Sexueller Missbrauch von Kindern

sexuelle Handlungen an oder vor Kindern gegen deren Willen
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Sexueller Missbrauch von Kindern bedeutet, dass eine erwachsene Person mit einem Kind sexuelle Handlungen vollzieht oder das Kind solche Handlungen vollziehen oder daran teilnehmen läßt. Meist wird dabei die körperliche Macht und geistige Überlegenheit des Erwachsenen sowie die Unwissenheit, das Vertrauen oder die Abhängigkeit des Kindes zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse benutzt. Dazu gehört z.B., wenn ein Mann (oder seltener eine Frau)

  • ein Kind zwingt oder überredet, bei seinen/ihren sexuellen Handlungen zuzusehen
  • Kindern Pornographie vorführt
  • ein Kind zur eigenen sexuellen Erregung berührt, insbesondere im Intimbereich, oder sich aus diesem Grund von ihm berühren lässt
  • das Kind zu Geschlechtsverkehr zwingt, also vergewaltigt.

Missbraucht eine Person ein Kind sexuell, so benutzt sie die Liebe, die Abhängigkeit oder das Vertrauen des Kindes für ihre sexuellen Bedürfnisse. Sie setzt ein Bedürfnis nach Unterwerfung, Macht oder Nähe durch, wodurch die psychische Entwicklung des Kindes gefährdet werden kann. Als Täter kommt meist nicht der vielzitierte, unbekannte "böse Onkel" in Frage, sondern Männer und manchmal auch Frauen aus dem Umfeld des Kindes. Sogar der eigene Vater ist öfter der Täter. Opfer sexuellen Missbrauchs sind überwiegend junge Mädchen, aber auch Jungen werden sexuell missbraucht.

Juristisch. (West-) Deutschland -- Juristisch werden unter sexuellem Missbrauch von Kindern (Kindesmissbrauch) nahezu jegliche sexuelle Handlungen vor und mit Personen unter 14 Jahren (Kind) verstanden, unabhängig vom Alter des Täters und der Einwilligung des Kindes. Geregelt wird der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB.

Österreich? Schweiz?

Kritikpunkte an der Wortwahl

Der Bezeichnung "sexueller Missbrauch" wird häufig kritisiert, weil sie einen korrekten "sexuellen Gebrauch" von Kindern impliziere, ähnlich dem Unterschied zwischen Alkohol-Missbrauch und Alkohol-Gebrauch. Es wird deshalb auch von "sexueller Gewalt" und "sexueller Misshandlung" gesprochen.

Sexueller Missbrauch ohne physische Gewalt wird manchmal neutral als "sexuelle Handlung mit Minderjährigen" bezeichnet, ist aber nichts desto trotz justiziabel, da der Gesetzgeber die Folgen sexuellen Missbrauchs als entsprechend schwerwiegend bewertet.

Wissenschaft

Eine allgemein anerkannte Definition von sexuellem Missbrauch gibt es in den Wissenschaften nicht, vielmehr kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen zum Tragen, zumeist angelehnt an gesellschaftliche oder juristische Vorgaben und Anschauungen. Sehr weite Definitionen sind üblich gewesen, die zu hohen Zahlen von »Fällen« und »Betroffenen« führten, zumindest bis durch die Meta-Analysen von Rind, Tromovitch und Bausermann gezeigt wurde, dass diese im Durchschnitt nicht wesentlich belastet sind.

In den Schriften der Missbrauchsforschung (Richard Green) wird übrigens erstaunlich viel Raum scholastischen Debatten über die »richtige« Definition gegeben, was eine gewisse Unkenntnis ihrer logischen Funktion (in empirischen Wissenschaften) verrät. Demgegenüber wird der Frage der Validität kaum genügend Bedeutung beigemessen.


Epidemiologie -- Zur Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern liegen keine gesicherten Zahlen vor. Zum Teil lassen sich die Ergebnisse verschiedener Studien durch unterschiedlich verwendete Missbrauchsdefinitionen (Bange) nicht vergleichen.

In der Bundesrepublik Deutschland kommen jährlich etwa 15.000 Fälle zur Anzeige (Polizeiliche Kriminalstatistik) bei etwa gleichbleibender Tendenz und gestiegener Anzeigebereitschaft in den letzten Jahren (Stand 2002). Diesen stehen jedoch nur etwa 2.200 Verurteilungen gegenüber (Strafverfolgungsstatistik). Hauptursache hierfür ist der hohe Anteil exhibitionistischer Handlungen vor Kindern zu denen nur relativ wenige Tatverdächtige ermittelt werden können. Berücksichtigt werden muss, dass diese Zahlen nicht die tatsächliche Häufigkeit widerspiegeln. Hinzu kommt ein Dunkelfeld durch diejenigen Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht werden. Experten schätzen, dass das Dunkelfeld um den Faktor 5-7 höher liegt als das Hellfeld (Erster Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung).

Die Ergebnisse von Prävalenzstudien zeigen auf, dass etwa 8 bis 30 Prozent der weiblichen Bevölkerung in ihrer Kindheit bzw. Jugend sexuell missbraucht wurden. Die Prävalenzen variieren sehr stark und hängen von den verwendeten Missbrauchsdefinitionen (Anwendung von Gewalt, Körperkontakt, Alter des Opfers, Alterunterschied zum Täter, Selbsteinschätzung) ab. Hohe Prävalenzraten sind vornehmlich bei Studien mit weit gefassten Missbrauchsdefinitionen zu finden.

Täter -- Die bei sexuellem Missbrauch in Erscheinung tretenden Täter werden nach folgenden Typen klassifiziert:

  • Regressiver Typ: seine primäre sexuelle Orientierung ist auf Erwachsene gerichtet, er ist durch Kinder jedoch sexuell erregbar. Aufgrund der leichten Verfügbarkeit von Kindern, von nichtsexuellen Problemen sowie wegen Problemen mit erwachsenen Sexualpartnern greift er zur sexuellen Befriedigung auf Kinder zurück. Man spricht deshalb auch von einem Ersatzobjekttäter.
  • Fixierter Typ: er zeichnet sich durch seine primäre sexuelle Orientierung auf Kinder aus. Er ist durch Erwachsene sexuell nicht oder kaum erregbar. Es handelt sich um den klassischen Pädophilen.
  • Soziopathischer Typ: er zeichnet sich durch mangelnde Empathie für Opfer und bisweilen durch sadistische Neigungen aus. Die Sexualität dient ihm nicht primär zur sexuellen Befriedigung, sondern als Mittel zur Unterdrückung. In diesem Zusammenhang wird auch von einem sadistischen Typ gesprochen.

Nach vorsichtigen Schätzungen sind die regressiven Täter mit etwa 90 Prozent am häufigsten anzutreffen. Der fixierte Typ folgt mit etwa zwei bis zehn Prozent an zweiter Stelle. Der soziopathische Typ tritt nur in wenigen Einzelfällen auf. Nach derzeitiger Sachlage bilden Männer etwa 85 bis 90 Prozent der Täter. Zwar treten vermehrt Frauen als Täterinnen ins Interesse der Öffentlichkeit, doch steht zu vermuten, dass dies medial überzeichnet ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse widersprechen dem.

Folgen -- Dem sexuellen Missbrauch werden negative Wirkungen in großer Zahl und hoher Intensität angelastet. Der wissenschaftliche Diskurs hierüber ist widersprüchlich. Einerseits belegen eine Vielzahl von Studien, dass Frauen, die im Erwachsenenalter unter psychischen Störungen (Posttraumatische Belastungsstörung, Borderline-Syndrom, Dissoziative Identitätsstörung etc.) leiden, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden sind. Andererseits zeigen Studien (Rind et al., Baurmann) auf, dass nur etwa die Hälfte der Menschen mit Missbrauchserfahrungen in der Kindheit über negative Auswirkungen berichtet und diese sich durch Probleme im familiären Umfeld besser erklären (höhere Effektgröße) lassen (Rind et al., Richter-Appelt). So setzt sich in der Sexualwissenschaft langsam der Konsens durch, dass sexuelle Handlungen mit Kindern nicht grundsätzlich schädlich sind, besonders wenn diese einverständlich statt fanden, und andere Faktoren deutlich schädigendere Einflüsse haben.

Einverständliche sexuelle Handlungen mit Kindern werden aus moralischen Gründen abgelehnt. Hierbei werden vornehmlich folgende Argumente angeführt.

  1. Fehlende informierte Zustimmung: Kinder können sexuellen Handlungen nicht informiert zustimmen, da sie die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht erfassen können. Dies gilt für sexuelle Handlungen von Kindern untereinander wie auch für solche mit Erwachsenen.
  2. Disparität der Wünsche: Bei sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern treffen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse aufeinander: beim Erwachsenen der nach sexueller Befriedigung und erotischer Nähe, während das Kind hingegen nur körperliche nichtsexuelle Nähe und emotionale Zuwendung sucht.
  3. Machtgefälle: Zwischen Erwachsenen und Kindern besteht ein strukturelles Machtgefälle. Das Kind befindet sich in einer schwächeren Position.

Verwandte Begriffe und Phänomene:

  • Pädophilie und Päderastie sind auf Kinder ausgerichtete sexuelle Neigungen und existieren als solche im Spannungsfeld sexueller Missbrauch
  • Inzest, insbesondere Eltern/Kind-Inzest, wird häufig als sexueller Missbrauch gewertet
  • Die Dunkelziffer ist ein großes Problem bei der Beurteilung der realen Problemgröße
  • Kinderprostitution gilt als eine Form sexuellen Missbrauchs
  • Doktorspiele werden manchmal als "Missbrauch unter Kindern" bezeichnet, insbesondere in den USA
  • False-Memory-Syndrom bezeichnet die Suggestion "falscher Erinnerungen" an sexuellen Missbrauch oder andere Traumata