Zum Inhalt springen

Contrat première embauche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. März 2006 um 23:32 Uhr durch 145.254.34.60 (Diskussion) (Landesweite Proteste). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Vorlage:Neuigkeiten Der Contrat Première Embauche (CPE) (franz.: "Vertrag zur Ersteinstellung") ist Teil eines neuen Arbeitsgesetzes, mit welchem ein weiterer Typus von Arbeitsverträgen in Frankreich eingeführt werden soll. Am 16. Januar 2006 hat der Premierminister Dominique de Villepin das Gesetz angekündigt. Dieser Vertrag ist anwendbar auf Jugendliche unter 26 Jahren in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern. Während der ersten 2 Jahre des Arbeitsverhältnisses darf der Angestellte ohne Begründung und ohne Vorwarnung entlassen werden (siehe auch Probezeit und Kündigungsschutz).

Im Gegensatz zum contrat nouvelle embauche (CNE), der sich nur an kleine und mittlere Unternehmen richtet, steht der CPE allen Unternehmen offen. Er wird begleitet von einer dreijährigen Freistellung des Arbeitgebers von allen Lohnnebenkosten.

Die Gesetzesänderung, welche den Contrat Première Embauche enthält, wurde von der französischen Nationalversammlung in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2006 angenommen. Der Contrat Première Embauche ist Teil des Gesetzentwurfs Pour l'égalité des chances. Laut UMP soll er auch eine Reaktion auf die Unruhen in Frankreich 2005 darstellen, ohne Kündigungsschutz sollen mehr Jobs für Jugendliche und junge Erwachsene besonders in den Vorstädten entstehen.

Von Bevölkerung, Opposition, Gewerkschaften, Studenten und Schülern wird die Änderung allerdings mehrheitlich (68% laut Umfragen) abgelehnt.

Es kam zu landesweiten Massendemonstrationen, Protesten und teilweise Besetzungen von Institutionen und Universitäten durch Jugendliche und Studenten unter anderem der Sorbonne, die von der Polizei gewaltsam geräumt wurde.

Ausgestaltung des CPE

Datei:Dominique villepin.jpg
Dominique de Villepin, französischer Premierminister und geistiger Vater des CPE

Wie beim Contrat nouvelle embauche wird dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben, seinen Angestellten während der Dauer einer Probezeit ohne jeglichen Grund zu kündigen. Als Ausgleich steht einem Gekündigten eine Abfindung von 8% zu, nach mehr als 4 Monaten Betriebszugehörigkeit zusätzlich zwei Monate lang eine Beihilfe von 490 Euro pro Monat. Anzumerken ist, dass eine Kündigung in diesem Falle juristisch gesehen eben keine Kündigung, sondern nur eine Beendigung der Probezeit darstellt. Dies erklärt den einseitigen Charakter der einseitigen Kündigungsmöglichkeit ohne jegliche Vorwarnung oder Begründung.

Praktika und befristete Arbeitsverhältnisse werden auf die zweijährige Probezeit voll angerechnet, so sie in der selben Firma erfolgt sind. Auch befristete Arbeitsverhältnisse können als Contrat Première Embauche gestaltet werden.
Ein Jugendlicher, welcher über einen solchen Vertrag eingestellt wurde, hat ab dem zweiten Monat Betriebszugehörigkeit das Recht auf 20 Stunden Weiterbildung pro Jahr, wobei man sich fragen kann wie ein Angestellter angesichts der prekären Lage dieses Recht durchsetzten soll.

Alle 18 bis 25jährigen als CPE Angestellten haben 18 Monate lang anrecht auf den sogenannten Locapass, welcher in etwa einem deutschen Wohnberechtigungsschein entspricht.
Ein CPE-Vertrag ist juristisch ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Der französische Premierminister Dominique de Villepin und Baudouin Prot, Vorsitzender der Vereinigung der französischen Banken, betonen, dass dieser Arbeitsvertrag auch den Zugang zu Bankkrediten erlaubt. Dennoch brauchen Banken und andere Kreditvergeber keine Begründung für eine Ablehnung eines Kredits an Angestellte mit einem CPE-Vertrag.

Reaktionen

Kontra

Kirche

Der Erzbischof von Dijon, Roland Minnerath, bezeichnete das Vorhaben als Angriff auf die Rechte des Einzelnen.

Gewerkschaften

Die Gewerkschaften verurteilen die Unsicherheit, welche der CPE schafft, sowie die Aushöhlung des Arbeitsrechts. Sie bemängeln die Behandlung von Arbeitern als "Wegwerf-Objekte" (salarié jetable).

Standpunkt der Gewerkschaft CFDT:

« Einen prekären Arbeitsvertrag speziell für Jugendliche zu entwickeln, stellt eine seltsame Wahrnehmung von Generationengerechtigkeit dar. Es ist nichts anderes als eine altersabhängige Diskriminierung, die dem, was Jugendliche an sozialem Zusammenhalt erwarten dürfen vollkommen entgegensteht. Jugendliche haben das gleiche Recht auf Berücksichtigung wie alle anderen Angestellten. »

Standpunkt der Gewerkschaft Solidaire-Unitaire-Démocratique:

« Diese Maßnahme wird die Arbeitslosigkeit nicht verringern, auch wenn Villepin das behauptet. Die Einstellungsbremse befindet sich nicht im Inhalt unserer Arbeitsverträge: Firmen stellen nur dann Personal ein, wenn sie es auch brauchen! Der CPE wird alle anderen Arbeitsverträge zurückdrängen. Denn wenn man Unternehmen einfache Wegwerf-Arbeitskräfte anbietet, werden junge Arbeitskräfte bald zwei Jahre lang erpresst werden, da die Arbeitgeber nie genug haben können! » (Pressemitteilung vom 26 Januar 2006).

Standpunkt der Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT):

Die CGT befürchtet die Erpressung von Beschäftigten zu Überstunden und unbezahlter Mehrarbeit zu Zwecken der Gewinnmaximierung, wenn Arbeitgeber ihre Angestellten ohne Grund kündigen können.

Die Gewerkschaft Confédération nationale du travail (CNT) schreibt in einem Flugblatt:

« Dieser neue Vertrag erlaubt es (...), die Angestellten dem Willen ihres Bosses vollkommen zu unterwerfen. Die Geschäftsführer können jetzt Leute einstellen wie es ihnen gerade passt, ohne sich mit den "Schikanen" wie Kündigungsfristen, Begründungen von Kündigungen oder Abfindungen befassen zu müssen. Dazu kommt: Wie soll man es wagen, seine Rechte in Anspruch zu nehmen und sich zu verteidigen, wenn man von einem Tag auf den nächsten einfach so gefeuert werden kann? »

Studentengewerkschaften und Jugendorganisationen

Protest gegen den CPE: Blockade des Pariser Universitätscampus Jussieu

In einem gemeinschaftlichen Anstrengung haben sich verschiedene Jugendorganisationen (Angestelltengewerkschaften, Studentengewerkschaften, politische und kulturelle Gruppierungen wie UNEF, Jeunes CGT, MJS, MJCF, UEC, Fédération SUD Étudiant, UNL, JCR, PRS jeunes, UNSA jeunes, JRG, Jeunes Verts und die Fédération Léo Lagrange) zusammengeschlossen und zur Bildung lokaler Protestgruppen aufgerufen.

Zwei weitere Studentenorganisationen (Confédération étudiante (Cé) und FAGE) protestieren ebenfalls gegen den CPE, haben sich dem Bündnis allerdings nicht angeschlossen.

Nach den Protesten vom 7. März hat der Präsident der UNEF alle Universitäten aufgefordert, sich dem Streik anzuschließen.

Politische Parteien

Standpunkt der Parti socialiste français:

« Dieser neue Vertrag ist keine neue Chance für die Jugendlichen, sondern stellt nichts Anderes als ein weiteres Geschenk an die Unternehmen dar, welche jetzt ohne Begründung ihre Angestellten loswerden können. Sollte der CPE beschlossen werden, dann wird er nicht nur die unbefristeten Arbeitsverträge, sondern auch die Zeitverträge ersetzen. Und zwar ohne irgendeine Auswirkung auf die Arbeitslosigkeit.»

Standpunkt der Parti communiste français:

« Die Regierung Villepin und die MEDEF täuschen nur vor, sich um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu kümmern, welches in Frankreich besonders gravierend ist, indem sie die Unsicherheit von allem und jedem betont und Arbeitgeber von Sozialversicherungsbeiträgen freistellt. Mit den Contrat nouvelle embauche und dem CPE stehen die Rechte der Arbeitnehmer noch stärker unter Beschuss.» (CN du 24/02/06)

Standpunkt der Union pour la Démocratie Française:

Die UDF stellt sich gegen den CPE. François Bayrou kritisiert besonders, dass eine Kündigung keinerlei Rechtfertigung oder Begründung mehr bedarf. Bildungsminister Gilles de Robien hat sich trotzdem positiv zum CPE geäußert.

Pro

Arbeitgeberverbände

Absperrungen am Place de la Sorbonne

Der Arbeitgeberverband MEDEF hat die Schaffung des CPE mit der Begründung begrüßt, dass es keine Altersbeschränkung gebe. Dominique de Villepin wird mit den Worten zitiert, dass "ein Unternehmen, welches zwei Jahre lang in einen Jugendlichen investiert hat, sich nicht einfach so von ihm trennen wird".

« Das Leben, die Gesundheit, die Liebe... alles ist riskant. Warum sollte es der Arbeitsplatz nicht sein? » L. Parisot, Arbeitgeberverband MEDEF, 09/2005

Jean-François Roubaud, Präsident des Verbandes mittelständischer Arbeitgeber (CGPME), beglückwünscht die Regierung dazu, die Belebung des Arbeitsmarktes zu fördern, statt der sozialen Beihilfen.

Jugendorganisationen

Die "Jeunes Populaires", die Jugendorganisation der regierenden UMP, stimmt der Position des Arbeitgeberverbandes MEDEF zu. Die Studentengewerkschaft UNI unterstützt den CPE als "einen unbefristeten Vertrag" und "einen echten sozialen Fortschritt" im Bezug auf Abfindungen, wenn der Arbeitsvertrag gekündigt wird.

Politische Parteien

Die regierende Union pour un Mouvement Populaire unterstützt mit allen ihren Mitteln dieses für sie essenzielle Gesetz.

Landesweite Proteste

Ausschreitungen Place de la Nation am 18. März

Protestaktionen, Besetzungen und Streiks finden landesweit an 64 der 84 Universitäten statt. Auch die Präsidenten einiger Universitäten (Nantes, Toulouse) haben sich hinter die Studenten gestellt und in offenen Briefen den Premierminister dazu aufgefordert den CPE zurückzuziehen.

  • Am 7. Februar 2006 kam es in Frankreich landesweit zu Protesten und Demonstrationen gegen das neue Gesetz, an welchen sich zwischen 220.000 und 400.000 Personen beteiligten.
  • Am 7. März sind in ganz Frankreich neue Proteste aufgeflammt, an welchen sich zwischen 400.000 (Polizeiangabe) und 1.000.000 Menschen (Gewerkschaftsangaben) teilgenommen haben.
  • Am Abend des 8. März wird ein Gebäude der Sorbonne von bis zu 200 Studenten besetzt, bis zu 800 weitere protestieren davor. Das Gebäude wird in der Nacht vom 10. auf den 11. März von Einheiten der CRS geräumt. Die Polizisten, welche aus dem Gebäude heraus mit Stühlen und Feuerlöschern beworfen werden, setzen Schlagstöcke und Tränengas ein. 31 Polizisten und ein Student werden verletzt. 11 Personen werden festgenommen. Einige Beobachter verglichen danach die Stimmung mit derer während der Mai-Unruhen von 1968.
  • In der Nacht zum 15. März kam es nach einem Marsch auf die Sorbonne zu erneuten gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen mindestens neun Demonstranten festgenommen und mindestens neun Beamte verletzt wurden.
  • In der Nacht zum 17. März weiten sich die Studentenproteste erneut aus. Nach einem zunächst friedlichen Demonstrationszuges von der Place d'Italie nach Sèvres - Babylone kam es zunächst zu Zusammenstößen zwischen Autonomen und der Polizei, wobei ein Zeitungsstand abgebrannt wurde. Später versammelten sich wieder Demonstranten vor der Sorbonne und forderten den Abzug der Polizei, die das Hauptgebäude und das umliegende Virtel weiter abgesperrt hielt. Bei Ausschreitungen an der Place de la Sorbonne wurden mehrere Geschäfte und Bars verwüstet und ein Buchladen angezündet, worauf die Polizei das ganze Viertel zwischen Sorbonne, Odéon und St. Michel räumte. Hierbei wurden etliche Personen festgenommen, die sich an den Verwüstungem beteiligt oder später in kleinen Gruppen Autos und Fensterscheiben zerstört haben sollen. Nach Angaben der Polizei handelte es sich bei den Festgenommenen nicht um Studenten, sondern um „autonome Krawallmacher“; 92 Polizisten sowie 18 Demonstranten wurden verletzt, 187 Protestierende festgenommen.
Barrikaden in einem angrenzenden Virtel im Osten von Paris nach Auflösung der Demonstration am 18. März
  • Am Samstag dem 18. März gingen in Frankreich zwischen 500 000 und 1,5 Millionen Menschen auf die Straße. Besonders hierbei war, dass erstmals sonst verfeindete Gewerkschaften miteinander demonstrierten. Alleine in Paris beteiligten sich zwischen 80 000 und 350 000 Menschen an einem Demonstrationszug von Denfert-Rochereau zur Place de la Nation. Auch an diesem Tag kam es wieder zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zunächst verlief die Pariser Veranstaltung friedlich, bis am Ende der Veranstaltung am Rand der Demonstration ein Auto angezünded wurde und die Fenster von zwei Geschäften zubruch gingen. Obwohl sich die Situation zunächst wieder beruhigt hatte, beschloß die Polizei die Demonstration gewaltsam aufzulösen, wobei auch unbeteiligte verletzt wurden. Die aufgebrachte Menge wurde von dem Platz in Nebenstraßen getrieben, wo die Demonstranten brennende Barikaden errichteten, weitere Autos anzündeten und zahlreiche Geschäfte zerstörten. Später verlagerte sich der Schwerpunkt wieder auf das Quartier Latin, wo die Polizei einen Sit-In von ca. 500 Studented die die Freigabe der Sorbonne fordern gewaltsam auflöste. Später kommt es auch hier wieder zu Ausschreitungen bei denen die Absperrungen um die Sorbonne teilweise niedergerissen werden. Es wurden 166 Demonstranten festgenommen, 17 Demonstranten und 7 Polizisten verletzt.

Die Gewerkschaften forderten die Regierung auf, das Gesetz innerhalb von 48 Stunden zurückzunehmen, und drohten mit einem Generalstreik.

Derweil weiten sich die Proteste weiter aus. Am Wochenende vom 18./19. März findet in Dijon ein Treffen mit Vertretern der bestreikten Universitäten statt bei dem die weiteren Aktionen landesweit koordiniert werden sollen.

Siehe auch

Deutsch

Französisch