Heinrich Schnittlinger (*20. November 1718 in Schnittlingen; † 16. Mai 1782 in Pennsylvania/USA) war ein deutsch-amerikanischer Schriftsteller.
Sein Werk zeichnet sich - trotz epigonaler Züge - durch einen frühen darstellerischen Realismus Literatur aus, der seine Inspiration aus der feinfühligen Beobachtung lokalen und regionalen Geschehens bezieht. Sein Roman „Des Lautertaler Jakobs wundersame Reise nach Ulm“ greift - formal noch der Tradition des barocken Schelmenromans verhaftet - Motive und Gestaltungsweisen auf, die wenig später Karl Philipp Moritz, einem anderen großen Außenseiter der Literaturgeschichte, in seinem „Anton Reiser“ zur Meisterschaft bringt.
Historisch bedeutsam wurde Schnittlinger durch die Veranstaltung seiner sogenannten „Alt-Griechischen Bacchanten-Abende“ in Geislingen/Württemberg mit fast postmodern zu nennendem Event-Charakter; diese Veranstaltungen mit ihrer Mischung aus frivoler Antiken-Rezeption, Trinkgelage und sexueller Freizügigkeit untergruben kurzfristig das bürgerliche Leben in Geislingen derart, dass die Obrigkeit das „Geislinger Haupt-Regiment zur Wiederherstellung der würdigen Sittlichkeit“ von 1760 ausrief. Der Kerkerhaft entrinnen konnte Schnittlinger nur unter Mithilfe seiner Freunde aus dem Kreise der Fahrensleute. Schnittlinger, lange Jahre selbst als Gaukler durch das damalige Europa streifend (Quellen sprechen sogar von Streifzügen durch Andalusien), erbrach sich unter dem Eindruck der bevorstehenden Kerkerhaft und wurde daraufhin unter den Bauch eines Schweines gebunden, dass im Trosse jener Gaukler mitgeführt wurde. Angewidert von dem Gestank des Tieres nahm der Kommandeur des Geislinger Haupt-Regiments Abstand von einer Untersuchung, bei der er Schnittlinger wohl entdeckt hätte. Schnittlinger entkam und war dadurch der Kerkerhaft entronnen. Unter dem Eindruck dieses Erlebnisses und um der Pressionen der damaligen herrschenden Klasse zu entrinnen, wohl auch, um seinem Freigeist weiter seinen Lauf zu lassen, wanderte er noch in diesem Jahr nach Amerika aus. Dort haben sich die historischen Fußstapfen in den Weiten des amerikanischen Kontinents nahezu gänzlich verloren. Lediglich einige Dokumente und Fundstellen weisen uns den weiteren Lebensweg Schnittlingers. Sicher ist nur, dass er am frühen Abend des 16. Mai des Jahres 1782, gezeichnet von der Syphillis und dem Alkohol in den Armen einer Dirne verstorben ist. Schnittlinger wirkte weniger durch seine Literatur, als durch seine Lebensweise als Vorbild für Christian Friedrich Daniel Schubart, eine gelegentlich behauptete Wirkung auf Friedrich Schiller kann zweifelsfrei nicht nachgewiesen werden. Heute zählt Schnittlinger zu den Vergessenen der Literaturwissenschaft.
Werke (Auswahl)
- Seelenweh eines singenden Müllers (1740)
- Des Lautertaler Jakobs wundersame Reise nach Ulm (1760)
- Klärchen vom Bache (1762)
- Heidenheimer Gesamtausgabe 1832
Literatur
- Hans von Reitzenstein: „Trunken vor Freude... lichtumflutet. Heinrich Schnittlingers Alt-Griechische Bacchanten-Abende und das Geislinger Hauptregiment von 1760“. Tartu (Dorpat), Diss.phil. 1912