über die Software „Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach“ (EGVP) möglich. „Die qeS ersetzt somit die formelle und materielle Schriftform“; Ausnahmen von der Regelung ermöglicht § 126 Abs. 3 BGB.[9]:14

Alle in der Bundesrepublik zugelassenen Rechtsanwälte erhalten ein beA. Die Bundesrechtsanwaltskammer beabsichtigte ursprünglich, das beA so einzurichten, dass es ab dem 1. Januar 2016 bereits Nachrichten empfangen kann. Dieser Plan wurde aber aufgegeben, weil der Dienst zu diesem Zeitpunkt keine „ausreichende Qualität … in Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit“ aufgewiesen habe. Er entspreche daher „noch nicht den hohen Erwartungen, die sich die Kammer selbst gestellt“ habe, erklärte die Bundesrechtsanwaltskammer im November 2015. Die Kammer sei daher in Gespräche mit dem Softwarehersteller Atos IT Solutions and Services über den weiteren Verlauf des Projekts eingetreten.[10]

Bis zum 31. Dezember 2017 müssen die über das beA versendeten Dokumente eine elektronisch qualifizierte Signatur beinhalten. Rechtsanwälte können etwaige Schutzschriften über das beA beim elektronischen Schutzschriftenregister einreichen. Alle Bundesgerichte sind über das beA erreichbar.[11]

Ab dem 1. Januar 2017 müssen Rechtsanwälte Schutzschriften ausschließlich beim elektronischen Schutzschriftenregister einreichen.[11]

Ab dem 1. Januar 2018 dürfen Rechtsanwälte laut dem § 130a Abs. 3 a.E., 4 Nr. 2 ZPO (in der Fassung ab 1. Januar 2018) über einen „sicheren Übermittlungsweg“ Dokumente bei Gericht auch ohne Verwendung einer elektronisch qualifizierten Signatur einreichen. Das beA, ein De-Mail-Konto und andere als sicher eingestufte Übermittlungswege wie EGVP zählen zu zu einem „sicheren Übermittlungsweg“. „Mitarbeiter können weiterhin vom Anwalt qualifiziert elektronisch signierte Dokumente versenden.“[12]:11

Mit dem 1. Januar 2022 sind alle Rechtsanwälte verpflichtet, „Dokumente den Gerichten elektronisch zu übermitteln.“[11]

Kritik

Teile der Anwaltschaft kritisieren diese beabsichtigte Praxis. Sie monieren, dass die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer ohne Zutun der Anwälte (insbesondere ohne die Erstregistrierung durch den jeweiligen Rechtsanwalt) empfangsbereit eingerichtet werden sollen, weil sich dies aus dem „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ nicht ergebe.[13] Einige Rechtsanwälte stellten daher förmliche Anträge an die BRAK, das beA nur dann empfangsbereit einzurichten, wenn der Rechtsanwalt die Erstregistrierung durchgeführt hat. [14]

Technische Anforderungen

Für die Nutzung des beA sind folgende technische Anforderungen zu erfüllen:

  1. Ein Rechtsanwalt benötigt jeweils eine spezielle Chipkarte, die sogenannte „beA-Karte Basis“. Mit dieser Karte ist eine Anmeldung beim beA-Postfach und das Lesen von empfangenen E-Mails möglich. Möchte ein Rechtsanwalt im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 ein Dokument an Gerichte versenden, muss dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen sein. Mit der „beA-Karte Signatur“ ist die Erzeugung einer solchen qeS und damit der Versand von Dokumenten und das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht möglich. Eine „beA-Karte Basis“ kann nachträglich zu einer „beA-Karte Signatur“ aufgewertet werden.[12]:14 Dokumente sollen dabei mit separaten Signaturendateien signiert und nicht "inline"-signiert (PDF-interne Signatur) werden.[9] Ab dem 1. Januar 2018 können Dokumente über das beA vom Rechtsanwalt ohne eine qualifizierte elektronische Signatur versendet werden.[12]:11
  2. Mitarbeiter können eine „beA-Mitarbeiterkarte“ erhalten.
  3. Damit die Chipkarte gelesen werden kann, braucht der Anwender ein Kartenlesegerät mit einem Tastaturblock (sogenanntes PIN-Pad). Ebenso muss das Kartenlesegerät für die Erzeugung einer qeS in Deutschland zugelassen sein.[12]:14
  4. Das Kartenlesegerät wird an einen Computer mit mindestens 512 MB RAM angeschlossen. Als Betriebssysteme kommen Microsoft Windows, Mac OS oder Linux in Frage.[12]:14
  5. Der Zugriff auf das beA erfolgt entweder über einen Browser (Firefox, Safari, Chrome, Internet Explorer) oder über eine Kanzleisoftware.[12]:14

Zur einmaligen Erstanmeldung beim beA ist eine Chipkarte zwingend notwendig. Zum alltäglichen Anmelden beim beA-Postfach kann man eine Chipkarte z.B. die beA-Karte oder spezielle Softwarezertifikate und einer jeweils dazugehörigen PIN nutzen.[12]:9

Kosten

Die Kosten für einen Rechtsanwalt sind von der Art der genutzten beA-Karte, der Nutzung eines optionalen Softwarezertifikats oder einer optionalen Einbindung von Mitarbeitern abhängig. Durch deren Nutzung entstehen jährliche Kosten (Fixkosten). Einmalige Kosten entstehen für die Anschaffung der benötigten technischen Geräte z.B. eines Kartenlesegeräts.

  1. Die „beA-Karte Basis“ zur Anmeldung am beA kostet 29,90 Euro (netto) pro Jahr. Die „beA-Karte Signatur“ mit einer qualifizierten elektronischen Signatur kostet 49,90 Euro (netto) pro Jahr. Letztgenannte ermöglicht auch die sichere Anmeldung im ELSTER-Portal.[15]
  2. Die „beA-Mitarbeiterkarte“ ist mit einem fortgeschrittenen Zertifikat ausgestattet. Sie ermöglicht Mitarbeitern eines Rechtsanwalts, sich am beA anzumelden und Nachrichten zu lesen. Mitarbeiter können zudem „vom Rechtsanwalt qualifiziert signierte“ Nachrichten „oder nicht der Schriftform unterliegende Nachrichten“ versenden, falls sie die Benutzerrechte eingeräumt bekommen haben. Die „beA-Mitarbeiterkarte“ kostet im 12-Monats-Abo 12,90 Euro (netto).[15]
  3. Ein optionales „beA-Softwarezertifikat“ ist ein fortgeschrittenes Softwarezertifikat. Es kann als eine Datei auf dem Computer oder USB-Stick gespeichert werden. Mit dem Zertifikat kann ein Rechtsanwalt oder ggf. ein Mitarbeiter unterwegs auf dem Laptop beA-Nachrichten abrufen und versenden. Das „beA-Softwarezertifikat“ kostet im 12-Monats-Abo 4,90 Euro (netto).[15]
  4. Die Anschaffung eines entsprechenden Kartenlesegeräts kostet einmalig circa 60 Euro. Er kann für die Anmeldung am beA und für die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen genutzt werden. Möchte man darüber hinaus noch Funktionen des neuen Personalausweises oder Online-Banking nutzen, kostet ein geeignetes Kartenlesegerät circa 130 Euro.[15]

Sicherheitsarchitektur

Die Übermittlung von Nachrichten im beA-System erfolgt mittels einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Metadaten wie Absender und Empfänger sind mit einer Transportverschlüsselung vor Dritten geschützt. Für den Zugang zum beA-System ist eine Erstregistrierung mit der beA-Karte notwendig. Nur in Deutschland zugelassende Anwälte erhalten eine beA-Karte. Greift man via Browser oder Kanzleisoftware auf das beA zu, folgt eine Authentifizierung: die Identitätsfeststellung erfolgt über die Kombination aus einer Chipkarte oder einem Softwarezertifikat (Besitz) und einer PIN (Wissen). Die Rechenzentren für das beA-System befinden sich ausschließlich in Deutschland und unterliegen dem Bundesdatenschutzgesetz.[12]:12 f. [9]:10 ff.

Literatur

Christopher Brosch, Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach?, NJW 2015, 3692

Einzelnachweise

  1. Bundesrechtsanwaltskammer: Kleine Mitgliederstatistik zum 01.01.2015. (PDF; 36 kB) 1. Januar 2015, abgerufen am 12. November 2015.
  2. beA. Was ist das beA? In: bea.brak.de. , abgerufen am 9. November 2015.
  3. beA kommt später. BRAK verschiebt Starttermin für besonderes elektronisches Anwaltspostfach. In: bea.brak.de. 26. November 2015, abgerufen am 1. Dezember 2015.
  4. a b Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach EGVP. In: www.egvp.de. , abgerufen am 9. November 2015.
  5. a b Fragen und Antworten. Werden Syndikusanwälte ein beA erhalten? Wie sieht es nach der geplanten Gesetztesänderung aus? Was ist bei der Bestellung der beA-Karte zu beachten? In: bea.brak.de. , abgerufen am 10. November 2015.
  6. EGVP - Rechtliche Grundlagen. Allgemeine rechtliche Grundlagen. In: www.egvp.de. , abgerufen am 9. November 2015.
  7. Der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten. (PDF; 1,4 MB) Besonderes elektronisches Anwaltspostfach ante portas. In: www.brak-mitteilungen.de. , S. 216f., abgerufen am 10. November 2015.
  8. BRAK-Positionen zur nationalen Rechtspolitik. Elektronischer Rechtsverkehr. In: www.brak.de. , abgerufen am 9. November 2015.
  9. a b c Signatur und Signiervorgang. (PDF; 1,2 MB) Für Anwälte. In: www.brak-mitteilungen.de/. , abgerufen am 10. November 2015.
  10. Bundesrechtsanwaltskammer ~ Presseerklärung 20/2015. In: www.brak.de. Abgerufen am 26. November 2015.
  11. a b c beA. Zeitplan nach ERV-Gesetz. In: bea.brak.de. , abgerufen am 1. November 2015.
  12. a b c d e f g h beA kommt. (PDF; 409 kB) Ihr elektronisches Anwaltspostfach ab 2016. In: www.brak.de. 24. August 2015, abgerufen am 9. November 2015.
  13. Stellungnahme. Die BRAK darf das beA eines Rechtsanwalts ab dem 01.01.2016 nicht ohne dessen Erstregistrierung empfangsbereit schalten. In: WERNER Rechtsanwälte Informatiker. 15. Oktober 2015, abgerufen am 1. November 2015.
  14. BRAK-Antrag. Aufforderung an die BRAK, es zu unterlassen das beA empfangsbereit einzurichten, wenn der Rechtsanwalt die Erstregistrierung nicht durchgeführt hat und das Identifizierungsverfahren nicht durchlaufen hat. In: WERNER Rechtsanwälte Informatiker. 20. November 2015, abgerufen am 26. November 2015.
  15. a b c d Zertifizierungsstelle Bundesnotarkammer. beA-Produkte der Zertifizierungsstelle. In: bea.bnotk.de/. , abgerufen am 10. November 2015.