Segedunum war ein römisches Hilfstruppenkastell (Kavallerie und Infantrie) auf dem Gemeindegebiet (Parish) von Wallsend, District North Tyne, County Tyne and Wear, England. Es gehörte zu einer aus 17 Kastellen bestehenden Festungskette und sicherte das östliche Ende des Hadrianswalls. Das Lager stand etwa 300 Jahre, vermutlich von 125 bis 400 n.Chr. in Verwendung und zählt heute zu den am besten untersuchten Befestigungen am Wall. Heute ist die Ausgrabungsstelle vor allem durch das wiederaufgebaute Lagerbad, einer Rekonstruktion des Hadrianswalls und einer aufwendig gestalteten Aussichtswarte im archäologischen Park bekannt.[1]
Kastell Wallsend | |
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Alternativname | Segedunum/Segeduno |
Limes | Britannien |
Abschnitt | Strecke 2 |
Datierung (Belegung) | hadrianisch, 2. bis frühes 5. Jahrhundert n. Chr. |
Typ | a) Alen- und Kohortenkastell b) Hafen |
Einheit | a) cohors II Nerviorum civium Romanorum, b) cohors IIII Lingonum equitata |
Größe | Fläche: 1,7 ha |
Bauweise | Steinbauweise |
Erhaltungszustand | Fundamente von Innengebäuden und der Umwehrung sichtbar, Lagerbad rekonstruiert |
Ort | Wallsend |
Geographische Lage | 54° 59′ 16,5″ N, 1° 31′ 56,3″ W |
Vorhergehend | Kastell Arbeia (östlich) |
Anschließend | Kastell Pons Aelius (westlich) |











Name
Der Name des Kastells wurde nur in der Notitia dignitatum, einem Verzeichnis der spätrömischen Verwaltung aus dem 4. Jahrhundert, überliefert. Seine Bedeutung ist in der Forschung noch umstritten. Vermutlich stammt er aus dem keltischen und leitet sich aus den Wörtern für „mächtig“ oder „siegreich" ab. Vielleicht entstand er auch aus der Bezeichnung "sego“ (= Stärke) und „Dunum“ (= befestigter Ort) oder „sechdun“ (= trockener/wasserloser Hügel). Der heutige Ortsname (= Mauerende) leitet sich vom Hadrianswall ab.[2]
Lage
Der Standort des Kastells war gut gewählt. Es handelte sich um ein schmales Plateau über dem nördlichen Flussufer, von wo man aus das Flußtal des Tyne in Richtung Osten bis nach Arbeia (South Shields) sowie flussaufwärts in Richtung Westen bis Pons Aelius (Newcastle upon Tyne) überwachen konnte.[3]
Forschungsgeschichte
Bis in das späte 19. Jahrhundert war das Kastell weitgehend überbaut. Nur ein paar geringe Reste blieben sichtbar. 1885 berichtete John Collingwood-Bruce, dass er 1884 an einen mit Gras bewachsenen Hügel einige wenige Spuren des östlichen Kastellwalls beobachtet hatte. Aus der Bevölkerung erfuhr er, dass auch der Abschnitt des Walls, der von der Südostecke des Kastells bis zum Fluß reichte noch teilweise sichtbar war. Er befürchtete, dass auch das restliche noch unbebaute Areal der römischen Festung als Baugrund für Industrie- und Wohngebäude freigegeben würde. Der Niedergang des Kohlebergbau und der Werftindustrie in Wallsend bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ermöglichte schließlich aber dann doch die Freilegung des Kastells.
Erste Untersuchungen am Kastell (Westtor) wurden 1929 durchgeführt. Von 1975 bis 1976 wurden in Wallsend einige Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhundert abgerissen. Dadurch konnte der südliche Teil des Kastells zwischen den Jahren 1975 und 1984 fast vollständig ausgegraben werden. Dabei wurde das Lager in seinen Umrissen erfasst und die Fundamente des Lagerhauptquartiers konserviert. 1979 wurde die südöstliche Sektion des Kastells von Charles M. Daniels untersucht. Diese Grabungen brachten die Überreste der südlichen und östlichen Umwehrung zutage. Gleichzeitig konnten die Positionen der Mannschaftsunterkünfte, einiger Zwischentürme und der Lagerstraßen bestimmt werden. Insgesamt kamen bei den Grabungen über 700 antike Artefakte ans Tageslicht. Unter ihnen sind besonders die Reste eines Kettenhemds (Lorica Hamata), Messingpfannen, eine Trinkschale und ein tragbarer Götterschrein bemerkenswert die in den Kasernen zutage kamen. Im Kommandantenhaus stieß man auf den abgeschlagenen Kopf einer Minervastatue und auf eine Skulptur der Fortuna. An der westlichen Schlupfpforte fand sich ein Inschriftenstein und in der Principia einige Scherben von Keramik aus der Zeit der angelsächsischen Besiedlung. Im Hospital wurde ein Kerzenständer und das Fragment eines steinernen Toilettensitzes geborgen. Letzterer ist der einzige derartige Fund in Großbritannien. Die Toilettensitze des Lagerbads wurden nach seinem Vorbild gestaltet.
Das Kastellareal wurde 1977 und 1992 aus der Luft fotografiert. Bei den Ausgrabungen von 1997 bis 1998 konnte festgestellt werden, dass das römische Lager direkt über einer eisenzeitlichen Siedlung errichtet worden war. Die im Kastell aufgefundene Keramik stammt aus der Zeit zwischen dem 2. und späten 4. Jahrhundert. Das Segedunum-Projekt startete 1997, und hatte zum Ziel nach Abschluss der Ausgrabungen einen Teil des Areals der ehemaligen Swan-Hunter-Werft in ein Museum bzw. Schaugelände umzugestalten und das Badegebäude zu rekonstruieren. Museum und Schaugelände wurden im Juni 2000 der Öffentlichkeit übergeben.
Die Entdeckung des Badehauses bei der Verlegung von Kohlenwagengleisen wurde 1814 vom Pfarrer und Historiker John Hodgson beschrieben. Als Beifunde wurden noch römische Münzen und ein Kessel geborgen. Durch die Baumaßnahmen wurden die Überreste schwer beschädigt. Sie gerieten danach rasch wieder in Vergessenheit. Deren Lage war aber vorher noch auf einem Plan markiert worden. Nach Studium von alten Karten und Aufzeichnungen konnte man den Standort des ursprünglichen römischen Badehauses unter dem - mittlerweile abgerissenen - Ship in the Hole-Pub, identifizieren. Bei Sondierungsgrabungen im Mai 2014 fand man römische Keramik, Bruchstücke von wasserdichten Zement, einige Säulen der Hypokaustenanlage und Bausteine. In weiterer Folge stieß man auf Mauerreste und ein noch gut erhaltenes Kaltwasserbecken. Mitte 2014 wurde der Neubau des Kastellbades fertiggestellt.[4]
Entwicklung
122 befahl Kaiser Hadrian im Norden Britanniens eine Sperrmauer, verstärkt durch Wachtürme und Kastelle, vom Tyne bis zum Solway-Firth zu errichten um so die britischen Provinzen besser vor Einfällen der Pikten aus dem Norden zu schützen. Der Wall wurde hauptsächlich durch Soldaten der drei in Britannien stationierten Legionen und von Seeleuten der classis Britannica errichtet. Eine Bauinschrift vom Haupttor des Lagers belegt, dass beim Bau des Kastells u.a. Soldaten der Legio VI Victrix beteiligt waren. John Collingwood-Bruce berichtet auch vom Fund einer Inschrift, die die Legio II Augusta nennt.
Das Kastell Segedunum zählte zu den am spätesten errichteten Wallbefestigungen. Sein Bau war notwendig, da die direkte Sicht auf das Kastell Arbeia, nahe der Mündung des Tyne von Pons Aelius wegen der zu großen Entfernung unmöglich war. Ursprünglich sollte der Wall schon am Kastell Pons Aelius enden. Zwischen 125 bis 127 entschloss man sich aber die Mauer noch weiter Richtung Osten zu verlängern und dort ein neues Kastell zu erbauen um das Umland der Brücke bei Pons Aelius und die hier siedelten Briganten noch besser schützen zu können. Der neue Wallabschnitt reichte von Wallsend bis Byker, dem östlichsten Stadtbezirk von Newcastle.
Um 400 dürfte das Kastell von der Armee wieder aufgegeben und vielleicht noch einige Zeit von der dort ansässigen Zivilbevölkerung genutzt worden sein. Es ist möglich, dass das Kastell auch noch von den Angelsachsen verwendet wurde (Keramikfunde in der Principia). Zur Zeit der normannischen Invasion (1066) dürfte der Ort aber endgültig aufgegeben und weiter landeinwärts die Siedlung Wallsend gegründet worden sein, wahrscheinlich um das Risiko zu minimieren von Plünderern überrascht zu werden die den Tyne heraufgesegelt kamen.
In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde sein Areal als Weideland genutzt. Nach 1778 entstanden in der Nähe der Festung die ersten Steinkohlezechen und das Areal wurde allmählich von den Reihenhäusern einer Bergarbeitersiedlung, später der Swan-Hunter-Schiffswerft und dem Simpson Hotel überbaut. Vermutlich um das Jahr 1884 war das Kastell dann fast völlig verschwunden. In den 1970er Jahren wurden die Häuser aus dem 19. Jahrhundert abgerissen und der südliche Teil des Lagers ausgegraben. Danach war das Grabungsgelände wieder über lange Jahre sich selbst überlassen. Im Rahmen einer Ausschreibung des National-Lottery-Award wurde schließlich ein großangelegtes Projekt zur Revitalisierung dieser archäologischen Stätte, verbunden mit dem Bau eines Besucherzentrums bzw. Museums, inkl. Anlage eines archäologischen Schaugeländes, angestoßen. [5]
Kastell
Ergraben wurde nur die südliche Hälfte des Festungsareals, die nördliche Hälfte ist von der Buddle Street und Wohnhäusern überdeckt. Es ragt von allen Wallkastellen am weitesten über die Linie des Hadrianswalls hinaus. Das Lager hatte einen quadratischen Grundriss mit abgerundeten Ecken (Spielkartenform) wie es für mittelkaiserzeitliche Kastelle typisch war. Es maß von Nord nach Süd 138 Meter, von West nach Ost 120 Meter und bedeckte eine Fläche von annähernd 1,7 ha. Die Kavalleristen waren in den Baracken im rückwärtigen Teil des Kastells untergebracht (retendura) die der Infanteristen im vorderen (praetendura). Die Nachbildung einer Soldatenstube und eines Stalles kann man im Museum besichtigen. Dazwischen lagen das Quartier des Kommandanten, die Lagerverwaltung und die übrigen Funktionsbauten. Oberirdisch ist vom Kastell nur mehr wenig zu sehen. Segedunum erlebte in seiner Geschichte auch mehrere Reparaturen und Umbauten. Insgesamt konnten drei Steinbauphasen festgestellt werden.
- Phase I (125): Zu dieser Zeit wurden die Umwehrung (vallum), das Hauptquartier (principia), das Wohnhaus des Kommandanten (praetorium), ein Lagerhaus (horrea), vermutlich ein Hospital (valetudinarium) am Westtor, Werkstätten (fabrica) Mannschaftsbaracken (contubernium) und Pferdeställe (stabula) hochgezogen. Die Soldatenunterkünfte und Ställe waren zunächst noch aus Holz. Sie wurden im späten 2. Jahrhundert ebenfalls durch Steinbauten ersetzt. Im Fall der Reiterkasernen waren die Pferdeställe in diese integriert. Die Gebäude bestanden aus neun Kammern für die einfachen Soldaten und größeren Unterkünften an den Enden für die Offiziere (sog. Kopfbauten).
- Phase II (180 bis 230): Im Kommandantenhaus wurde ein kleines Bad eingebaut. In weiterer Folge kam noch eine Zisterne am Westtor hinzu und die Mannschaftsbaracken und Stallungen wurden renoviert. Die Principia wurde durch eine sich von Ost nach West erstreckende Straßenhalle erweitert. An der Westmauer baute man eine zusätzliche Schlupfpforte ein, die einen gesicherten Zugang in den Vicus ermöglichte. Als Reaktion auf die zunehmenden Angriffe der Pikten wurde das Nordtor zugemauert.
- Phase III (spätes 3. bis frühes 4. Jahrhundert): Die meisten mittelkaiserzeitlichen Gebäude wurden abgetragen und durch Werkstätten und Hütten ersetzt. Auch die Kasernen wurden komplett neu aufgebaut. Dabei wurden die klassischen, streifenförmigen Räume durch einzelne Kammern ersetzt. Das Lagerhospital wurde ebenfalls abgerissen und darüber einfache Streifenhäuser errichtet. Der Innenbereich wurde teilweise gepflastert.
Die ca. 4 Meter hohe Umwehrung bestand aus einem Steinwall der mit sechs Zwischentürmen verstärkt war. An der Rückseite der Kastellmauer war ein Erdwall aufgeschüttet worden der sie zusätzlich abstützte und gleichzeitig als Wehrgang diente. Die vier Kastellecken waren durch einen Eckturm gesichert worden. Das Lager war von einem 6,4 m breiten Graben umgeben, die Breite der Berme betrug ca. 7 m.
Die vier Tore im Norden, Süden, Westen und Osten besaßen jeweils zwei Durchfahrten die durch zwei Pfeiler voneinander getrennt waren (spina). Ost- und Westtor befanden nicht im Zentrum der Umwehrung, wie bei den klassischen mittelkaiserzeitlichen Kastellen, sondern standen etwas weiter nördlich. Alle Torbauten waren von zwei quadratischen Türmen flankiert, die ebenfalls hinter der Mauer angesetzt waren. Das Osttor wurde 1912 im Wallsend Park (Hall grounds) teilweise wieder aufgebaut. Die Ausgrabungen von 1929 zeigten, dass das Westtor, und der Wall der hier das Kastell erreichte baulich eine Einheit bildeten und gleichzeitig entstanden sein mussten. Südwestlich des Westtores befand sich neben einen Zwischenturm noch eine kleine Schlupfpforte. .[6]
Hadrianswall
Der Wall erreichte das Kastell am südlichen Flankenturm des Westtores. Er verließ es wieder am Eckturm der SO-Ecke und lief noch ca. 300 Meter weiter, bis zum Ufer des Tyne, wo er vermutlich spätestens an der Hochwassermarke endete. Eine Gedenktafel auf dem Gelände der Schiffswerft markiert die mutmaßliche Stelle an der der Wall im Osten endete. Dort stand in römischer Zeit vielleicht auch eine Statue oder ein dem Hadrian gewidmetes Denkmal. Reste davon konnten bislang aber nicht entdeckt werden. Laut einer bei Wallsend um 1857 aufgefundenen Bauinschrift (heute verschollen) wurde diese Mauersektion von der Legio II Augusta erbaut. Sie war jedoch etwas weniger breit (1,98 bis 2,29 Meter) ausgeführt als der übrige Wall und nicht durch einen vorgelagerten Graben geschützt. Der Grenzabschnitt von Wallsend bis zur Nordseeküste (Kastell Arbeia) wurde vom Tyne gesichert, dessen Mündungstrichter sich hier stark verbreitete. An der NW-Ecke des Kastells, nördlich der Buddle Street (A187) wurde ein 80 Meter langer Abschnitt des Hadrianswalls bis zur Mauerkrone (Höhe 4 Meter) rekonstruiert. Über eine Treppe gelangt man auf den mit einem Geländer gesicherten Wehrgang. Die Fundamente der Originalmauer haben sich vor dem Nachbau und - einige Steinlagen hoch - nahe dem Besucherzentrum erhalten. Vor den Wall fand man einige zur Römerzeit angelegte Löcher, in denen sich noch Reste von Dornengestrüpp (cippi) befand. Es fungierte vermutlich als Annäherungshindernis. Einige der Löcher wurden durch Holzpflöcke markiert.
Garnison
Über die Besatzungstruppen des Kastells weiß man nur wenig. Im 2. Jahrhundert dürften hier nacheinander zwei keltische Hilfstruppeneinheiten (auxilia), stationiert gewesen sein. Beide Einheiten hatten eine Mannschaftsstärke von schätzungsweise 500 Mann (120 Reiter, 380 Infanteristen). Ein in Wallsend aufgefundener Dachziegel mit dem Stempel der ala prima Hispanorum Asturum ist kein ausreichender Beweise dafür, das diese u.a. vom Kastell Benwell (Condercum) her bekannte Einheit auch in Segedunum stationiert war.[7]
Folgende Auxiliar-Einheiten sind für Segudunum bekannt:
Zeitstellung | Truppenname | Beschreibung |
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2. Jahrhundert n. Chr. | cohors secunda Nerviorum civium Romanorum (die zweite Kohorte der Nervier, römische Bürger) | Die Nervier wurden in der Provinz Gallia Belgica, heute Belgien, rekrutiert. |
3. bis 4. Jahrhundert n. Chr. | cohors quartae Lingonum equitata (die vierte teilberittene Kohorte der Lingonier) | Die Lingonier stammten aus der Provinz Germania Superior, aus der Region die heute zu Frankreich zählt.
Laut der Inschrift eines Iupiteraltars wurde die Kohorte zeitweise von einem Zenturio der Legio II Augusta, Julius Honoratus, kommandiert. Zwei weitere Weihealtäre für Iupiter wurden von Präfekten der Lingoniereinheit, Cornelius Celer und Aelius Rufus gestiftet. Die Kohorte wurde auch beim Bau des Hadrianswalls für einfachere Arbeiten – wie zum Beispiel zum Aushub des Wallgrabens - eingesetzt, wie der Fund eines Inschriftensteines südlich des Walls bezeugt.[8] Aus der Notitia Dignitatum, Truppenliste des Dux Britanniarum, ist für das Segeduno des 4. Jahrhundert auch der Rang ihres befehlshabenden Offiziers, ein Tribun, bekannt. |
Lagerbad
Das Badehaus (balineum) stand außerhalb (südwestlich) des Kastells. Es dürfte daher von den Soldaten und der Zivilbevölkerung gemeinsam genutzt worden sein. Auf einer Karte von 1857 ist das Lagerbad etwa 121 m südlich der Südwestecke des Kastells, in der Nähe des Flussufers eingezeichnet. Es stand in einem kleinen Tal mit einem Bach der die Wasserversorgung gewährleisten sollte. Das Bad wurde etwas abseits des Originalstandortes, nach dem Vorbild der Lagertherme im Kastell Chesters rekonstruiert. Es ist bislang das einzige wiederaufgebaute römische Bad in Großbritannien. Sein Entwurf basiert auf den Forschungsergebnissen über das Lagerbad von Chester. Die Grabungen in Wallsend, Chesters, Benwell, Carrawburgh, Bewcastle und Vindolanda lassen vermuten, dass die Militärbäder am Hadrianswall nach einem vorgegebenen Plan erbaut wurden. Die Thermen aus hadrianischer Zeit (120) dürften etwa 150 Jahre in Betrieb gewesen sein.
Der Nachbau der Therme kann im Osten durch die Halle betreten werden. Sie dient als Umkleide- (apodyterium) und Fitnessraum (gymnasium). Die Kleider können in Mauernischen an der linken Wand abgelegt werden. Er wurde aber auch noch für andere Zwecke wie z.B. Körperpflege, als sozialer Treffpunkt, zur Unterhaltung (Brettspiele) usw. genutzt. Auf seiner rechten Seite führt eine Tür in die Gemeinschaftstoilette.
Die Toilette verfügte über sieben in Stein gefertigte Sitzplätze. Das Fragment eines solchen Toilettensitzes wurde im Hospital ausgegraben. Sie sind über einen Wasserkanal errichtet, der die Fäkalien sofort wegspült. Vor den Sitzen verläuft eine Wasserrinne, die zur Reinigung der Schwammstöcke dient.
Hinter der Mauer auf der linken Seite befindet sich eine der Feuerungsanlagen (präfurnium), das zweite, etwas größere liegt auf der Westseite des Gebäudes. Sie dienen zur Beheizung des Warmwasserbeckens, der Fußbodenheizung sowie der Warmluftabzüge in den Wänden. Die Hypokaustenheizung besteht aus einer Reihe von Stützen aus Ziegelsteinstapeln mit einer größeren Ziegelplatte an der Oberseite, auf denen der Fußboden (opus signinum) des Heißbades aufliegt. Die Heißluft aus den Präfurnien zirkuliert in den Unterflurräumen und wird mittels Hohlziegelkanäle in den Wänden durch das Dach ins Freie abgeleitet. In einer Ecke des Heißraums (laconicum) vor dem Präfurnium I (Raum C) wurde eine Lücke im Boden und an der Wand offengelassen um den Besuchern die Konstruktionsweise des Heizsystems besser zu veranschaulichen.
Die beheizten Räume beherbergen das Laubad (tepidarium) und das Heißbad (caldarium). Nach dem Besuch des Heißbades kann man sich an einem kleinen Brunnen abkühlen dessen Wasserspeier ein Medusenhaupt darstellt. Der Brunnen wurde einem, in Südengland ausgegrabenen Exemplar nachempfunden.
Zuletzt gelangt man in das Kaltbad (frigidarium), das dortige Wasserbecken ist mit wasserdichten Zement abgedichtet. Die Fresken im Kaltbad zeigen verschiedene Arten von Meerestieren und wurden nach pompejanischen Vorbild gestaltet. Die bemalte Sitzstatue in der Mauernische stellt die Göttin Fortuna mit einem Füllhorn (cornucopia) dar. Sie basiert auf einem in der Lagertherme von Kastell Birdoswald entdeckten Exemplar, die Vorlage für die Mauernische wurde im Lagerbad von Kastell Ravenglass in Cumbria ausgegraben.[9]
Unmittelbar neben dem Badehaus wurde ein kleiner Garten angelegt. In ihm wurden verschiedene Pflanzenarten angesetzt die die Römer u.a. für Heilzwecke, Kosmetik und zur Heilung von Krankheiten benötigten.
Vicus
Nordöstlich des Kastells stieß man auf Spuren des Lagerdorfes, das zwischen dem Wall und dem Kastell lag. Es erstreckte sich entlang der Militärstraße fast 600 Meter in Richtung Westen. Das Areal des Vicus ist heute vollständig überbaut. Bei den Grabungen fand man Spuren von mehreren Straßenzügen sowie Hinweise auf handwerkliche Tätigkeiten, darunter mutmaßliche Töpferöfen. Bei den Ausgrabungen wurden Gebäudereste freigelegt, die ins 3. Jahrhundert datiert werden konnten. Weitere Untersuchungen in den Jahren 1997-1998 erbrachten Erkenntnisse über den südlichen und westlichen Teil des Vicus. Die Siedlung wurde offenbar im 3. Jahrhundert ganz oder teilweise mit einem Graben und einem Erdwall befestigt. Reste dieser Wehranlage wurden etwa 65 Meter westlich des Kastells entdeckt, sie verlief südlich vom Hadrianswall. Man vermutet, dass sie 75 m vor dem Ufer des Tyne nach Süden abbog. Ein weiterer Abschnitt der Verteidigungsanlage wurde 2001 bei der Swan Hunter Werft beobachtet. Der Vicus war nun im Norden vom Hadrianswall, im Osten vom Kastell, im Westen vom Erdwall und im Süden durch den Fluß gesichert. Das Lagerdorf und seine Verteidigungsanlagen wurden im späten 3. Jahrhundert aufgegeben. Ab dem 4. Jahrhundert dürften dort nur noch Märkte abgehalten worden sein.[10]
Tempel und Sonnenuhr
Der Fund eines unbeschrifteten Altars, Münzen und einer 1783 gefundenen Inschrift markieren den möglichen Standort eines römischen Tempels südwestlich des Kastells, etwa 40 m vom Kastellbad entfernt. Die Inschrift, gefunden in den nördlichen Fundamenten des Tynemouth Klosters bezog sich auf eine in einem Tempel aufgestellte Statue und stammte vermutlich aus Wallsend. Der Altar war von einem Kreis aus 12 Steinen umgeben, möglicherweise diente er als Zeiger für eine Sonnenuhr.[11]
Mercuriusschrein
1978 barg Charles Daniels bei Grabungen in den Kavalleriekasernen einen 75 mm hohen und 36 mm breiten Gegenstand aus Blei. Es handelte sich um einen tragbaren Götterschrein aus dem 4. Jahrhundert der mit zwei rechteckigen Türen verschlossen werden konnte. An der Oberseite befindet sich ein halbkreisförmiger Giebel der mit Symbolen des Sonnengottes (Rad, Peitsche) dekoriert ist. Das Relief in der Ausbuchtung stellt den Gott Mercurius dar. Sein leicht nach rechts geneigter Kopf trägt einen Flügelhelm und gelockte Haare. Über seiner rechten Schulter ist ein Mantel drapiert der mit einer runden Brosche zusammengehalten wird. In der rechten Hand trägt er ein Objekt unbekannter Funktion, die Finger seiner linken Hand sind weit auseinandergespreitzt. Zu seinen Füßen sind die Symbole eines Meeresgottes (Delphin, gezügeltes Seepferd) dargestellt. Die Türen haben an beiden Enden Stifte die in ringförmige Ösen an den Seiten des Schreins eingehängt werden können. Sie sind mit einem rautenförmigen Muster und stilisierten Muscheln und Diamanten verziert.[12]
Hinweise
Der Kastellstandort wird vom Tyne & Wear Museum als Zweigstelle Segedunum Roman Fort, Baths and Museum betrieben. In dem den Museum angeschlossenen archäologischen Park sind die Reste von Fundamenten einiger Innengebäude zu sehen. Stein- und Kiesmarkierungen und Infotafeln an den Positionen der NO-Ecke, des Südwalles und an den vier Toren sind sonst die einzigen sichtbaren Teile der römischen Festung. Um die Ausmaße des Lagers und die Positionen der wichtigsten Gebäude für den Besucher so anschaulich wie möglich zu gestalten, haben die Archäologen den Verlauf der antiken Mauerzüge und Straßen mit Bruchsteinen und verschiedenfärbigen Kiesaufschüttungen markiert:
- Originale Blöcke: Sie wurden, wenn möglich, an den Stellen belassen wo sie freigelegt wurden,
- Bruchsteine: Fundamente der Umwehrung,
- Grauer Kies: Böden,
- Rosa Kies: Ovale Schüttungen in den Kasernen markieren die Uringruben der Pferdeställe, kleine Kieshaufen die Herdstellen,
Im Museumsgebäude sind die in Wallsend gefunden römischen Artefakte ausgestellt. Der archäologische Park kann auch von einem 34 Meter hohen, mit einem Fahrstuhl versehenen Aussichtsturm aus besichtigt werden. Im Turm illustriert eine Computeranimation welche Veränderungen das Kastellgelände im Laufe von 2000 Jahren durchlaufen hat. Überall in der Stadt verteilte, in englisch-lateinisch beschriftete Tafeln informieren den Besucher über die römische Vergangenheit des Ortes. Wallsend ist auch der Ausgangspunkt des Hadrianswall Path National Trail, ein Wanderweg zum westlichen Endpunkt des Walls in Bowness-on-Solway.[13]
Literatur
- William Richardson: The History of the Parish of Wallsend. City of Newcastle Upon Tyne Education and Libraries Directorate, 1923, ISBN 1-857950-34-8.
- Frank Graham: Roman Wall, Comprehensive History and Guide, im Selbstverlag, 1979, ISBN 0-85983-177-9.
- John Collingwood Bruce, Handbook to the Roman Wall (1863), Harold Hill & Son, ISBN 0-85983-140-X.
- J. Collingwood Bruce: Handbook to the Roman Wall, 12. Ausgabe.
- R. Chamberlin: "Hadrian’s Wallsend", History Today, Volume: 50, 8. August 2000.
- J.T. Koch: Celtic Culture, 2006, ISBN 1-85109-440-7.
- M. Wainwright: "Togas and hot tubs on the Roman way", Artikel in The Guardian, Ausgabe vom 13. Juni 2000.
- C. Michael Hogan: "Hadrian's Wall", Edition A. Burnham, The Megalithic Portal, 2007.
- Eric Birley: Research on Hadrian's Wall, 1961.
- John Collingwood Bruce, Ian Alexander Richmond: Handbook to the Roman Wall, 12. Ausgabe, 1966.
- Charles Daniels : The eleventh Pilgrimage of Hadrian's Wall, 26 August-1 September 1989.
- Nick Hodgson: Hadrian's Wall 1999-2009.
- Tony Wilmott: Hadrian's Wall: archaeological research by English Heritage 1976-2000, 2009.
- P. T. Bidwell, M. E. Snape, N. Holbrook: The Roman fort at Wallsend and its environs : a survey of the extent and preservation of the archaeological deposits, 1993.
- John Hodgson: History of Northumberland, 1840, Ausgabe 3.
- Henry MacLauchlan: Memoir to the Survey of the Roman Wall, 1858.
- Guy de la Bedoyere: Hadrian's Wall: history and guide, Tempus, 1998, ISBN 07524-1407-0.
- A. L. F. Rivet, Colin Smith: "Segedunum", The Place-Names of Roman Britain, Batsford, London 1979.
Anmerkungen
- ↑ William Richardson 1923
- ↑ R. Chamberlin 2000, J.T. Koch 2006, M. Wainwright 2000, A. L. F. Rivet, Colin Smith 1979, S. 452-453.
- ↑ Guy de la Bedoyere 1998, S. 39-40
- ↑ Guy de la Bedoyere 1998, S. 39
- ↑ J.Collingwood-Bruce, 1863, Frank Graham 1979, RIB 1308, Guy de la Bedoyere 1998, S. 38-40.
- ↑ Frank Graham 1979, Eric Birley 1961, S. 159–160, John Collingwood Bruce, Ian Alexander Richmond, 1966, S. 40–43, Charles Daniels 19089, S. 77–83, N. Hodgson 2009, S. 73–76.
- ↑ John Collingwood Bruce 1863, RIB 1299, RIB 1300, RIB 1303, RIB 1301, ND Occ: XL XVIII, Britannia Nr. 7: 1976, S. 388.
- ↑ [C] OHORS [IIII LIN] GONUM [F] ECIT, „Die vierte Kohorte der Lingonier hat dies gemacht“.
- ↑ J. Collingwood-Bruce 1966, S. 43, J. Hodgson 1840, S. 170–172, Infotafel Kaltbad.
- ↑ Frank Graham 1979, Eric Birley 1961, S. 160, Nick Hodgson 2009, S. 73–76.
- ↑ RIB 1305, Henry MacLauchlan 1858, Fußnote auf S. 7.
- ↑ Lindsay Allason-Jones: A Lead Shrine from Wallsend, Britannia, Vol. 15, Society for the Promotion of Roman studies, 1984, S. 231-232, Guy de la Bedoyere 1998, S. 40.
- ↑ Guy de la Bedoyere 1998, S. 39, C. Michael Hogan 2007
Weblinks
- Inschriftendatenbank RIB Roman Inscriptions of Britain (englisch)
- Segedunum auf Castles-Forts-Battles.co.uk, Abbildungen und Beschreibung (englisch)
- Bildergalerie Schaugelände und Kastellbad (englisch)
- Bildergalerie Bau des Lagerbads (You Tube)
- Video Rekonstruktion des Hadrianswalls (You Tube)
- In Search of Segedunum: Film über die Ausgrabungen vom August 1975 (You Tube)
- CAD Rekonstruktion des Kastells (You Tube)
- Tyne & Wear Archives & Museums: Abbildung des Merkurschreins