Narrozunft Villingen
Die Historische Narrozunft Villingen 1584 e.V. ist die Narrenzunft, deren Aufgabe als gemeinnütziger eingetragener Verein die Bewahrung und Förderung der historischen schwäbisch-alemannischen Fasnet ist und die Ausrichtung verschiedener Umzüge sowie Veranstaltungen in Villingen obliegt.
Geschichte
Der erste urkundliche Beleg für die Fasnet in Villingen stammt aus dem Jahr 1467. Im Jahr 1584, das in den Vereinsnamen aufgenommen wurde, wurde die Fasnet im Zusammenhang mit Studenten der Universität Freiburg erwähnt, die damals wegen der Pest in das Franziskanerkloster nach Villingen ausgelagert war. Die Zunft geht davon aus, dass ihre Hauptfigur, der Narro, in dieser Zeit entstanden ist. In ihrer heutigen Art als eingetragener Verein wurde die Narrozunft 1882 gegründet.
Auch in Villingen wurde die Fasnet am Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr von Elementen des rheinischen Karnevals geprägt. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg entstanden ab 1872 die Katzenmusikgruppen, die in Ergänzung zur bürgerlichen Fastnacht, auch der ärmeren Bevölkerung Möglichkeit bot Fastnacht zu feiern. In den 1920er Jahren kam es auf beiden Seiten zu einer Institutionalisierung: 1920 wurde der karnevalistische Katzenmusikverein "Miau" gegründet. Am 16. November 1924 wurde auf Veranlassung der Narrozunft die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) in Villingen gegründet. Außer der Narrozunft gab es zwölf weitere Gründungsmitglieder. Sitz der Vereinigung war Villingen; der erste Präsident Benjamin Grüninger, der Kassier und der Schriftführer kamen aus Villingen.
Die Glonki-Gilde wurde 1933 als weiterer Fastnachtsverein gegründet und folgte ebenfalls dem karnevalistischen Muster. Dadurch entstand eine Dualität zwischen rheinischem Karneval und schwäbisch-alemannischer Fasnet in Villingen, welche die Fastnacht in der Stadt bis heute prägt.
1955 trat die Narrozunft mehr aus persönlichen als aus sachlichen Auseinandersetzungen um die Wahrung der Fasnetstraditionen aus der VSAN aus. Die Narrenzünften aus Rottweil Elzach und Überlingen, waren bereits 1953 ausgetreten.
Ablauf der Villinger Fasnet
Wie in anderen Hochburgen beginnt die Fasnet auch in Villingen am 6. Januar. Die Fasnetsmasken werden in den Wohnungen aufgehängt und in der Stadt wird der Narrobrunnen geschmückt. Am Abend vor dem Schmutzigen Donnerstag findet das so genannte "Rolleschüttle" der Narros und das "Einpfitzen" der Butzeselgruppen statt. Am Schmutzigen Donnerstag folgt der Kinderumzug, am Fasnetssamstag das Aufstellen des Wueschtbrunnens und am Fasnetssonntag die Übergabe der Rathausschlüssel durch den Oberbürgermeister an den Zunftmeister. Am Fasnetsmontag, dem Haupttag der Fasnet, finden vormittags der Historische Umzug und nachmittags der Maschgerelauf der Narrozunft statt. Die Zeit vor, während und nach den Umzügen nutzt der Narro zum Strählen, eine Rügeform, bei der die "Gestrählten" in humorvoller Art an ihre Verfehlungen erinnert werden. Beim großen Umzug am Fasnetsdienstag nehmen alle Villinger Fastnachtsvereine teil. Er ähnelt damit einem Karnevalsumzug, bei dem aus Wägen haufenweise Süßigkeiten (Malzer) in die Menge geworfen werden.
An allen Fastnachsttagen finden auch Veranstaltungen der Katzenmusik und der anderen Villinger Fastnachtsvereine statt. Es gibt keinen Tag, der der historischen Fasnet und der Narrozunft vorbehalten bleibt.
Figuren der Villinger Fasnet
Narro
Der Narro ist die bekannteste Figur der Villinger Fasnet. Er wurde bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts als "Masquera" bezeichnet. Auch heute noch wird für die historischen Fasnetsfiguren das Wort "Maschgere" im Villinger Dialekt verwendet. Der Narro besitzt ein weißes ein Leinengewand, auf das mit Ölfarben Figuren, Tiere und Blumen gemalt sind und gehört somit zur Klassifizierung der Weißnarren. Auf der Vorderseite der Hose ist ein Bär und ein Löwe aufgemalt. Die Rückseite der Hose zeigt ein Paar in trachtenartigen Gewändern, im Volksmund "Hansele" und "Gretele" genannt. Hans und Grete waren früher Allerweltsnamen und wurden verwendet für unbestimmte Personen. In der rechten Hand hält der gemalte Hansele einen löffelartigen Stock, in der linken eine Wurst. Das Gretele trägt eine kleine Kiste in der rechten Hand, die bisher nicht näher gedeutet werden kann. Löwe und Bär halten Wein- und Honigglas sowie Tulpen in ihren Pratzen. Hinzu kommen weitere aufgemalten Blumen und Schnörkel. Auf der Vorder- und Rückseite der Hose befinden sich über den Figuren Gruppen von jeweils 3 goldgelben runden Gebilden vor grünem Blatthintergrund. Sie ähneln stilisierten Rollen (Glocken) in alten Kartenspielen, werden aber im Volksmund nach wie vor als Apfelgruppen gedeutet. Auf dem Kittel sind vorne ein Fuchs und ein Hase aufgemalt. Auf dem Rücken des Kittels sieht man ein Hansele mit einer Katze. Tulpen, Pfingstrosen sowie Knospen sind an den Außenseiten der Ärmel aufgemalt, während an den Innenseiten Würste zu sehen sind. Bei der Deutung des Narrohäs sieht die Volkskunde Symbole der Narrheit, menschlicher Laster und heraldische Figuren aus Wirtshauszeichen, während die romantisch verklärte Fastnachtsdeutung nach wie vor die Vertreibung des Winters darin erkennt. Über seinen Schultern trägt der Narro vier Riemen mit ca. 15kg schweren Rollen (Glocken). Komplettiert wird das Häs durch einen großen, weißen, kunstvoll gefalteten und gestärkten Kragen, die Masch' (bunte Halsschleife), dem Foulard, einem großes Seidentuch, den Zugstiegfeln oder Bodinen (zeitlose, hohe, schwarze, Glattlederschuhe) sowie schwarze Glaceehandschuhe. An der Haube sind die aus Lindenholz geschnitzte Maske und ein Fuchsschwanz befestigt. Die Maske, in Villingen Scheme (gesprochen: "Schemme") ist der wohl kostbarste Teil der Ausrüstung. In Villingen gibt es noch zahlreiche Schnitzer, die die Masken entsprechend der Tradition in mühevoller Arbeit von Hand anfertigen. Durch das dünnwandige Schnitzen der Masken wird eine Veränderung der Stimme des Trägers erzielt, was die Anonymität beim Strählen sicherstellt.
Stachi
Der Stachi trägt die gleiche Hose wie der Narro, den Kragen und einen Fuchsschwanz. Statt der schweren Narrorollen hat er ein blaues Fuhrmannshemd an. In den Händen hält er eine Streckschere, einen Staubwedel, eine Bürste oder ähnliche Neckinstrumente. Vor dem Gesicht trägt er einen Suribel, d.h. eine Porträtmaske, die wohl ursprünglich dazu diente, Villinger Bürger zu karikieren. Alte, bedeutende Porträtschemen sind z.B. der Schloßbur, der Weberigel, der Ölmüllersuribel, die Narrovaterscheme, der Stachelfranz, die Zacherlies oder die Holle Ageth. Wohl erst zu Begin des 20.Jahrhundert wurde der Suribel als eigenständiger Maskentyp standardisiert. Der Bildhauer Robert Neukum entwarf hierzu ausdrucksstarke Schemen mit griesgrämigem und sauertöpfischem Gesichtsausdruck. Nach dem 2.Weltkrieg entwickelte der Bildhauer Manfred Merz, dem Bedrfünis der Zeit entsprechend, einen heiteren Suribel mit verschmitzten Gesichtszügen. Damit bestimmt er bis heute maßgeblich den Ausdruck der Suribelmasken. Die früher üblichen Bartschemen werden auch heute wieder gelegentlich angefertigt. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts tauchen neben dem Stachi im Blauhemd auch solche mit kurzen, schwarzen Umhängen, sog. Pellerinen, in Bildern auf. Während diese Figur, die keinen bestimmten Namen hat, bis heute mit Kragen auftritt, gab es früher auch Stachis in alten Hausmänteln und Morgenröcken, sogar solche mit Wiener Schal, jedoch ohne Kragen. Als solche traten Narros auf, sobald sie ihre Rollen am Abend abgelegt hatten, um noch weiterhin strählen gehen zu können.
Altvillingerin
Die Tracht der Altvilingerin stammt aus dem frühen 19.Jahrhundert und war die städtische Frauenmode Villingens . Über dem langen Kleid aus dunklem, gemustertem Seidenstoff, trägt sie eine Schürze aus schillerndem Taft. Die Schultern werden von einem mit Fransen besetzten Seiden- , bei Kälte mit einem zusätzlichen Wollschal bedeckt. Als diese Mode in der Biedermeierzeit abging, wurde sie zu Ende des 19.Jahrhunderts, wie andere Trachten und Uniformen, als Verkleidung für Fastnacht wieder entdeckt. Der Verwendung als Fastnachtsverkleidung ist es zu verdanken, dass die zur Tracht stilisierte Frauenmode ins 20.Jahrhundert gerettet werden konnte. Bis ins 19.Jahrhundert hinein war auch in Villingen die traditionelle Fastnachtserkleidung allein den Männern vorbehalten. Bereits für das Jahr 1898 sind Frauen in Tracht und Wachslarven in Begleitung von Narros auf einem Foto dokumentiert. Die Maskierung in Form von Wachslarven gehörte bei der Altvillingerin als Fastnachtsfigur von Anfang an dazu. Die ursprünglichen Stoff- und Wachslarven wurde ab den 30er Jahren des 20.Jahrhunderts nach und nach durch Holzschemen ersetzt. Nach dem Krieg werden nur noch selten Altvillingerinnenschemen getragen. Begleitet die Altvillingerin den Narro beim Strählen, dann trägt sie teilweise eine dünnwandig geschnitzte Holzmaske mit mädchenhaftem, lächelndem Ausdruck. Nach dem Strählen erhält der Gestrählte von der Altvillingerin "Schnupfede", Süßigkeiten aus ihrem "Schnupfdösle", einer kleinen Bonbonniere, die sie in einem dunklen Täschchen mit Spitzen und Zugband bei sich führt.
Morbele oder Murbele
Die Begleiterin des Stachis ist das Morbele. Sie ist die Ergänzung zum Suribel und ursprünglich wohl auch als solche gedacht. Sie entstand hierzu Mitte/Ende der 20er Jahren des 20.Jahrhunderts, wohl auch, weil es mit Gründung der Trachtengruppe Versuche gab, die Altvillingerin aus dem Fasnetsgeschehen herauszunehmen. Als weitere Frauenfigur ist sie somit jünger als die Altvillingerin. Zusammen mit dem Suribel stellen sie im Gegensatz zu Narro und Altvillingerin das alte Paar in der Fastnacht dar. Vergleichbar mit den Figuren der Tiroler Fastnacht, in der das alte Paar, Laggeroller und Laggescheller als Persiflage gegenüber dem jungen Paar, Roller und Scheller, stehen, sind Frauenfiguren in der Villinger Fasnet eine junge, aber somit sinnvolle Weiterentwicklung, die sich harmonisch in das historische Bild eingefügen. Die Kleidung des Morbele entspricht der Altvillingerin. Sie unterscheidet sich aber durch die Maske und die Kopfbedeckung. Die Maske stellt ein altes, verschmitztes, weises Weib dar und wird von einem mit Blumen besetzten Spitzenhäubchen umrahmt. Die Vorlage für diese Hauben sollen aus dem Villinger Bickenkloster der Ursulinen stammen. Vorlagen für die erste Scheme des Morbele lieferte das sog. Ölmüllermurbele, das ursprünglich wohl Verwendung in Theaterspielen fand. Die Schnitzer Friedrich Felix Moser und Robert Neukum fertigten die ersten Morbeleschemen an. Der Bildhauer Manfred Merz war es auch hier, der nach dem Krieg mit dem verschmitzten Morbele stilbildet bei dieser Maskengestaltung wurde. Auch das Morbele tröstet die Gestrählten mit gedörrten Zwetschgen, "Malzern" und Pralinen aus ihrem geflochtenen Deckelkörbchen, im Volksmund „Krättle“ genannt.
Butzesel
Der Butzesel ist eine mit einem Blätzlehäs bekleidete Tierfigur. Das Blätzlehäs besteht aus einem einfach Anzug, benäht mit vielen kleinen, gedämpftfarbigen, in Ziegelform geschnittenen Stoffstückchen, die "Blätzle" genannt werden. Auf dem Kopf trägt der Butzesel eine große Eselsmaske. Von den "Triibern" (Stachis) begleitet, die lange Fuhrmannspeitschen in der Hand tragen, reitet er auf einem Fichtenast durch die Stadt und ahmt die Stimme und das Gebaren eines grimmigen Tiers nach. Gelingt es dem Butzesel, den Triibern in ein Wirtshaus zu entwischen, so darf er dort auf deren Kosten essen und trinken. Die Figur des Butzesels war lange Zeit durch Verbote des 19.Jahrhunderts aus dem Fasnetgeschehen verschwunden war. Erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurde er wiederbelebt. Berichte aus „Der Schwarzwlder“ berichten im den 1870er Jahren von der Villinger Fasnet im 18.Jahrhundert. Dabei wird auch der Butzesel mit Eselslarve erwähnt, der auf einem steckenpferdähnlichem Esel geritten sein soll. Die Triiber gehörten danach in geringer Stückzahl bereits zum Butzesel des 19.Jahrhunderts. Ob zum alten Butzesel bereits ein Blätzlehs getragen wurde, wie es noch welche in alten Villinger Familien gegeben haben soll, bleibt unklar, genau wie die ursprüngliche Maskierung. Mit der Wiederbelebung wurde dem Butzesel deshalb eine Vollmaskierung aus Pappmachee zugeführt, die aus Werksttten für Karnevalsmasken stammte. Heute gibt es 4 Butzeselgruppen und eine Kinderbutzeselgruppe. Während früher nur wenige Triiber die Eselsfigur begleiteten, hat sich deren Zahl heute um ein vielfaches vermehrt.
Wuescht
Dick mit Stroh ausgestopft ist das abgetragene Narrohäs der Wuescht. In der Hand führen die Wuescht einen Besen, den sie beim Rennen erheben und somit signalisieren, dass die Kinder sie mit Schneebällen und Tannenzapfen bewerfen können. Der Wuescht bietet ihnen willig eine Zielscheibe: Auf dem Rücken trägt er hierzu ein Brett mit einer Stoffpuppe, der sog. Lumpendogge, eine Sublodere (Schweinsblase) oder Ähnlichem. Vor das Gesicht hält schützend eine lädierte Scheme. Die Deutung des Wuescht ist nicht eindeutig geklärt. Während die romantisch verklärte Fastnachtsdeutung im Wuescht den Winter sieht, den es zu vertreiben gilt, zieht die heutige Volkskunde Vergleiche mit anderen Strohgestalten wie dem "Lumpenhund" in Gengenbach oder dem "Usgstopften" aus Empfingen. Sie sieht darin einen wueschten (schmutzigen, dreckigen) Fettwanzt, dessen mit „abgestorbenem“ Stroh ausgefülltem Häs mehr Schein als Sein vortäuscht, das in der Nacht zum Aschermittwoch mit dem Ende der Fastnacht verbrannt wird. Früher wurde eine Wueschtpuppe erst am Aschermittwoch auf der sog. Spitalmiste nach einer Geldbeutelwäsche am Marktbrunnen vergraben. Schmutzig im verbalen Sinne sind auch die Wueschtsprüche, derbe Reime, welche von den Wuescht gesungen werden. Anführer der Wuescht ist der Wueschtvatter mit seiner Fahne und einer Bärenscheme.