Getreide bilden die Nahrungsgrundlage eines Großteils der Menschheit. Sie sind entweder Grundnahrungsmittel (Reis, Weizen, Mais), oder werden als Viehfutter genutzt (Gerste, Mais). Die Bezeichnung „Getreide“ gibt es nur in der Einzahl.

Getreide im engeren Sinne sind Zuchtformen von Süßgräsern (Poaceae). Den Ursprung des landwirtschaftlichen Anbaus vieler Getreidegattungen kann man nicht mehr nachvollziehen. Getreideanbau wird im Nahen Osten agrageschichtlich belegt bereits seit mehr als 10.000 Jahren praktiziert, in Mittel- und Westeuropa fand er vor etwa 5000 Jahren in Neolithische Revolution Verbreitung.
Gattungen und ihre Verbreitungsgebiete
- Weizen, Hauptgetreide in gemäßigten Zonen
- Roggen, bedeutsam in kalten Regionen
- Gerste, auf Böden angebaut, die zu arm für den Weizenanbau sind, vor allem zur Malzherstellung und als Tierfutter
- Reis, Hauptgetreide in tropischen Zonen
- Mais, Grundnahrungsmittel der Völker Nord- und Südamerikas und Afrikas, weltweit als Tierfutter verbreitet
- Hirse, eine Gruppe von ähnlichen Getreidegattungen, die große Bedeutung für die Ernährung in Asien und Afrika haben
- Hafer, früher Grundnahrungsmittel in Schottland, heute weltweit als Tierfutter verbreitet
- Triticale, bedeutsam in kalten Regionen
- Wildreis, wächst in kleinen Mengen in den USA
- Kamut, Aus Ägypten stammender Vorfahr von Hartweizen. Sehr nährstoffreich. Wird vorwiegend in Nordamerika und Südeuropa angebaut
Aussaat
Aussaat- und Erntezeitpunkt hängen stark von den Klimabedingungen und der Höhenlage des Anbaugebietes ab. Es gibt typische Früherntegebiete (z. B. die Niederrheinebene oder das Bauland) und Späterntegebiete (z. B. die schwäbische Alb)
Wintergetreide
benötigt eine Frostperiode als Vegetationsruhephase. Es wird daher ab September gesät und dann – wie auch das Sommergetreide – ab Juli des nächsten Jahres geernet. Winterroggen, Winterweizen, Wintergerste, Wintertriticale und Winterhafer sind im mitteleuropäischen Raum die bedeutendsten Arten.
Sommergetreide
benötigt im Gegensatz zum „Wintergetreide“ nur ca. ein halbes Jahr, bis es erntereif ist, es wird ab März gesät und ab Juli geerntet. Hafer, Mais und Sommergerste sind im mitteleuropäischen Raum die bedeutendsten Arten. Untergeordnete Rollen spielen Sommerroggen und Sommerweizen.
Sorten
In Deutschland müssen Getreidesorten vom Bundessortenamt zugelassen werden. Folgende Anzahl von Getreidesorten war 2004 bei den verschiedenen Getreidegattungen zugelassen:
Getreideart | Anzahl |
---|---|
Winterweichweizen | 108 |
Sommergerste | 50 |
Wintergerste | 42 (zweizeilig) |
Hafer | 37 |
Wintergerste | 36 (mehrzeilig) |
Winterroggen | 35 |
Wintertriticale | 25 |
Sommerweichweizen | 16 |
Begrannung
Folgender Merksatz erleichtert die Unterscheidung der weit verbreiteten und ziemlich ähnlichen Getreidesorten:
Krankheiten
- Mehltau; Echter Mehltau mit Ähren- oder Blattbefall; Erreger des Ährenmehltaus ist Erysiphe graminis DC
- Mutterkorn; Erreger ist Claviceps purpurea
- Rostkrankheiten:
- Schwarzrost; Erreger ist der Schwarzrostpilz (Puccinia graminis)
- Braunrost; Erreger ist der Braunrostpilz (Puccinia recondita)
- Gelbrost (auch Streifenrost genannt); Erreger ist der Gelbrostpilz (Puccinia striiformis)
- Blatt- und Spelzenbräune; Erreger ist Septoria nodorum
- Fusariosen; Erreger sind z. B. (Fusarium graminearum, Fusarium culmorum, Fusarium avenaceum und andere Arten
- Halmbruchkrankheit; Erreger ist Pseudocercosporella herpotrichoides
- Getreidebrand:
- Stein- oder Stinkbrand; Erreger ist Tilletia caries
- Zwergsteinbrand; Erreger ist Tilletia controversa
Unkraut
Es gibt einige sehr giftige Unkrautsamen, die sich kaum vom echten Getreide unterscheiden. Ein Beispiel ist der sehr giftige Taumellolch (Lolium temulentum), der dem Weizen bis zur Reife sehr ähnlich ist, sich aber dann wegen seiner kleineren schwarzen Samen leicht vom Weizen unterscheiden lässt. Wenn Taumellolchsamen unter die Weizenkörner geraten, kann der Genuss des Mehls ernste Folgen haben. Man hat Benommenheit und sogar tödliche Vergiftungen auf den Genuss von Brot zurückgeführt, das zuviel Taumellolchmehl enthielt. Die Giftigkeit der Taumellolchsamen wird gewöhnlich einem in ihnen wachsenden Pilz zugeschrieben.
Pseudogetreide (Pseudozerealien)
Andere Pflanzensamen, so genannte Körnerfrüchte, die ähnlich wie die eigentlichen Getreide verwendet werden (können), sind botanisch gesehen keine Gräser. Sie sind meist auch sehr stärke- und mineralstoffreich. Ein wichtiger Unterschied: Sie besitzen kein Klebereiweiß (Gluten), daher sind sie nicht zum Brotbacken geeignet – von Fladenbrot abgesehen. Das macht sie aber andererseits zu einer idealen Diätnahrung für Menschen, die an Zöliakie leiden.
Die wichtigsten Arten sind:
- Amarant (Amaranthus), Familie: Fuchsschwanzgewächse
- Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Familie: Knöterichgewächse
- Quinoa (Chenopodium quinoa, Familie: Fuchsschwanzgewächse, auch "Reismelde", "Inkakorn" oder "Perureis")
Buchweizen wird traditionell hauptsächlich in China, Russland und in Kanada angebaut, Quinoa und Amarant in Mittel- und Südamerika, sie werden hauptsächlich in der Reformernährung und Vollwertküche verwendet.
Unbedeutend, bzw. rechtlich umstritten:
- Tigerlotus (Nymphaea lotus) Bado, Ägyptische Lotosblume, Ägyptische Bohne, Familie: Seerosengewächse
- Nutz-Hanf (Cannabis sativa) Familie: Hanfgewächse
Getreideprodukte
- Spirituosen (Kornbrand, Whisky)
- Getreideflocken, beispielsweise Gerste-, Hafer-, Hirse-, Mais-, Reis-, Weizenflocken
- Getreidekaffee, auch: Malzkaffee aus Gerste, Roggen, Weizen, Dinkel
- Getreidekeime, Getreidesprossen
- Getreidemahlerzeugnisse, wie beispielsweise Mehl, Dunst, Grieß, Schrot (siehe aber Schrot und Korn), Kleie
- Getreidenährmittel
- Getreidekeimöl
- Getreidepufferzeugnisse, wie beispielsweise Puffreis, Popcorn
- Getreidestärke, meist aus Mais, Reis, Weizen gewonnen
- Malz aus Braugerste und daraus Bier
- Verwendung als nachwachsender Rohstoff in der Industrie, wie die Verarbeitung zu Dämmstoffen im Bauwesen , Kraftstoffzusätze auf der Basis von Industriealkohol und als Brennstoff
Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe verschiedener Getreidearten (je 100 g) | ||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
max min | Energie (kJ) | Eiweiß (g) | Fett (g) | Kohlenhydrate (g) | Kalzium (mg) | Eisen (mg) | Kalium (mg) | Magnesium (mg) | Vitamine | |||||
B1 (mg) | B2 (mg) | B6 (mg) | E (mg) | Folsäure (mg) | Niacin (mg) | |||||||||
Dinkel | 1470 | 11,5 | 2,7 | 69,0 | 22 | 4,2 | 447 | 130 | 0,40 | 0,15 | 0,27 | 1,6 | 0,03 | 6,9 |
Gerste | 1430 | 11,0 | 2,1 | 72,0 | 38 | 2,8 | 444 | 119 | 0,43 | 0,18 | 0,56 | 0,67 | 0,065 | 4,8 |
Hafer | 1530 | 12,5 | 7,1 | 63,0 | 79,6 | 5,8 | 355 | 129 | 0,52 | 0,17 | 0,75 | 0,84 | 0,033 | 1,8 |
Hirse | 1510 | 10,5 | 3,9 | 71,0 | 25 | 9,0 | 215 | 170 | 0,46 | 0,14 | 0,75 | 0,1 | 0,01 | 4,8 |
Mais | 1498 | 9,0 | 3,8 | 71,0 | 15 | 1,5 | 330 | 120 | 0,36 | 0,20 | 0,40 | 2,0 | 0,026 | 1,5 |
Reis | 1492 | 7,5 | 2,2 | 75,5 | 23 | 2,6 | 150 | 157 | 0,41 | 0,09 | 0,67 | 0,74 | 0,016 | 5,2 |
Roggen | 1323 | 8,8 | 1,7 | 69,0 | 64 | 5,1 | 530 | 140 | 0,35 | 0,17 | 0,29 | 2,0 | 0,14 | 1,8 |
Weizen | 1342 | 11,5 | 2,0 | 70,0 | 43,7 | 3,3 | 502 | 173 | 0,48 | 0,24 | 0,44 | 1,35 | 0,09 | 5,1 |
Reife und Ernte
Bei Getreide unterscheidet man zwischen folgenden Reifegraden:
- Milchreife (auch Milchwachsreife): aus dem Getreidekorn lässt sich durch Quetschen zwischen Zeigefinger und Daumen eine milchige Flüssigkeit herausdrücken
- Teigreife: die Substanz, die man noch immer herausdrücken kann, ist nicht mehr flüssig, sondern hat eine deutlich festere Konsistenz.
- Gelbreife: Das Getreidekorn ist hart und lässt sich nicht mehr ausdrücken, aber mir guten Zähnen zerbeißen.
- Vollreife: Das Getreidekorn ist reif. Es erfolgt kein weiteres Wachstum.
- Notreife: Vorzeitiges Abreifen durch widrige Umstände - z.B. durch Trockenstress. Wo normalerweise noch weitere Stärke u.a. eingelagert würden, wird nun stattdessen das Korn zu Abreife gebracht, da die Pflanze ausgeprägten Wassermangel hat
Getreideernte 2004 (sortiert nach Getreidemenge weltweit):
Weltgetreideernte
Brotgetreideernte in der BRD 2004
Laut GMF wurden im Jahr 2004 folgende Brotgetreidemengen in Deutschland geerntet:
Getreideverarbeitung
Trocknung
Da Getreide erst ab 14 % Feuchte oder darunter sicher lagerfähig ist, aber meist je nach Witterung mit einer höheren Feuchte gedroschen wird, muss die Feuchte durch Trocknen entzogen werden. Würde die Lagerung zu feucht erfolgen, wären Schimmelbildung oder sogar Selbsterhitzung die Folge. Getreidetrocknung ist sehr energieaufwändig. Da während der Ernte nicht gleich das gesamte angenommene Getreide getrocknet werden kann, werden in vielen Mühlen Getreidepartien vorübergehend auf +7 °C gekühlt, bis sie ebenfalls getrocknet werden können.
Für die Vermahlung sind 14 % Feuchte allerdings zu niedrig, da sonst die Schale bei der Vermahlung zu sehr splittern würde und eine Trennung zwischen Kleie und Mehl schwieriger wird. Daher muss das Getreide dann vor der Vermahlung, in Abhängigkeit von der „Glasigkeit“ des Korns, wieder auf 16–17 % Feuchte aufgenetzt werden.
Lagerung
Üblich sind Silos zur Einlagerung von Getreide, sogenannte Flach- und Hochsilos. Es werden aber auch einfache Lagerhallen (Flachlager) als Zwischenlager verwendet. Die Überwachung und Pflege des Getreides im Lager ist unbedingt erforderlich. Getreide atmet: Das heißt es findet Feuchtigkeitsumverteilung im Getreidekorn statt und zum Teil auch Wasseraustritt – das Getreide „schwitzt“. Dies begünstigt das Wachstum von Mikroorganismen. Zudem sind ca. 40 % einer Siloschüttung Hohlräume. Der Luftzustand dieser Hohlräume bestimmt das „Klima“ der Schüttung. Daher ist eine ständige Überwachung von Feuchtigkeit und Temperatur. Zu den Grundregeln der Lagerhaltung gehört daher die Reinigung des Getreides vor der Einlagerung und ein Luftaustausch im Silo von Zeit zu Zeit. Getreide gilt unter folgenden Bedingungen als lagerfest: Feuchtigkeit unter 14 %, Temperatur unter 20 °C, Besatz unter 1 %.
Vorratsschutz
ist die Verhinderung des Befalls durch Vorratsschädlinge, aber auch deren Bekämpfung, wenn Befall eingetreten ist. Die FAO schätzt die weltweiten Lagerverluste durch tierische Schädlinge in Getreidelagern auf ca. 10–30 %, dies entspricht einem jährlichen Verlust von 180–360 Mio. Tonnen Getreide. In Deutschland dürfte die Verlustrate unter 1 % liegen, in Entwicklungsländern dagegen häufig über 30 %!
Die auftretenden Schäden sind
- Fraßschäden: Gesamtmenge nimmt ab; Selektionsfraß: nur Keimlinge oder Nährgewebe werden angefressen
- Verschmutzung: Kot, Urin, tote Tiere in den Nahrungsmitteln, Spinnfäden, Haare
- Veränderung an den Inhaltsstoffen: Ranzigwerden, Abnahme des Protein- oder Vitamingehaltes
- Folgeschäden: Geruchs- und Geschmacksveränderung, Veränderung der Backeigenschaften, Kosten für Beseitigung und Reinigung
Die häufigsten Vorratsschädlinge sind:
- Insekten
- Nagetiere
Getreidereinigung
Das vom Landwirt in der Mühle angelieferte Rohmaterial ist in aller Regel kein reines Getreide, sondern mit Unkrautsamen, Steinen, Erdklumpen, Metallteilen, Insekten, Fremdgetreide und vielem mehr verunreinigt. Alle Verunreinigungen zusammen nennt der Müller »Besatz«. Man unterscheidet gewöhnlich zwischen Fremdbesatz (Schwarzbesatz) und Kornbesatz.
Die negativen Einflüsse von Besatz sind vielfältig:
- Giftigkeit von Unkrautsamen und Mutterkorn
- Beeinträchtigung von Geruch und Geschmack
- Erhöhung des Mineralstoffgehaltes
- Verschlechterung der Backeigenschaften der Mehle
- Beschädigung von Maschinen, erhöhter Verschleiß
- Erhöhung des erforderlichen Lagervolumens
Die Reinigung erfolgt sequentiell durch verschiedenste Trennmethoden in folgenden Maschinen:
- Siebmaschine
- Dauermagnete
- Aspirateur (Luftsichter)
- Steinausleser
- Trieure
- Scheuermaschine
- Farbsortierer
Vermahlung, Siebung
Die Zerkleinerung erfolgt heute mit der wichtigsten und verbreitetsten Maschine: dem Walzenstuhl. In den Walzenstühlen sind üblicherweise zwei oder vier Walzenpaare untergebracht, die sich gegenläufig mit unterschiedlicher Umfangsgeschwindigkeit drehen. Sie sind entweder als Riffel- oder Glattwalzen ausgeführt. Das bei einem Walzendurchgang entstehende »Haufwerk« wird mittels Plansichter und je nach Granulation unterschiedlich weitergeleitet. Alle kleinen Mehlpartikel (<180 µm) werden sofort als Mehl abgezogen. Das grobe Schrot wird dagegen auf einen weiteren Walzenstuhl geleitet, wo sich der Vorgang wiederholt. Grieße können auf einer Grießputzmaschine gereinigt werden. So können sich noch weitere 8–10 Vermahlungen und Siebungen anschließen. Den Durchgang durch einen Walzenstuhl und einen Plansichter nennt man »Passage«.
Mischen, Verladen, Absacken
Durch das Mischen in Mischmaschinen kann der Müller verschiedene Passagenmehle zu einem Typenmehl zusammenmischen, das der DIN-Norm entspricht. Dabei können auch unterschiedliche Backqualitäten ausgeglichen werden. Die heutigen Mehlsilozellen sind elektronisch durch Füllstandmelder überwacht. Die fertigen Mehle kommen in ein Lose-Verladesystem. Die übliche Form der Auslieferung ist die Tankwagenbefüllung. Beim Bäcker wird das Mehl aus dem Tankwagen mit Druckluft in die Mehlsilozellen geblasen. Nur noch Spezialprodukte oder Mehle für sehr kleine Bäckereien werden in Säcke abgepackt. Viele Großmühlen verfügen heute auch über Kleinpackungsanlagen, auf denen 1–5-kg-Packungen abgepackt und für den Einzelhandel fertig palettiert werden.
Literatur
- Walter Aufhammer: Rohstoff Getreide. 131 Tabellen. Ulmer, Stuttgart 2003, ISBN 3-8001-4194-9
- Burghard Kirsch, Alois Odenthal: Fachkunde Müllereitechnologie. Werkstoffkunde. Ein Lehrbuch über die Zusammensetzung, Untersuchung, Bewertung und Verwendung von Getreide und Getreideprodukten. 5. Auflage. Bayerischer Müllerbund, München 2003, ISBN 3-9801688-5-9
- Hansjörg Küster, Nicolette Waechter (Hrsg.): Korn. Kulturgeschichte des Getreides. Pustet, Salzburg und München 1999, ISBN 3-7025-0404-4
- Loren Cordain: Das Getreide. Zweischneidiges Schwert der Menschheit. Unser täglich' Brot macht satt, aber krank. Ernährung mit Getreideprodukten kann die Gesundheit ruinieren. Novagenics, Arnsberg 2004, ISBN 3-929002-35-3
- Wilfried Seibel (Hrsg.): Warenkunde Getreide. Inhaltsstoffe, Analytik, Reinigung, Trocknung, Lagerung, Vermarktung, Verarbeitung. Agrimedia, Bergen/Dumme 2005, ISBN 3-86037-257-2