Paradoxon

Sachverhalt, der widersprüchlich erscheint
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. November 2015 um 17:20 Uhr durch Leif Czerny (Diskussion | Beiträge) (Paradoxien in der Spieltheorie, Ökonomie und Statistik). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ein Paradox(on) (auch Paradoxie, Plural Paradoxien oder Paradoxa, von Vorlage:ELSalt2 aus παρά para ‚neben‘, ‚außer‘, ‚daran vorbei‘ und δόξα doxa ‚Meinung‘, ‚Ansicht‘) ist ein Befund, eine Aussage oder Erscheinung, die dem allgemein Erwarteten, der herrschenden Meinung oder ähnlichem auf unerwartete Weise zuwider läuft oder beim üblichen Verständnis der betroffenen Gegenstände bzw. Begriffe zu einem Widerspruch führt.[1] Die Analyse von Paradoxien führt dabei oft zu einem tieferen Verständnis der betreffenden Gegenstände bzw. Begriffe, das den Widerspruch auflöst.

Pinocchios Nase wächst bekanntlich genau dann, wenn er lügt. Was passiert aber, wenn er sagt „Meine Nase wächst gerade“?
Fried-Zitat auf einem Rest der Berliner Mauer

Formen des Paradoxons

Es existieren verschiedene spezielle Formen des Paradoxons:

  1. logische Paradoxa – Widersprüchlichkeit als Folge der Negation von Selbstbezüglichkeit, d. h. wenn eine auf sich selbst anwendbare Aussage negiert wird. Sie sind mit der Russellschen Antinomie verwandt. Ein Beispiel ist das sogenannte Lügner-Paradox des Eubulides:
    Dieser Satz ist falsch. (Eine solche Aussage ist wahr, wenn sie falsch ist, und falsch, wenn sie wahr ist.) Eine besondere Form des selbstbezüglichen Widerspruchs ist der sogenannte performative Widerspruch zwischen propositionalem Gehalt und performativem Gehalt.
  2. metaphysische Paradoxa – Phänomene, die mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht begreifbar sind oder sich der Begreifbarkeit prinzipiell entziehen. Hierzu gehört
    die Frage nach der Endlichkeit beziehungsweise der Unendlichkeit von Raum und Zeit. Ein unendliches Universum scheint dem gesunden Menschenverstand ebenso zu widersprechen wie beispielsweise ein endliches – „Alles muss doch zu irgendeinem Zeitpunkt angefangen haben.“ – „Aber was war dann davor?“.
  3. semantische Paradoxa
  4. rhetorische Paradoxa – ein Rhetorisches Stilmittel, bei dem eine tiefergehende Wahrheit durch einen Widerspruch deutlich und drastisch dargestellt werden soll (z. B. Oxymoron). Beispiel: Weniger ist mehr!

Gemeinsam ist allen Paradoxa der Widerspruch zwischen dem Behaupteten einerseits und den Erwartungen und Beurteilungen andererseits, die sich aus vertrauten Denkheuristiken, Vorurteilen, Gemeinplätzen, Mehrdeutigkeiten oder begrenzten Perspektiven als alltägliche Meinung (doxa) ergeben. Auch scheinbare Widersprüche, die sich durch genauere Analyse vollständig auflösen lassen, wirken daher im ersten Moment paradox oder galten im Laufe der Geistesgeschichte als unlösbare Paradoxa oder Aporien. Auflösbare Paradoxien sind wahre Aussagen, deren Untersuchung – beispielsweise im Rahmen eines Gedankenexperiments – zu wichtigen Erkenntnisfortschritten in Wissenschaft, Philosophie und Mathematik führen kann, die für das Alltagsverständnis aber unerwartet oder überraschend sind. Der Widerspruch besteht hier oft nur zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Lösung. Ein Beispiel aus der Mathematik ist das Ziegenproblem, das logisch und mathematisch exakt lösbar ist, aber der Erwartung vieler Menschen widerspricht.

Paradoxien der Logik, Philosophie und Theologie

Paradoxien in der Mathematik

Paradoxien in der Spieltheorie, Ökonomie und Statistik

  • Bertrand-Paradoxon: Zwei konkurrierende Anbieter können keinen Profit machen.
  • Braess-Paradoxon: Durch Kapazitätserhöhung in einem Netz kann sich die Leistungsfähigkeit verringern.
  • Condorcet-Paradoxon: Die Mehrheit bevorzugt die Option A gegenüber B, und B gegenüber C. Dennoch möchte die Mehrheit lieber C als A.
  • Demographisch-ökonomisches Paradoxon: die Bevölkerung in Industrienationen (und der Mittelstand in Entwicklungs- und Schwellenländern) setzt umso weniger Kinder in die Welt, je mehr sie es sich auf Grund des gestiegenen Realeinkommens eigentlich leisten könnte.
  • Jevons’ Paradoxon: Die effizientere Nutzung eines Rohstoffes führt letztlich zu einer erhöhten Nutzung dieses Rohstoffes, anstatt sie zu senken.
  • Laffer-Paradoxon: Sinkende Steuersätze führen zu höheren Steuereinnahmen
  • Sankt-Petersburg-Paradoxon: Der zu erwartende Gewinn ist unendlich und doch ist man nur zu einem geringen Einsatz bereit.
  • Simpson-Paradoxon: Bei einer Erhebung, die in mehreren Teilerhebungen erfolgt, kann es geschehen, das eine Vergleichsgruppe in der Mehrzahl oder allen Teilerhebungen einen höheren Wert pro Gruppengröße erzielt und dennoch in der Summe eine schlechtere Quote hat.
  • Sparparadoxon: Einzelne können "sparen" (positives Netto-Geldvermögen aufbauen). Die Gesamtheit der Wirtschaftsteilnehmer kann kein positives Netto-Geldvermögen aufbauen, da jeder finanziellen Forderung (Guthaben) des Gläubigers (Sparers) eine gleich hohe Verbindlichkeit eines Schuldners gegenübersteht, mit der sie sich zu Null addiert. Das Geldvermögen der gesamten Volkswirtschaft ist daher immer gleich Null. Einzelne oder Gruppen können nur Sparen, indem sich die Komplementärgruppe (der Rest) in gleicher Höhe verschuldet.
  • Stage migration: Eine Person, die von einem Ort in einen anderen Ort zieht, erhöht in beiden Orten das Durchschnittseinkommen.
  • Giffen-Paradoxon: Je teurer das Brot ist, desto mehr wird gekauft.

Paradoxien in politischen Systemen

Bei diesen Paradoxien handelt es sich zum Beispiel um durchaus reale, aber als widersinnig empfundene Folgen eines politischen Systems.

  • Alabama-Paradoxon: Die Erhöhung der Anzahl der Parlamentssitze kann bei bestimmten Proporz-Verteilungen dazu führen, dass Parteien absolut Mandate verlieren.
  • Negatives Stimmgewicht: Zusätzliche Wähler einer Partei verringern deren Sitze im Parlament.
  • Ostrogorski-Paradox: Wahlergebnisse hängen entscheidend vom Wahlverfahren ab.

Paradoxien in der Physik

Der britische Mathematiker und Physiker Roger Penrose schlug für die Physik die Unterscheidung von Paradoxien von Puzzles vor.[2] Bei Puzzles handele es sich um „verblüffende, aber experimentell unmittelbar belegbare Quantenwahrheiten über die Welt, in der wir leben.“ Dazu gehöre unter anderem das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon, das keinen echten Widerspruch, sondern lediglich eine zwar unanschauliche, aber doch belegbare physikalische Wahrheit ist. Die Paradoxien, seien zwar quantenphysikalisch ebenso ein „wahrer Bestandteil dieser Welt, erscheinen aber so unplausibel und paradox, dass wir uns sträuben, sie als ‚wirklich‘ wahr hinzunehmen“. Das bekannteste X-Rätsel sei das Paradoxon von Schrödingers Katze.

Weitere physikalische Paradoxien:

Paradoxien in der Astronomie

Die Paradoxien, die beim Nachdenken über das Universum entstehen, haben eine lange Tradition, da sie sich – anders als viele andere wissenschaftliche Paradoxien – auch schon dem Laien erschließen. Dazu gehört zunächst die Frage nach der räumlichen und zeitlichen Endlichkeit bzw. Unendlichkeit des Universums. Der gesunde Menschenverstand kann sich weder das eine noch das andere richtig vorstellen: Wenn das Universum endlich ist – was kommt dahinter? Wenn es einen Anfang hatte – was war vorher? Aber auch ein unendliches Universum kann sich der gesunde Menschenverstand nicht vorstellen, ohne in Widersprüche zu geraten (siehe Antinomien der reinen Vernunft) Dies gilt unabhängig davon, wie die Physik diese Fragen löst. Der niederländische Künstler M. C. Escher hat dieses Paradoxon so formuliert: „Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendwo hinter den fernsten Sternen am Nachthimmel der Raum ein Ende haben könnte, eine Grenze, jenseits derer ‚nichts‘ mehr ist. Der Begriff ‚leer‘ sagt uns wohl noch etwas, denn ein Raum kann leer sein, jedenfalls in unserer Vorstellung, aber unsere Einbildungskraft ist unfähig, den Begriff ‚nichts‘ im Sinne von ‚raumlos‘ zu erfassen.“

Weitere Paradoxien aus der Astronomie:

  • Olberssches Paradoxon: In einem ewigen, unendlichen, unveränderlichen und gleichmäßig mit Sternen gefüllten Universum wäre der Himmel so hell wie die Oberfläche der Sonne.
  • Fermi-Paradoxon: Möglichkeit auf außerirdische Lebensformen zu treffen.

Paradoxien in der Medizin und Biologie

  • Großer Harlekinfrosch (Pseudis paradoxa): Bei dieser Froschart, die auch Paradoxer Frosch genannt wird, ist die Kaulquappe bis zu 25 cm, der erwachsene Frosch aber nur 7,5 cm groß.
  • Paradoxon des Planktons: Beim Zusammenleben verschiedener Arten muss eine ökologische Divergenz (ökologische Nische) existieren. Diese ist beim Phytoplankton offensichtlich weitestgehend nicht vorhanden.
  • Riffparadoxon: Die hohe Biomasseproduktion von Korallenriffen bei relativer Nährstoffarmut der Umgebung.
  • Graysches Paradoxon: Die Strömungseigenschaften eines schnellen Wales sind besser, als durch die reine Körperform der Tiere möglich ist. Verbesserungen treten durch verschiedene Optimierungen der Hautstruktur auf.
  • Levinthal-Paradox: Problem aus der Molekularbiologie, wie eine Aminosäurekette in kurzer Zeit ihren korrekt gefalteten Zustand als Protein findet.
  • Paradoxe Wirkung bei Arzneimitteln und Stimulanzien: Zum beabsichtigten Effekt wird genau die entgegengesetzte Wirkung beobachtet (z. B. Schlafmittel bewirkt Schlaflosigkeit).
  • Adipositas-Paradoxon: Fettleibige Patienten haben bei vielen chronischen Erkrankungen eine höhere Lebenserwartung als normalgewichtige.
  • Peto’s paradox: Mit der Zunahme der Anzahl von Körperzellen sollte die Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung proportional zunehmen, wodurch große Säugetiere erheblich häufiger Krebs entwickeln müssten als kleine Säuger. Tatsächlich unterscheiden sich die Krebs-Häufigkeiten bei Säugetieren nur geringfügig.

Paradoxien in den Geowissenschaften

 
Schwanenstein, fünftgrößter Findling vor der Ostseeinsel Rügen

Eine Vielzahl historischer und aktueller Paradoxien in den Geowissenschaften und resultierende wissenschaftliche Kontroversen gelten als eine wesentliche Triebkraft der wissenschaftlichen Erkenntnis in dem Bereich.[3] Einige Beispiele:

  • Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Herkunft und der Transport von Findlingen an ihre Fundorte ein wissenschaftliches Paradoxon.
  • Paradoxon der schwachen jungen Sonne: Eine vor 3,8 Milliarden Jahren um 25 % geringere Strahlungsleistung der jungen Sonne ist eigentlich unvereinbar mit Hinweisen auf flüssiges Wasser und Leben zu der Zeit.
  • Schneeball Erde: Anscheinend unvereinbare Ablagerungen von eiszeitlichen und tropischen Sedimenten auf vielen Kontinenten lassen eine weitverbreitete und abrupt verschwundene globale Vereisung annehmen.[4]
  • Messinische Salinitätskrise: Die Herkunft schwer zu deutender Flachwassersedimente am Ozeanboden des Mittelmeeres wurde erst im 20. Jahrhundert geklärt.
  • Münchberger Gneismasse Die Herkunft einer hochmetamorphen Gesteinsinsel in völlig andersartiger Umgebung ist nicht abschließend geklärt.
  • Die Quasikristalle Dan Shechtmans sind insoweit paradox, als sie in einer scheinbar regelmäßigen, in Wahrheit aber aperiodischen Struktur angeordnet sind. Shechtmans kristallographische Arbeiten wurde von Größen wie Linus Pauling anfangs fundamental angegriffen und erhielten 2011 den Nobelpreis.

Sprachlich-rhetorische Paradoxien

In der Umgangssprache wird oft die widersprüchliche Wirkung von Paradoxien als rhetorische Stilfigur verwendet.

  • Stärker als der Stärkste
  • Dümmer als der Dümmste
  • Das ist so wahr, dass es nur falsch sein kann.
  • Das Leben ist der Tod, und der Tod ist das Leben.
  • Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und würd er in Ketten geboren!
  • Je mehr es sich verändert, desto mehr bleibt es das gleiche.
  • Im Rückschritt liegt der Fortschritt.
  • Wenn jemand den Sinn des Lebens erklärte, hätte das Leben seinen Sinn verloren!
  • Die Ewigkeit ist lange, besonders gegen Ende hin!
  • Niemand hat das Recht zu gehorchen. (Hannah Arendt)
  • … mit ohne Ketchup/Senf
  • Das einzig Beständige ist die Veränderung.
  • Wenn man sich klar ausdrücken will, muss man sich manchmal widersprechen.
  • Umsonst ist der Tod und der kostet das Leben.
  • Das Weizenkorn muss sterben, um zu leben.
  • Je mehr Käse, desto mehr Löcher; je mehr Löcher, desto weniger Käse. → Je mehr Käse, desto weniger Käse
  • Je mehr man lernt, desto mehr weiß man. Je mehr man weiß, desto mehr vergisst man. Je mehr man vergisst, desto weniger weiß man. → Je mehr man lernt, desto weniger weiß man
  • Aus der Erfahrung lernen wir, dass der Mensch aus Erfahrungen nicht lernt.
  • Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie (so) bleibt. (Erich Fried)
  • Ich weiß, dass ich nichts weiß. (Sokrates)
  • Wirklichkeitsillusion (Thomas Mann)
  • Dieser Satz ist eine Lüge.
  • Kostenpflichtiges Geschenk

Ideologische Paradoxien

Gesellschaftliche Ideologien enthalten in der Praxis oft paradoxe Elemente, vor allem wenn sie mit absolut gesetzten Werten wie Freiheit oder Gleichheit operieren. Beispiele: So werden, um eine „freiheitliche“ Ordnung aufrechtzuerhalten, Maßnahmen eingesetzt, die die Freiheit einschränken (z. B. McCarthy-Ära in den USA oder auch die aktuellen Debatten um die Einschränkung von Bürgerrechten im Anti-Terror-Kampf). Umgekehrt wurden in kommunistischen Ideologien, um das Ideal der „Gleichheit“ zu erhalten, Systeme etabliert, in denen einige deutlich „gleicher“ waren als andere. Praktisch alle politischen Ideologien, in denen „der Zweck die Mittel heiligt“, beinhalten diese Paradoxie: In der Durchsetzung bestimmter Werte für die Zukunft werden die gleichen Werte in der Gegenwart geopfert.

Wie bei vielen Paradoxien entsteht der Widerspruch auch hier durch die Anwendung eines Prinzips (Freiheit, Gleichheit) auf sich selbst und auf die Bedingungen, die dieses Prinzip ermöglichen sollen.

Psychologische Paradoxien

Zu den psychologischen Paradoxien gehören Fälle, in denen Menschen sich genau entgegen der „Logik“ verhalten. Dazu gehört die sogenannte „Sei-spontan-Paradoxie“, wie es häufig in Beziehungen zum Ausdruck kommt: Die Erwartung, dass mein Gegenüber seine Entscheidungen gefälligst frei und selbständig treffen soll – und genau damit seine Unselbständigkeit unter Beweis stellen würde. Der Wunsch „Sag mir doch öfter mal spontan, dass du mich liebst!“ ist, sobald ausgesprochen, nicht mehr erfüllbar. („Ich liebe dich“ – „Das sagst du jetzt nur wegen meiner Bitte neulich!“).

In den sogenannten paradoxen Interventionen werden psychologische Paradoxien wiederum gezielt eingesetzt, insbesondere dann, wenn das Gegenüber (ein Kind zum Beispiel) ein trotziges Verhalten zeigt und auf Aufforderungen bewusst mit dem Gegenteil reagiert. Entsprechend wird in der paradoxen Intervention eine Erwartung geäußert, deren Gegenteil eigentlich erreicht werden soll.

Ein weiteres Beispiel für psychologische Paradoxien sind die sogenannten „gemischten Botschaften“, wenn zwischen dem was gesagt wird und der Art wie es gesagt wird, ein Widerspruch besteht. Beispiel: die „angebaggerte“ Frau, die „Nein“ sagt, dabei aber freundlich lächelt. In langdauernden Beziehungen können so die von Gregory Bateson beschriebenen sogenannten Double-Bind-Kommunikationsstrukturen entstehen, wenn also zum Beispiel einer der Partner (insbesondere in Eltern-Kind-Beziehungen) dem anderen seine Zuneigung immer mit unbewegter Mimik, emotionsloser Stimme und ohne Körperkontakt versichert.

Auch das ästhetische Paradox der Hässlichkeit lässt sich den psychologischen Paradoxien zuordnen: Das Phänomen, dass zum Beispiel auch ein Bild mit einem „hässlichen“ Motiv auf einer höheren Ebene als schön empfunden werden kann.

Interessant für die Wirtschaftswissenschaften sind paradoxe, der objektiven Logik widersprechende ökonomische Entscheidungen, wie sie unter anderem von Allais und Ellsberg untersucht wurden.

Paradoxien als ästhetisches Motiv in der Wissenschaft

Die Aufzählung der Paradoxien in den verschiedenen Wissenschaften belegt, dass das Erkennen und Lösen von Paradoxien ein bedeutendes Motiv wissenschaftlicher Arbeit sein kann.[5] Der Mathematiker Roger Penrose drückte es einmal so aus:

„Paradoxien empfinde ich als ausgesprochen reizvoll. Sie sehen so etwas und versuchen zu verstehen, wie um Himmels Willen könnte das einen Sinn ergeben?! Selbst das ist paradox: Ich habe viel für Paradoxien übrig, und gleichzeitig will ich sie aus der Welt schaffen!“

Gábor Paál: Was ist schön? Ästhetik und Erkenntnis. S. 205.[5]

Der wissenschafts-ästhetische Reiz von Paradoxien zeigt sich auch daran, dass sich Künstler wie M. C. Escher von den Paradoxien in der Mathematik und Physik inspirieren ließen. So gab es zeitweise einen engen Austausch zwischen Penrose und Escher: So hat Penrose sich als Mathematiker mit geometrisch „unmöglichen“ Formen befasst. Von ihm stammt unter anderem der berühmte Tribar. Escher wiederum hat diese Gedanken aufgegriffen und in seinen Grafiken umgesetzt. Auch für andere Wissenschaftler und Denker wie Bertrand Russell, Gregory Bateson oder Arthur Koestler waren Paradoxien in ihren unterschiedlichen Facetten ein zentrales Thema.

Paradoxien in der Populärkultur

Großvater-Paradoxon – (Zeitreise): Ein Zeitreisender, der in der Vergangenheit seinen Großvater umbringt, würde nicht geboren werden, und könnte daher nie seinen Großvater umgebracht haben.

Im Monty-Python-Film Das Leben des Brian findet sich folgendes Paradoxon: Brian wird, zu seinem Unwillen, von einer wachsenden Menschenmenge für den Messias gehalten. Um sie von diesem Glauben abzubringen, hält er eine kleine Ansprache:

Brian: „Hört zu, ihr versteht das alles falsch. Es ist wirklich nicht nötig, dass ihr mir folgt. Es ist völlig unnötig einem Menschen zu folgen, den ihr nicht mal kennt! Ihr müsst nur an euch selbst denken! Ihr seid doch alle Individuen.“
Die Menge (einstimmig): „Ja, wir sind alle Individuen!“
Brian: „Und ihr seid alle völlig verschieden.“
Die Menge (einstimmig): „Ja, wir sind alle völlig verschieden!“
Worauf aus der Menge eine einzelne Stimme sagt: „Ich nicht.“

Siehe auch

Literatur

  • Michael Clark: Paradoxes from A to Z. 2. Auflage. Routledge, London u. a. 2007, ISBN 978-0-415-42082-2.
  • Paul Geyer, Roland Hagenbüchle (Hrsg.): Das Paradox. Eine Herausforderung des abendländischen Denkens (= Stauffenburg-Colloquium. Bd. 21). Stauffenburg-Verlag, Tübingen 1992, ISBN 3-923721-78-1, bes.: Heinrich Plett: Das Paradoxon als rhetorische Kategorie. S. 89–104 (2. Auflage. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2345-5).
  • Gábor Paál: Was ist schön? Ästhetik und Erkenntnis. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2425-7.
  • Richard M. Sainsbury: Paradoxien (= Universal-Bibliothek 8881). Reclam, Stuttgart 1993, ISBN 3-15-008881-X (Erweiterte Ausgabe. (= Universal-Bibliothek 18135). ebenda 2001, ISBN 3-15-018135-6).
  • Raymond M. Smullyan: Das Buch ohne Titel. Eine Sammlung von Paradoxa und Lebensrätseln. Vieweg, Braunschweig u. a. 1983, ISBN 3-528-08485-5.
Wiktionary: Paradoxon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Paradoxes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Arnim Regebogen, Uwe Meyer: Wörterbuch der Philosophischen Begriffe, Hamburg: Meiner 1997, ISBN 978-3787313259.
  2. Roger Penrose: Schatten des Geistes. Wege zu einer neuen Physik des Bewußtseins. Spektrum, Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 1995, ISBN 3-86025-260-7, S. 297 f.
  3. Ueli Briegel, Wenjiao Xiao (Hrsg.): Paradoxes in Geology. Elsevier, Amsterdam u. a. 2001, ISBN 0-444-50560-1.
  4. David A. D. Evans: Stratigraphic, geochronological, and paleomagnetic constraints upon the Neoproterozoic climatic paradox. In: American Journal of Science. Bd. 300, Nr. 5, ISSN 0002-9599, S. 347–433, doi:10.2475/ajs.300.5.347.
  5. a b Paál: Was ist schön? 2003, S. 194–206.