Yorck59

ehemaliges Wohnprojekt in Berlin-Kreuzberg
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Die Yorck59 (auch Yorck 59) war ein 1988 gegründetes, linkes Hausprojekt in dem Hinterhaus der Yorckstraße 59 in Berlin-Kreuzberg. Neben Wohngemeinschaften, in denen 60 Personen wohnten, bot es Platz für linke Initiativen und Organisationen. Für die Berliner und deutsche links-alternative Bewegung war es ein wichtiger Bezugspunkt. Nach einem Konflikt über die Miethöhe, der von starken Protesten durch Unterstützer/-innen begleitet war, wurde das Projekt im Juni 2005 durch die Polizei geräumt.

Nach der Räumung besetzten einige ehemalige Bewohner/-innen und Unterstützer/-innen zwei Etagen eines leerstehenden Seitenflügel des Bethanien und gründeten die New Yorck59 (auch New Yorck 59 oder NewYorck59). Diese Hausbesetzung wird durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Eigentümer des Bethaniens geduldet, wodurch die geplante Privatisierung des Bethaniens ausgesetzt werden musste.

Gründung und Etablierung der Yorck59

Das Hausprojekt Yorck59 gründeten 1988 sieben Personen aus der Berliner, linken Szene als Wohngemeinschaft (WG). Diese suchten nach ehemaligen Fabriketagen, um sie zum gemeinschaftlichem Wohnen auszubauen. Schließlich bekamen sie ein Angebot über sieben Etagen im Hinterhaus der Yorckstraße 59, wo die Nutzung durch einige kleine Gewerbebetriebe schon einige Zeit her war und die leer standen. Die Lage des Hinterhauses war auf Grund der Nähe zum Mehringhof, einigen weiteren großen WGs und mehreren Szene-Kneipen günstig.

Innerhalb kurzer Zeit wurde die ursprüngliche Gruppe durch weitere Personen aus ihrem Freundschafts- und Politikumfeld ergänzt, so dass im Dezember 1988 schließlich ein Gewerbemietvertrag mit Wohnrecht für 60 Personen unterzeichnet werden konnte. Dieser sollte mindestens elf Jahre laufen und eine Option für eine Verlängerung um jeweils fünf Jahre enthalten, wobei der Verein „Färbung e.V.“ als Vertragspartner sowohl für Eigentümer als auch Bewohner/-innen diente. Nach Unterzeichnung des Vertrages wurden die Fabriketagen in kollektiver Arbeit von zirka 50 Personen umgebaut: Die 450 m² großen Etagen wurden für jeweils ein bis zwei WGs für sechs bis 13 Personen genutzt, eine 240 m² große Etage für Veranstaltungen und Sport freigelassen, sowie eine weitere Etage für ein Archiv und Initiativen ausgebaut. In dieser arbeiteten neben der Anti-Rassistischen-Initiativen (ARI), die fast die gesamten 15 Jahre in dem Haus war, eine Vielzahl weiterer Initiativen - wie z. B. die Afrikanische Fraueninitiative, das Radio Onda oder der Nachrichtenpool Lateinamerika.

Am Anfang der Yorck59 wurde versucht eine Verankerung im Kiez über die linke Bewegung hinaus zu erreichen. Dazu wurden MieterInnentreffen, Hoffeste und eine Kiezküche zusammen mit anderen WGs organisiert. Auch an der Aktion „Gelber Punkt“ beteiligte sich die Yorck59 und versuchte Läden im Kiez von dieser Initiative zu überzeugen: Ein „Gelber Punkt“ an die Eingangstür von Läden geklebt signalisiert, dass dort Betroffene Schutz bei rassistisch motivierten Überfällen finden können. Die Aktion entstand Ende 1991 in Saarbrücken nach einem Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft, bei dem Samuel Yeboah ermordnet wurde.Vorlage:Ref Die Initiativen im Kiez wurden allerdings mit der Zeit immer weniger und übrig blieb nur das jährliche Hoffest in der Yorck59.

Bereits nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 befürchteten viele Linke eine Verdrängung politischer Initiativen und ärmerer Bevölkerungsschichten aus Kreuzberg, da der Bezirk aus der Randlage West-Berlins in die Nähe des neuen Zentrums rückte. Eine kontinuierliche Arbeit der Yorck59, zu diesem als Stadtumstrukturierung bezeichneten Komplex, schlief allerdings nach einigen Ansätzen in den ersten Jahren wieder ein. Nach dem Verkauf des Hauses 1994 schien dies die Yorck59 selber in ihrer Existenz zu bedrohen: In die laut Mietvertrag im Anschluss an einen Verkauf des Hauses anstehenden Verhandlungen über eine Neufestsetzung der Miete forderte der neue Eigentümer, die „Labani GmbH“, eine Vervierfachung der Miete. Dies wurde von der Yorck59 abgelehnt und eine Kampange initiiert, die die Öffentlichkeit informieren und die Stadtumstrukturierung thematisieren sollte, um dadurch die Verhandlungsposition der Yorck59 zu stärken. Es wurde versucht Dietrich Garski und Helmuth Penz, die hinter der Eigentümerfirma „Labani GmbH“ und der Hausverwaltung „GWF“ standen, unter Druck zu setzen. Beide waren dafür anfällig: Dietrich Garski war als Bauunternehmer am Sturz des Berliner Senats 1981 beteiligt und hatte bei der Stadt noch Schulden in Höhe von 93 Millionen DM. Seine Imobiliengeschäfte liefen daher über seine Frau Claudia Garski. Helmuth Penz leitete über 30 Unternehmern, u. a. eine Hotelkette, sowie Obdachlosen- und Asylbewerber(innen)heime, und war daher entsprechend um sein öffentliches Image und den störungsfreien Betrieb der Unternehmen besorgt. Nachdem sich die Hausverwaltung „GWF“ zurückgezogen hatte und Garskis Verstrickungen mit der „Labani GmbH“ beendet waren, konnte 1995 eine für die Bewohner/-innen und Nutzer/-innen akzeptable Mieterhöhung ausgehandelt werden. Allerdings konnte selbst diese nur durch einen fianziellen Beitrag der Nutzer/-innen der öffentlichen Etagen getragen werden. Vorlage:Ref

„Hauskampf“ und Räumung

 
Frontansicht der Yorck59, wahrscheinlich Januar 2005

Im Dezember 2003 musste der Besitzer des Hauses Insolvenz anmelden und das Haus kam in Zwangsverwaltung. Die Bewohner/-innen und Nutzer/-innen der Yorck59 scheiterten mit ihrem Versuch das Hinterhaus mit Hilfe der Genossenschaft Freiburger Mietshäuser Syndikat selber zu kaufen, da die Bank sie - nach eigener Aussage - bei dem Verkauf überging. Bereits kurz nach dem Kauf kam es zu Konflikten, da der neue Hausverwalter Boris Gregor Marweld Sanierungskosten wegen angeblicher Selbstverschuldung, sowie die Kosten für die Entfernung politischer Plakate im Hofeingang auf die Bewohner/-innen abwälzen wollte. Die Bewohner/-innen hingegegen empfanden die Entfernung der Plakate als Einschränkung ihrer Informationsfreiheit.Vorlage:Ref Außerdem wurde die Nutzung des Innenhofes für Veranstaltungen - insbesondere für ein im Sommer 2005 geplantes Hoffest - untersagt. Ende September 2004 lief schließlich der Mietvertrag der Yorck59 regulär aus. Der neue Eigentümer, Marc Walter, ging mit der Forderung einer Verdoppelung der Netto-Kaltmiete in die Verhandlungen, was von den Bewohner/-innen der Yorck59 abgelehnt wurde. Daraufhin wurde ein Schiedsgutachten des IHK angefordert, das laut Mietvertrag die marktübliche Miete ermitteln sollte, wenn sich die Verhandlungsparteien nicht einigen könnten. Die in dem Gutachten vorgesehene Mieterhöhung von 55 Prozent wurde von den Bewohner(inne)n jedoch als nicht finanzierbar betrachtet und eine politische Lösung gefordert. Die Bewohner/-innen und Unterstützer/-innen versuchten daraufhin den öffentlichen Druck zu verstärken, um so eine politische Lösung herbeizuführen: Dafür wurden u. a. Kundgebungen und Demonstrationen durchgeführt, die Landeszentralen der Regierungsparteien in Berlin PDS und SPD besetzt und eine Zeitungsbeilage, die in fünf überregionalen Zeitungen erschien, erstellt. Ein Kauf des Hauses durch die Bewohner oder ein Ringtausch mit dem Liegenschaftsfonds des Landes Berlin scheiterte an der Preisvorstellung des Eigentümers, die mit 2,5 Millionen Euro mehr als eine Million über dem Preis lag, den er im Dezember 2003 laut Kaufvertrag bezahlt hatte. Auch bei den Verhandlungen über ein Ersatzobjekt kam es zu keinem Ergebnis.

Am Morgen des 6. Juni 2005 wurde die Yorck59 schließlich durch 500 Polizisten geräumt. Zu diesem Zeitpunkt blockierten 250 Unterstützer/-innen mit einer Sitzblockade den Eingang der Yorck59 und 150 weitere Bewohner/-innen und Unterstützer/-innen hielten sich in dem verbarrikadierten Hausprojekt auf. Vorlage:Ref Bei der Räumung der Sitzblockade ging eine Frau bewusstlos zu Boden und musste durch einen erst 20 Minuten später eintreffenden Rettungswagen versorgt werden. Vorlage:Ref Der Polizeieinsatz wurde in einigen Presseberichten, sowie von den Bewohner(inne)n und Sympathisant(inn)en der Yorck59 kritisiert: Insbesondere wurde der Polizeieinsatz gegen die Sitzblockade als „unverhältnismäßig“ bezeichnet und den Polizist(inn)en vorgeworfen „zum Teil mit massiver Gewalt“ gegen „friedliche DemonstrantInnen“ vorgegangen zu sein. Vorlage:Ref Außerdem wurde der Zwang gegen Festgenommene sich im Hof für längere Zeit hinzuknien als Beleg für die „Willkür“ und das „Machtgebahren“ der eingesetzten Beamt(inn)en gesehen. Vorlage:Ref Auch nach erfolgter Räumung kam es den Tag über zu Protestaktionen durch Sympathisanten der Yorck59: Der Vor- und Nachmittag war insbesondere durch Reclaim the Streets-Aktionen und Fahrrad-Demonstrationen dominiert. Um 18 Uhr gab es eine Demonstration gegen die Räumung mit zirka 2.500 Demonstrant(inn)en und am Abend eine kurzzeitig Hausbesetzung aus Solidarität am Oranienplatz in Friedrichshain-Kreuzberg, an die sich weitere Protestaktionen anschlossen. Vorlage:Ref2

Besetzung der New Yorck59

Datei:New Yorck59.jpg
New Yorck59 im Bethanien kurz nach der Besetzung

Fünf Tage nach der Räumung, am 11. Juni 2005, besetzten ehemalige Bewohner/-innen und Unterstützer/-innen der Yorck59 zwei Etagen im linken Seitenflügel des Bethanien am Mariannenplatz in Kreuzberg. Die Räume waren bis zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe am 1. Januar 2005 durch das Sozialamt genutzt worden und standen seitdem leer. Sie gaben dieser Besetzung den Namen New Yorck59 und erklärten bleiben zu wollen, bis der Bezirk einen „angemessenen Ersatz“ für die geräumte Yorckstraße 59 anbieten würde. Vorlage:Ref Da der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Eigentümer des Bethanien keine Anzeige erstattete - wahrscheinlich wegen des Straßenfestes, das an dem Tag der Besetzung auf dem Mariannenplatz stattfand - räumte die Polizei die Besetzer/-innen nicht sofort auf Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes des Landes Berlin (ASOG).

Am darauf folgenden Tag sprach das Bezirksamt eine einstweilige Duldung der Besetzung bis zu Verhandlungen im Laufe der nächsten Tage aus, welche schrittweise verlängert wurde. Während die Fraktionen der CDU und SPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eine sofortige Räumung forderten, setzten die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS), sowie die Fraktion der Linkspartei.PDS und der Grünen, die zusammen über eine Mehrheit in der BVV verfügen, auf Verhandlungen mit den Besetzer(inne)n. Allerdings scheiterte die Unterzeichnung eines bis zum 31. März 2006 befristeten Duldungsvertrag am 29. Juli 2005, wobei beide Seiten behaupten, die jeweils andere Seite wäre nicht anwesend gewesen. Vorlage:Ref

Wenige Tage später änderte sich die Situation grundlegend, als die „Initiative Zukunft Bethanien“ (IZB) erklärte, ein Bürgerbegehren gegen den Ende 2002 beschlossenen Verkauf des Künstlerhaus Bethanien an einen privaten Investor anstreben zu wollen. Vorlage:Ref Auf Grund des Bürgerbegehrens und der Besetzung brach der potentielle Käufer am 17. August die Verhandlungen über den Kauf des Bethaniens ab. Vorlage:Ref Daraufhin forderte das Bezirksamt die Besetzer am 23. August auf, das Bethanien bis Ende Oktober 2005 zu räumen. Die Besetzer sahen darin den Versuch, einen schnellen Verkauf auf Grund des drohenden Bürgerbegehrens erreichen zu wollen. Vorlage:Ref Das Bürgerbegehren, mit dem sich die Initiative Zukunft Bethanien auch für ein Verbleib der New Yorck59 im Bethanien einsetzen will, wurde schließlich am 19. Oktober offiziell eingeleitet, worauf hin das Bezirksamt erklärte, alle Verkaufsverhandlungen für die Dauer des Bürgerbegehrens einzustellen. Vorlage:Ref

Nach Ablauf der Duldung für die New Yorck59 am 1. November, die trotz des Bürgerbehrens und des Abbruchs der Verkaufsverhandlungen nicht verlängert wurde, forderte die Bezirksbürgermeisterin Reinauer die Ordnungskräfte auf, die Besetzer/-innen zu räumen. Vorlage:Ref Nachdem aus Polizeikreisen eine Räumung auf Grund von Gefahr im Verzug nach viermonatige Besetzung als juristisch fragwürdig bezeichnet wurde, relativierte das Bezirksamt seine Forderung des Vortages und erklärte eine Räumung vorerst nicht durchführen zu lassen, da diese eine längerfristige juristische Vorbereitung erfordere. Vorlage:Ref Am 11. November bot das Bezirksamt der Initiative Zukunft Bethanien, die ebenfalls in den besetzten Räumen arbeitet, überraschend einen Nutzungsvertrag über beide besetzten Etagen an, um - nach eigener Aussage - den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Dieser soll für die Dauer des Bürgerbegehrens gelten, eine vollstreckbare Räumungsverpflichtung enthalten und eine zeitweise Räumung einer Etage für die Unterbringung der Teilnehmer des Straßenfußball-Weltturniers während der Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Mariannenplatz enthalten. Vorlage:Ref Die Befürchtungen der IZB, der Bezirk könne das Bethanien noch vor dem Bürgerbegehren an den Liegenschaftsfond des Land Berlin übertragen, wurden durch einen mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der Grünen und der Linkspartei verabschiedeten Beschluss der BVV vom 23. November ausgeräumt. Ebenfalls wurde die Erarbeitung eines neuen Nutzungskonzepts für das Bethanien in Zusammenarbeit mit den Anwohnern, der IZB und „weiteren lokalen Akteuren“ beschlossen. Die geplante Privatisierung und Entwicklung des Bethaniens zu einem „Internationalen kulturellen Gründerzentrum“ wurde damit faktisch verworfen. Vorlage:Ref Der Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH drohte daraufhin mit einem Auszug aus dem Bethanien, da die Besetzung sowohl einen Imageschaden als auch den Verlust einiger Sponsoren bedeutet habe. Vorlage:Ref Am 28. Januar erklärte der Bezirk, die Problematik um die jugendlichen Teilnehmer des Straßenfußball-Tuniers wäre gelöst, da für diese eine Unterbringung in einer Schule im Bezirk Mitte gefunden worden sei. Vorlage:Ref

Quellen

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