Seit dem Zerfall der Sozalistischen Föderativen Republik Jugoslawien findet auch der Begriff "Serbokroatische Sprache" keine Verwendung mehr, der im 20. Jahrhundert einer gemeinsamen Sprache der Serben, Kroaten, Bosniaken und Montenegriner galt.
Die Bosnische Sprache, Kroatische Sprache und Serbische Sprache weisen Ähnlichkeiten auf, unterscheiden sich aber auch in vielen Aspekten.
Geschichte
Der Zerfall der sogenannten "serbokroatischen" Sprache und die Komplexität der Thematik läßt sich eigentlich nur im Zusammenhang mit den geschichtlichen und kulturellen Ereignissen erklären, welche tiefgründige Auswirkungen auf die jeweiligen Völker hatten. Es ist daher auch umso weniger möglich, ausschließlich sprachwissenschaftliche Erklärungen als Problemlösungsansätze zu verwenden. Vielmehr ist eine gesamtheitliche Betrachtung der Lage der Völker und exzellentes kulturelles Wissen notwendig, um die richtigen Zusammenhänge unter den jeweiligen Kulturen zu erkennen. Grundsätzlich ist es erforderlich zu verstehen, dass das jeweilige Ausdrucksvermögen eines Volkes stark von dessen Traditionen, dessen Religion und Kultur abhängig ist. Die Menschen in Südosteuropa sahen nebst ihrer Religion, ihre jeweilige Sprache als geeignetes und wichtiges Ausdrucksmittel ihrer Identität, was sich auch oft in sehr emotionalem Maße zeigt.
Unterschiedliche Machteinflüsse
Besonders gut erkennbar ist die gesamte Thematik am Beispiel der Kroaten. Diese setzten sich seit Erlangung der Unabhängigkeit und im Rahmen der Demokratisierung des Landes sehr vehement für eine eigene Sprachpolitik und den korrekten Umgang mit ihrer Sprache ein. Die Kroaten waren über Jahrhunderte ein Volk, das keinen eigenen Staat hatte, stets der Macht anderer Großmächte unterworfen war und deshalb auch immer zu denjenigen Völkern zählte, die der Willkür anderer am meisten ausgesetzt waren. In all diesen Jahrhunderten gab es zahlreiche kleinere Aufstände in Hinblick auf eine Anerkennung der Identität dieses Volkes, letztlich jedoch schlugen diese Versuche stets fehl. Die Kroaten jedoch ließen nie zu, dass man ihnen das Ureigenste nahm, dass sie untereinander verband, nämlich ihre Sprache und Kultur.
Die Entwicklung der kroatischen Sprache sah sich im Laufe all dieser Jahrhunderte einem sehr großen Ausmaß an Einflüssen anderer Sprachen und Kulturen ausgesetzt. Im 19. Jahrhundert fanden schließlich einige für den weiteren Verlauf dieser Sprache sehr wichtige Ereignisse statt. Es war angesichts der Versuche von Seiten der Ungarn, die in den Schulen verpflichtenden Ungarisch-Unterricht einführen wollten, Ungarisch in den Ämtern und offiziellen Stellen vorschreiben wollten, etc., dass sich die Kroaten zum ersten Mal ernsthaft bedroht fühlten. Die Kroaten wehrten sich dagegen, da jeglicher Affront gegenüber ihrer Sprache einem Angriff auf ihr Ureigenstes entsprach, nämlich auf die Existenz ihres Volkes.
Entstehung eines nationalen Bewußtseins der Völker und gleichzeitiger Panslawismus
Einige Jahrzehnte später, als sich in Europa einzelne Nationalstaaten zu entwickeln begannen, bildete sich wiederum unter den Kroaten das Bedürfnis nach einer geregelten Sprachpolitik, um somit den Erhalt der eigenen Sprache weiter zu sichern und sie zu modernisieren. Es war die Zeit des Illyrismus. Viele große Vorhaben schwebten damals in der Luft und so wurde auch die Idee und der Wunsch nach einer gemeinsamen Sprache der Südslawen geboren, einer Sprache die gemeinsam stark, zukunftsträchtig und somit den Erhalt der Existenz sichern sollte. Viele Kroaten sahen damals in diesem Projekt die Sicherung ihrer eigenen Identität. Man träumte von einer panslawischen Identität. Es gab viele positive Entwicklungen. Es entstand eine standardisierte Sprache, eine geregelte Grammatik und Schrift. Aber die bestehende kroatische Sprache mit jahrhundertealter Tradition wurde gegenüber dem Serbischen gehandelt, modifiziert und adaptiert. Man verkaufte praktisch die eigene Identität für etwas größeres, ein Projekt, dass ewig währen sollte. Im 20. Jahrhundert, zu Zeiten des Kommunismus, entstand schließlich per Deklaration die sogenannte "serbokroatische" Sprache. Somit wurde praktisch per politischer Erklärung eine neue Sprache geschaffen, ohne auf die tatsächlichen Wünsche der Menschen einzugehen und ohne auf die Kritik der Sprachwissenschaftler zu hören.
Wiederum einige Jahrzehnte danach müssen einige grundlegende Fehler eingesehen werden, die dieses Projekt mit sich brachte. Der Vielvölkerstaat Jugoslawien zerbrach und somit auch die grundlegende Idee dieses eigentlich gutgemeinten Projektes, dass allerdings letztlich in tausende kleiner Scherben zerbrach. Es war nicht machbar und hatte auch keine weitere Zukunft mehr, worauf in diesem Artikel eigentlich hingewiesen wird.
Vorschreibende Sprachpolitik zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens
Die Identität der Völker des ehemaligen Jugoslawiens ist sehr stark an ihre Sprache und somit an ihre Traditionen gebunden. Auch zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens erreichte man nur schwer Kompromisse in sprachlichen Angelegenheiten. Die sprachlichen Eigenheiten blieben in ihren Grundfesten stets bestehen. Deshalb wurde zwingend vorgeschrieben, wie etwas zu sein hat. Sprachpolitik wurde stets mit dem Ziel geführt, etwas vorzuschreiben, statt die natürliche Entwicklung einer Sprache zu beachten. Dies führte, aus kroatischer, wie auch aus Sicht der bosnischen Muslime, zu einer Verfälschung der eigenen Sprache, dem Entstehen zahlreicher Doppeldeutigkeiten und Anpassungen an andere Sprachen. Sprachliche Veränderungen geschahen nicht aus eigenem Antrieb und es lag auch nicht an der natürlichen Entwicklung der Sprache. Änderungen wurden schlichtweg aufoktroyiert, kulturelle Eigenheiten zum Wohle der Brüderlichkeit unterdrückt. Es wurde nur gehofft, dass sich im Laufe der Zeit alles ohnehin angleichen würde bzw. die Unterschiede verwischen würden. Dies geschah jedoch nicht.
Für viele serbisch Sprechende mag dies heutzutage immer noch kein allzugroßes Problem darstellen bzw. wird gar nicht erst nach Unterschieden zwischen den Sprachen gesucht. Es waren im späteren Verlauf der Geschichte Jugoslawiens nämlich meist serbische Wörter, die Einzug ins Kroatische oder Bosnische fanden. Im Militär (verpflichtend für alle jungen Männer), vor Gericht und in den Medien wurde in überwiegendem Maße Serbisch gesprochen bzw. vorgeschrieben (unter dem Deckmantel der "serbokroatischen" Sprache). Es ist einsehbar, dass sich das Serbische in einer besseren Ausgangsposition befand. Die Entwicklungen gingen sogar so weit, dass man den Begriff "Serbokroatisch" in eine Unterkategorie des Serbischen zu verwandeln suchte, anstatt jedem Volk, den Kroaten, wie auch den bosnischen Muslimen das Recht auf ihre eigenständigen Benennungen zu geben.
All dies schürte starke Emotionen unter den benachteiligten Völkern des ehemaligen Jugoslawiens. Die Ereignisse des kroatischen Frühlings in den frühen 1970er sind etwa ein Beispiel dafür. Dass es letztendlich zu einem Bürgerkrieg kam, ist unter anderem auch der Sprachpolitik im ehemaligen Jugoslawien zu verdanken.
Rückkehr zur ursprünglichen Sprache
Heutzutage ist von vielen außerdem zu hören, dass im Kroatischen zahlreiche Neologismen an der Tagesordnung sind, dass Wörter neu erfunden werden oder nach politischen Kriterien ausgewählt werden. Dem ist zu entgegnen, dass es diese Wörter bereits seit Jahrhunderten in der kroatischen Sprache gibt, sie wurden nur in der Zeit vor dem Zerfall Jugoslawiens systematisch unterdrückt bzw. durch viele Serbianismen ersetzt. Kroatische Sprachwissenschaftler wollen durch wissenschaftlich-fundierte und historisch-belegbare Tatsachen darauf hinweisen, wie denn diese kroatische Sprache tatsächlich aussieht, was denn die tatsächlichen, natürlichen Eigenheiten dieser Sprache sind, bevor es zu vorgeschriebenen Verschmelzungen mit Sprachen anderer slawischer Kulturen kam. Vielen wurde erst jüngst klar, wie sehr sich die Sprachen eigentlich unterscheiden und gleichzeitig in völlig andere Richtungen entwickelt haben.
In der Zeit nach dem Zerfall ist bemerkbar, dass sich jedes Volk eher auf die eigenen Ausdrücke besinnt, mit denen die eigene Identität viel klarer zum Vorschein gebracht werden kann. Die Existenz eigener Staaten gibt den Völkern heute glücklicherweise das Recht, ihre Geschichte und Identität auf ihre eigene Weise zu pflegen und zu verarbeiten. Die derzeitige Situation im Gebiet Südosteuropas ist praktisch etwas noch nie dagewesenes. Es herrscht auch große Hoffnung, dass es im Rahmen einer europäischen Minderheitenpolitik und der Annäherung an demokratische Strukturen nicht wieder zu sprachlichen Unterdrückungsversuchen von Seiten der Mehrheitssprachen kommen wird, sondern dass jeder Kultur und somit auch jeder Sprache eigene Rechte eingeräumt werden.
Morphologie
Alle drei Sprachen verwenden dieselben Phoneme. Einige Wörter unterscheiden sich jedoch in ihrer lautlichen Form. Da die Orthographie strikt phonologischen Grundsätzen folgt, werden diese Unterschiede auch in der Schrift wiedergegeben, so dass sie recht leicht ins Auge fallen. Im Falle des auffälligsten Unterschiedes, desjenigen zwischen ijekavisch und ekavisch (der unterschiedlichen Wiedergabe des urslawischen Lautes jat), verläuft die Grenze jedoch nicht wie in den anderen Fällen zwischen den drei nationalen Varietäten, sondern innerhalb des Serbischen, da auch in Montenegro und von der Mehrheit der Serben in Kroatien und Bosnien und Herzegowina die ijekavischen Formen verwendet werden.
Kroatisch, Bosnisch und teilweise Serbisch: | ijekavisch |
Serbisch (in Serbien): | ekavisch |
ijekavisch | ekavisch | ||
---|---|---|---|
jat in langen Silben | rijeka | reka | Fluss |
jat in kurzen Silben | mjesto | mesto | Ort |
jat vor o | htio | hteo | (er hat) gewollt |
Andere Unterschiede:
Kroatisch / Bosnisch | Serbisch | ||
---|---|---|---|
h nach u | suh | suv | trocken |
Wörter vom Stamm opć- | općina | opština | Gemeinde |
Außerdem gibt es zahlreiche Unterschiede in der Akzentuierung sowohl einzelner Wörter als auch ganzer morphologischer Klassen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass in großen Teilen des Sprachgebietes aller drei Sprachen, das in der normativen Grammatik kodifizierte neuštokavische Akzentsystem sowieso nicht vollständig normgemäß realisiert wird, da es für Sprecher, die als Muttersprache einen Dialekt mit anderer Akzentuierung sprechen, schwer zu erlernen ist, zumal die Betonung auch in der Schrift nicht wiedergegeben wird.
Grammatik
Gebrauch des Infinitivs
Im Kroatischen wird nach modalen Hilfsverben mehrheitlich die Infinitivkonstruktion gewählt, die im Serbischen und Bosnischen oft mit da (dass) umschrieben wird. Im Bosnischen und Serbischen sind aber grundsätzlich jeweils beide Varianten zulässig. Beispiele:
Kroatisch: | Moram raditi | "Ich muss arbeiten" |
Bosnisch / Serbisch: | Moram da radim | "Ich muss dass ich arbeite" |
Kroatisch: | Moram vam kazati | '"Ich muss Ihnen sagen" |
Bosnisch / Serbisch: | Moram da vam kažem | "Ich muss dass ich Ihnen sage" |
Kroatisch: | Želim vas informirati | "Ich möchte Sie informieren" |
Bosnisch / Serbisch: | Želim da vas informišem | "Ich möchte dass ich Sie informiere" |
Bildung des Futur
"Ich werde es aufschreiben"
- Kroatisch: Ja ću to napisati.
- Serbisch und vorwiegend Bosnisch: Ja ću to da napišem.
vgl. Schreibung des Futur
Genusunterschiede
Einige wenige Begriffe unterscheiden sich im Genus und werden entsprechend anders dekliniert. Beispiele:
Minute | |
Kroatisch: | minuta (f) |
Serbisch/Bosnisch: | minut (m) |
Planet | |
Kroatisch: | planet (m) |
Serbisch/Bosnisch: | planeta (f) |
Abend | |
Kroatisch/Bosnisch: | večer (f) |
Serbisch: | veče (n) |
Zahlwörter
Im Bosnischen und Kroatischen werden Zahlwörter etwas anders abgewandelt als in der serbischen Sprache. Dazu zwei Beispiele:
- Bosnisch/Kroatisch: četverica muškaraca, Serbisch: četvorica muškaraca (vier Männer)
- Bosnisch/Kroatisch: petero žena, Serbisch: petoro žena (fünf Frauen)
Schrift und Rechtschreibung
Lateinisch vs. Kyrillisch
Das Kroatische verwendet nur die lateinische Schrift, im Serbischen sind die kyrillische und die lateinische Schrift parallel im Gebrauch, wobei das Kyrillische meist bevorzugt wird. Die bosnische Sprache verwendet heutzutage fast ausschließlich das Lateinische Alphabet, seit dem Zerfall Jugoslawiens nur mehr sehr selten das Kyrillische Alphabet. Im Bosnischen wurde eine vereinfachte Form der arabischen Schrift bis Anfang des frühen 20. Jahrhunderts verwendet.
Fremdsprachliche Eigennamen
Bei fremdsprachlichen Eigennamen wird im Kroatischen (und vorwiegend auch im Bosnischen) die Schreibweise der Ausgangssprache, sofern diese das lateinische Alphabet verwendet, beibehalten. Dagegen wird im Serbischen auch bei Verwendung der lateinischen Schrift oft phonetisch transkribiert. Im Kroatischen schreibt man also z.B. New York oder Washington, auf Serbisch wird Nju Jork oder Vašington geschrieben.
Vokalschwund
Außerdem gibt es einen Unterschied in der Schreibung des Futur, wie am folgenden Beispielsatz deutlich wird:
"Ich werde das aufschreiben":
- "Napisat ću to." (Bosnisch, Kroatisch)
- "Napisati ću to." bzw. "Napisaću to." (Serbisch, beide Varianten sind regionalbedingt und als grammatikalisch richtig).
Oder:
"er/sie/es wird":
- "Bit(i) će" (Bosnisch, Kroatisch)
- "Biće" (Serbisch)
vgl. Bildung des Futur
Getrennte Schreibweise
In der neuen kroatischen Rechtschreibung ist vorgesehen, dass für die Verneinung "Ich werde nicht..." zukünftig "ne ću" genauso erlaubt ist wie das bisherige "neću" (das im Serbischen und Bosnischen immer noch vorhanden ist), bzw. dass zweiteres eher vermieden werden soll. Kroatische Sprachwissenschaftler gehen dabei auf die sprachliche Entwicklung ein und betonen, dass dadurch (und durch andere Maßnahmen) gewisse Zweideutigkeiten ausgeräumt werden sollen, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben. Das Kroatische ist ja berüchtigt dafür, sehr viele Ausnahmen zu haben. Ebenso werden Vereinfachungen und logischere Grammatikregeln für zukünftige Generationen angestrebt.
Verwendung des Buchstabens "h"
Die Verwendung des Buchstabens 'h' (aber auch 'f') ist im Bosnischen stärker ausgeprägt, z.B. kahva (Bosnisch) - kava (Kroatisch), lahko (Bosnisch) - lako (Kroatisch/Serbisch), kafez (Bosnisch) - kavez (Kroatisch/Serbisch) usw. Es gibt auch einige Wörter, die sowohl mit als auch ohne zusätzliches 'h' geschrieben werden können (d.h. mit zwei Schreibweisen), was in der kroatischen und serbischen Sprache nicht üblich ist, z.B. malehan und malen bedeuten beide 'klein'.
Wortschatz
Auf den ersten Blick scheint es, als ob sich die Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch voneinander nicht unterscheiden, oder wenn, dann nur geringfügig. Die folgende Zusammenstellung soll zumindest einen Überblick darüber verschaffen, wie die zunächst unscheinbar wirkenden Unterschiede sich auf den Sprachgebrauch, die zwischenmenschliche Kommunikation und somit auch auf unterschiedliche Weltanschauungen auswirken bzw. wie diese durch die im folgenden genannten Ausdrücke reflektiert werden. Es gibt nämlich, wenn man die Sprachen etwas pragmatischer betrachtet, nahezu keinen Fach- oder Lebensbereich, in denen sich die Sprachen nicht unterscheiden. Jahrhunderte lang waren die verschiedenen Sprachen unterschiedlichen kulturellen Einflüssen unterworfen, die durch die Vereinigungsbestrebungen des letzten Jahrhunderts nicht ausgeglichen werden konnten. Ebenfalls wurden die bedeutenden kulturellen Unterschiede in der Vergangenheit (insbesondere zu Zeiten des Kommunismus) aus ideologischen oder politischen Gründen oft ignoriert bzw. nicht anerkannt. Im Gegensatz dazu werden aus denselben Gründen heute auch geringe Unterschiede besonders hervorgehoben. Selbstverständlich können nicht alle Unterschiede aufgezählt werden (hier sei auf systematisch erarbeitete Wörterbücher hingewiesen), hier aber eine repräsentative Auswahl:
Unterschiede auf der Wortebene
- Begrüßungsfloskeln:
- Kroatisch: Bok!, Serbisch: Zdravo!, Bosnisch: Zdravo!, aber auch Ćao, Vozdra, Merhaba etc. (Hallo)
- Trink- und Esssprüche:
- Kroatisch/Bosnisch: Živjeli!, Serbisch: Živeli! oder Na zdravlje! (Zum Wohl! Prost!)
- Serbisch/Bosnisch: Prijatno!, Kroatisch: Dobar tek! (Guten Appetit! Mahlzeit!)
- Zeitliche Benennungen:
- Kroatisch: tjedan, Serbisch: nedelja, sedmica, Bosnisch: sedmica, hevta (Woche)
- Kroatisch: sat, ura, Serbisch: čas, sat, Bosnisch: sat, sahat (Stunde)
- Benennungen von Orten:
- Kroatisch/Bosnisch: otok, Serbisch: ostrvo (Insel)
- Kroatisch: vrt, Serbisch: bašta, Bosnisch: bašča (Garten)
- Serbisch/Bosnisch: geografija, Kroatisch: zemljopis, geografija (Geographie)
- Mathematische Benennungen:
- Kroatisch: tisuća, Serbisch/Bosnisch: hiljada [aus dem Griechischen] (tausend)
- Naturwissenschaftliche Benennungen:
- Kroatisch/Bosnisch: zrak, Serbisch: vazduh (Luft)
- Kroatisch/Bosnisch: grah, Serbisch: pasulj (Bohnen)
- Kroatisch/Bosnisch: svemir, Serbisch: svemir, vasiona (Weltraum)
- Medizinische Benennungen:
- Kroatisch/Bosnisch: šaka, Serbisch: pesnica (Faust)
- Kroatisch/Bosnisch: spol, Serbisch: pol (Geschlecht)
- Serbisch/Bosnisch: vakcina, Kroatisch: cjepivo (Impfstoff)
- Serbisch/Bosnisch: kičma, Kroatisch: kralježnica, (Wirbelsäule)
- Musik:
- Serbisch/Bosnisch: muzika, Kroatisch: glazba (Musik)
- Benennungen von Alltagsgegenständen:
- Serbisch/Bosnisch: pantalone, hlače, Kroatisch: hlače (Hose)
- Serbisch/Bosnisch: makaze, Kroatisch: nožice, škare (Schere)
- Kroatisch/Bosnisch: opušak, Serbisch: pikavac (Zigarettenkippe)
- Kroatisch/Bosnisch: deka, Serbisch: ćebe, deka (Zudecke)
- Serbisch/Bosnisch: peškir, Kroatisch: ručnik (Handtuch)
- Sportliche Bezeichnungen:
- Kroatisch: nogomet, Serbisch: fudbal, Bosnisch: nogomet, fudbal (Fussball)
- Fahrzeuge:
- Serbisch/Bosnisch: voz, Kroatisch: vlak (Zug)
- Kulinarisches::
- Kroatisch: kruh, Serbisch: hleb, Bosnisch: hljeb, somun (Brot)
- Serbisch/Bosnisch: supa, Kroatisch: juha (Suppe)
- Serbisch/Bosnisch: kašika, Kroatisch: žlica (Löffel)
- Kroatisch/Bosnisch: ulje, Serbisch: ulje, zejtin (Öl)
- Politische Terminologie:
- Kroatisch/Bosnisch: stranka, Serbisch: stranka, partija (Partei)
- Kroatisch/Bosnisch: općina, Serbisch: opština (Gemeinde)
- Serbisch/Bosnisch: Evropa, Kroatisch: Europa (Europa)
- Militärische Terminologie:
- Kroatisch/Bosnisch: sigurnost, Serbisch: bezbednost, sigurnost (Sicherheit)
- Serbisch/Bosnisch: oficir, Kroatisch: časnik (Offizier)
- Soziale Benennungen:
- Kroatisch/Serbisch: tata, Bosnisch: babo und seltener tata (Papa, Koseform von Vater)
- Kroatisch: susjed, Serbisch: sused, komšija, Bosnisch: komšija, susjed (Nachbar)
- Eigenschaften:
- Kroatisch/Bosnisch: vlastit, Serbisch: vlastit, sopstven (eigen)
- Handlungen:
- Kroatisch: priopćiti, Serbisch: saopštiti, Bosnisch: saopćiti (mitteilen)
- Kroatisch: rabiti, Serbisch upotrebiti, Bosnisch: upotrijebiti (benutzen)
- Serbisch/Bosnisch: uhapsiti, Kroatisch: uhititi, (festnehmen)
- Serbisch/Bosnisch: učestvovati, Kroatisch: sudjelovati, (teilnehmen)
- Sichtweisen:
- Serbisch: porodica für engere Familie rodbina für weitere Familie, Kroatisch: porodica für den weitläufigeren Begriff der Familie, obitelj für den engeren Begriff der Familie (nur der engste Kreis), Bosnisch: porodica, familija und obitelj als Synonyme für Familie
- Kroatisch/Bosnisch: komadić, Serbisch: komadić, parče (Stückchen)
- Kroatisch/Bosnisch: osoba, Serbisch: osoba, lice (Person)
- Kroatisch: povijest, Serbisch: istorija, Bosnisch: historija, povijest (Geschichte)
Monatsbezeichnungen
Die kroatischen Monatsbezeichnungen unterscheiden sich von den internationalen und somit von den serbischen oder bosnischen Bezeichnungen. Die kroatischen und tschechischen Monatsbezeichnungen sind sehr ähnlich. Nach Auffassung bosnischer Linguisten sind die kroatischen Formen auch in der bosnischen Sprache zulässig. Daher werden in vielen bosnischsprachigen Zeitschriften, Büchern und anderen Schriften zusätzlich stets die kroatischen Formen angegeben.
Monat | Kroatisch | Serbisch | Bosnisch |
---|---|---|---|
Jänner | siječanj | januar | |
Februar | veljača | februar | |
März | ožujak | mart | |
April | travanj | april | |
Mai | svibanj | maj | |
Juni | lipanj | jun | juni |
Juli | srpanj | jul | juli |
August | kolovoz | avgust | august |
September | rujan | septembar | |
Oktober | listopad | oktobar | |
November | studeni | novembar | |
Dezember | prosinac | decembar |
Akzeptanz von Fremdwörtern
Neben unterschiedlichen Wörtern im Grundwortschatz gibt es vor allem bei der Übernahme von Fremdwörtern bedeutende Unterschiede:
- Grundsätzlich gibt es im Kroatischen deutlich weniger Fremdwörter. Es werden kroatische Eigennamen bevorzugt. Dieser Trend war immer schon vorhanden, wurde aber in den 1990er Jahren aus politischen Gründen zusätzlich verstärkt: zrakoplov - avion (Flugzeug), odrezak - šnicla (Schnitzel), usw. Die kroatische Umgangssprache hat aber deutlich mehr Fremdwörter aufzuweisen als die Schriftsprache (Germanismen und Hungarismen im Norden, venezianische Italienismen an der Küste).
- Bei Wörtern griechischer Herkunft ergeben sich Unterschiede, da Kroatisch diese Wörter aus dem Mittellatein übernommen hat, Serbisch dagegen direkt aus dem (byzantinischen) Griechischen. Bei der bosnischen Sprache ist die Regelung etwas komplizierter, daher soll hier darauf nicht näher eingegangen werden. Einige Beispiele: Ozean: ocean (Kroatisch) - okean (Bosnisch/Serbisch), Barbare: barbar (Bosnisch, Kroatisch) - varvar (Serbisch), Chemie: kemija (Kroatisch) - hemija (Bosnisch, Serbisch), Betlehem: Betlehem (Bosnisch, Kroatisch) - Vitlejem (Serbisch), Demokratie: demokracija (Kroatisch) - demokratija (Bosnisch, Serbisch).
- Im heutigen Kroatischen erhalten Fremdwörter mit lateinischer Wurzel fast immer das Suffx -irati, im Serbischen kommen an dieser Stelle auch die Suffixe -ovati und -isati vor: identificirati - identifikovati, informirati - informisati. Im Bosnischen entspricht die Regel der kroatischen Sprache, allerdings wird umgangssprachlich immer noch häufig die serbische Form der Suffixe verwendet.
- Zusätzlich ist Bosnisch von sehr vielen Turzismen (Anlehungen an türkische, arabische und persische Sprache) gekennzeichnet. Das sieht man beispielsweise an den Bezeichnungen der Familienmitglieder. Diese unterscheiden sich großteils von den Kroatischen oder Serbischen, z.B. Papa: babo (Bosnisch) - tata (Kroatisch/Serbisch), Oma: nena oder nana (Bosnisch) - baka (Kroatisch/Serbisch), Onkel (Bruder der Mutter): daidža (Bosnisch) - ujak (Kroatisch/Serbisch), Onkel (Bruder des Vaters): amidža (Bosnisch) - stric (Kroatisch/Bosnisch), usw.
Mehrdeutigkeit, Ambiguität
Unter den einzelnen Sprachen gibt es zahlreiche Mehrdeutigkeiten von einzelnen Begriffen bzw. werden zahlreicher Wörter unterschiedlich gebraucht (innerhalb der Kulturen sind Doppeldeutigkeiten eher selten).
Am folgenden Beispiel wird eine Bedeutungsänderung ersichtlich:
Deutsch: | "Schweig!" | "Schweigeminute" |
Kroatisch: | šuti | minuta šutnje |
Bosnisch: | šuti | minut šutnje |
Serbisch: | ćuti | minut ćutanja |
Würde mann hier im Serbischen anstelle des "ć" das "š" einsetzen, so würde dies einen völlig neuen Sinn ergeben, "minut šutanja" (Minute des Kickens, Schlagens).
Syntax
Zusammensetzung von Sätzen und Texten
Im Hinblick auf einzelne Wörter, mögen einem Laien keine besonders großen Unterschiede bewusst werden. Man könnte sagen, dass gewisse Wörter keinen bedeutenden Unterschied ausmachen. Fügt man allerdings etwa all diese Wörter zu Sätzen zusammen, so wirkt sich dies sehr stark auf das Verständnis aus. Es wird außerdem klar, dass es sich hier nicht um stilistische Variationen handelt, sondern um kulturell und standardsprachlich festgelegte Sprachkonventionen.
Hier ein Beispiel eines ganz einfachen Satzes, der in den jeweiligen Kulturen völlig anders ausgedrückt wird:
Deutsch: | Der Zug fährt vom Bahnhof um genau zehn Uhr ab. |
Kroatisch: | Vlak sa željezničkog kolodvora krenut će točno u deset sati. |
Bosnisch: | Voz sa željezničke stanice krenut će tačno u deset sati. |
Serbisch: | Voz sa železničke stanice krenuće tačno u deset časova. |
Erweitert man die Betrachtungsweise auf ganze Textabschnitte oder Texte, so wird eine Differenzierung der Sprachen unabdingbar. Der Ersteller eines Textes muß sich darüber Bewusstsein verschaffen, welcher Standard verwendet werden soll. Es ist praktisch unmöglich, eine von allen Kulturen unabhängige und akzeptable Version eines Textes zu erstellen. Einen sogenannten „serbo-kroatischen“ Standard gibt es im praktischen Sinne nicht. Man muss sich daher auf die unterschiedlichen Sprachtraditionen und Konventionen einstellen.
Formulierung von Fragen
Unterschiede im Bereich der Satzstellung (Syntax).
Deutsch: | Kannst Du? | Ist es möglich? |
Alle drei Sprachen: | Možeš li? | Je li moguće? |
Nur Serbisch: | Da li možeš? | Da li je moguće? |
Akzentuierung
Jede Sprache hat eigene Betonungsunterschiede aufzuweisen. Die Betonungen variieren auch sehr stark von Region zu Region.
Idiomatische und phraseologische Unterschiede
Die kroatische Sprache hat im Gegensatz zur bosnischen oder serbischen Sprache z.T. sehr gravierende idiomatische Unterschiede aufzuweisen, die Sprechern des Serbischen oder Bosnischen zunächst gar nicht erst auffallen mögen. Dies ist auf die z.T. sehr großen kulturellen Unterschiede zwischen den Völkern und auf die Geschichte der einzelnen Völker zurückzuführen. Kroatien gehörte immer dem westlichen Kulturkreis an, während hingegen das Territorium von Bosnien und Serbien Jahrhunderte lang zum östlichen Kulturkreis gehörte.
So kommt es z.B., dass im Kroatischen z.T. vollkommen andere Formulierungen verwendet werden, als im Serbischen oder im Bosnischen. Es herrschen oft größere Unterschiede, was den Gebrauch der einzelnen Sprachen betrifft, als man zunäscht denken mag. Ebenso gibt es oft größere Unterschiede darüber, wie etwas in den einzelnen Sprachen - die oft als so nah empfunden werden - gesagt wird, als offensichtlich ist. Das gegenseitige Verständnis ist da. Ginge man jedoch von einer präzisen Auslegung des Sprachverständnisses aus, und würden die Sprecher tatsächlich stets anmerken, was falsch gesagt wurde, bzw. was so nicht gesagt werden kann, so würde bestimmt jeder zweite Satz gegenseitig beanstandet werden. Die Kroaten sind hierbei oft sehr genau. Die bosnische Sprache ist hierbei jedoch sehr kulant. Jeder Sprachkreis verfügt eben über eine andere Sprachkultur.
Viele Sprecher des Serbischen oder Bosnischen bemerken z.B. oft nicht, dass im Grunde genommen etwas, das sie soeben in schönem Bosnisch oder Serbisch geäußert haben, im Kroatischen nie so gesagt würde. Anders herum verstehen viele Kroaten oft nicht, was ein Bosniake oder ein Serbe in Wirklichkeit gemeint hat. Dies kann einerseits an der Verwendung der Wörter liegen (den Kroaten sind z.B. viele Wörter mit türkischem Hintergrund nicht bekannt) oder auch an der Art, wie etwas ausgedrückt wird (verschleiernd, langatmig, kompliziert, etc.). Gewiss gibt es auch viele Jargon- und Slang-Ausdrücke in den diversen Sprachen. Der Artikel bezieht sich jedoch auf die tatsächlichen und sehr häufig bemerkbaren sprachlichen Verständnisschwierigkeiten.
Beispiele für Formulierungen, die sich gänzlich unterscheiden und die in zumindest einer der Sprachen nicht verwendet werden können wären folgende:
- Ich werde es machen: "Uradit ću to" (vollkommen korrekt im Bosnischen oder Serbischen) - gänzlich inakzeptabel im Kroatischen (es sollte "učinit ću to" gesagt werden oder "napravit ću to")
- etc.
Aber auch die bosnische und serbische Sprache weisen gegenseitig einige idiomatische und phraseologische Unterschiede auf. Häufig können so Missverständnisse entstehen, wenn zwei Sprecher der beiden Sprachen aufeinandertreffen. Ein ganz banales Beispiel ist die Phrase "moja majka". Der Sprecher aus Serbien versteht dann meist "meine Mutter", ein Sprecher der bosnischen Sprache versteht aber dieselbe Phrase als "meine Großmutter". Andererseits bedeutet "baba" im Serbischen (wie auch im Kroatischen) "Oma" (Großmutter), während das im Bosnischen eine der Koseformen für Vater ist (Koseform für Großmutter ist im Bosnischen nena oder nana). Im Kroatischen, insbesondere in Istrien, wird allerdings auch die italienische Form "nona" verwendet.
Sprachen sind allerdings einem steten Wandel unterworfen. Sie beeinflussen sich auch gegenseitig. Es kann deshalb sein, dass gewisse Phrasen mit der Zeit ihren Weg in die eine oder andere Sprache finden werden. Es ist beispielsweise bereits bemerkbar, dass die bosnische Sprache sehr viele Wendungen und Wörter aus dem Kroatischen schlichtweg übernimmt (z.B. EU-Terminologie, Wirtschaftsausdrücke, etc.).
Kultur, Emotionen und Identität
In der Sprachwissenschaft kann nicht die generelle These vertreten werden, daß "Sprache = Nation" bedeutet. Weltweit würde dies bedeuten, dass Sprachen gewissen geographischen Grenzverläufen folgen würden bzw. auf gewisse Sprachgebiete fixiert werden können. Sprachen können allerdings nicht derartig kategorisiert werden und können nicht auf gewisse Territorien eingeschränkt werden. Die Grenzen eines Sprachraumes sind stets sehr ungenau bzw. jede Sprache übt Einfluß auf andere Sprachen aus.
Der Begriff "Nation" bezieht sich jedoch nicht aussschließlich auf den geographischen Begriff eines Landes. Nation kann auch als Bezeichnung für "Volk" verwendet werden. Gerade diese Betrachtungsweise muss für den südosteuropäischen Raum und insbesondere den Raum des ehemaligen Jugoslawiens angewendet werden. In Südosteuropa herrschten nie klare Grenzverläufe, die Grenzen und Einflüsse von Seiten anderer Kulturen (und nicht nur anderer slawischer Kulturen) waren omnipräsent. Jegliche Versuche der Eingrenzung stießen stets auf Widerstand und Ablehnung unter den Menschen.
Um sich also als Volk zu definieren, wurde der Sprache des jeweiligen Volkes wichtige Bedeutung beigemessen. Zumindest in grundlegenden kulturellen Zügen sind die einzelnen Sprachen des südosteuropäischen Raumes der jeweiligen Volksgrupe zuordenbar. Die Religion, Tradition, Geschichte und Sprache der Völker dieses Raumes sind eng miteinander verwoben. Es ist sogar so, dass sich die einzelnen Volksgruppen dieses Raumes in der Vergangenheit nebst ihrer Religion ausschließlich durch ihre eigene Sprache definieren konnten und dies immer noch tun.
Beispiele für kulturelle Unterschiede, die sich auf den Gebrauch der Sprache auswirken
- Schrift:
- In Serbien verwendet man, wie oben genannt, immer häufiger die kyrillische Schrift. In Kroatien verwendet man ausschließlich die lateinische Schrift. In Bosnien und Herzegowina wird vorwiegend die lateinische Schrift benützt, lediglich im serbischsprachigen Teil, der Republika Srpska ist die kyrillische Schrift neben der lateinischen Schrift offiziell. Im Grunde genommen kann gesagt werden, dass in Bosnien und Herzegowina ausschließlich Serben die kyrillische Schrift verwenden.
- Feste, Religiöses und Traditionelles:
- Kroatien: Der Muttertag wird sehr geschätzt und gefeiert, in Serbien und Bosnien hingegen ist es der Tag der Frau
- Jedes Land hat eigene staatliche Feiertage, bzw. die Feiertage werden von der jeweiligen Sprach- und zugleich Volksgruppe geachtet.
- Jeder Sprachkreis hat auch seine eigenen religiösen Traditionen: In Kroatien werden katholische Feiertage eingehalten (Mariä Himmelfahrt, etc.), in Serbien orthodoxe, in Bosnien und Herzegowina muslimische (Bajram, etc.). Dies wirkt sich auf die Vertrautheit und Kenntnis der Sprecher in den Gebieten Südosteuropas aus. Nicht jeder Mensch kennt bzw. spricht über religiöse Feste der anderen Kultur.
- In Kroatien ist, ebenso wie beispielsweise in Österreich oder Ungarn, der Martinitag sehr populär, in Serbien ist dieser Feiertag eher nicht bekannt.
- Im ehemaligen Jugoslawien wurde dagegen alle Feiertage gleichermaßen beachtet oder eher nicht beachtet, denn Religiosität wurde wie in allen sozialistischen Staaten eher belächelt.
- Erziehung:
- Der Begriff der Familie wird in allen drei Kulturen recht unterschiedlich aufgefasst. Ein Serbe versteht darunter einen riesigen, familiären Kreis, vergleichbar beispielsweise der Sichtweise in südlichen Gebieten Italiens. Ein Kroate dagegen würde eher nur einige wenige Personen zum Kreis der Familie hinzuzählen, ähnlich der Auffassung in Deutschland oder Österreich beispielsweise. Einige Menschen verhaften immer noch an patriarchalisch anmutenden Gesellschaftsverhältnissen, während hingegen sich andere von der Lebensweise her dem Westen annähern.
- Die Kinder werden auch in unterschiedlichem Ausmaß auf die Eigenheiten ihrer Sprache hingewiesen. Vor allem in Kroatien findet zur Zeit eine sehr starke, emotional aufgeladene Abgrenzung statt, während man solche Dinge in Serbien eher gelassen nimmt. In Bosnien, das einem ethnischen Flickenteppich gleicht, werden sprachliche und kulturelle Unterschiede ebenfalls stark betont, auch hier bei den verschiedenen Ethnien in unterschiedlichem Maße.
- Während im alten Jugoslawien versucht wurde, eine Nivellierung zu erreichen, manchmal auch durch etwas "kreative Auslegung" der Historie, erreicht man heute mit denselben Methoden das Gegenteil, eine oft maßlos übertriebene Unterscheidung. Es herrschen zwischen den Kulturen abgrundtiefe Barrieren, Meinungsverschiedenheiten, Unkenntnis und oftmals schlichte Fehlinformationen oder Lügen was die Geschichte der Völker des südosteuropäischen Raumes betrifft. In diesem Gebiet ist die Geschichte einer Sprache eng mit der Geschichte eines Volkes verknüpft.
- Witze, Literatur, Filme:
Emotionen
Es herrschen immer noch, teils sehr heftige, emotionale Unterschiede, was die Verwendung der einzelnen Sprachen betrifft. Als unmittelbare Folge des Krieges kochen die Emotionen gegenüber der jeweils anderen Volksgruppe oft sehr schnell hoch, was oft nur an der unterschiedlichen Ausdrucksweise festgemacht wird. So kann ein Auslandskroate, der die derzeitigen nationalen Sprachnormen nicht ausreichend kennt, durchaus Schwierigkeiten bekommen. Vielen Menschen ist nicht egal, welche von den genannten „Sprachen“ verwendet wird, und ob noch immer an einer sogenannten "serbokroatischen" Sprache festgehalten werden soll. Im Gegenteil, viele reagieren innerlich erschüttert über die heute noch vorhandene Ignoranz bzw. Gleichgültigkeit gegenüber der Sprachenvielfalt in diesem Raum, andere sind erschüttert über die Intoleranz, die sich ausdrückt in der rigorosen Verweigerung von Ausdrücken, die in ihrer Kindheit noch zum täglichen Sprachgebrauch gehörten. Sie wissen sich oft jedoch nicht zu äußern gegenüber den wissenschaftlichen Standpunkten, die vorherrschen und ihrer inneren, emotionalen Befindlichkeit. Dies ist übrigens nicht nur ein Phänomen der letzten Jahrzehnte, sondern ist eine parallele Erscheinung seit Beginn der Versuche zur Verschmelzung bzw. Vereiheitlichung der südslawischen Sprachen.
Identität
Jede Sprache verbinden gemeinsame Identitätsmerkmale und ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl. Viele Menschen vor allem der Generation, die in einem einigen Jugoslawien aufgewachsen ist, fühlen sich jedoch, angesichs der sehr vielfältigen Unterschiede und komplizierten Zusammenhänge immer noch einer "jugoslawischen" bzw. "serbokroatischen" Identität zugehörig. Nach Meinung "national Denkender" wird dadurch einer kritischen Reflexion ihrer eigenen Identität und Vergangenheit aus dem Wege gegangen. Oftmals ist es eher so, daß diese Menschen kulturell offener sind, vielleicht einer gesamtjugoslawischen "Mischehe" entstammen und sich damit dem gesamten Kulturkreis zugehörig fühlen. Die Komplexität dieser Gesellschaft wird als Chance und Herausforderung empfunden, statt als Bedrohung. Die Wikipedia existiert daher auch in einer hybriden, "serbokroatischen" Version. Es besteht die Hoffnung, dass Menschen auch lernen, Unterschiedlichkeiten anstatt Einheitlichkeit zu akzeptieren und das oft gerade komplizierte und vielfältige Zusammensetzungen im heutigen Europa interessant und zukunftsträchtig sind.
Literatur
Eine literarische Einteilung ist oft schwer vorzunehmen, da man sich nach dem Einzelnen richten muss und nach den individuellen künstlerischen und sozialen Eigenschaften der Schriftsteller. Es können also oft keine genauen Angaben zur Sprachenwahl erfolgen, da es dafür oft viel zu verschwommene Grenzziehungen und insbesondere im künstlerischen Bereich viele Überlappungen, was den sprachlichen Ausdruck betrifft, gibt. Außerdem gibt es für künstlerische Kreativität und Freiheit keine Grenzen. Gewisse Schriftsteller jedoch deklarierten sich öffentlich für bestimmte Sprachen.
Es ist allerdings nachweisbar, dass die kroatische Sprache eine sehr reichhaltige Literaturgeschichte aufzuweisen hat, die bis weit zurück in die Geschichte reicht. Tatsache ist auch, dass die serbische Sprache über viele Jahrhunderte hinweg dem Einfluß des Kirchenslawischen ausgesetzt war und dass sich eine bewußte Literaturtradition erst recht spät gebildet hat. Literarische Werke, die der bosnischen Sprache entsprechen, sind sehr spärlich aufzufinden, denn die Bosniaken haben bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in der Literatur mehrheitlich Arabisch, Persisch und Türkisch verwendet.
Problematik für Übersetzer und Dolmetscher
Insbesondere Übersetzer und Dolmetscher, die früher offiziell nur für eine Sprache übersetzen mussten (was aber nie der Praxis entsprach) müssen die kulturellen Eigenheiten der einzelnen Sprachen genauestens beachten. Es kann beispielsweise sein, dass die Auftraggeber, aber auch die Öffentlichkeit z.T. sehr emotional auf gewisse Fehler reagieren, seien diese auch noch so klein (wie z.B. Wortfehler, Unwissenheit über die vorherrschenden Gegebenheiten im jeweiligen Land, die sich übrigens in letzter Zeit sehr rasch ändern, etc.). In den einzelnen Staaten müssen offizielle Dokumente aus anderen Republiken des ehemaligen Jugoslawiens deshalb stets in die offizielle Standardsprache übersetzt werden (nur in Bosnien ist man demgegenüber etwas nachgiebiger, da es in diesem Staat ja drei offizielle Standardsprachen gibt). Es werden daher, angesichts der recht großen kulturellen Unterschiede, im Raum des ehemaligen Jugoslawien stets muttersprachliche Übersetzer aus dem jeweiligen Staat gegenüber Übersetzern aus anderen Kulturkreisen des ehemaligen Jugoslawiens bevorzugt. In Deutschland und Österreich z.B. wird hier oft nicht unterschieden bzw. ausreichend darauf geachtet. Dies führt häufig zu inakzeptablen Übersetzungen in die jeweiligen Sprachen und so kommt es, dass kulturspezifisch inkorrekt übersetzte Dokumente von den offiziellen Stellen oder der allgemeinen Bevölkerung nicht anerkannt bzw. goutiert werden.
Besonders auffällig wird die ganze Thematik durch die Arbeit des Internationalen Tribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Dort wird für alle drei Sprachen das Kürzel "BCS" (Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, BKS) verwendet, ohne dabei näher auf alle drei Sprachen einzugehen. Hierbei entstehen oft sehr widersprüchliche und schlichtweg unkorrekte Übersetzungen, die nicht den standardsprachlichen und kulturellen Vorgaben der einzelnen Staaten entsprechen bzw. es wird nicht auf kulturelle Feinfühligkeit geachtet. Einige Kritiker behaupten sogar, dass praktisch kein Text oder Transkript dieses Gerichts einer grundlegenden grammatikalischen oder lexikalischen Analyse standhalten würde. Leider ist es im Rahmen der Zusammenstellung der Anklageschriften oft auch zu kapitalen Übersetzungsfehlern ins Englische gekommen, was nicht unbedingt für die Qualität des Übersetzungsdienstes oder kulturelle Feinfühligkeit spricht (Z.B. "uklonite zaklone" in "uklonite zaklane" - in etwa "beseitigt die Geschlachteten" für "beseitigt die Verstecke").
Siehe auch
Weblinks
Empfehlenswerte Literatur
- Brodnjak, Vladimir: "Razlikovni rječnik srpskog i hrvatskog jezika" (Wörterbuch der Unterschiede zwischen der serbischen und der kroatischen Sprache), Zagreb: Školske novine, 1991, 640 S., ISBN 86-7457-074-7 (30.000 Einträge)
- "Hrvatski naš (ne)zaboravljeni" (Das Kroatische, unsere (un)vergessene Sprache), Stjepko Težak, 301 S., knjižnica Hrvatski naš svagdašnji (knj. 1), Tipex, Zagreb, 1999, ISBN 953-6022-35-4 (kroatisch)
- Težak, Stjepko. Babić, Stjepan. "Gramatika hrvatskoga jezika" (Grammatik der kroatischen Sprache). Školska knjiga. Zagreb 1996. 296 S. ISBN 953-0-40008-X
- Auburger, Leopold. Die kroatische Sprache und der Serbokroatismus. Ulm/Donau 1999. ISBN 3-87336-009-8.
- Brozović, Dalibor. "Serbo-Croatian as a pluricentric language". In: Pluricentric Languages: Differing Norms in Different Nations. Hg. Michael Clyne. Berlin, New York 1992. S. 347-380. ISBN 3-11-012855-1.
- Greenberg, Robert D. Language and Identity in the Balkans: Serbo-Croatian and its Disintegration. Oxford u.a. 2004. ISBN 0-19-925815-5.
- Gröschel, Bernhard. "Postjugoslavische Amtssprachenregelungen – Soziolinguistische Argumente gegen die Einheitlichkeit des Serbokroatischen?" In: Srpski jezik (Beograd), 8.1/2 (2003). S. 135-196.
- Kačić, Miro. Kroatisch und Serbisch: Irrtümer und Falsifizierungen. In Zusammenarbeit mit Ljiljana Šarić. Übers. Wiebke Wittschen, Ljiljana Šarić. Zagreb 1997. ISBN 953-6602-01-6.
- Kordić, Snježana. "Pro und Kontra: 'Serbokroatisch' heute". In: Slavistische Linguistik 2002. Hg. Marion Krause und Christian Sappok. München 2002. S. 97-148. ISBN 3-87690-885-X.
- Okuka, Miloš. Eine Sprache – viele Erben: Sprachpolitik als Nationalisierungsinstrument in Ex-Jugoslawien. Klagenfurt 1998. ISBN 3-85129-249-9.
- Zum Vergleich vor allem für deutschsprachige Leser zu empfehlen sind die allgemein übertragbaren Theoriekapitel in: Ammon, Ulrich. Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin u. a. 1995. ISBN 311014753X.