Deidesheimer Spital

Einrichtung mit einer über halbtausendjährigen Geschichte
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Das Deidesheimer Spital ist eine Kurzzeit-Heimstatt für Senioren in der pfälzischen Kleinstadt Deidesheim mit einer über halbtausendjährigen Geschichte; es erfüllt noch heute seinen Stiftungszweck, wie er vor über 500 Jahren festgelegt wurde, nämlich ein Domizil alter Menschen zu sein.

Deidesheimer Spital

Geschichte

Die Stiftung des Spitals

 
Gründerwappen des Ritters Nikolaus Übelhirn von Böhl

Die formelle Stiftung des Spitals erfolgte am 25. April 1494. Der Deidesheimer Ritter Nikolaus Übelhirn von Böhl, kinderlos und ohne Erben, stiftete das Spital und stattete dieses mit 800 Morgen seines Grundbesitzes aus. Die Stiftung erfolgte mit einer Urkunde im Rathaus von Deidesheim vor dem Schultheiß und den Schöffen des Deidesheimer Gerichts, sowie dem Vertreter des Speyerer Bischofs Ludwig von Helmstatt, der als Fürstbischof im Fürstbistum Speyer, zu dem Deidesheim damals gehörte, der Stadtherr Deidesheims war. Die Originalurkunde ist nicht mehr erhalten, aber eine Abschrift aus dem Jahr 1603; sie wird im Landesarchiv Speyer aufbewahrt. Eine weitere Abschrift aus dem Jahr 1741 gibt es auch im Stadtarchiv Deidesheims.

Zwar hatte Deidesheim damals schon ein Spital, aber dieses war wenig vermögend. Das neue Spital sollte nach dem Willen seines Stifters alten und in Not geratenen Menschen helfen; außerdem sollte das Spital Fremde und Pilger speisen und beherbergen. Das Spital wurde von den Geldern unterhalten, welche die Güter abwarfen, die Nikolaus von Böhl gestiftet hatten; dazu zählten Güter auf Deidesheimer, Ruppertsberger, Niederkirchener Dannstadter, Mutterstadter, Altdorfer und Freimersheimer Gemarkung.

Bis zur Französischen Revolution

 
Das Spital von der Spitalgasse gesehen
 
Der Spitalhof

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit lag Deidesheim an einer wichtigen Verkehrsverbindung zwischen dem Rheinland und dem Elsass; dementsprechend groß war die Zahl derer, die sie benutzten und die Unterstützung des Spitals in Anspruch nehmen durften; einer Aufzeichnung des Jahres 1573 zufolge fanden bis zu acht Personen pro Nacht Unterkunft im Spital. Es handelte sich dabei zumeist um Reisende, verwundete Soldaten, Kranke und Pilger, aber auch Deidesheimer Bürger, die in Not geraten waren. Für Menschen, die während ihres Aufenthalts verstarben, übernahm das Spital die Begräbniskosten.

Seit seiner Gründung 1494 bestand das Spital bis 1734/35 aus zwei Einrichtungen: Dem alten Spital, das als Fremdenherberge, Nachtasyl, Krankenhaus oder in Kriegszeiten als Lazarett diente und dem neuen Spital, der eigentlichen Stiftung des Nikolaus von Böhl; es war Altersheim und zeitweise auch Heil- und Pflegeanstalt. Dem Willen ihrer Stifter zufolge hatten beide Spitäler die Sieben Werke der Barmherzigkeit an den Menschen zu erfüllen.

Das neue Spital war ein Pfrundhaus, in dem Einzelpersonen und Ehepaare aus dem Hochstift Speyer aufgenommen wurden, wofür eine Gebühr zwischen 500 und 1000 Gulden zu entrichten war, wenn die Personen nicht vom Landesherrn eingewiesen wurden. Die Tatsache jedoch, dass der Landesherr nach dem Dreißigjährigen Krieg so manchen seiner Bediensteten einen angenehmen Lebensabend im Spital ermöglichte, belastete das Spital schwer, denn es musste Kosten für Essen, Kleidung und medizinische Betreuung jener Personen tragen, ohne Pfründgeld zu erhalten.

Deswegen, vor allem aber infolge von Kriegen, konnte das Spital im ausgehenden 17. Jahrhundert keine große Zahl an Pfründnern mehr ernähren. 1688 besetzten französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg das Hochstift Speyer und setzten am 26. September 1689 Deidesheim in Brand, wobei auch das Spital beschädigt wurde; wie die allermeisten Einwohner Deidesheims verließen auch die Pfründner die zerstörte Stadt, fanden bei ihrer Rückkehr etwa zwei Jahre später aber keine Aufnahme im Spital mehr.

 
Spitalkapelle, Gedenktafel zur Geschichte des Instituts, 1859

Erst nachdem zwischen 1742 und 1746 verschiedene Baumaßnahmen am Gebäude vorgenommen wurden, konnten wieder alte Leute aufgenommen werden; dies waren jedoch hilfsbedürftige Personen aus Deidesheim und Niederkirchen und keine Pfründner, die sich ins Spital eingekauft hatten.

Im Jahr 1778 kam dem Spital auf Anweisung des Landesherrn, des Speyerer Fürstbischof Damian August Philipp Karl von Limburg-Stirum, eine weitere Bestimmung zu: Beim Spital wurden ein Krankenhaus und eine Apotheke errichtet; zu diesem Zweck stiftete der Fürstbischof 25.000 Gulden. 1782 überwies Domkapitular Karl Joseph von Mirbach dem Institut 1500 Gulden, zur Dotation eines neunten Krankenbettes für Bedürftige.[1]

Die Leitung des Krankenhauses wurde am 25. Juli 1779 von den Barmherzigen Brüdern übernommen. In der Folgezeit entfaltete sich eine rege Tätigkeit, jeden Monat wurden zehn bis zwölf Kranke im Spital aufgenommen.

Jedoch bestand die Styrum'sche Stiftung nur wenige Jahre: Im Zuge des Ersten Koalitionskrieges plünderten französische Truppen Spital und Kapelle, und die Barmherzigen Brüder flohen vor den heranrückenden Revolutionsheeren. Massive Beschädigung schloss danach eine Wiedereröffnung des Krankenhauses aus.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts

Ab 1797 übernahmen die Gemeindeverwaltungen die Verantwortung für die auf ihrer Gemarkung liegenden Zivilspitäler. Dafür wurde eine fünfköpfige Kommission gebildet, welche der Präfekt des Départements Donnersberg alle fünf Jahre erneuerte. Die Kommission benutzte die Einkünfte des Spitals zur Unterstützung kranker und bedürftiger Bürger und armer Schulkinder.

 
Grabinschrift des Deidesheimer Hospitalarztes Dr. Carl Heinrich Schultz

Die Apotheke, die zunächst von den Barmherzigen Brüdern weitergeführt worden war, ging 1805 in den Besitz der Kommission über. Sie wurde für den Spottpreis von 100 Gulden an den Apotheker Christian Fabel verpachtet, der seine erworbene Konzession für 10.000 Gulden weiterverpachtete; kurze Zeit später wurde die Apotheke gar für 15.000 Gulden nochmals weiterverpachtet. Dadurch stiegen aber die Preise der Medikamente in für die Bedürftigen unerschwingliche Höhen. Die verwüstete Spitalkapelle wurde als Magazin verpachtet und in dem neuen Spital entstand eine Schule und zwei Wohnungen für Lehrer, die an die Gemeinde verpachtet wurden.

Im Jahr 1840 schließlich machte die Regierung des Königreichs Bayern dem stiftungswidrigen Gebrauch der Institution ein Ende und ordnete an, dass im Spital wieder alte und bedürftige Personen aufgenommen werden sollen. Die Hospitalkommission beschloss daraufhin, neben einem Alten- und Pflegeheim auch eine „Kleinkinderbewahr-, Suppen- und Beschäftigungsanstalt“ in den Gebäuden des Spitals einzurichten. Der bekannte Mediziner und Botaniker Carl Heinrich Schultz (1805–1867) wirkte damals dort als Hospitalarzt, worauf auch seine Grabinschrift auf dem Friedhof Deidesheim hinweist.

Anno 1850 wurde in den „Statuten des Bürger-Hospitals zu Deidesheim“ festgelegt, dass im Spital Pfründner auf Lebenszeit oder auch nur für die Dauer eintretender Krankheit Aufnahme finden sollten. Am 20. August 1850 wurden die ersten 15 Pfründner von der Hospitalkommission aufgenommen.

Am 17. November 1851 stifteten der Deidesheimer Bürgermeister Ludwig Andreas Jordan und die Deidesheimer Gutsbesitzer Franz Peter Buhl und Georg Friedrich Deinhard als Erben des früheren Deidesheimer Bürgermeisters Andreas Jordan dem Spital 10.000 Gulden; mit dem Geld wurde ein Kindergarten eingerichtet, der 1908 in die Verantwortung der Stadt Deidesheim überging. Ihre Verwandte Freifrau Anna von Szent-Ivanyi bedachte das Deidesheimer Spital am 17. März 1879 ebenfalls mit einer bedeutenden Stiftung.

Seit dem 20. Jahrhundert

Zu Beginn des Jahres 1901, als eine Stelle als Krankenhaus vakant geworden war, schlug Bürgermeister Julius Siben dem Superior der Niederbronner Schwestern vor, dass einige Schwestern des Ordens diverse Aufgaben im Spital übernehmen sollen. Der Vorschlag wurde angenommen, und am 21. März 1901 trat die erste Schwester ihren Dienst an; seit dem 1. September 1909 bildeten die Schwestern im Spital eine eigene Niederlassung und bis 1924 stieg die Zahl der Schwestern auf fünf an. Die Schwestern versahen ihren Dienst im Spital bis 1982 und führten ihn im neuen Altenheim St. Elisabeth weiter, bis sie 1991 dort von indischen Schwestern abgelöst wurden.

Die Inflation von 1923 traf das Spital schwer und vernichtete sämtliche Kapitalzinsen; die finanziell schwierige Situation besserte sich erst gegen Ende der 1920er Jahre wieder.

 
Gedenkstein an die 9 Opfer des Fliegerangriffes von 1945

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde im Spital ein Lazarett eingerichtet, dessen 75 Betten jedoch nicht benutzt wurden. Am 9. März 1945 erfolgte ein Luftangriff französischer Flugzeuge auf Deidesheim; er galt einer Reparaturwerkstatt der Wehrmacht in der ehemaligen Reithalle in der Kirschgartenstraße, seine Sprengbomben trafen jedoch das Spital. An diesem Tag waren 52 Personen im Spital untergebracht; neun von ihnen verloren beim Angriff ihr Leben, die übrigen wurden danach ins Neustadter Krankenhaus Hetzelstift umquartiert.

Der Wiederaufbau der Gebäude nach dem Krieg gestaltete sich aufgrund fehlender Geldmittel schwierig. Der Nordflügel und der Mittelbau konnten am 2. Juli 1949, der Westflügel schließlich am 11. Mai 1952 eingeweiht werden.

 
Gästehaus und Spitalkapelle an der Weinstraße

Durch den Verkauf von 15.935 m² Ackerland auf Altdorfer Gemarkung und 8.000 m² Wingertgelände auf Freimersheimer Gemarkung sollte das Spital erweitert werden. Das rheinland-pfälzische Sozialministerium, welches die Erweiterung bezuschussen sollte, empfahl eine Kombination aus Pflegeheim, Altersheim und Altenwohnheim, was der Spitalrat auch umsetzte.

Da sich die geplante Erweiterung nicht wie gedacht verwirklichen ließ, entschloss man sich, auf dem Gelände des ehemaligen Sportplatzes ein neues Gebäude zu errichten; die Leitung dieses neuen Altenheims St. Elisabeth mit 23 Heim-, 44 Pflege- und 20 Wohnplätzen wurde dem Caritasverband der Diözese Speyer übertragen. Das Altenheim St. Elisabeth wurde 1983 eingeweiht. Die Gebäude des Spitals standen zunächst leer; seit 1988 nimmt das Spital als Kurzzeit-Domizil wieder Senioren auf. Im Jahr 1989 bekam Deidesheim für die Stiftung Bürgerhospital die Europa-Nostra-Medaille verliehen, eine internationale Auszeichnung, die für den Erhalt europäischen Erbes verliehen wird. 1994 wurde das Spital um das „Café Alt Deidesheim“ als „Begegnungsstätte der Generationen“ und das Gästehaus „Ritter von Böhl“ erweitert, deren Einnahmen dem Bürgerspital zugutekommen.

Der Gebäudekomplex

 
Spitalkapelle
 
Spitalkapelle innen

Das heutige Aussehen des Spitals basiert im Wesentlichen auf den Baumaßnahmen, welche die Speyerer Fürstbischöfe Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim und Franz Christoph von Hutten zum Stolzenberg in den Jahren 1742–1746 vornehmen ließen. Die Spitalkapelle und zwei weitere Gebäude des Komplexes stammen aus dem Jahr der Gründung des Spitals 1494.

Die spätgotische Kapelle steht in Ost-West-Richtung in der Mitte des Spitalhofes und hat im Inneren ein Sterngewölbe. Ein Relief an der Straßenfront des Gebäudes zeit das Wappen des Stifters des Spitals, Nikolaus von Böhl. Der Bau selber hat die vergangenen 500 Jahre nahezu unverändert überdauert, von der ursprünglichen spätmittelalterlichen Ausstattung ist dagegen beinahe nichts erhalten geblieben. Von dem 1859 erneuerten und inzwischen abgerissenen Hochaltar befindet sich in der Kirche (hinten links) noch eine geschnitzte Madonna mit Kind, geschaffen von dem Speyerer Bildhauer Gottfried Renn.

Nördlich der Kapelle stand das alte Spital, die Herberge, die 1494 hierher verlegt wurde. Das Gebäude wurde 1742 abgerissen; an seiner Stelle ist heute das Gästehaus „Ritter von Böhl“. Im hinteren Teil des Spitalgrundstücks liegt das neue Spital, dessen markantes Kennzeichen eine viereckige Laterne ist, die der fürstbischöfliche Baumeister Nikolaus Schwartz 1778 auf den Dachstuhl setzen ließ.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Franz Xaver Remling: Das Hospital zu Deidesheim, Speyer, 1847, Seite 43; Digitalscan


Koordinaten: 49° 24′ 25″ N, 8° 11′ 14″ O