Alfred Ploetz (* 22. August 1860 in Swinemünde; † 20. März 1940 in Herrsching am Ammersee) war ein deutscher Arzt und der erste Rassenhygieniker, der auch diesen Begriff prägte.
Leben
Alfred Ploetz verbrachte seine Schulzeit (Gymasium) in Breslau. Bereits damals schloss er Freundschaft mit seinem Klassenkamaraden Carl Hauptmann, den Bruder von Gerhart Hauptmann. In Breslau studierte Ploetz zunächst Nationalökonomie. Dort trat er der studentischen "Freien Wissenschaftlichen Vereinigung" bei. Zu seinem Freundeskreis gehörten damals zunächst außer seinem Bruder, unter anderen der Freund aus den Schuljahren Ferdinand Simon (der später Schwager August Bebels wurde), die Brüder Carl und Gerhart Hauptmann, Heinrich Laux, Charles Proteus Steinmetz. Dieser erweiterte sich, entwickelte einen Plan zur Gründung einer Kolonie in einem der pazifischen Staaten und etablierte sich als Verein "Pacific". Geplant war "ein Gemeinwesen auf freundschaftlicher, sozialistischer und wohl auch pangermanischer Grundlage". [1] Weil beim Studium in Breslau sozialistische Theorien nur gestreift wurden, wechselte er nach Zürich, um sich dort intensiv damit beschäftigen zu können und die Bekanntschaft mit einigen Sozialisten und Sozialdemokraten zu machen. Von seiner Verbindung Pacific wurde er dann nach Amerika geschickt, um bei ähnlichen Verbindungen Vorstudien zur Gründung einer Kolonie zu machen und eventuell bei einer mitzuarbeiten. In Chicago studierte er in der Staatsbibliothek die diversen sozialistischen Kolonien, mußte aber feststellen, daß diese fast alle auf religiöser Basis aufgebaut waren. Aus diesem Grund wählte er die Ikarer aus, die in Iowa eine Niederlassung hatten. Unter den Ikrarern lebte er ein halbes Jahr, hatte jedoch enttäuschende Erfahrungen wegen der auch dort herrschenden menschlichen Schwächen, was ihn zu der Erkenntnis brachte, daß die "Rasse" nicht nur geschützt, sondern verbessert werden müsse. [2]
Nach diesem Aufenthalt in Amerika kehrte er nach Zürich zurück, studierte nun aber Medizin. 1890 wurde er in diesem Fach promoviert.
In Zürich lernte er den Psychiater Auguste Forel kennen, der auf eine Reihe sozialkritischer Studenten eine ungeheure Anziehungskraft ausübte und leidenschaftlich für Antialkoholismus und Frauenrechte eintrat. Es bildete sich ein Kreis von Studenten und Professoren , wo viel diskutiert wurde und zu dem unter anderem neben Ploetz und Forel Gustav von Bunge, Frank Wedekind, Richard Avenarius, Adolf Fick, Rudolf Pöch sowie Carl und Gerhart Hauptmann gehörten. [3] Gerhart Hauptmann beschrieb den Kreis wie folgt: „Vererbungsfragen sind schon damals in der Medizin und darüber hinaus viel diskutiert worden. Unter Forels und Ploetzens Führung auch in unserem Kreis."[4]
Dieser Kreis überlegte die Gründung einer Kolonie. Ploetz sollte ihr Präsident, Carl Hauptmann Erziehungsminister, Gerhart Hauptmann Kultusminister werden. Zum Studium ähnlicher Kolonien wurde Ploetz später in die USA geschickt. Es folgte dort ein längerer Aufenthalt in einer Gemeinde utopischer Kommunisten (Ikarier).
Nach seinem Aufenthalt in den USA kehrte Ploetz 1894 nach Deutschland (Berlin) zurück. Am Scheitern der Kommune erfolgten erste Überlegungen zur Verbesserung der menschlichen Rasse durch Zuchtwahl.
1904 gründete er die Zeitschrift Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie (ARGB).
1905 war Alfred Ploetz Initiator der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene.
1933 Eintritt in die NSDAP. Im 1933 von Reichsinnenminister Frick eingesetzten „Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik“ war Alfred Ploetz, neben Ernst Ruedin und Hans F.K. Günther, Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft für Rassenhygiene und Rassenpolitik“ (AG II). Dieser Sachverständigenbeirat hatte die Aufgabe, alle Gesetzesentwürfe vor ihrer Beschlussfassung auf ihre bevölkerungs- und rassenpolitischen Auswirkungen und auf Fragen der politischen Durchsetzbarkeit hin zu prüfen.
1936 wurde er von Adolf Hitler zum Professor ernannt.
Wirken
In seinem Buch Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen (1895) entwarf er das Bild einer Gesellschaft, in der die rassenhygienischen Ideen zur Anwendung kommen. Prüfungen der moralischen und intellektuellen Fähigkeiten entscheiden über Heiratsmöglichkeiten und die erlaubte Kinderzahl und können auch ein Verbot der Fortpflanzung nach sich ziehen. Unerlaubt gezeugte Kinder werden abgetrieben, Kranke und Schwache, Zwillinge und Kinder, deren Eltern nach Ploetz Ansicht zu alt oder jung sind, werden "ausgemerzt". Ob Ploetz dies als Warnung beschreibt oder als gewünschten Zustand, ist nicht eindeutig.
Der "nordischen Rasse" räumte Ploetz einen besonderen Stellenwert ein. Seine Schriften übten einen starken Einfluss auf die nationalsozialistische Rassenlehre aus (vgl. Vordenker des Nationalsozialismus).
Die spätere Verbindung der Rassenhygiene mit dem Antisemitismus war von Ploetz selbst aber noch keineswegs angelegt. So rühmte er angesichts der ersten antisemitischen Wahlerfolge 1893 sogar die Qualitäten der "jüdischen Rasse" und kritisierte den Antisemitismus: "Die hohe Befähigung der Juden und ihre hervorragende Rolle in dem Entwicklungsprocess der Menschheit muss angesichts der Namen Jesus, Spinoza, Marx ohne Weiteres mit Freude anerkannt werden... Der ganze Antisemitismus ist ein Schlag in's Wasser, dessen Wellenkreise in der Fluth der naturwissenschaftlichen Erkenntniss und der humanen Demokratie langsam vergehen werden." [5]
Allerdings bescheinigte der Rassenhygieniker Otmar Freiherr von Verschuer 1940 Ploetz, mit „innerer Anteilnahme und Begeisterung (...) die nationalsozialistische Bewegung miterlebt und das Werk des Führers bewundert“ zu haben. Sein Schwager, Ernst Ruedin, engagierter Nationalsozialist und Ploetz nahestehend, würdigte ihn als einen Mann, „der durch seine verdienstvollen Leistungen beigetragen hat zum Aufbau unserer nationalsozialistischen Weltanschauung“.
Quellen
- ↑ Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Thieme Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-13-716901-1, S. 59
- ↑ Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Thieme Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-13-716901-1, S. 68
- ↑ Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Thieme Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-13-716901-1, S. 61
- ↑ Gerhart Hauptmann: Sämtliche Werke. Centenarausgabe. Band VII: Autobiographisches., Berlin, Propyläen Verlag 1962, S. 1065
- ↑ Die Tüchtigkeit unsrer Rasse und der Schutz der Schwachen, S. 141 und 142; zitiert nach Massimo Ferari Zumbini: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des Antisemitismus: Von der Bismarckzeit zu Hitler, Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2003, ISBN 3-465-03222-5, S.406
Schriften
- Die Vorgänge in den Froschhoden unter dem Einfluss der Jahreszeit: Vergleich von Rana temporaria und esculenta, Inaugural-Dissertation Zürich, Univ., Diss., 1890, Veit Verlag, Leipzig 1890 (Archiv für Anatomie und Physiologie, Suppl., 1890)
- Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen: ein Versuch über Rassenhygiene und ihr Verhältnis zu den humanen Idealen, besonders zum Socialismus, Bd. 1 der Reihe "Grundlinien einer Rassen-Hygiene", 240 Seiten, Fischer Verlag, Berlin 1895
- Grundlinien einer Rassen-Hygiene, Fischer Verlag, Berlin o.J.
- Ziele und Aufgaben der Rassenhygiene, Vieweg Verlag, Braunschweig 1911 (=Sonderdr. aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, Bd. 43,1)
- Die Bedeutung der Frühehe für die Volkserneuerung nach dem Kriege, Serie "Zur Erhaltung, und Mehrung der Volkskraft, S. 77 - 87, Verlag J. F. Lehmann 1918
- Sozialanthropologie, B. G. Teubner Verlag, Leipzig 1923
- Volksaufartung. Erbkunde. Eheberatung, 1930
Festschrift
- Die unehelich Geborenen, ein empfindlicher Wertmesser für die sittliche Kraft unseres Volkes, Gefeiert: Alfred Ploetz, 162 Seiten, Lehmann Verlag, München 1942 (Schriftenreihe: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie einschließlich Rassen- und Gesellschaftshygiene, 36)
Literatur
- Peter Emil Becker: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke, Wege ins Dritte Reich, Bd. 2, X, 644 S., Thieme Verlag, Stuttgart 1990 ISBN 3-13-736901-0
- Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, IX, 403 S., Thieme Verlag, Stuttgart 1988 ISBN 3-13-716901-1 (Kap. Alfred Ploetz, S. 57-137)
- Stefan Breuer: Ordnungen der Ungleichheit - die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871-1945, 424 S., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001 (Kapitel "Blut" S.47-76, insbesondere der Abschnitt "Rassenhygieniker" S.61 ff.) ISBN 3-534-15575-0
- Bernhard vom Brocke: Bevölkerungswissenschaft - quo vadis?. Möglichkeiten und Probleme einer Geschichte der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland, 454 S., Leske + Budrich, Opladen 1998 ISBN 3-8100-2070-2
- Peter Weingart, Jürgen Kroll, Kurt Bayertz: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, 3. Auflage, 746 S., Frankfurt a.M. 2001 ISBN 3-518-28622-6
Personendaten | |
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NAME | Ploetz, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Arzt und Eugeniker |
GEBURTSDATUM | 22. August 1860 |
GEBURTSORT | Swinemünde |
STERBEDATUM | 20. März 1940 |
STERBEORT | Herrsching am Ammersee |